66 ZUCHT Siglavy-Stamm - Hippo - Logos Schriften über das Pferd

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ZUCHT Siglavy-Stamm
Der Araberhengst Kuhaylan Zaid Sokol aus der Zucht des
Dario Bosniak in Cadjavica – ein Sohn des 740 Kuhaylan Zaid
aus einer bosnischen Mutter, der Stute 56 Hamdani IV
pferderevue 10 | 2011
Siglavy-Stamm ZUCHT Totgeglaubte leben länger
Der berühmte Siglavy-Stamm des Shagya-Arabers gilt als ausgestorben – zu Unrecht, wie sich jüngst
herausstellte. Thomas Druml und Gertrud Grilz-Seger zeichnen die wechselhafte Geschichte des
bosnischen Gestüts Borike, wo die letzten Vertreter des hochqualitativen Siglavy-Stammes heute leben,
und erklären deren Bedeutung als wertvoller Genpool.
S
arajevo ist 800 Kilometer von Wien
entfernt. Dass Distanz keineswegs
nur eine geografische Kategorie ist,
dämmert einem spätestens dann, wenn
man als Zieldestination Bosnien angibt und
befremdetes Staunen erntet. Denn nach
wie vor ist Bosnien Herzegowina für die
allermeisten Terra incognita. Nur zaghaft
wagt sich der Blick über den Tellerrand hinaus, und Wissenschaftler, Kulturhistoriker und Naturfilmer erkennen den ungeheuren Schatz, der sich in den Schluchten
und Tälern des „wilden Balkans“ erhalten
konnte. Und so wird sich Europa erst ganz
langsam der atemberaubenden Naturschönheiten, der kulturellen Kleinode und
des bedeutenden hippologischen Erbes
dieses südosteuropäischen Gebirgslandes
bewusst. Und nur so konnte es geschehen,
dass selbst in Fachkreisen Bosnien und
Herzegowina und dessen einzigartige Pferdezucht in Vergessenheit gerieten und
noch heute Verwunderung, gepaart mit
Ungläubigkeit, als Reaktion auf Meldungen aus dieser vom Rest der Welt abgeschnittenen Enklave vorherrscht. Dabei
hat das Land mit dem Bosnischen Gebirgspferd und dem Bosnischen Araber gleich
zwei Pferderassen von vormals europäischer Geltung
vorzuweisen.
einer weiten Öffentlichkeit … geschildert
zu werden.“ Wir schließen uns in diesem
Artikel völlig seiner Meinung an und berichten heute, ein Menschenleben später,
über eine außerordentliche Zuchtstätte des
arabischen Pferdes – das Gestüt Borike.
Außerordentlich deswegen, weil seine
wechselvolle Geschichte so dramatisch war
wie kaum eine andere, weil es eine der letzten Anknüpfungspunkte an die Syrische
Araberzucht vor deren Zusammenbruch
ist, weil es, beschützt von einigen wenigen,
wohlbedacht in das neue Jahrtausend geleitet wurde, und weil es – nach wie vor vergessen, verkannt und verleugnet – noch
immer existiert.
Den Ursprung der Araber-Gestütszucht
hat Bosnien der Okkupation durch Österreich-Ungarn zu verdanken. Um die durch
die Kriegshandlungen und den Einmarsch
der Österreicher verursachte Schwächung
und Schädigung der bosnischen Pferdezucht wiedergutzumachen, überließ Kaiser
Franz Joseph den Bosniern im Jahr 1884
fünf Hengste aus dem Hofgestüt Lipizza:
die Araber Koheylan Adjouz, Massaud, Massaud Son und die zwei Lipizzaner Pluto Canina und Pluto Bionda. Dies war einer der
ersten Schritte zum Wiederaufbau der Infrastruktur des Landes, dem unter zögerlicher Zustimmung der zunächst feindselig
gesinnten Bevölkerung viele weitere folgten. Die Österreicher bauten binnen kürzester Zeit Deckstationen, stampften
Hengstdepots aus dem Boden, sie kauften
arabische Beschäler und Stuten aus dem
ungarischen Staatsgestüt Bábolna, unternahmen mehrere Ankaufsexpeditionen
nach Syrien, um Hengste und Stuten bester
Qualität zu erwerben – Maßnahmen, um
entsprechende Vatertiere der bosnischen
Landespferdezucht zur Verfügung zu stellen. 1895 wurde Mrkonjicevo, das erste
Staatsgestüt, gegründet. Zunächst in Sarajevo-Butimir, dann in Livno untergebracht,
übersiedelte es 1899 in die neu errichtete
Anlage Goražde. Bei Ausbruch des Ersten
Weltkriegs wurde das Gestüt nach Modriča
evakuiert, und 1919 der gesamte Pferdebestand wieder aufgeteilt: Ein Teil verblieb
bis 1923 in den verwüsteten Stallungen von
Goražde und kam dann auf die Rennbahn
Butimir bei Sarajevo, der andere Teil wurde
am Hochplateau bei Rogatica untergebracht. Als 1930 die Holzstallungen in Borike fertiggestellt waren, konnten beide
FOTO: GERTRUD GRILZ-SEGER
Herden wieder zusammengeführt werden.
