Rechtswissenschaftliche Fakultät Exposé zum Dissertationsvorhaben mit dem Arbeitstitel Laien als Richter – Wer wird Geschworener und wie erfolgt die Entscheidungsfindung? Verfasserin MMag. Klara Keglevic, LL.M. angestrebter akademischer Grad Doktorin der Rechtswissenschaften (Dr. iur.) Betreuer Univ.-Prof. DDr. Peter Lewisch Institut für Strafrecht und Kriminologie Studienrichtung: Rechtswissenschaften Studienkennzahl: A 783 101 Wien, am 22.09.2015 I. Einführung in das Thema In den schwersten und politisch heikelsten Fällen entscheiden in Österreich acht Menschen ohne jegliche juristische Ausbildung über Schuld bzw Unschuld der Angeklagten (Art 91 Abs 2 B-VG), die Berufsrichter spielen dabei eine Nebenrolle. Eingeführt nach der Abschaffung der Kabinettsjustiz sollte mithilfe der Geschworenengerichtsbarkeit die Willkür der Beamten beschränkt werden,1 und entsprechend hat sich die Geschworenengerichtsbarkeit zu einem Ausdruck der Demokratie entwickelt. Mittlerweile stellen Laienrichter als Kontrolle und Ergänzung des Berufsrichtertums ein Kulturgut des österreichischen Rechtswesens dar. Die Geschworenen zeichnen sich nach wie vor durch „ihre (juristische) Unbefangenheit, Vorurteilsfreiheit und [ihr] besonderes Verantwortungsgefühl“2 aus. Um eben diese Eigenschaften zu gewährleisten, spielt die Auswahl der Geschworenen und die Zusammensetzung der Geschworenenbänke eine entscheidende Rolle.3 Wie wird man nun in Österreich überhaupt Geschworener und wie setzen sich Geschworenenbänke in weiterer Folge zusammen? Grundsätzlich besagt Art 91 Abs 1 B-VG, dass „[d]as Volk [hat] an der Rechtsprechung mitzuwirken [hat]“, detailliert wird die Auswahl im „Bundesgesetz vom 25. April 1990 über die Berufung der Geschworenen und Schöffen“ (GSchG) geregelt. Dementsprechend werden die Laien auf Basis der Wählerevidenz nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Allerdings gibt es dabei Einschränkungen. „Berufen“ werden nur österreichische Staatsbürger im Alter von 25 bis 65 Jahre (§ 1 Abs 2 GSchG), „nicht zu berufen“ sind hingegen die nach § 3 Z 1-6 GSchG ausgenommenen Berufsgruppen (Angehörige der Justiz, Politik und Kirche) sowie Personen ohne Hauptwohnsitz in Österreich (§ 3 Z 7 GSchG). § 2 GSchG zählt zudem als Ausschlussgründe mangelnde Sprachkenntnis, einen schlechten körperlichen oder geistigen Zustand, gerichtliche Verurteilungen bzw ein anhängiges Strafverfahren auf. Schlussendlich können die ausgewählten Personen einen Befreiungsantrag nach § 4 GSchG stellen, wenn sie bereits im vorangegangenen Jahr als Geschworener tätig gewesen sind, das Geschworenenamt mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung verbunden ist bzw öffentliche Interessen gefährdet werden. Zudem werden nach § 46 StPO die Ausschlussgründe (Angehöriger, Zeuge, Sachverständiger, Vorliegen von Gründen für Voreingenommenheit oder Parteilichkeit, Tätigkeit im Verfahren) für Richter (§ 43 StPO) auch auf Geschworene angewandt. Die Geschworenen werden sodann in der Reihenfolge der Liste ernannt. Im Idealfall ergibt sich dadurch eine durchmischte Geschworenenbank, in der verschiedenste 1 Schindler in WK StPO Vor §§ 310-317 Rz 3. Philipp in WK StPO Vor §§ 297-309, 318-343 Rz 8. 3 Philipp in WK StPO Vor §§ 297-309, 318-343 Rz 8. 