Badener Tagblatt - Turnverein STV Wettingen

ZURZACH-AARETAL 21
AARGAUER ZEITUNG
MONTAG, 14. DEZEMBER 2015
Philippe Ackermann hat durch Schmerz
und Trauer zu sich selbst gefunden
Döttingen/Herlisberg Der 42-jährige Elektromonteur und Autor begleitete seine krebskranke Liebste bis zum Tod
VON ROSMARIE MEHLIN
«Die Trauer über ihren Tod habe ich überwunden, aber dass sie so unbeschreiblich
leidend gehen musste, schmerzt noch
heute.» Wanda Buholzer war 36 Jahre alt,
als sie starb. Sieben Jahre lang hatte sie
mit Philippe Ackermann an ihrer Seite gegen ihre Krankheit gekämpft. Bereits vom
Krebs gezeichnet, war sie mit ihm zu Fuss
durch Amerika gewandert.
Philippe Ackermann wuchs in Döttingen auf, lernte Elektromonteur und Maurer und bildete sich zum technischen
Kaufmann weiter. Mit 27 Jahren verliess er
den Aargau und zog 2000 ins Luzernische
– «weil mir die Gegend hier sehr gefällt».
Heute wohnt er in Herlisberg. «Ich hatte
Wanda Ende 2001 in einer Kletterhalle in
Luzern kennen gelernt und schon nach
drei Monaten waren wir zusammengezogen.» Mit ihr verband ihn auch die Liebe
zur Natur und die Freude am Klettersport.
Parforceleistung trotz Krebs
«Nach dem Besuch eines Vortrags über
das Abenteuer Pacific Crest Trail wussten
wir: Das wollen wir auch erleben.» Gerade
als 2005 der Plan zur Realisierung des
Traums reif war, wurde bei Wanda Brustkrebs diagnostiziert. «Nach einem operativen Eingriff und Bestrahlungen galt sie als
geheilt. Doch bereits ein Jahr später kam
der Rückfall, gefolgt von einer Odyssee
durch Schul- und Alternativmedizin.»
Wanda aber trotzte der Krankheit,
packte das Leben mit beiden Händen und
brach im Frühling 2008 zusammen mit
Philippe auf, die rund 4290 Kilometer von
Südkalifornien bis nach Kanada unter die
Füsse zu nehmen. «156 Tage lang sind wir
durch Wüsten, Steppen, endlose Wälder
und über verschneite Gebirgszüge marschiert. Wir hatten kein Handy mitgenommen, waren voller Vertrauen, dass es gut
gehen werde.» Es ging gut, aber es war
sehr hart – besonders für Wanda. «Zwischendurch wollte sie immer wieder aufgeben. Ich habe sie jeweils erfolgreich motiviert. Allerdings nicht ohne gewisse
Zweifel. Die Frage, wo die Grenze zwischen Egoismus und gesunder Motivation
verläuft, hat mich sehr beschäftigt.»
Gewissensbisse und Freude
Als sich im Jahr nach dem Abenteuer
Wandas Gesundheitszustand rapid verschlechterte und die Chemotherapie unumgänglich wurde, habe er denn auch
Gewissensbisse bekommen. «Doch als
Wanda kurz vor ihrem Tod mir sagte, sie
sei dankbar, dass ich sie damals zum
Weitermachen gedrängt hatte, war ich
Die Umgebung am Sempachersee bedeutet Philippe Ackermann viel. Denn er und seine Frau Wanda haben hier viel Zeit miteinander verbracht.
überzeugt, richtig gehandelt zu haben.»
Philippe und Wanda heirateten 2011.
Wenige Wochen nach der Hochzeit hatte
der Krebs alle Macht über Wandas Körper gewonnen. Sie litt extreme Schmerzen, stand ständig unter Morphium.
«Mithilfe von Familie, Freunden und
Spitex konnte ich sie rund um die Uhr
zu Hause betreuen.» Wanda starb am 9.
November 2012.
«So befremdlich es tönen mag, neben
der grossen Trauer habe ich damals
auch Freude empfunden. Freude, dass
ich ihren Wunsch, daheim zu sterben,
hatte erfüllen können. Zugleich habe ich
mich aber gefragt, ob ich das in diesem
Moment überhaupt darf – Freude empfinden.» Die ersten Wochen nach Wandas Tod habe er irgendwie funktioniert –
«zwischen Resignation und Energieschüben». Nach einem halben Jahr war er zusammengebrochen. «Ich lernte Bogenschiessen, um wenigstens ein Ziel zu avi-
MONTAGSPORTRÄT
sieren». Nach zwei Monaten fing er teilzeitig wieder an zu arbeiten, kündigte
aber wenig später und begann im Herbst
2013 ein Buch zu schreiben. «Bereits
2010 hatte ich angefangen, ein Tagebuch zu führen. Bis heute sind es rund
2500 von Hand beschriebene A4-Seiten.»