Der Genpool
FOTO LINKS: THOMAS DRUML
Ein verstecktes Juwel
Schon 1938 erkannte Gustav
Rau den ungeheuren Wert
des Bosnischen Araberpferdes und ließ sich in einem Artikel im St. Georg zu folgender Einleitung hinreißen:
„Man findet in Bosnien tief in
den Bergen und ziemlich abgelegen von der Welt eine
außerordentlich wertvolle,
sorgsam behütete Quelle arabischen Blutes, die wert ist,
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Ein Stećak, ein bogumilischer
Grabstein aus dem Spätmittelalter, gefunden in Osovo,
in der Nähe von Rogatica.
Pferde, insbesondere orienta­lische Pferde spielten in
Bosnien allzeit eine große Rolle.
Die Zuchtbasis von Borike/
Goražde bildeten drei verschiedene Genpools: Die erste Grundlage (1897–1914)
waren Ankäufe von Original
Arabern. Darunter wirkten
folgende Hengste als Beschäler: Koheylan Abu Argub, Massud, (bis 1897); Managhie
Sbaali, Simhan, Ferhan en
Nedjd, O’Bajan es Sheraki
(1898–1905); O’Bajan es Sheraki, Shehun, Meshun, El 
67
68
Von oben nach unten:
Der Hauptbeschäler des
Siglavystamms in Borike, der
Hengst 93 Siglavy XIX, geb.
2002 a. d. 650 O’Bajan.
ZUCHT Siglavy-Stamm
Der Hauptbeschäler des
Gazal-Stammes, 89 Gazal X,
geb. 1995 a. d. 580
O’Bajan XVII.
Der Vertreter des
Lenkoran-Stammes,
86 Lenkoran XI, geb. 1989
a. d. 580 O’Bajan XVII.
Osmanische Gräber aus dem
17. Jahrhundert am Hochplateau des
Veležgebirge der Dinariden. Der Legende
nach liegt hier eine osmanische Hochzeitsgesellschaft, die im Sommer von einem
Schneesturm überrascht wurde.
Hafi, Gazal (1906–1914). Auf die Importe in
dieser Zeit sind folgende Stutenfamilien
zurückzuführen: Kefija, Kadina, Alka, En
Nasira, Shita, Siglavy, El Hafi.
Der zweite Genpool ging auf Ankäufe
zwischen 1885 und 1938 aus dem ungarischen Staatsgestüt Bábolna zurück. Damit
wurden die Hengststämme Siglavy (durch
den Hengst 14 Siglavy V-15, geb. 1905 Bab.,
gekauft 1908) und Kuhaylan Zaid (durch
die Hengste 46 Kuhaylan Zaid I, geb. 1934,
und 47 Kuhaylan Zaid II, geb. 1934, 1938
gegen den in Borike gezogenen Hengst 29
Siglavy III, geb. 1922, später in Bábolna Siglavy VI umbenannt, getauscht) in der bosnischen Araberzucht etabliert. Auf Ankäufe
aus Bábolna gehen folgende Boriker Stutenfamilien zurück: Luna (mit 5 Zarif I, gekauft 1895), Hamdani (mit 36 Hamdani
Semri I, gekauft 1906), Fatinica (mit 8 Zarif
Bagdadi, gekauft 1896), O’Bajan (mit 35
O’Bajan, gekauft 1896).