2 1 Bevölkerungsgruppen repräsentiert werden. Dennoch wurde im Regierungsprogramm 2008, die grundlegende Reform der Auswahl und Ausbildung der Geschworenen angesprochen.4 Laienrichter zeichnen sich somit gerade durch ihre mangelnde juristische Ausbildung aus, daher fehlt ihnen aber die Expertise, um wie ein Berufsrichter über Schuld und Unschuld des Angeklagten zu entscheiden. Wie ermitteln die Geschworenen nun die materielle Wahrheit5? Und wie erfolgt die Subsumtion ihrer Feststellungen unter einen strafrechtlich relevanten Tatbestand? In Österreich wurde hierfür ein komplexes System von Fragen (§§ 310-317 StPO) eingeführt, welches seit der StPO 1873 nur geringfügig adaptiert worden ist6. Um den Tathergang sowie die Schuld des Angeklagten zu ermitteln werden den Geschworenen Fragen zum Tathergang gestellt. Die Fragen werden zwar von den Richtern ausgearbeitet, doch können die Parteien und die Geschworenen Änderungen und Ergänzungen der Fragen beantragen (§ 310 Abs 3, § 327 Abs 1, § 328 StPO). Inhaltlich müssen die Fragen all jene strafrechtlich relevanten Tatsachen beinhalten, die auch in der Hauptverhandlung vorgekommen sind. Außerdem müssen sie so gestellt sein, dass die Geschworenen mit Ja oder Nein antworten können (§ 317 Abs 1 StPO). Die Fragen werden vom Gesetz in drei Kategorien gefasst, und zwar Haupt-, Eventual- und Zusatzfragen. Obwohl vom Gesetz keine Reihenfolge vorgegeben wird, ist die Hauptfrage und damit die Anklage üblicherweise der Ausgangspunkt.7 Hierbei wird gefragt, ob der Angeklagte eben jene Tat begangen hat, welche der Anklage zugrunde liegt. Sofern es in der Hauptverhandlung Anhaltspunkte für Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe gegeben hat, werden die Geschworenen in einer (eigentlichen) Zusatzfrage danach gefragt. Für den Fall der Verneinung der Hauptfrage durch die Geschworenen kann eine Eventualfrage gestellt werden, wenn es in der Hauptverhandlung Hinweise auf die Verwirklichung einer anderen als der in der Anklage angeführten strafbaren Handlung gegeben hat. Eventualfragen werden aber ebenso gestellt, wenn sowohl die Hauptfrage als auch die Zusatzfrage bejaht werden und dennoch eine – wenngleich andere – Straftat in Frage kommt. Schlussendlich wird in einer uneigentlichen Zusatzfrage noch nach möglichen strafsatzändernden Strafmilderungs- und Straferschwerungsgründen gefragt. Dieser sogenannte Wahrspruch der Geschworenen wird dem Urteil zugrunde gelegt und ersetzt die Begründung. Entsprechend wichtig ist die Fragestellung auch für die Parteien, um das Urteil nachvollziehen zu können. 4 Regierungsprogramm für die XXIII GP, RZ 2007, 30 (33). Schindler in WK StPO Vor §§ 310-317 Rz 6. 6 Schindler in WK StPO Vor §§ 310-317 Rz 4. 7 2 Schindler in WK § 312 Rz 1 f. 5 2 II. Ziel der Dissertation und Forschungsfragen Die geplante Dissertation behandelt zwei Themen, welche weitgehend unabhängig voneinander beleuchtet werden sollen. Im ersten Teil soll das Auswahlverfahren der Laienrichter und die Zusammensetzung der Geschworenenbänke besprochen werden. Im zweiten Teil wird die Fragestellung nach §§ 310-317 StPO an die Geschworenen thematisiert. 