Know How: Physik der Kernspintomografie Das Verfahren der Kernspintomografie beruht im wesentlichen auf zwei physikalischen Phänomenen: Dem des Kern-Spins und dem der Kern-Resonanz. Alle Atomkerne – auch die des menschlichen Körpers - rotieren mit hoher Geschwindigkeit um eine zentrale Achse. Diese Bewegung wird mit dem englischen Begriff „Spin“ bezeichnet. Da die Atomkerne positiv elektrisch geladen sind, erzeugt der Spin ein schwaches Magnetfeld um die Kerne herum. Damit sind rotierende Atomkerne durch äußere Magnetkräfte in ihrer Bewegung beeinflussbar. Aber auch elektromagnetische Impulse können die Kernrotation durch Resonanz stören. Stark vereinfacht kann man sich die rotierenden Atomkerne auch als kleine Magnetkreisel vorstellen. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass deren Bewegung durch andere Magnete, aber auch z. B. durch Anstupsen mit dem Finger (der Resonanz) beeinflusst werden können. Für die medizinische Bildgebung werden zur Zeit nur Wasserstoff-Atomkerne herangezogen. Dies hat zwei Gründe: Wasserstoff-Atomkerne sind zum einen besonders leicht durch äußere Magnetfelder und elektromagnetische Impulse zu beeinflussen, zum anderen kommen sie im gesamten menschlichen Körper vor. Während einer kernspintomografischen Untersuchung passiert stark vereinfacht folgendes: Das extrem starke Magnetfeld des Kernspintomografen, das in einer heliumgekühlten, supraleitenden Spule elektrisch erzeugt wird und einige 10.000-mal stärker ist als das Erdmagnetfeld, richtet eine geringe Anzahl von Wasserstoffatomkernen im zu untersuchenden Körperteil so aus, dass ihre Rotationsachsen alle in die gleiche Richtung zeigen und die Kerne alle mit der gleichen Geschwindigkeit kreisen. Nun wird ein elektromagnetischer Anregungsimpuls kurz eingestrahlt. Die Kernresonanz bewirkt, dass die Rotationsachsen der Wasserstoffkerne um 90 Grad zur Seite kippen. Eine Empfangsspule, die auf die umgekippten Kerne ausgerichtet ist, registriert jetzt einen Stromstoß, denn bewegte Magneten erzeugen in einer Spule einen Wechselstrom. Nach Abschalten des Impulses richten sich zum einen die Rotationsachsen langsam wieder in Richtung des ursprünglichen Hauptmagnetfeldes auf - in den einzelnen Körpergeweben aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, die in der Medizin mit T1 bezeichnet wird. Zum anderen geraten die kreisenden Kerne gewissermaßen außer Takt: Die Rotationsachsen driften schnell auch zur Seite weg, weil die Kerne sich gegenseitig abstoßen. Am Schluss zeigen sie seitlich in alle möglichen Richtungen. Diese schnelle Driftbewegung der Rotationsachsen läuft in den einzelnen Geweben ebenfalls mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, die mit T2 bezeichnet wird, ab. Das ursprünglich in der Empfangsspule ankommende Signal wird durch das Aufrichten und Aufspreizen der Spinachsen immer schwächer, bis es ganz verschwindet und für die Bilderzeugung nutzlos wird. Wenn aber nach einer Zeitspanne TR (englisch Time Repetition = Wiederholungszeit) mitten in das Aufrichten oder mitten in das Auseinanderdriften der Spinachsen neue Impulse eingestrahlt werden, erhält man aus verschiedenen Geweben nach einer Zeitspanne TE (Time Echo = Echozeit) unterschiedlich starke neue elektrische Signale, weil ja beide Spinachsenbewegungen in den Geweben mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablaufen. Mit geeigneter Computersoftware können diese Signale in Bilder umgesetzt werden. Je nachdem, ob das Aufrichten oder das Auseinanderdriften der Spinachsen zur Messgrundlage gemacht wird, spricht man von T1– und T2–gewichteten Bildern. Angaben über T1 und T2, aber auch über die Zeiten TR und TE finden man auf jedem Kernspinbild. 1 Ohne zusätzliche technische Hilfen allerdings würde bei jedem Anregungsimpuls des Kernspintomografen ein ganzes Körperteil angeregt und damit ein General-Echo aus dem ganzen Körperteil erzeugt werden. Für eine optimale Bildgebung will man aber Schichtbilder haben, bei denen jeder dargestellte Bildpunkt zielgenau dem Körperteil/-gewebe entspricht, aus dem er stammt. Mit Hilfe von weiteren Anregungsspulen, den sogenannten Gradientenspulen, die zeitgleich mit den Anregungsimpulsen eingeschaltet werden und für die lauten Geräusche im Kernspintomografen verantwortlich sind, wird daher das Hauptmagnetfeld in allen drei Richtungen des Raumes gezielt abgeschwächt oder verstärkt. Indem diese Magnetfeldgradienten wieder und wieder variiert werden – was die relativ langen Untersuchungszeiten in der Kernspintomografie bedingt -, erhält man eine Vielzahl von unterschiedlichen Signalen aus verschiedenen Körperschichten. Mit Hilfe von mathematischen Berechnungen, bei denen die Fourier-Transformationen eine wichtige Rolle spielen, können diese Signale so aufgeschlüsselt werden, dass eine genaue Ortslokalisation von Einzelimpulsen möglich ist. Vereinfacht ähnelt dieser Prozess ein bisschen einem dreidimensionalen „Schiffe versenken“. Die Anregungsimpulse können in ihrer Stärke und in ihrem zeitlichen Ablauf erheblich variiert werden. Damit werden eine Vielzahl von unterschiedlichen Gewebe- und Organeigenschaften darstellbar, wie z. B. entzündliche Ergüsse oder Eisenablagerungen von Blutungen. Gewebe oder Organe lassen sich mit geeigneten Impulsfolgen sogar komplett „ausblenden“, so dass beispielsweise der Gefäßbaum des Gehirns in seiner vollen Größe überlagerungsfrei abgebildet werden kann. Mit zusätzlichen intravenösen Gaben von geeigneten Kontrastmitteln, die die magnetischen Eigenschaften von Geweben gezielt beeinflussen können, können weitere Informationen gewonnen werden. Bei der Vielzahl der Untersuchungsmöglichkeiten ist es verständlich, dass für die Beantwortung von medizinischen Fragestellungen in der Regel mindestens drei bis vier, im Einzelfall auch erheblich mehr Bilderserien mit unterschiedlichen Gewebekontrasten angefertigt werden müssen. 2
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