Datum: 06.07.2015 Tages-Anzeiger 8021 Zürich 044/ 248 44 11 www.tagesanzeiger.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 172'920 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 374.003 Abo-Nr.: 1044548 Seite: 15 Fläche: 47'999 mm² «Jokertage setzen ein falsches Signal» - «Sie sind eine offene, faire Sache» Mit Urs Saxer und Stefan Prochaska sprach Liliane Minor Prochaska: Wenn jemand eine Autoprüfung macht oder die Ferien verlängern will, muss die Schulleitung nicht lange studieren, ob sie das bewilligen Sollen auch die Mittelschulen im Kanton Zürich Jokertage soll oder nicht. Es ist einfach ein Recht, das den Schülern zusteht. einführen? Zwei erfahrene Saxer: Genau das halte ich für den Rektoren diskutieren über falschen Ansatz. Man will damit Gespräden Sinn und Unsinn dieser che vermeiden. Aber ich finde, Gespräche sollen geführt werden. Wenn jezusätzlichen Freitage. Herr Saxer, der TA-Artikel über die Bülacher Mittelschüler, die Jokertage an den Zürcher Gymnasien fordern, hat Sie zu Widerspruch motiviert. Sie wären als Rektor zurückgetreten, hätte Schaffhausen Jokertage an der Mittelschule eingeführt, schrieben Sie. Warum sind Sie ein so dezidierter Gegner? Saxer: Erstens lösen Jokertage das Pro- mand im Unterricht fehlen will, dann gehen seine Interessen und diejenigen der Schule auseinander. Solche Differenzen sind normal. Darüber soll man diskutieren, statt sie mit irgendwelchen Automatismen aufzufangen. Sie sagen also, eine gute Schulkultur bringt mehr als Jokertage? Saxer: Eine gute Gesprächs- und eine blem des Schuleschwänzens nicht. Zwei- Konfliktkultur bringen der Schule sicher tens verursachen sie einen zusätzlichen ein besseres Selbstverständnis. Gewisse Aufwand in der Administration. Und gruppendynamische Prozesse kommen so gar nicht ins Laufen - etwa, dass Schüdrittens - das ist für mich das Wichtigste ler respektive Eltern sich vor den Ferien - setzen sie ein falsches Signal. Man gegenseitig hochschaukeln und noch kann doch nicht sagen, ihr habt zwölf schnell, schnell die Jokertage einziehen, Wochen Ferien, aber es macht nichts, damit sie nicht verfallen. So franst doch wenn ihr noch zwei weitere Tage fehlt. der Unterricht am Ende des Schuljahrs einfach aus. Herr Prochaska, bei Ihnen an der Es ist nicht eine Frage Kanti Zofingen gibt es seit längerem derProchaska: mangelnden Gesprächskultur, dass Jokertage. Wie läuft es? Jokertage haben, es ist eine Frage Prochaska: Bei uns heissen sie nicht wir der gesetzlichen Vorgaben. Eine gute Jokertage, wir nennen sie «Paragraf 38» Gesprächs- und Konfliktkultur braucht nach dem entsprechenden Abschnitt im Volksschulgesetz. Diese Differenzierung es an jeder Schule. Aber: Es gibt Situatioan denen ein Schüler fehlen will, scheint mir wichtig. Man zieht nicht nen, die von der Schule im Rahmen der üblieinen Joker, wenn man dem Unterricht fernbleibt; vielmehr steht Eltern und ih- chen Absenzen nie bewilligt würden. ren Kindern im Kanton Aargau seit 1981 Etwa ein Open-Air-Konzert. Bei uns kann ein Schüler dafür einen Jokertag das gesetzliche Recht zu, vier halbe Tage pro Schuljahr zu fehlen. Das hat sich be- einziehen, statt zu schwänzen - das ist offene, faire Sache. Ausserdem, mawährt und ist heute völlig selbstver- eine chen wir uns nichts vor, haben wir ohständlich. Administrativ entsteht kaum Aufwand, seit wir ein elektronisches nehin nicht die Zeit, mit jedem Schüler Absenzen zu diskutieren. Klassenbuch haben. Natürlich hat Urs über Saxer: Ich will mir diese Zeit nehSaxer Recht, dieser Paragraf 38 löst das Absenzenproblem nicht gänzlich. Aber men, und sei es nur ganz kurz. Wenn ein Schüler oder eine Schülerin an ein wir verhindern damit viele kleine Pro- Openair will, sollen sie ein Gesuch stellen. Das ist mir übrigens auch schon bleme. passiert. Ich habe dann das Gespräch gesucht und dem betreffenden Schüler Welche Probleme? gesagt, dass ich eine solche Absenz nicht Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 58413804 Ausschnitt Seite: 1/3 Datum: 06.07.2015 Tages-Anzeiger 8021 Zürich 044/ 248 44 11 www.tagesanzeiger.