Eine brutal schöne Klangwelt für Anne Franks Tagebuch

Region
Zürichsee-Zeitung Obersee
Freitag, 4. März 2016
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Kritik an Kandidat für Gemeindepräsidium
Uznach Am 20. März wählen die Uzner Stimmbürger einen
neuen Gemeindepräsidenten. Nun schiesst die Wochenzeitung
«Obersee-Nachrichten» gegen einen der Kandidaten für das
Amt und stellt Peter Müller als Nazisympathisanten dar. Der
Historiker weist die Vorwürfe als befremdlich zurück.
Der Kampf um das Uzner Gemeindepräsidium nimmt eine
eigentümliche Wende. Am Montagabend präsentierten die beiden Kandidaten, Peter Müller
und Christian Holderegger, beides FDP-Politiker, der Uzner Bevölkerung ihre Positionen. Dabei
konnten wohl beide Sympathiepunkte holen.
Gestern folgte in der Wochenzeitung «Obersee-Nachrichten»
der Angriff auf Kandidat Peter
Müller. Zur Zielscheibe wurde er
aufgrund seiner – durchaus etwas
speziellen – beruflichen Tätigkeit.
Der Historiker und ehemalige
Oberstleutnant betreibt einen
Verlag, der sich auf die Publika-
tion von militärhistorischen Texten zur Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs spezialisiert hat.
Der Vorwurf der «Obersee-Nachrichten»: Müller publiziere die
Werke von Autoren, die im Naziumfeld beliebt seien.
Keine Stellungnahme
Müller selbst lassen die «Obersee-Nachrichten» in ihrem Artikel nicht zu Wort kommen. Sie
haben vor der Publikation weder
bei Peter Müller noch bei Kurt
Hollenstein vom Uzner Wahlausschuss, der die Kandidaten nominiert hat, eine Erklärung eingeholt. «Es braucht zu diesem Zeitpunkt keine Stellungnahme von
Peter Müller», sagt der Verfasser
des Artikels, Mario Aldrovandi.
Begründung: Die Informationen
seien für alle ersichtlich auf der
Website einsehbar.
Müller weist die Anschuldigungen der «Obersee-Nachrichten»
zurück. «Ich bin weit weg von
Nazidenken», sagt er gegenüber
der «Zürichsee-Zeitung». Dass er
sich für die militärtechnischen
Aspekte jener Epoche interessiere, sage nichts über seine politische Gesinnung aus, betont Müller. Explizit distanziert er sich auf
seiner Website auch «von allem
imperialistischen oder nationalsozialistischen Gedankengut,
vom Einsatz von Gefangenen und
Deportierten für die Rüstungsindustrie und im Speziellen auch
vom Sprachgebrauch des Dritten
Reiches». Dass daneben ein Bild
des Reichs-Propagandaministers
Joseph Goebbels stehe, habe
kommerzielle und keine ideologischen Gründe. «Man kann eine
solche Website nicht rein wissenschaftlich gestalten», sagt Müller.
Es brauche Bilder, sonst werde
die Seite nicht angeklickt.
Verurteilung kam später
Auch den Vorwurf, er verlege die
Werke von Autoren nationalsozialistischer Färbung, will Müller
nicht auf sich sitzen lassen. Als
Historiker sei er der Grundlagenforschung verpflichtet. Zwielichtig
erscheint von seinen Autoren einzig der Amerikaner Mansal Denton. Sein Buch «Battle for Narva,
1944» wurde 2010 in Müllers Verlag publiziert. Was die «OberseeNachrichten» aufgreifen: Denton
wurde in Amerika zu acht Jahren
Gefängnis verurteilt, weil er 17 000
Dokumente aus der Mazal Holocaust Library gestohlen haben soll
– allerdings erst 2014, Jahre nach-
dem Müller sein Buch ins Programm genommen hat.
Kurt Hollenstein vom Uzner
Wahlausschuss distanziert sich
von der Berichterstattung in den
«Obersee-Nachrichten». «In diesem Artikel werden Zusammenhänge suggeriert, die so nicht korrekt sind.» Das sei kein seriöser
Journalismus, sagt Hollenstein.
Der Wahlausschuss habe die Kandidaten in einem offenen und
transparenten Verfahren ermittelt. Und dabei auch den Leumund der Kandidaten überprüft,
Referenzen eingeholt und einen
Strafregisterauszug
verlangt.
