Mit Gürtel und Hosenträgern

'Y WDVS +DÄMMUNG Baubericht
Schnitt Maßstab 1:200
Mit Gürtel und Hosenträgern
ln Bachum-Wattenscheid wurde ein eingeschossiges Siedlerhaus mit Satteldach komplett entkernt
und in einen zweigeschossigen Flachdach-Bungalow umgewandelt. Handwerklich anspruchsvoll war
besonders der Anschlu ss der nach außen öffnenden Fenster an das WDVS.
Von Robert Mehl
Das Gebiet um den Süd park in Bochum-Wattenscheid
ist seit einigen Jahren als Außenbereich ausgewiesen,
in dem die wenigen, mittlerweile in einem regelrechten
Wald stehenden Siedlerhäuser zwar umgebaut. und
auch in Grenzen erweitert werden dürfen, in dem aber
kein Neubau mehr zulässig ist. Selbst ein "Tiausaustausch", a lso ein Komplettabriss mit Erricht ung eines
weitgehend identischen neuen Hauses an g leicher
Stelle, ist hier nicht genehmigungsfahig. Der Bauherr
warjedoch ungemein von dem Waldgrundstück ange-
tan, kaufte es und beantragte einen so genannten
amtlichen Vorbescheid. In dessen Rahmen prüfle die
Baubehörde, ob die beabs ichtigte Baumaßnahme
genehmigungsfa hig ist. Zwingende Bedingung dabei
ist, dass der Antragstelle r selbst in dem un1gebauten
Objekt wohnen will. So soll eine Gnmdstückspekulation, etwa durch Investoren oder Immobilienfirmen,
unterbunden werden. Planerisch unter stützt wurde
dabei der private Bauherr durch das Büro "bsp a rchitekten", das von Markus Bödecker und Arne Schulte
geleitet wird.
Aus Alt mach Neu
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6
7
0
3 Garage
' Abstellen
5 Wohnen
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Schlafen
Kind
Kinderbad
Arbeiten
Terrasse
Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:200
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Das eingeschossige Siedlerhä uschen besaß urs prünglich ein Satteldach, auch fa nden an ihm seit seiner
Erbauung immer wieder kleinere Umbauten und Ergänzungen statt. Einige vorgefundene Wandabschnitte im Keller sollen tatsächlich schon 150 Jahre alt sein.
Auch betrat. ma n früherdas Haus von derTalseite a us,
wo s ich da mals auch eine etwas tiefer gelegene Garage befand. Diese verlor nun ihre F tmktion und wurde
in das e igent.liche Haus integriert, wobei die ä ußere
Längswand verlängert und ein Nebeneingang zum
Untergeschoss angeordnet wurde, der zu eine r Souterrain-Einliegenvohnung führt. Vor die südliche Gebäudeecke wurde ein eingeschossiger Erker gesetzt,
der s ich über die halbe Südwest.wand erstreckt. In
diesem Anbau ordneten die Architekten neben dem
Wohnzimmer genau in der Ecke noch ein Arbeitszi mmer und schließlich den Windfangdes heutigen Ha upteingangs an. lm Rahmen der Umbauarbeiten, die inklusive Abbruch 14 Monate dauerten, t rugen die
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Handwerke r das alte Satteldach vollständig ab und
ersetzten es durch ein Obergeschoss ohne Dachschrägen. Das Erdgeschoss entkernten Rohbauer vollständig. Sein Grundriss wurde neu organis iert.
Oberhalb des Erkers an der Südecke des Ha uses befind et sich im Obergeschoss ein großes Badezimme r
mit einer fensterbündigen Badewanne vor einem entsprechenden Eckfenster.
Die neuen Rohbauwände messen 17,5 cm und bestehen aus Kalksandstein. Die Bestands mauern, si nd
"irgendelwas in vergleichbarer Größe'·, aber sehr unterschiedlich im Material, wohl überwiegend a us
Ziegeln, s ie bargen aber ein erhebliches Feuchtigkeitsproblem. bsp architektenließen da her die Untergeschosswände komplett frei legen und vollständig abdichten.
Mitdem entsprechenden Erdaushub modellierten die
Pla ner das stark abfallende Tenain des Grundstücks
zu einer stu fenförmigen Landschaft um , die zwei großzügige horizontale Terrassen aufweist. Der Bereich
vor den neu abgedichteten Bestandswänden wurde
auf der Bergseite zusätzlich mit einer Schotterschicht
bedeckt, die in diesem Bereich a ls Spritzschutz für das
sockelfreie Gebäude fungiert. Das heutige Flachdach
weist schließlich einen klass ischen Aufba u a uf und
wurde led iglich bekiest. Dies ist vor a llem ein mechanischer Schutz, vorwiegend gegen herabfallende Äste,
etwa bei einem starken Sturm. Die große Herausforderung bei de r Sanierung war das übergangslose und
gleichmäßige Isolieren und Verputzen von Alt, und Neu
mit einem einheitlichen WDVS.