Der dritte Genpool bestand aus zwei
polnischen Hengststämmen des Gestüts
Gumnisca bei Slawuta von Fürst Sangusko,
die über die Hengste 24 Lenkoran (gekauft
1913) und 17 Ilderim (gekauft 1914) in die
bosnische Araberzucht eingegliedert wurden. Weiters wurde mit den Radautzer
Hengsten 19 Shagya X-13 und 32 Amurath
Shagya ein kurzer Zuchtversuch durchgeführt, der jedoch aufgrund zu starken Kali-
bers in der Nachkommenschaft wieder auf- einen wohlüberlegten Neustart. Es gelang
gegeben wurde.
ihm, die Hengststämme Siglavy, Gazal,
Soviel zur genetischen Basis.
Lenkoran, Kuhaylan Zaid und Ilderim zu
erhalten, und auch bei den Stuten konnte
Idealisten
er das beste Material vor dem VerschwinAls gegen Ende des Zweiten Weltkriegs das den schützen. Folgende Familien wurden
Arabergestüt niederbrannte und der Groß- weitergeführt: Hamdani (Bábolna), El Hafi
teil des Zuchtmaterials verloren ging, (Org. Araber), Kefija (Org. Araber), Kadina
schien die Araberzucht in Bosnien beendet. (Org. Araber), O’Bajan (Bábolna), Luna
Es kam jedoch anders. Von der Titoregie- (Bábolna), En Nasira (Org. Araber), Fatinirung wurden anfangs immense Anstren- ca (Bábolna) und Darinka (Innocenzdvor/
gungen betrieben, um Jugoslawien auf Weil)* (siehe Kasten auf Seite 71). Unterstüteigenständige wirtschaftliche und militäri- zung erhielt Fahrudin Hrasnica durch den
sche Beine zu stellen. 1946 steht Bosnien jungen und engagierten Tierzuchtstudenganz im Zeichen der Pferde: In Prnjavor, ten Refik Telalbašić, der 1965 bei Hrasnica
80 Kilometer von Banja Luka entfernt, promovierte und später die Leitung des
wurde das Lipizzanergestüt Vućijak ge- bosnischen Pferdezuchtwesens und den
gründet, in Han Pijesak, 50 Kilometer von Lehrstuhl für Tierzucht in Sarajevo überRogatica, wurde ein Militärgestüt für die nahm. Beide engagierten sich über das norProduktion von Tragtieren aus der Wiege male Maß hinaus für ihre bosnischen Pfergehoben, und in Borike baute man die zer- de und kämpften mitunter mit enormem
störten Stallungen wieder auf. Der ur- persönlichen Einsatz für den Fortbestand
sprüngliche Pferdebestand von Borike war des Bosnischen Arabers und des Bosnizerstreut und überaltert – die Weiterfüh- schen Gebirgspferdes. Telalbašić, heute
rung der Zucht schien sinnlos. Ein Mann über 80 Jahre alt, ist nach wie vor an vorjedoch war anderer Meinung und machte derster Front zu finden, und er verliert keisich auf den Weg, den verschlungenen Pfa- ne Minute, um seine schützende Hand für
den der bosnischen Araber durch die die ihm sein Leben lang anvertrauten Pferschwierigen letzten Jahre nachzuspüren – de zu erheben. Aber auch er musste mitDr. Fahrudin Hrasnica.
erleben, wie der Krieg 1992 ins Land zog
Hrasnica rekonstruierte die Zuchtherde und an den Grundpfeilern des Lebens rütund wagte mit den teilweise alten Pferden telte. Die staatliche Organisation brach
* Dr. Heinrich Lehrner, der ehemalige Gestütsdirektor von Piber, verbrachte seine Kindheit im kroatischen Gestüt Innocenzdvor
an der kroatisch-serbischen Grenze und sammelte hier seine ersten hippologischen Erfahrungen.
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Siglavy-Stamm ZUCHT FOTOS: THOMAS DRUML
vollständig zusammen, wie durch ein Wunder wurde das Gestüt Borike und seine
Pferde verschont, und obwohl Telalbašić
durch die Front und die spätere Grenze zur
Republika Srpska von seinen Pferden getrennt war, gelang es ihm, eine Brücke über
die neue, durch ethnische Säuberungen gezogene Kluft zu schlagen. So sorgt er weiterhin für das Wohl „seiner“ Pferde.