«Gestützt auf unsere Abklärungen haben wir keinerlei Anlass
zur Annahme, dass Peter Müller
rechtsradikales Gedankengut
vertritt.» Wenn dem so wäre,
hätte das wohl kaum unentdeckt
bleiben können, argumentiert
Hollenstein. Schliesslich ist Mül-
Eine brutal schöne Klangwelt
für Anne Franks Tagebuch
ler seit zehn Jahren im Andelfinger Gemeinderat und war davor
bereits vier Jahre in der RPK.
«Ich bin sehr enttäuscht, dass die
‹Obersee-Nachrichten› einen solchen Bericht publizieren, ohne
den Sachverhalt mit dem Wahlausschuss zu klären.»
Zu einem Interview wollen die
«Obersee-Nachrichten» Peter
Müller nun bald einladen, sagt
Mario Aldrovandi. Ob es dazu
noch kommen wird, ist ungewiss.
Müller will sich rechtliche Schritte gegen das Gratisblatt vorbehalten. Es wäre nicht das erste Verfahren gegen die «Obersee-Nachrichten». Vor einer Woche hat die
Stadt Rapperswil-Jona mitgeteilt,
dass sie rechtliche Schritte eingeleitet hat. Sie will sich damit
gegen die «verunglimpfende
Kampagne» gegen die Kesb Linth
und deren Präsidenten Walter
Grob wehren. Patrizia Kuriger
Anlässe
Benken
Theater Bänggä
spielt Schwank
Seit Ende Oktober sind die
Mitglieder des Theaters Bänggä
wieder im Probeneinsatz
für die vier Theatervorstellungen. Unter der Regie von Lorenz
Holenstein gelangt in diesem
Jahr das Lustspiel in drei Akten
«Bauer mit Grill sucht Frau
mit Kohle …» von Josef Brun zur
Aufführung. Ueli Baumeler ist
ein lediger und eigenwilliger
Bauer. Sein Knecht, der Jöggu,
steht ihm an Originalität in
nichts nach. Sie bewirtschaften
den Lindenhof noch nach ihrem
System, was natürlich nicht allen
passt. Da Jöggu fast immer das
Gleiche kocht, hat Ueli nun
plötzlich die Idee, eine Haushälterin zwecks Heirat auf den Hof
zu holen – und somit nehmen
die Dinge ihren Lauf ... e
Die Aufführungen finden statt
am Freitag, 4. März, und Samstag,
5. März, jeweils 20 Uhr, und Sonntag, 6. März, 14 Uhr, sowie Mittwoch, 9. März, 20 Uhr. Platzreservationen nimmt Manuela Schnellmann, Tel. 079 296 12 84, entgegen; nur für Mittwoch, 9. März,
sind noch Plätze frei.
schmeRikon
Ökumenischer
Suppentag
Vor der Schweizer Erstaufführung: Einführung ins Werk «Annelies» mit Max Aeberli und einem Teil des Teamchors Jona.
RappeRswil-Jona Max Aeberli und der Teamchor sorgen für
eine Schweizer Premiere: Sie führen das Chorwerk «Annelies»
auf, eine Komposition des Engländers James Whitbourn über
das Tagebuch der Anne Frank.
Es ist eines der berühmtesten Bücher der Welt. Entstanden ist das
Tagebuch der Anne Frank in der
Zeit zwischen dem 6. Juli 1942
und dem 4. August 1944 in einem
Hinterhaus an der Amsterdamer
Prinsengracht. Hier hält sich die
jüdische Familie Frank vor den
Nazis versteckt: Vater Otto, Mutter Edith sowie die beiden Töch-
ter Margot und Anne, die mit
vollem Namen Annelies Marie
heisst. Ohne Kontakt zur Aussenwelt, in ständiger Angst, entdeckt
und verraten zu werden, beginnt
die 13-Jährige ein Tagebuch, in
dem sie sich an ihre fiktive Freundin Kitty wendet. «Ich kann dir, so
hoffe ich, alles anvertrauen, wie
ich es bisher bei niemandem
DAS KONZErT
Das Oratorium «Annelies» wird
am 19. und 20. März in der
katholischen Kirche Jona auf­
geführt. Mitwirkende: Teamchor
Jona verstärkt, Sinfonietta Vor­
arlberg, Arianna Zukerman, So­
pran, Claudia Dischl, Klavier. Die
Leitung hat Max Aeberli. Diese
beiden Konzerte sind praktisch
ausverkauft. Weitere Auffüh­
rungen: Gründonnerstag,
24. März, in der Tonhalle St. Gal­
len, Karfreitag, 25. März, im
vorarlbergischen Lustenau. jä
www.teamchor.ch
konnte, und ich hoffe, du wirst
mir eine grosse Stütze sein»,
schreibt sie am 12. Juli 1942.