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in ganz Skandinavien, herrscht starker Wind vor, weshalb nach außen öfTnende Fenster dorl Standard sind.
Sie dichten dann einfach besser ab als die bei uns üblichen Fenster." Der Grund dafür sei, dass die Flügel
vom Wind a ufdiese Weise viel fester in ihre Dichtungen gedrückt werden. Allerelings sei die Fugenführung
deutlich komplexer. Auch beimAnschluss der Außendämmung gibL es kritische Details, dieeiner besonderen Sorgfa ll der Ha ndwerker bedurften, vor a llem im
Bereich der Fensterbänke oder bei den Leibungen.
Da im sehr waldreichen Südpark von Dochum-Wattenscheid das Wohnhaus aufnatürliche Art von Laubbäumen verschattet wird, verzichteten Schulte und
Böelecker hie r a uf eine n eigenen Sonne nschutz am
Haus. Denn bei der wahrlich nichl neue n Idee eines
Hauses mit großen, fassadenbündi gen Fenstern verunklare n in der Regel die sonst erforderlichen Sonnenschutzeinheilen, wie etwa Rol11adenkästen oder
außen liegende Lamellenjalousien, den Entwurf. Das
mitten im Wald gelegene Grundstück gestattetejedoch
eine konsequente Umsetzung ohne Sonnenschutzauch im Deta il! Die verwendeten Holzrahmenfenster
des dä nischen Herstellers Velfac sind außen miteiner
Aluminiumblende verkleidet, was sie deutlich verwitterungsresistenter und schlagregendicht macht.
Maler war das Hauptgewerk
Wegen des vorhandenen Mischmauerwe rks mussten
die Wä rmedäm mverbundplatten a ufunte rschiedliche
U ntergründe aufgebracht werden, entsprechende Unebenheiten in den Übergängen galt es a uszugleichen.
So war bei diesem Projekt der Malerbet rieb neben dem
Fensterbauer das SchI üsselgewerk, denndieser brachFassadenbündige Fenster
"Bauherren wollen immer etwas Spektakuläres, etwas te ein 14 cm dickes Wärmedämmverbundsystem an.
ldentitätsLiftendes. Wir s agen immer: Der Raum ist Bei der Systemmontage fordert der Hersteller, dass
die Identität", so umschreibtArne Schulte den archi- die Kunslstofflafeln zu mindestens 40 Prozent mit
tektonischen Ansatz der Entwürfe seines Büros. "Hier Haftkleber zu bestreichen s ind. Ferner war zu beachbei dem Projektsi nd es die fassadenbündigen Fenster, ten, dass a uf den Neubauwänden ein Verkleben ausdie zudem nach außen öffnen, das gilt a uch für die reicht, a uf den Bestandsmauern die Dä mme lemente
gläserne Te rrassentür. Es hande lt sich um ein däni- jedoch zusätzlich zu verdübeln sind.
sches Fabrikat", erlä utert der Planer weiter, und sein. Die Architekten weisen gerne daraufhin, dass hier
Partner Markus Böelecker ergänzt: "In Dänemark. wie Handwerker gefragt waren, die auch "Lust hatten, so
Das vormals eingeschossige Siedlerhäuschen mit Satteldach wurde zu einem
zweigeschossigen
Wohnhaus mit Flachdach umgebaut
Foto: Robert Mehl
T WDVS +DÄMMUNG Bau bericht
Die Holzunterkon struktion wurde am
Sockel mit folienkaschierten Blechen
geschützt
Rechts: Die Fuge zwischen WDVS und den
nach außen öffnenden
Fenstern wurde mit
Kompriba nd und Neopren gefüllt
etwas umzusetzen, und die sich wirklich in die Details
rein fuchsten". "Sonst", sagen sie, "hätte man das nicht
hin bekommen!" Mit dem Malermeisterbetrieb KuW
Zimmermann und dessen Vorarbeiter Georg Reitemeyer standen ihnen genau solche Fachkräfte zur Verfügung.
Es galtdie Fensterrahmen nicht wie üblich einfach in
die Rohbauwandöffnungen zu setzen, sondern -über
diverse Unterkonstruktionen gehalten- quasi schwebend davor zu fixieren. Erst ganz am Ende, wenn alle
WDVS-Lagen aufgebracht s ind, sollten die Profilrahmen bündig mit der Fassadenfront abschließen. Die
dafür nötigen Montagerahmen fertigten die Handwerker der Firma WerkhofWillen individuell aus Massivholz an. Besonders feuchtigkeitsgefährdete Stellen
wie die Sockel der Bodentiefen Verglasungen und Türen wurden mit einem folienkaschierten Blech von
FDT geschützt.