Eine hippologisch Sensation
Das kleine Gestüt Borike, von der Welt
spätestens seit 1992 vergessen, birgt heute
eine hippologische Sensation – die letzten
Vertreter des hochqualitativen SiglavyStammes des Shagya-Arabers. Dieser
Hengststamm gilt als ausgestorben, und
obwohl viele der besten Pferde des Shagya-­
Arabers und des Gidrans auf Siglavy-Blut
basierten, gelang es in der internationalen
Shagyazucht nicht, diesen geschätzten
Stamm weiterzuführen. Der legendäre
Hengst Lapis, geb. 1938 in Dušanovo, Leistungsvererber in der Trakehnerzucht, war
ein Siglavy, ein Sohn des 561 Siglavy II-22,
der 1925 in Borike auf die Welt kam.
Aber auch die zahlreichen importierten
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Siglavy­stuten wirkten positiv, wenn nicht
fundamental auf die noch junge internationalisierte Shagyazucht. So führte beispielsweise der Ausnahmehengst Shagal in der
zweiten Generation Siglavy-Blut, und auch
der O’Bajan-Stamm in Bábolna konnte
durch Siglavystuten gerettet werden.
Den Siglavy-Hengststamm gibt es sowohl beim Lipizzaner als auch beim Shagya-Araber, und bei beiden Rassen ist er
auf den Originalaraber Siglavy, geb. 1810,
der durch Fürst Schwarzenberg importiert wurde, zurückzuführen. Seine größte
Bedeutung in der Araberrasse hatte dieser
Stamm im Staatsgestüt Radautz, von wo er
über den Hengst Siglavy XXXVII-9 Eingang
ins ungarische Staatsgestüt Bábolna fand. Es
ist eine Ironie des Schicksals, dass dieser
Stamm in Bábolna mit Siglavy V, geb. 1897
(deckte 1903–1913), ausstarb, von dem sich
Gustav Rau bei seinen hippologischen Wanderungen im Jahr 1909 Großes erwartete:
„Der beste der Halbbluthengste ist Siglavy
V, schwarz, 1897 in Bábolna gezogen, 163
(Stockmaß 151) Zentimeter hoch. Das ist ein
Haupthengst, dessen ausgezeichnete Ver- Prof. Refik Telalbašić (li.) bei einem Besuch im ehemaligen
erbung einem bei Besichtigung der Jahr-  Militärgestüt Han Pjiesak in der Republika Srpska
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ZUCHT Siglavy-Stamm
70
Bosnische Gebirgsstuten vor dem Stutenstall in Borike – die Stallungen in Borike
wurden von Anbeginn an in Blockbauweise aus Holz gefertig.
gänge immer wieder auffällt.“ Der Hengst
wurde jedoch 1913 ausgemustert und hinterließ in Bábolna keinen Nachfolger. Stamm­
erhalter wurde damit das junge bosnische
Staatsgestüt Goražde, wo 1908 einer seiner
Söhne, der Hengst 14 Siglavy V-15, geb. 1905
in Bábolna, in den Pépinière-Stall wechselte. Seitdem ist das bosnische Arabergestüt
Borike/Goražde der konstante Hüter dieses
Stammes – und es gelang hier, obwohl stets
auf kleinster züchterischer Basis (die Stutenherde schwankte immer um die 30 Stück),
trotz zahlreicher bedrohlicher historischer
Einschnitte und in den letzten 20 Jahren nahezu bar jeglicher finanzieller Mittel diese
wertvolle Genetik der Nachwelt zu erhalten. Im großen ungarischen Gestüt Bábolna
versuchte Tibor v. Pettkó Szandtner diesen
hervorragenden Vaterstamm 1938 mit dem
Boriker Fuchshengst 29 Siglavy III, geb.
1922, wieder nach Ungarn zurückzuholen
und scheiterte aufgrund der Nachkriegsverhältnisse – trotz bester Nachzucht.
Als außerhalb von Bosnien in den späten
1970ern die letzten Siglavy-Hengste von
der Bildfläche verschwanden, ohne männliche Nachzucht aufgestellt zu haben, breitete sich der Mantel des Vergessens über
den Siglavy-Stamm. Und obwohl gleichzeitig viele Stuten aus Borike, Visnjica
(HR) und Karad¯jord¯evo (SER), teilweise
viel Siglavy-Blut führend, nach Europa importiert wurden, hielt die Fachwelt in der
Araberszene starrköpfig an ihren Dünkeln
fest – die, bestärkt durch die Gräuel des
Balkankriegs 1992–1995, bis heute tief in
den Köpfen der Züchter verankert sind.