1. Auswahlverfahren und Zusammensetzung der Geschworenenbänke Die Besetzung der Geschworenenbänke gliedert sich in drei Teile. Der normative Teil handelt von den diversen Anforderungen an das Auswahlverfahren und die Zusammensetzung. Im zweiten Teil wird die rechtliche Regelung der Auswahl und Besetzung im Rechtsvergleich beschrieben. Abschließend soll die tatsächliche Zusammensetzung der Geschworenenbänke erhoben und analysiert werden. a. Wie setzt sich eine Geschworenenbank idealerweise zusammen? Wer sollte idealerweise Laienrichter werden und welche Konstitution von Personen ergäbe die „perfekte Geschworenenbank“? Gibt es überhaupt eine solche Idealbesetzung, oder aber ergibt sich aufgrund einer Vielzahl von Einflussfaktoren und Voraussetzungen eine Hand voll Anforderungen, die es zu beachten und auszugleichen gilt? Die erste Voraussetzung findet sich wohl in der Verfassung, da Art 91 Abs 1 B-VG von der Mitwirkung des „Volkes“ an der Rechtsprechung spricht. Was ist aber nun eigentlich mit „Volk“ gemeint? Müssen alle Bevölkerungsgruppen (Alter, Geschlecht, Berufsgruppen, soziale Gruppen etc) entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung auf jeder einzelnen Geschworenenbank repräsentiert sein? Oder aber, sollte eine Geschworenenbank bloß aus jeglichen „Nicht-Richtern“ bestehen, wobei jeder Bürger die gleiche Chance hat, Laienrichter zu werden? Gäbe es Alternativen zwischen diesen beiden Extremen? Man könnte beispielsweise versuchen, die Repräsentanz der verschiedenen Bevölkerungsgruppen über mehrere Verfahren hinweg sichern. Auch Quoten könnten als Korrektiv für systematisch unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen dienen, wobei auch etwaige Nachteile derselbigen zu beachten sind. Vielleicht könnte man auch mithilfe einer größeren Geschworenenbank mehr Repräsentanz der Bevölkerung erreichen. Im Extremfall kann jeder Laie Geschworener werden, doch wäre es wohl nicht im Sinne der Justiz und deren Ansehen in der Öffentlichkeit, dass voreingenommene und parteiische Geschworene über die Schuld und Unschuld eines Angeklagten richten. Aber auch Personen, die dem Gang der Verhandlung aus 3 bestimmten Gründen (Sprache, Alter, Gesundheit etc) nicht folgen können, zögen die Qualität der Entscheidung bzw die Verfahrenseffizienz in Mitleidenschaft. Daher gibt es Gründe, um bestimmte Personen vom Geschworenenamt auszuschließen bzw zu befreien. Je mehr Ausschluss- und Befreiungsgründe es jedoch gibt, umso weniger repräsentieren die Geschworenen das Volk. Im Extremfall werden bestimmte Bevölkerungsgruppen vom Geschworenenamt zur Gänze ausgeschlossen bzw bleiben dem Amt systematisch aus eigenem Antrieb fern. Dieses Spannungsverhältnis gilt es zu lösen. Sowohl Art 6 EMRK als auch Art 87 B-VG schützen das Recht auf einen gesetzlichen Richter. Aber wird das Recht auf einen gesetzlichen Richter überhaupt verletzt, wenn die Geschworenenbank nicht korrekt besetzt wurde? Hierbei stellt sich zunächst die Frage, ob „Laienrichter“ überhaupt „Richter“ sind, bzw welche Anforderungen an sie als „Richter im weiteren Sinne“8 gestellt werden. Wenn ja, verletzen alle oder nur ausgewählte Besetzungsvorschriften (GSchG; § 46 StPO) das Recht auf einen gesetzlichen Richter und gibt es sohin unterschiedliche Schweregrade? Hierbei spielt auch der Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 1 StPO eine Rolle. Internationale Studien im Bereich der Psychologie und Soziologie9 beschreiben die Auswirkungen demographischer Merkmale und anderer Faktoren auf die Entscheidungen der Geschworenen. So können