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 172'920 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 374.003 Abo-Nr.: 1044548 Seite: 15 Fläche: 47'999 mm² bewilligen kann. Er könne trotzdem nehmen. gehen, es gebe dann einfach eine unent- Saxer: Ich kann aber niemals einfach schuldigte Absenz. Bei uns hat eine nicht zur Arbeit erscheinen, ohne etwas unentschuldigte Absenz pro Semester zu sagen. Prochaska: Man fehlt auch an der keine Konsequenzen. Mittelschule nicht einfach so, ohne das vorher anzumelden. Wenn Prüfungen Warum soll diese Lösung besser anstehen oder Schulanlässe, gilt Parasein? Das sind einfach versteckte graf 38 nicht. Jokertage lockern die PräJokertage. Saxer: Es gibt entschuldigte und unent- senzpflicht bloss ein wenig auf. Manche schuldigte Absenzen, und ich finde, nutzen sie sehr konsequent, andere lasdiese sollen lückenlos dokumentiert sen sie verfallen. sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen zu ihrem Verhalten stehen. Und, ehr- Wie viel wird geschwänzt an der lich gesagt, wenn ich von anderen Lehr- Kantonsschule? personen höre, wofür Jokertage ein- Saxer: Ich glaube, dass geschwänzt gesetzt werden, etwa für einen Tag im wird, ich weiss aber nicht, wie viel. Ich Europapark oder für einen Grosseinkauf möchte meinen Schülerinnen und Schüennet der Grenze, widerstrebt mir das. lern einfach sagen: Steht zu dem, was ihr tut. Das bringt euch im späteren LeWird die Schule in ihrer Ernsthaftig- ben mehr Kompetenzen als Jokertage. Prochaska: Nur lösen wir das Prokeit entwertet, wenn sie Jokertage blem des Schwänzens nicht mit einem zulässt? Prochaska: Das sehe ich nicht so. Ich mehr oder weniger rigiden Absenzenglaube, der Schulalltag ist ernst genug, wesen. Wir lösen es mit einem spannenund die Jugendlichen sind sich dessen den Unterricht. Wenn die Schülerinnen durchaus bewusst. Jokertage geben und Schüler das Gefühl haben, etwas zu ihnen ein kleines bisschen mehr Selbst- verpassen, schwänzen sie weniger. Saxer: Das ist ein guter Ansatz - und bestimmung. Es ist wie im Arbeitsleben. Wenn ich als Arbeitnehmer einen wich- ein hoher Anspruch. tigen Termin habe, kann ich auch frei 4 4 GegenJokertage: Urs Saxer, Rektor der Kantonsschule Schaffhausen Schaffhausen. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen Dafür: Stefan Prochaska, Rektor Kantonsschule Zofingen. Fotos: Fotos: Sabina Sabina Bobst. Bobst. ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 58413804 Ausschnitt Seite: 2/3 Datum: 06.07.2015 Tages-Anzeiger 8021 Zürich 044/ 248 44 11 www.tagesanzeiger.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 172'920 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 374.003 Abo-Nr.: 1044548 Seite: 15 Fläche: 47'999 mm² Stefan Prochaska (64) ist seit 20 Jahren Rektor der Kantonsschule Zofingen AG. Der Biologe ist verheiratet, hat zwei Kinder und drei Enkelkinder. Urs Saxer (55) ist seit 12 Jahren Rektor der Kantonsschule Schaffhausen. Der Lehrer für Wirtschaft und Recht ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 58413804 Ausschnitt Seite: 3/3
© Copyright 2025 ExpyDoc