Vor drei Jahren tauchte erstmals ein weiterer verloren geglaubter Hengststamm bei
einem privaten Züchter in Kroatien auf –
der Stamm Kuhaylan Zaid – und verursachte ziemliche Aufregung in der Araberwelt. Dem aufmerksamen Leser dieser
Zeilen wird nicht entgangen sein, dass zwei
FOTO: THOMAS DRUML
Söhne des 1923 geborenen Originalarabers
Kuhaylan Zaid im Tausch gegen einen Siglavy-Hengst ihren Weg von Bábolna nach
Borike fanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wechselte der Kuhaylan-Zaid-Stamm
von Borike ins Militärgestüt Karad̄jord̄evo,
wo er bis in die 1980er Jahre weitergezüchtet wurde. Zu dieser Zeit war der Stamm in
Ungarn bereits ausgestorben. Im serbischen Gestüt Karad̄jord̄evo wurden mehrere Rassen gezüchtet. Es verfügt heute
über eine englische Vollblutherde, eine Lipizzanerzucht und eine Noniuszucht. Die
Araberherde, großteils auf das bosnische
Gestüt Borike zurückgehend, wurde in den
1980er Jahren vom kroatischen Gestüt Visnjica übernommen – dadurch gelangte
auch der Kuhaylan-Zaid-Stamm nach
Kroatien. Im seinerzeit gesperrten Militärgestüt Karad̄jord̄evo waren auch zahlreiche
Privatpferde von Josip Broz, genannt Tito,
untergebracht, die selbstverständlich auch
zur Zucht genutzt wurden. Und so kam es
auch, dass der letzte staatliche KuhaylanZaid-Hengst, 740 Kuhaylan Zaid – 4, geb.
1973, die tunesische Vollblutaraberstute 588
Fekhra – ein Gastgeschenk des tunesischen
Königs an Tito – zur Mutter hatte. Derzeit
heißt es, die spärlichen Reste der ex-jugoslawischen Araberzucht, darunter auch der
bosnische Araber, führten beträchtliche Anteile von „Tunesierfremdblut“. Dass dem
nicht so ist, wird folgend dargestellt.
Die Araber von Borike gehen ausschließlich, wie zuvor erwähnt, auf die zwischen
1897 und 1914 erworbenen OriginalaraberStuten sowie auf die von Bábolna erworbenen Stuten zurück (siehe Kasten auf Seite 71).
Von den Hengststämmen konnten sich
Siglavy, Gazal, und Lenkoran erhalten. Der
Stamm Ilderim ist 1953 ausgestorben. Um
die dadurch eingeschränkte genetische Variabilität der ohnehin schon kleinen Zuchtherde auf ein nachhaltiges Niveau zu brin-
gen, hatte man den Marbacher Hengst
Saabih, geb. 1968, importiert, von dem heute ein weiterer Hengststamm ausgeht. Aus
ähnlichen Gründen wurde von 1997 bis
1999 der spanische Vollblutaraber 846 Bucare, geb. 1982 von Kiew, eingesetzt, der mit
Bedacht nur sehr vorsichtig in der zahlenmäßig größten Stutenfamilie Kadina zur
Wirkung kam, und von dem keine männliche Nachzucht remontiert wurde.
Fünf Gestütshengste (zwei PépinierèHengste und drei Junghengste) sichern
heute den Weiterbestand des Siglavystammes in Borike, die Verstärkung durch zwei
Siglavyhengste in der bosnischen Privatzucht erhalten. Siglavy und Kuhaylan Zaid
stehen in dieser Geschichte stellvertretend
für das große hippologische Erbe des Balkans und den Bosnischen Araber, dessen
Leistungsfähigkeit legendär ist. Von der
enormen Härte und Ausdauer kann man
sich heute auf der Rennbahn in Butimir
oder noch besser bei den wieder abgehaltenen Bergrennen überzeugen. Diese von
Volksfesten begleiteten Rennen nützen das
vorhandene Terrain und führen in halsbrecherischem Tempo über Schotterpisten,
Steilhänge und durch Schluchten und
demonstrieren eine tiefe Verbundenheit
zwischen Mensch und Pferd in einem
Land, in dem das Leben alles war – nur
nicht einfach.