Alter, Geschlecht, Beruf, soziale Stellung, politische Einstellung, etc das Ergebnis beeinflussen. Das Streben nach gerechteren, moralisch wertvolleren und rechtlich kongruenteren Entscheidungen kommt hier also ins Spiel. Sollten aufgrund dieser Ergebnisse bestimmte Gruppen unbedingt/nicht vertreten sein? Eine buntgemischte Geschworenenbank hätte wohl den Vorteil von Ausgleichs- und Präsenzeffekten, mit deren Hilfe man den Einflussfaktoren entgegenwirken könnte. Eine solche stünde jedoch in einem Spannungsverhältnis zur Entscheidungsfindung, welche umso schwerfälliger wird, je vielfältiger die Meinungen der Geschworenen sind. In diesem Zusammenhang spielen auch Abstimmungsquoren, die Legitimation der Gerichte und ihrer Urteile sowie das Ablehnungsrecht eine entscheidende Rolle. Wenn die Geschworenenbank durchmischt ist, könnten Urteile von den Parteien und der Bevölkerung eher anerkannt werden. Gleichzeitig könnte sich aber auch ein knappes Abstimmungsergebnis auf die Legitimation des Urteiles auswirken. Könnte das Ablehnungsrecht hier ein Korrektiv darstellen, da ohne die extremen Meinungen eindeutige 8 Philipp in WK StPO Vor §§ 297-308, 318-343 Rz 7. zB Kalven/Zeisel, The American Jury (1966); Eisenberg/Hannaford- Agor/Hans/Waters/Munsterman/Schwab/ Wells, Judge-Jury Agreement in Criminal Cases: A Partial Replication of Kalven and Zeisel´s The American Jury (2005) in Journal of Empirical Legal Studies (Hrsg) Vol II Issue 1, 171-206. 9 4 Abstimmungsergebnisse erzielt würden? Das Ablehnungsrecht könnte sich aber auch negativ auf die Legitimation auswirken, da es unter Umständen die Diversität der Geschworenenbank beschränkt. Wenn die Parteien aber gleichzeitig die Besetzung der Geschworenenbank mitbestimmen, anerkennen sie vielleicht auch das später gefällte Urteil „ihres“ Gerichtes mehr. b. Wie werden Geschworenenbänke in anderen Gerichtsbarkeiten besetzt? Die Geschworenengerichtsbarkeit variiert je nach Rechtsprechung, daher lohnt sich ein Blick nach England und Spanien sowie in die USA, aber auch kleine Exkurse nach Kanada und Deutschland10 könnten aufschlussreich sein. Die Unterschiede sind vielfältig. So divergieren bereits die Auswahlverfahren der Geschworenen bei der Erstellung eines Geschworenenpools. Wer darf überhaupt Laienrichter werden? Wie viel Wert legen die Rechtsprechungen auf die Repräsentanz der Bevölkerung im Geschworenenpool und wie erfolgt die Umsetzung? Sollte man sich als Bürger um das Amt bewerben oder erfolgt die Auswahl nach dem Zufallsprinzip? Welche Rechte haben jene Bürger(-gruppen), die nicht repräsentiert sind? Ebenso können Unterschiede bei den Ausschluss- und Befreiungsgründen von Relevanz sein. Welche Ausgestaltungen und Erfahrungswerte gibt es mit einem Ablehnungsrecht der Parteien? Wie unterscheiden sich das „stand-by“ Recht der englischen Staatsanwaltschaft und das kanadische „tier system“ von dem selbigen? Wie werden die Bürger in den verschiedenen Rechtsprechungen animiert, ihr Amt anzutreten? Wie geht man also mit jenen Laien um, die das Amt nicht antreten? Ergeben sich dabei Anhaltspunkte zum Wirkungsgrad hoher Strafen, hoher Entgelte sowie eines Appells an die Bürgerpflicht? c. Wie werden die Geschworenenbänke tatsächlich besetzt? Das Geschworenenamt ist ein Ehrenamt und eine Staatsbürgerpflicht, dennoch wird es