„Die Attraktivität Deutschlands für Fachkräfte aus dem Ausland: Wieso ist sie wichtig und wie kann sie gesteigert werden?“ Fachkongress Sozialwirtschaft International „Realitäten des Fachkräftebedarfs – Strategien und Erfahrungen“ Stuttgart, 9. Dezember 2015 Dr. Matthias M. Mayer Was sind Fachkräfte? Hochqualifizierte Personen mit Hochschulabschluss Qualifizierte Personen mit Berufsausbildung 09.12.2015 2 Fachkräfteeinwanderung bietet Chancen und hilft uns, mit einigen ökonomischen Herausforderungen umzugehen Generell positiv Gut gestaltete Fachkräfteeinwanderung ist eine Quelle für Innovationen und Arbeitsplätze sowie Ursprung bereichernder Vielfalt Kurzfristige Engpässe Engpässe in bestimmten Regionen und Berufen Wegen Informations- und Suchkosten sowie Lücken zwischen Angebot und Nachfrage = Mismatch Demographi sche Entwicklung Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials Wenn Babyboomer-Generation in ca. 15 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheidet wird das Erwerbspersonenpotenzial abrupt sehr stark zurückgehen 09.12.2015 3 Ohne Einwanderung und bei konstanten Erwerbsquoten würde das Erwerbspersonenpotenzial (Erwerbstätige, Erwerbslose und Stille Reserve) bis 2050 von 45 Millionen auf unter 29 Millionen zurückgehen Quelle: Fuchs et al. (2015) 09.12.2015 4 Ein (stark) sinkendes Erwerbspersonenpotenzial ist eine große Herausforderung Drohende wirtschaftlicher Stagnation Wenn Arbeitskräfte fehlen, verlagern Betriebe ihre Produktion ins Ausland, verringern die Produktion oder schließen. Weniger Beschäftigte müssen sonstige staatliche Ausgaben, wie z.B. Infrastruktur, finanzieren. Sinkendes Erwerbspers onenpotenzial Sonstige Ausgaben wie z.B. Infrastruktur 09.12.2015 Finanzierung der sozialen Sicherung Weniger Beschäftigte müssen steigende Ausgaben für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung schultern. Bei Renteneintritt der Generation der Babyboomer droht das Erwerbspersonenpotenzial schlagartig um mehrere Millionen zu sinken. Demographischer Klippensprung 5 Einwanderung muss also Teil einer abgestimmten Strategie zur Fachkräftesicherung sein, die auch die bessere Nutzung der Potenziale im Inland beinhaltet (Frauen, Ältere, Arbeitslose) 09.12.2015 6 Die Debatte über Migration wird momentan von der Flüchtlingssituation dominiert 09.12.2015 7 Asylanträge in Deutschland sind 2015 drastisch gestiegen Quelle: BAMF 09.12.2015 8 Ist Erwerbseinwanderung durch den hohen Flüchtlingsstrom obsolet geworden? 09.12.2015 9 Nein 09.12.2015 10 Flüchtlingseinwanderung ist nicht die Lösung unserer demographischen Probleme Humanitäre Kriterien Schutzbedürftige Flüchtlinge müssen nach humanitären Kriterien eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bekommen. Qualifikationen dürfen keine Rolle spielen. Wenige Fachkräfte Unter den Flüchtlingen sind wenige Fachkräfte (IAB-Bericht: weniger als 10% haben Hochschulabschluss und weniger als 10% einen mittleren Berufsabschluss). Nicht steuerbar Die Flüchtlingsströme sind für Deutschland weitestgehend nicht steuerbar. 09.12.2015 11 Kann Einwanderung aus der Europäischen Union Fachkräfteengpässe ausgleichen und die den demographischen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials abfedern? 09.12.2015 12 Gegenwärtig verzeichnen wir eine hohe Einwanderung aus EU-Staaten (Zahlen für 2014) Quelle: BAMF 09.12.2015 13 Die hohe EU-Einwanderung wird allerdings bald abnehmen Experten rechnen bis 2050 mit jährlicher EUNettoeinwanderung von 42.000 bis 70.000 Abhängig von wirtschaftlicher und demographischer Entwicklung Gründe: Wirtschafts- und Finanzkrise wird irgendwann überwunden sein 09.12.2015 14 Rein quantitativ kann EU-Einwanderung den demographischen Wandel nicht ausgleichen und die Bedeutung der Fachkräfteeinwanderung aus Nicht-EU-Staaten wird künftig zunehmen 09.12.2015 15 Eine gezielte Erwerbseinwanderung ist also weiterhin ein integraler Bestandteil der Fachkräftesicherung in