Erfahrungen weitergeben
Drei Monate schrieb er an seinem Roman, dem er den Titel «Fynn und die Frau
mit den weissen Haaren» gab. In Norddeutschland fand er eine Lektorin und im
August hat er seinen Erstling im Eigenverlag herausgegeben. «Es ist eine Geschichte
voller Symbolkraft, mit fiktiven Handlungen und Figuren, aber mit real erlebten
Gefühlen. Anders herum: Es ist eine Gefühls-Biografie.» Der Döttinger schreibt
bereits an der Fortsetzung, ein dritter
Band ist in Planung. «Im ersten Band findet Fynn nach einer tiefen Sinnkrise auf
CHRIS ISELI
unkonventionelle Art zurück ins Leben.
Ich habe darin verarbeitet, wie ich nach
meinem Zusammenbruch ins Leben zurückfand. Die Buchreihe beginnt also in
der Gegenwart und führt in die Vergangenheit. Im zweiten Band findet Fynn seine grosse Liebe, die an Krebs erkrankt.»
Im dritten Band will Ackermann schildern, wie Fynn über verschiedene Prozesse der Trauer und Verarbeitung in eine lebendige und bejahende Gegenwart zurückfindet. So wie es der heute 42-Jährige
im realen Leben geschafft hat. «Als Hilfe
zur Selbsthilfe habe ich Kurse in Psychologie und Trauma-Therapie besucht.» Heute
arbeitet Philippe Ackermann wieder als
Elektromonteur, aber mit reduziertem
Pensum, um Zeit für seine Bücher zu haben. Neben dem Schreiben bietet er Beratungen, Vorträge und Seminare an. «Ich
will meine Erfahrung, dass die Heilung
tiefer seelischer Wunden möglich ist, an
andere Menschen weitergeben.»
Ein Sonderling rettete die fremdgesteuerten Turner
Baden/Wettingen Der TV
Wettingen nahm die Gäste an
ihrem Turnerabend in der
Sportanlage Aue auf eine
Reise ins Jahr 2045 mit.
VON IRENE HUNG-KÖNIG
Es ist eine freudlose Angelegenheit, das
Leben im Jahr 2045. Einer Armee
gleich marschieren die Turnerinnen
und Turner auf und ab, drehen im
Kreis. Ihr Leben wird durch das Computersystem «Xenon AI» fremdgesteuert, der Chip ist implantiert. «Das System übernimmt die Ferien- und die
Partnerwahl, die Hochzeitstorte ist
längst bestellt», erklärte Spielleiterin
Aline Imoberdorf. Nur Sonderling
«LOL#1.2» gespielt von Gabriel von Tobel, lässt sich nicht beirren: Er schaut
einer Raupe zu, beobachtet die Wolken. Nur: Mit jemandem sprechen
kann er nicht, denn die anderen sind ja
computergesteuert. LOL#1.2 passt nicht
mehr ins Bild und als er verbotenerweise Trompete spielt, wird er auf den Gefängnisplaneten Lenzburg ausgeschafft.
Sprungrollen und tanzte zu «Because
I’m happy». Auch auf dem Kinderplaneten herrschte reges Treiben, die
Nachwuchsturner imponierten mit
Trampolinsprüngen und rollten aus
dem gestreckten Handstand ab.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Das
Computerprogramm stürzte zusammen, die Menschen brauchten Hilfe.
Mit Lichtgeschwindigkeit raste LOL#1.2
auf die Erde zu. Mithilfe der Kinder, die
ihre eigenen Fähigkeiten zuerst wieder
entdeckten, weckten sie die Erwachsenen auf.
Es war ein rasantes Turnspektakel,
welches der TV Wettingen mit seinen
Aktiv- und Nachwuchsturnern bot. Räder, Flic-Flac, Salti, aber auch Hebefiguren, Tanz und Akrobatik gehörten zum
Showprogramm. Die Geschichte zog
sich wie ein roter Faden durch das Geschehen, die einzelnen Darbietungen
unterstrichen das Gesagte.
Ausflug in die 80er-Welt
Spannend war, wie die ganze Geschichte rund um LOL#1.2 erzählt, und
seine Reise zum Gefängnisplaneten
dargestellt wurde. Doch er hielt es dort
nicht aus. Die Elite-Turnerinnen und
Elite-Turner zeigten seinen Ausbruch
mit einer eleganten und kraftvollen
Bänder-Nummer. LOL#1.2’s Reise zur
Milchstrasse 5430 begann. Er hoffte
dort auf ein selbstbestimmtes Leben.
Unterwegs kam er am Planeten der
«Minions» vorbei, die vor lauter Freude
Purzelbäume schlugen. Ein Abstecher
ins Jahr 1984 war ein weiteres Etappenziel: In Neon-Leggins und Stirnbändern
ausstaffiert präsentierte die Elite eine
Steppnummer zu «Wake me up, before
you go» von Wham. Zu «Footloose»
wurde mit dem Springseil getanzt.
LOL#1.2 erreichte sein Ziel. Der Nachwuchs des DTV Wettingen zeigt in seiner Nummer leuchtende Bälle, kühne
Fotos finden Sie auf
www.badenertagblatt.ch
Auf dem Gefängnisplaneten turnen die Sträflinge synchron.
IRENE HUNG-KÖNIG