Individualpersonen geben, die kein Interesse an diesem Amt haben. Wer wird nun versuchen sich zu entschuldigen bzw bleibt überhaupt unentschuldigt der Verhandlung fern? Gibt es Bevölkerungsgruppen, die das Amt systematisch nicht ausüben wollen und daher unterrepräsentiert sind, und welche wären das? Sollten die Ordnungsstrafen erhöht werden, damit die Staatsbürger ihrer Pflicht nachkommen? Könnte man die Bevölkerung mithilfe einer höheren Entschädigung zur Ausübung 10 Wenngleich es in Deutschland keine Geschworenen, sondern nur Schöffen sind, kann die Auswahl derselbigen trotzdem berücksichtigt werden. 5 des Amtes motivieren? Oder aber nimmt man eine Selektion in Kauf, weil man jene Personen, die das Geschworenenamt nicht interessiert, nicht über die Schuld des Angeklagten urteilen lassen möchte? Gleichzeitig können die Regelung der Berufung von Geschworenen sowie die Ausschluss- und Befreiungsgründe die Repräsentanz der Geschworenenbank beeinträchtigen. Werden manche Bevölkerungsgruppen schon systematisch vorab vom Geschworenenamt ausgeschlossen, sodass sie nicht einmal in den Geschworenenpool kommen? Haben sie aufgrund von Ausschluss- und Befreiungsgründen nicht einmal die Möglichkeit in einer Geschworenenbank zu sitzen11? Dienen also nur jene Personen der Geschworenengerichtsbarkeit, die dies können UND wollen? Dies würde aber gerade dem Ziel einer repräsentativen Geschworenenbank widersprechen. 2. Fragestellung an die Geschworenen (§§ 310-317 StPO) Aufgrund der fehlenden juristischen Ausbildung entscheiden die Laienrichter über Schuld und Unschuld des Angeklagten, indem sie Fragen beantworten. Wie wird die Fragestellung an die Geschworenen nun im Gesetz geregelt, von der Rechtsprechung umgesetzt und in der Literatur diskutiert? Was hat der Gesetzgeber mit der Fragestellung bezweckt? Welches Ziel wird mit der Fragestellung überhaupt verfolgt? Sollen die Geschworenen allein die materielle Wahrheit feststellen oder beantworten sie mit den Fragen schon die Rechtsfrage? Hierbei gilt es insbesondere auch die Korrektive durch die Richter, und zwar das Moniturverfahren, die Aussetzung und den Freispruch nach § 337 StPO, zu beachten. Die Grenzen scheinen jedenfalls zu verfließen. Welche inhaltlichen Anforderungen an die Fragen ergeben sich aus Gesetz und Rechtsprechung? Wie müssen die Fragen ausgestaltet werden, um auch als Begründung des Urteiles zu zählen und den entsprechenden Anforderungen der EMRK gerecht zu werden? Dabei spielen insbesondere die Konkretisierung, Spezialisierung und Individualisierung eine Rolle. Bei der Formulierung der Fragen muss der Vorsitzende all jene Straftaten abdecken, für welche in der Verhandlung Tatsachen vorgebracht werden. Wann ist eine Tatsache so relevant, dass sie auch in einer Frage angesprochen wird? Dies erscheint wichtig, da zu wenige Fragen genauso einen Nichtigkeitsgrund darstellen wie zu viele Fragen. Welche Erkenntnisse aus der Sozio-Psychologie können hierbei angewandt werden? Auf jeden Fall erscheinen hierbei Kompromiss- und Kontrasteffekte erwähnenswert. 