Deutschland Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Fachkräfteeinwanderung setzt das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), ergänzt durch die Beschäftigungsverordnung (BeschV) 09.12.2015 16 Das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sieht mehrere Aufenthaltstitel für die Fachkräfteeinwanderung vor 09.12.2015 § 18 Abs. 4 AufenthG Qualifizierte Beschäftigung § 19 AufenthG Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte § 19a AufenthG Blaue Karte EU, Regelberufe bzw. Mangelberufe § 20 AufenthG Forschung § 21 AufenthG Selbständige Tätigkeit 17 Zudem gibt es drei Aufenthaltstitel für Fachkräfte zur Arbeitsplatzsuche 09.12.2015 § 18c AufenthG Personen mit einem deutschen oder einem vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss können einen für sechs Monate gültigen Aufenthaltstitel erhalten, um eine angemessene Beschäftigung zu finden. Lebensunterhalt muss gesichert sein. § 16 Abs. 4 AufenthG Absolventen deutscher Hochschulen haben 18 Monate Zeit, nach Studienabschluss eine ihren Qualifikationen angemessene Beschäftigung zu finden. Lebensunterhalt muss gesichert sein. § 17 Abs. 3 AufenthG Absolventen einer Berufsausbildung in Deutschland haben 12 Monate Zeit, nach Abschluss eine ihren Qualifikationen angemessene Beschäftigung zu finden. Lebensunterhalt muss gesichert sein. 18 Fachkräfteeinwanderung macht nur einen geringen Teil der Gesamtzuzüge aus Nicht-EU-Staaten aus, im Jahr 2013 nur knapp 7 % Quelle: BAMF; eigene Berechnungen 09.12.2015 19 Zuzugszahlen von Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten sind mit ca. 27.000 im Jahr 2014 nicht sehr hoch 09.12.2015 20 Im Jahr 2014 sind ca. 27.000 Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten über die entsprechenden Aufenthaltstitel eingereist § 18 Abs. 4 AufenthG § 19 AufenthG § 19a AufenthG § 20 AufenthG § 21 AufenthG insgesamt 19.515 31 5.378 397 1.781 27.102 Zahl ist nicht sehr hoch in Anbetracht der demographischen Herausforderungen 09.12.2015 21 Entscheidungsgründe für Hochqualifizierte Quelle: Bertelsmann Stiftung/Migration Policy Institute 09.12.2015 22 Wieso kommen nicht mehr Fachkräfte nach Deutschland? Unübersichtliche Einwanderungsregeln Daueraufenthalt und Staatsbürgerschaft sind verhältnismäßig schwierig zu erlangen Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen zögern oft, Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen, z.B. wegen Besonderheiten des deutschen Ausbildungssystems großem Fokus auf Sprachkenntnisse der deutschen Sprache 09.12.2015 23 Chance Einwanderung: Verbesserungen der bestehenden Rahmenbedingungen durch ein mögliches Einwanderungsgesetz (1) Bestehenden Einwanderungsmöglichkeiten neuordnen und vereinfachen Arbeitgeber- und humankapitalbasierte Einwanderungsmöglichkeiten verbinden (z.B. Ausbau von Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche) Einfachen Daueraufenthalt und Staatsangehörigkeit Effektivität durch flankierende Maßnahmen steigern 09.12.2015 24 Chance Einwanderung: Verbesserungen der bestehenden Rahmenbedingungen durch ein mögliches Einwanderungsgesetz (2) Strukturell verankerte Willkommens- und Anerkennungskultur, d.h. einheitliches System von zentralisierten Dienstleistungen Interessen der Herkunftsländer mitberücksichtigen (z.B. bilaterale Kooperationen) Inländische Bevölkerung miteinbeziehen 09.12.2015 25 Fazit Fachkräfteeinwanderung aus nicht EU-Staaten wird an Bedeutung gewinnen Flüchtlingszuwanderung darf nicht als Lösung der demographischen Probleme gesehen werden Um die gegenwärtig recht geringe Fachkräfteeinwanderung zu steigern muss Deutschland seine Attraktivität erhöhen Dazu bedarf es weiterer Reformen in der Einwanderungssteuerung nach Deutschland 09.12.2015 26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Matthias M. Mayer Project Manager Bertelsmann Stiftung [email protected] www.bertelsmann-stiftung.de
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