NEUE GLASFASER MIT 200 µm UND KABEL MIT HOHER FASERDICHTE | 9 Olivier Schuepbach | Dr. François Cochet 9.1 Zur Problematik des verfügbaren Raums Die Beschränkungen, vor denen Betreiber heute stehen, sind meist geometrischer Natur. Jährlich werden etwa 100 Millionen Kilometer an Kabeln verlegt. Bedenkt man, dass diese Entwicklung nun bereits seit 20 Jahren anhält, wird klar, dass der unterirdische Raum zur Verlegung weiterer Kabel, insbesondere in städtischen Gebieten, langsam knapp wird. Bei den ersten Glasfaserkabeln plante man im Interesse der Zerquetschungsfestigkeit und der Zugfestigkeit noch eine komfortable Sicherheitsmarge ein. Die Lebensdauer der Kabel liegt häufig deutlich über der technischen Einsatzdauer der darin enthaltenen Fasern, die eine ziemlich rasante Entwicklung verzeichnet haben. Da sich die Übertragungseigenschaften in den letzten zehn Jahren, insbesondere in Bezug auf die Polarisationsmodendispersion (PMD), stark verbessert haben, eignen sich über 20 Jahre alte Glasfasern heute nicht mehr für die Langstreckenübertragung. 9.1.1 Fasertypen Es haben sich zwei Fasertypen etabliert: G.652 für Erdverlegung und G.655 für sehr lange, in der Regel unter Wasser geführte, Verbindungen (Seekabel). Für den Anschluss der Teilnehmer kommen Multimodefasern heute immer seltener zum Einsatz. Stattdessen werden Monomodefasern des Typs G.657 genutzt, die einen höheren Biege- und Mikrobiegewiderstand aufweisen. Auch die Anschlusstechnik ist dank der verbesserten geometrischen Qualität der Fasern (bessere Kontrolle des Durchmessers, bessere Kontrolle der Exzentrizität zwischen Kern und Mantel) einfacher geworden. Glasfasern haben sich zu einem Massenprodukt mit stabilen Preisen entwickelt, was den flächendeckenden Einsatz bis hin zum Teilnehmer noch begünstigt. Das Hauptproblem der Fiber-To-The-Home (FTTH) genannten Technologie liegt in der Struktur des Verteilnetzes (Gegenstand einer anderen Präsentation dieses Seminars). welche die Vorbereitung der Fasern in den Schaltschränken erleichtern. Natürlich können auch weiterhin Bündeladerkabel und Kabeleinziehsysteme eingesetzt werden, insbesondere auf Abschnitten mit einer hohen Faserdichte zwischen der Zentrale und den Abzweigschränken. Aber auch hier nimmt der verfügbare Platz aufgrund der vielen bereits verlegten Kabel ab. Im Zuge der Suche nach einer Lösung für die oben dargelegten Probleme hat ein neuer Parameter an Bedeutung gewonnen: die Faserdichte (Anzahl an Fasern pro mm2). In diesem Artikel legen wir seine Entwicklung für die von uns auf dem Schweizer Markt vertriebenen Kabeln dar. 9.2 Geringerer Durchmesser für Bündeladerkabel Die Abbildung 1 zeigt ein Bündeladerkabel, dessen Struktur in den letzten 20 Jahren nur unwesentlich verändert wurde. Es wird vor allem für lange Übertragungsstrecken genutzt, da es einen optimalen Schutz der Glasfasern garantiert. Seine Bündeladern sind schraubenartig um das zentrale Stützelement angeordnet, das das thermische Verhalten des Kabels stabilisiert und im Wesentlichen aus Silizium mit einem geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten besteht. Es besitzt so eine gute Zugfestigkeit, die durch das Entlastungsgarn um die Adern noch verstärkt wird. Das Ganze ist von einem Kunststoffmantel umgeben, um den Querdruck zu gewährleisten. Soll die radiale Wasserdichtigkeit des Kabels noch erhöht werden, kann ein Metallring eingebracht werden. Die Dichte des Mantels konnte dank HDPE reduziert werden, indem man ihm einen Zusatzstoff beimischte, der die Kompression nach Extrusion und Abkühlung begrenzte. 