Verwendet wurde das WDVS-System "Qju" des Herstellers Brillux. Das System wird nicht mit, e inem
Pulverkleber, sondern mit e inem Klebeschaum verarbeitet. Vorteilhaft ist dabei, dass mitdem PolyuretanKleber, ähnlich wie bei Dünnbettmörtel, ein gewisses
Maß an Unebenheiten ausgeglichen werde n kann.
Die nach außen öffnenden Holzfenster
sind mit einer Alumini umblende verkl eidet
Foto: Robert Mehl
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Auch ist es möglich, etwaige Dämmlücken, sprich Fugen, zwischen den einzelnen Kunststofftafeln noch im
Nachgang zu schließen. Anschließend werden die
Dämmplatten mit einer Schwerannierung belegt, mit
de r s ie sodann verspachtelt werden. Hierauffolgt ein
Kratzputz-verwendet wurde eine 3er Körnung -, der
im Anschlussweiß gestrichen wurde. Die final eweiße
Wa ndfarbe, obwohl vom gleichen Hersteller, zählt
nicht melll' zum WDVS. Diesesgiltauch ohneAnstrich
als fertiggestellt Allerdings wissen die Architekten
aus Erfahrung, dass unbehandelte WDVS-OberOächen, auch wenn s ie fungizid eingestellt sind, noch
eine sehr offenporige Oberfläche haben. Sie sind sehr
anfallig gegenüber Schmutz und einer natürlichen
Veralgung, weshalbArneSchultegrundsätzlich immer
einen finalen Außenanstrich aufbringen lässt. Unbedingt bei \VDV-Systemen zu beachten ist, dass ganz
gleich von welchem Anbieter sie kommen, der ausführende Handwerker immer "im System" bleiben muss.
Sobald er die einzelnen WDVS-Komponenten (Dämmung, Kleber, Putz) mischt, erlischt die amtlich geprüfte Zulassung für das gesamte System und damit
die Herstellergarantie.
Anschluss an außen aufschlagende Flügel
Großes handwerkliches Geschick erforderte der Anschluss des WDV-Systems an die nach außen aufgehenden Fenster. Denn konstruktionsbedingt lassen
deren Mechaniken kein direktes Anarbeiten an die
Profilrahmen zu, da sie die beweglichen Rahmenteile
des Fensters sind. Eine schwarze Schattenfuge t rennt
daher die Fensterprofile von der Wandfläche. Sie ist
zudem im Deta il so angelegt, dass Schlagregen keine
Tropffahnen auf den weißen PutzOächen bildet. Die
Fugen fuhren das Wasser herunter zu einer Fensterbank, die rund 3 cm hervorkragt und die eine saubere
Abtropfkante bes itzt. Allerdings mussten die umlaufenden Schattenfugen auch siche r abgedichtet und
dauerhaft quergedämmt werden, was ein sauberes
Arbeiten erforder te. Ww·de hie r Feuchtigkeit dauerhaO. in die Dämmung eindringen, würdedies sicherlich
langfristig zu Feuchtigkeitsschäden führen. Die Lösung für dieses Delail gab es aber nicht von der Stange. Daher tüftelten die Architekten zusammen mit den
beteiligten Handwerkern solange am Auibau der Fuge,
bis die richtige Kombination aus einem 3 cm dicken
Kompriband von Brillux und e inem Dichtband aus
Baubeteiligte (Auswahl)
Planung bsp architekten Bödicker, Schulte, Partner,
Bochum
Statik Ingenieurbüro C-Plan, KevelaerWinnekendonk
WDVS und Malerarbeiten KuW Zimmermann GmbH,
Bochum
Fenstereinbau Werkhof Witten Schreinerei GmbH,
Witten
Herstellerindex (Auswahl)
WDVS und Farbe Brillux, Münster, www.brillux.de
Fenster Velvac, Horsens/Oänemark, www.velvac.de
Blechverkleidung FOT, Mannheim, www.fdt.de
Bitumenabdichtung Bauder, Stuttgart, www.bauder.de
Neopren gefunden war. "Das ist so ein bisschen das
Prinzip Gürtel plus Hosenträger", erläutert Markus
Bödeckerden zweilagigen Dichtungsaufbau der Fuge.
Die bishet;gen anderthalb Jahre Standzeit seit Fertigstellung sind ein augenfalligcr Beleg für die handwerkliche Qualität der Arbeiten: Noch sind keinerlei
Schmutzfahnen oder gar Feuchtigkeitsschäden aufgetreten.
Autor
Oipl.-lng. Roberl Mehl studierte Architektur an der RWTH
Aachen. Er ist als Architekturfotograf und Fachjournalist tätig und schreibt als freier Autor unter anderem für die Zeitschriften OB Z, bauhandwerk und dach+holzbau.
Die ehemalige Garage
wurde ins Wohnhau s
integriert
Fotos 131: bsp arehiteklen