11 Zum Spannungsverhältnis zur Qualität der Urteile siehe unter II.1.a. 6 Welche Formulierungen müssen in den Fragen an die Geschworenen aufgrund ihrer Qualität als Rechtsbegriffe ausgelassen oder zumindest erläutert werden? Nun können die Geschworenen die Fragen aber auch einschränkend beantworten – wie weit geht diese Möglichkeit und welche Implikationen ergeben sich daraus für die Formulierung der Fragen? Ergibt sich dabei ein Spannungsverhältnis zur Ausgestaltung von Ja-Nein-Fragen nach § 317 Abs 1 StPO? Vereinfacht diese Option die Fragestellung oder verwirrt sie vielmehr die Geschworenen? Wie wird die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Fragetypen gehandhabt und welche Wechselbeziehungen gibt es zwischen den Fragen? Wie werden in weiterer Folge die Fragen gereiht? Da das Gesetz kein fixes Fragenschema vorgibt, kann man sich mit den Gesetzen der Logik weiterhelfen? Bzw wie erfolgt die Umsetzung in der Praxis? Gibt es Erfahrungswerte aus der Psychologie und Soziologie, ob Fragen je nach ihrer Reihung anders beantwortet werden? Gibt es alternative Möglichkeiten in einer Geschworenenverhandlung zu einer Entscheidung der Geschworenen zu gelangen? Ein Blick ins Ausland soll die Fragestellung an Geschworene in anderen Rechtsprechungen aufzeigen. Dabei dient das anglo-amerikanische System als Kontrast, wo nur nach Schuld und Nicht-Schuld gefragt wird. Gleichzeitig erscheint das spanische Recht als Civil Law12 interessant, das ebenfalls ein komplexes Fragensystem entwickelt hat. Welche Unterschiede ergeben sich dabei in der Handhabung? III. Forschungsmethode Die Forschungsfragen sollen primär mittels einer Literaturrecherche im Detail aufgearbeitet werden. Die Recherche in Datenbanken sowie Bibliotheken erlaubt dabei eine umfassende Sammlung der Literatur, wobei insbesondere Kommentare, Monografien und Sammelwerke als Ausgangspunkt dienen sollen. Ausführlich sollen auch Artikel sowie Vorträge auf Symposien und Tagungen einbezogen werden. Die Literatur wird dabei nach den allgemein gebräuchlichen Methoden erforscht und analysiert. Die Rechtsprechung der nationalen und internationalen Gerichte ergibt Aufschlüsse über die Anwendung der Regelungen in der Praxis. Auch ein Rechtsvergleich soll die unterschiedliche Handhabung ähnlicher Probleme aufzeigen sowie Denkansätze für Reformen ermöglichen. Auch ein Blick in die Geschichte ist im Rahmen der Geschworenengerichtsbarkeit wohl unabdingbar, sowohl die früheren gesetzlichen Regelungen, als auch die diesbezügliche Literatur und Rechtsprechung bedürfen daher einer umfassenden Aufarbeitung. 12 Kodifiziertes Recht, als Kontrast zu Common Law. 7 Hinsichtlich der Zusammensetzung der Geschworenenbänke in Österreich sollen außerdem mit Hilfe eines Fragebogens die demographischen Daten der Geschworenen erhoben werden. Befragt werden dabei der Einfachheit halber bloß jene Geschworenen, die auch tatsächlich bei Gericht erscheinen und an einer Verhandlung teilnehmen. Die Fälle sollen sowohl Jugendliche als auch Erwachsene, schwere Verbrechen sowie politische Delikte umfassen. Schließlich könnte das Interesse an der Teilnahme je nach Fall differieren und zu unterschiedlichen Zusammensetzungen führen. Um eine repräsentative Stichprobe zu erhalten wird mit 50 Verfahren und einer Laufzeit von einem Jahr gerechnet. Die Daten sollen mithilfe eines Statistikprogrammes aufgearbeitet werden, wobei ein Vergleich mit der Statistik Austria hilft, die tatsächlich erreichte Repräsentanz der Bevölkerung auf der Geschworenenbank festzustellen. 