9.1.2 Verlegung Die Verlege- und Anschlusskosten können je nach der gewählten Netzarchitektur horrend sein. Hier schaffen zwei Verfahren Abhilfe, mit der sich die Installation vereinfachen lässt : UÊ >ÃÊ iÀÃÌiÊ 6iÀv> ÀiÊ LiÀÕ ÌÊ >ÕvÊ `iÊ L>ÃiÊ `iÀÊ Kabel in zu einem früheren Zeitpunkt verlegte Mikroröhrchen: Es bietet den Vorteil, dass keine Bauarbeiten nötig sind und eine hohe Verlegegeschwindigkeit (mehrere Dutzend Meter pro Minute) erreicht werden kann. UÊ >ÃÊ âÜiÌiÊ 6iÀv> ÀiÊ ÃÌØÌâÌÊ ÃV Ê >ÕvÊ ÀLØ`i]Ê Abbildung 1 : LE SG 12 LF 144 LWL ø 20.1 mm SD SG 12 LF 144 LWL ø 16.6 mm 61 Olivier Schuepbach | Dr. François Cochet Die Faserdichte hat sich in nur 20 Jahren verzehnfacht; das Gewicht des Kabels konnte hingegen drastisch reduziert werden. Auch Bündeladerkabel wurden Verbesserungen unterzogen. Ihre Abmessungen konnten dank schrumpfarmer harter Materialien verringert werden. Während der Durchmesser für 12 Fasern (damaliger Standard) vor 20 Jahren 3 mm betrug, können wir nun Mikroröhrchen mit einem Durchmesser von 1.8 (oder 1.6) mm anbieten. Zwar war der mechanische Schutz der Fasern in den 3 mm dicken Röhrchen mitunter besser, doch die kleineren Mikroröhrchen sind praktischer: Sie haben ein geringeres Formgedächtnis und lassen sich in Schaltschränken leichter ablegen. Die oben genannten Kabel kommen hauptsächlich für Mittel- und Langstreckenübertragungsnetze zum Einsatz. Die Anforderungen an die optischen Eigenschaften der Fasern und die Zuverlässigkeit sind sehr hoch, da jede Masche in diesem Netz Teil einer rein optischen Verbindung mit hoher Übertragungsrate sein kann. Die Verlegung der Kabel ist anspruchsvoll und verlangt Vorbereitungsarbeiten am jeweiligen Netzende. Die Installationskosten sind hoch, aber bei sehr hohem Datenverkehr gerechtfertigt. Abbildung 2 : LE SG 6 LF 3.0 ø 14.6 mm (72 LWL) LE SG 6 LF 1.6 ø 6.6 mm (72 LWL) Für die Anbindung der Teilnehmer an das Glasfasernetz kann es von Vorteil sein, auf dem letzten Kilometer – bzw. bei sehr abgelegenen Netzabschnitten auf den letzten Kilometern – einfachere Kabel einzusetzen, da die Kosten von einer relativ geringen Anzahl an Teilnehmern übernommen werden. Die Anforderungen an den Querdruck sind geringer, da die Kabel in der Regel in Röhrchen eingeblasen werden, welche den mechanischen Schutz übernehmen. Auch die Zugfestigkeit kann niedriger sein, was bedeutet, dass weniger Entlastungsgarn unter dem Aussenmantel benötigt wird. Will man 62 Grafik 1 : Entwicklung der Faserdichte diverser Kabelaufbauten: Sie beläuft sich bei grossen Strukturen mit 288 Fasern heute auf bis zu zwei Fasern pro mm2 (oder mehr). Das grösste Kabel in unserer Angebotspalette enthält 576 Fasern bei einem Durchmesser von knapp über 20 mm. Es erscheint uns aus Sicherheitsgründen nicht ratsam, diese Entwicklung weiter voranzutreiben: Da die Übertragungsrate dieser Kabel bei einer Million Gbit/s liegt, lässt sich eine versehentliche Versorgungsunterbrechung nur schwer auffangen. NEUE GLASFASER MIT 200 µm UND KABEL MIT HOHER FASERDICHTE | 9 den Aufwand für den Endkunden noch weiter senken, muss man die Kosten für die Vorbereitung der Kabelenden und den Raum für die Reserveanschlüsse in den Schaltkästen verringern. Dies ist möglich, indem man eine Alternative zu den Bündeladerkabeln einsetzt: die Mikrobündel. Dieses Zugangskabelelement umfasst ein Paket von in der Regel 12 Glasfasern unter einem sehr leicht zu entfernenden Mikromantel. Dieser soll einerseits die verschiedenen Faserpakete mithilfe von Farbcodes kennzeichnen, enthält aber auch ein als Feuchtigkeitsbarriere dienendes Gel, um die Dichtigkeit des Kabels zu gewährleisten. Dank des Mikromantels können Mikroröhrchen mit einem Durchmesser von 0.8 bis 1.3 mm – je nach Anzahl der Fasern – angeboten werden. Bei 12 Fasern kann der Kabeldurchmesser so um 0.3/1.6 mm (um etwa 20 %) verringert werden. Kombiniert man diese Elemente, entstehen Makrobündel mit je 12 Bündeln (144 Fasern), die um ein Stützelement angeordnet sind. So lassen sich Kabel mit 720, 864 oder sogar 1008 Fasern zusammenstellen. Wir möchten festhalten, dass die Mikrobündel der neuen für FTTH-Anschlüsse genutzten Glasfaserart zu verdanken sind: der G.657. In der Version G.657A1 ist sie voll und ganz mit der Standardfaser für Langstreckennetze kompatibel (G.652d), besitzt dabei aber einen höheren Mikro- und Makrobiegewiderstand. Wir gehen im Anhang noch einmal auf den grundlegenden Ablauf der Glasfaserherstellung