Die Kehle zugeschnürt
«Anne Frank war ein fröhliches,
äusserst talentiertes junges Mädchen.» Mit diesen Worten eröffnet
Max Aeberli seine Werkeinführung in der Alten Fabrik. Ihr Tagebuch, bis heute in mehr als 60
Sprachen übersetzt, berühre heute noch jeden, der es lese. Das geht
auch den Sängerinnen und Sängern des Teamchors nicht anders.
So berichtet ein Mitglied, dass ihm
das Proben zu Hause noch nie so
schwergefallen sei. Es habe ihm
anfänglich dermassen die Kehle
zugeschnürt, dass kein Ton mehr
herausgekommen sei. Die Textpassagen für das Libretto hat die
britische Autorin Melanie Challenger ausgewählt, die Musik
stammt vom 53-jährigen Komponisten James Whitbourn. Dieser
sagt über das Tagebuch der Anne
Frank: «Die Tatsache, dass es in die
Geschichte des Holocaust eingebettet ist, macht seine Brillanz so
unendlich schmerzlich.»
Der Teamchor, begleitet von der
Pianistin Claudia Dischl, vermittelt in der anderthalbstündigen
Einführung mit zahlreichen Hörproben erste Eindrücke von Whitbourns Klangwelt, die Max Aeberli als «brutal schön» bezeichnet.
«Es tönt immer etwas anders, als
man es erwartet.» Die stark mit
Rhythmus arbeitende Tonsprache
ist vielfarbig und lautmalerisch.
Man hört unterdrücktes Atmen,
pochende Herzen, deutsch geschriene Satzfetzen.
Ein ausgelassenes Geisslein
Das Werk für gemischten Chor,
Solosopran und Orchester – der
Komponist selber bezeichnet es
als Oratorium – wurde 2005 in
England uraufgeführt. In der
Schweiz war es noch nie zu hören.
Anne Franks Tagebuch schwankt
Sabine Rock
zwischen Angst und Hoffnung, etwa am D-Day im Juni 1944: «Kitty,
das Schönste an der Invasion ist,
dass ich das Gefühl habe, dass
Freunde im Anzug sind. Vielleicht
kann ich im September oder Oktober doch wieder zur Schule gehen.» Keine zwei Monate später
wird das Versteck verraten, die Familie Frank deportiert. Anne stirbt
im März 1945 an Typhus im Vernichtungslager Bergen-Belsen. Ihr
Vater überlebt als Einziger der Familie und veröffentlicht 1947 das
Tagebuch seiner Tochter. Den
Schluss seines Werks gestaltet der
Komponist James Whitbourn meditativ und in versöhnlichem Dur.
Anne Frank könnte dieses Jahr
ihren 87. Geburtstag feiern. Einer
der letzten Sätze in ihrem Tagebuch, notiert am 1. August 1944,
lautet: «Innerlich weist die reine
Anne mir den Weg, äusserlich bin
ich nichts als ein vor Ausgelassenheit sich losreissendes Geisslein.»
Elvira Jäger
Am Sonntag laden die Katholische und die Reformierte Kirchgemeinde zum ökumenischen
Gottesdienst in der Pfarrkirche
Schmerikon ein, gestaltet von
Pfarrer Andreas Geister und Diakon Bruno Jud. Mit dem Motto
«Verantwortung tragen – Gerechtigkeit stärken» wird auf den
Verbrauch der Rohstoffe, die wir
täglich verbrauchen, hingewiesen. Ein weiterer Blick wird hinter den Glanz des Goldes, das
so gerne als Schmuck oder auch
als Geldanlage verwendet wird,
geworfen. Anschliessend sind alle Familien und Einzelpersonen
zum gemeinsamen Suppenzmittag ins Pfarreizentrum eingeladen. Die Kollekte sowie die
Suppenspende sind für das Fastenopfer-Projekt der Seelsorgeeinheit Obersee bestimmt. e
Sonntag, 6. März, 10.30 Uhr.
E-MAil AN DiE ZSZ
[email protected]