8 IV. Vorläufige Gliederung I. Einleitung II. Zusammensetzung der Geschworenenbänke A. Einleitung B. Fragestellungen beim Auswahlverfahren 1. Was bedeutet Volk/peers? 2. Warum überhaupt Repräsentanz? 3. a. Menschenrechtliche Gesichtspunkte b. Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte c. Psychologische und soziologische Aspekte Zufall vs Eingriff – Ein Spannungsverhältnis? a. Das Zufallsprinzip i. Der Garant für Repräsentanz? ii. Problemfelder b. Minderheiten Jugendliche Rational Choice Theory vs Behavioral Economics (Geschworenenmoral) Einstimmigkeit Legitimation der Urteile Korrekturen durch Eingriffe, Strafen und Anreize i. Geschworenenpool Befreiungs- und Ausschlussgründe Quoten ii. C. Geschworenenbank Ablehnungsrecht Entlohnung Strafen Umsetzung in den verschiedenen Rechtsprechungen 1. Österreich a. Einleitung b. Geschworenenpool i. Persönliche Voraussetzungen (§ 1 ff GschG) 9 ii. Befreiungsgründe (§ 4 GschG) iii. Rechtsbehelfe c. D. E. Geschworenenbank i. Besetzung ii. Ausschluss- und Befangenheitsgründe (§ 46 iVm § 43 StPO) iii. Rechtsbehelfe 2. USA 3. England 4. Sonstige Ansätze (Kanada/Spanien/Deutschland) 5. Vergleich Tatsächliche Zusammensetzung (Empirischer Teil) 1. Ökonomische Theorie 2. Forschungsstand/internationale Studien 3. Österreich a. Daten b. Ergebnisse c. Conclusio Conclusio, Diskussion und Ausblick III. Fragestellung an die Geschworenen A. Einleitung B. Warum überhaupt eine Fragestellung (Sinn und Zweck)? C. D. 1. Vom Leumundszeugnis zum Wahrspruch – Ein geschichtlicher Abriss 2. Tatsachenfeststellung 3. Rechtliche Beurteilung 4. Begründung der Entscheidung Mögliche Ausprägungen 1. Schuldig – Nicht-schuldig 2. Detailgetreue Abfrage des Geschehens 3. Sonstige Probleme 1. Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen (binary independence) 2. Kontrast- und Kompromisseffekte 3. Begründung der Entscheidung 10 E. Rechtsvergleich 1. Österreich a. Auslegung der Bestimmungen b. Hauptfrage c. Eventualfrage d. Zusatzfrage i. eigentliche Zusatzfrage ii. uneigentliche Zusatzfrage e. Fragenschema i. Logik ii. Umsetzung in der Rechtsprechung f. Änderung und Ergänzung der Fragen i. Geschworene ii. Parteien g. Nachträgliche Korrektive durch Berufsrichter i. Moniturverfahren ii. Aussetzung iii. Freispruch nach § 337 StPO h. F. Rechtsmittel 2. USA 3. England 4. Spanien Conclusio, Diskussion und Ausblick IV. Conclusio 11 V. Zeitplan September 2014 – Dezember 2014 Themensuche und Konzepterstellung Jänner 2015 Fakultätsöffentliche Präsentation Mai 2015 Probedurchgang Studie am Landesgericht Wien August 2015: Einreichung des Exposé September 2015 –Juni 2016 Studie am Landesgericht Wien August 2015 – Februar 2015 Verfassen der Teile II.A-II.E (mit Ausnahme der Auswertung der Daten) März 2016 –Juni 2016 Verfassen der Teile III.A – III.D Juli 2016. Auswertung der Daten, Überprüfung August 2016 –Februar 2017 Verfassen der Teile III.E – III.H März 2017 – Juni 2017 Verfassen der Teile III.I – III.J, IV Juli 2017- Dezember 2018 Überarbeiten der Dissertation Mai 2018 Öffentliche Defensio 12 VI. Literatur Kommentare Bachner-Foregger, Strafprozessordnung22 (2015). Bertel/Venier, Strafprozessordnung (2012). Fabrizy, Die österreichische Strafprozessordnung12 (2014). Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention: EMRK-Kommentar3 (2009). 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