sowie auf die optischen Eigenschaften der verschiedenen Faserstandards ein. Als Makrobiegung bezeichnet man die fortlaufenden Krümmungen der Faser im Kabel und Schaltschrank. Der Biegeradius liegt in der Grössenordnung von einigen Zentimetern und darf nicht unterschritten werden, da die Glasfaser sonst aufgrund zu hoher Zugkräfte Schaden nehmen kann. Mikrobiegungen sind geometrische Störungen über einen sehr kurzen Abschnitt (weniger als 1 mm), die zum Beispiel daraus resultieren, dass raues Material gegen die Faser gepresst wird. Sie machen sich durch eine grössere Signalabschwächung bemerkbar, die bei Biegungen sehr – bei Mikrobiegungen weniger – stark von der Wellenlänge abhängt. Abbildung 3 : LE SG 6 LF 1.6 ø 6.6 mm (72 LWL) XSD 6 LF 1.3 ø 5.4 mm (72 LWL) Abbildung 4 : Durch die Verwendung von Bündeln und Makrobündeln lassen sich Faserdichten von zwei bis drei Fasern pro mm2 erreichen. So können fast doppelt so viel Fasern als bei Bündeladerkabeln eingebracht werden. Der Mikrobiegewiderstand einer Faser richtet sich im Wesentlichen nach zwei Parametern: dem MAC-Wert (Verhältnis vom Modenfelddurchmesser zur Cut-OffWellenlänge) und dem Biegedämpfungsfaktor im weichen Beschichtungsanteil. Je kleiner der MAC-Wert und je dicker die weiche Beschichtung, desto höher ist der Mikrobiegewiderstand. Durch Fortschritte in der Glasfaserherstellung ist es heute ohne Probleme möglich, Fasern mit einem gut kontrollierten MAC-Wert zu fertigen. Es bot sich also an, die Verkleinerung der Beschichtungsdicke anzustreben, um so den Faserdurchmesser zu verringern. Während der Durchmesser des Siliziumkerns der Faser bei 125 µm belassen wurde (um die Lötkompatibilität und Verbindung zwischen verschiedenen Fasern nicht zu gefährden), liess sich der Durchmesser des Mantels durch Optimierung der elastischen Eigenschaften des Weichharzes (Primärbeschichtung) auf 200 µm verringern. Die Dicke des Hartharzes (Sekundärbeschichtung) wurde entsprechend verringert, da der Stauchwiderstand eines Röhrchens hauptsächlich vom Verhältnis aus Durchmesser und Beschichtungsdicke bestimmt wird. Für Faserhersteller bringt dies nicht nur einen nicht zu vernachlässigenden Gewinn bei der Faserziehgeschwindigkeit mit sich. Sie sparen auch 40 Prozent Kunststoff bei der Umhüllung der Siliziumfaser ein. Der Kabelleger wiederum profitiert davon, dass der Kabeldurchmesser – wie in der Tabelle gezeigt – etwa 20 Prozent kleiner wird. 63 9 | NEUE GLASFASER MIT 200 µm UND KABEL MIT HOHER FASERDICHTE Olivier Schuepbach | Dr. François Cochet 9.2.1 Die 200-µm-Glasfaser: Verringerung der Beschichtungsdicken Abbildung 5 : Glasfaser : ø 250 µm Glasfaser : ø 200 µm Abbildung 6 : ø Kabeldurchmesser dank der Glasfaser 200 µm Anzahl Fasern 12 24 36-72 144 240 288 432 576 720 864 1008 Durchmesser (mm) 3.5 3.7 4.3 7.5 8.5 10.5 14.1 16.2 16.2 17.5 18.7 Abbildung 7 : Schnitt eines Kabels 72 LWL mit einer 250-µm-Glasfaser (links) XSD 6 LF 72 LWL 1.3 ø 5.4 mm oder 200 µm (rechts) XSD NANO 6 LF 72 LWL 1.3 ø 4.5 mm 64 9.2.2 Entwicklung der Faserverdichtung im Kabel Mit der 200-µm-Glasfaser lässt sich heute eine Faserdichte von 3.75 Glasfasern/mm2 erreichen (1008 Glasfasern bei einem Durchmesser von 18.7 mm). Grafik 2 : Entwicklung der Faserverdichtung im Laufe der Zeit Abbildung 8 : 1995 144 Glasfasern, ø 20.1 mm 2014 1008 Glasfasern, ø 18.7 mm Beispiel der Entwicklung der Faserverdichtung 9.2.3 Welche konkreten Folgen bringt diese Entwicklung für Installateure mit sich ? Kabelleger werden 2014 und 2015 schrittweise Kabel mit kleinen Abmessungen anbieten, wobei sie dank der 200-µm-Glasfaser des Typs G.657A1 eine Faserdichte erzielen können, die bisher nicht realisiert werden konnte. In der Regel lassen sich in Einblasröhrchen mit einem Innendurchmesser von 10 mm 216 Glasfasern einbringen. Was die Anschlusstechnik angeht, sind die Abmessungen von Faserkern und Mantel mit der 250-µm-Glasfaser kompatibel; sie können also parallel eingesetzt werden.
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