Epilog
Bosnien Herzegowina ist im Sommer brütend heiß, ein heftiger Gewitterregen kann
die Luft in ein türkisches Dampfbad verwandeln, und die Herbststürme tauchen
das Land in ein Meer aus Kälte. Bosnien
Herzegowina ist ein schroffes Land, mit
starken Kontrasten, und gleichzeitig zum
Weinen schön. All dies muss man wissen,
um zu verstehen, was das Pferd hier war:
lebensnotwendig. Bis heute ist der Import
von Pferden aus Bosnien Herzegowina in
die EU nicht erlaubt. Eine Exportmöglichkeit aber ist unabdingbare Voraussetzung
für die Zucht einer so internationalisierten
Pferderasse wie des Arabers. Damit sich daran etwas ändert, ist ein tiefgehendes Umdenken in „Europa“ notwendig. Bis dahin
erinnert Sarajevo an den großen europäischen Traum von Toleranz, Freiheit und
Achtung des anderen im Anderssein, der
gerade hier einmal Wirklichkeit war: Als
sich in das Rufen der Muezzins das Glockengeläut der katholischen Kirche mischte, und die Rabbiner am Weg zur Synagoge
an der serbisch-orthodoxen Kirche vorbeigingen. Einen Traum, der hier auf das
Fürchterlichste zerbrach.
Dr. Thomas Druml & MMag. Gertrud Grilz-Seger l
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Siglavy-Stamm ZUCHT Die heute in Borike vertretenen Stutenfamilien
Boriker
Gründerstute
Stutenfamilie
Familie
in Borike
34 Hamda ex Samra en
El Hafi
73 Kadina
Nedjd, 1890
34 Hamda ex
34 Hamda ex Samra en
Kadina
Samra en Nedjd Nedjd, 1890
36
Hamdani
Hamdani Semri
370 Moldauerin, 1783
O’Bajan 35 O’Bajan
819 Mezöhegyes, 1815
Luna
5 Zarif I
380 Moldauerin, 1785
Hengststämme in Borike
Hengst- Gründer
stamm
in Borike
Siglavy
14 Siglavy V-15
Gazal
13 Gazal
Lenkoran 24 Lenkoran
Saabih
77 Saabih
Borike
Privat
BIH
5
3
14
7
4
5
2
5
2
5
Stammbegründer
Borike
Siglavy Orig., 1810
13 Gazal Orig. Araber, 1903
Lenkoran, Orig. Araber,
1891
Kuhailan Haifi, Orig.
Araber, 1923
5
7
Privat
BIH
2
1
5
5
4
8
Ausgestorbene und nicht mehr in Bosnien
vorkommende Familien der Boriker Gestütszucht
Boriker
Gründerstute
Stutenfamilie
Familie
in Borike
Kefija
53 Kefija
10 Hadbe ez Zeebie, 1890
En Nasira 12 En Nasira
10 Hadbe ez Zeebie, 1890
Fatinica 8 Zarif Bagdadi 59 Siebenbürgerin, 1786
Darinka 168 Darinka
Czebessie II, 1814
ausgestorben
in GER
ausgestorben
in GER
Siglavy V
M: 142 Gazlan
1897 Babolna
Siglavy Org.
Sch. 1810
Schwarzenbergimport
Siglavystamm endet in Babolna
21 Siglavy II
M: 75 Simhan O’Bajan
1909 Gorazde
29 Siglavy III
M: 108 Luna IV
1922 Borike
Siglavystamm wird in Babolna eingeführt, endet aber in Ungarn um 1960;
von hier erfährt er eine int. Verbreitung bis er 1978 in Deutschland erlischt
55 Siglavy IX
M: 201 Hamdani VI
1935 Borike
68 Siglavy XII
M: 262 Kadina XLII
1944 Borike
P-9 Siglavy
(priv.)
M: P-6 El Hafi
1999 BiH
75 Siglavy XIV
M: 392 O’Bajan III
1963 Borike
80 Siglavy XV
M: 422 Luna XX
1970 Borike
92 Siglavy XVIII
M: 505 Luna XXVIII
1986 Borike
221 Siglavy XV-5
M: 87 El Hafi LIII
1978 Borike
P-21 Siglavy
(priv.)
M: P-8 Luna
2006 BiH
10 | 2011 pferderevue
88 Siglavy XVII
M: 611 Kadina XXXIV
1991 Borike
372 Siglavy XVII-3
M: 643 Luna XLIV
2005 Borike
93 Siglavy XIX
M: 650 O’Bajan XXVIII
2002 Borike
339 Siglavy XIX-1
M: 678 ElHafi IV
2009 Borike
+ Vollbruder 2011
345 Siglavy XIX-2
M: 675 Kadina LIX
2010 Borike
71