6 Medical Tribune Nr. 12 23. März 2016 MEDIZIN Comfort Terminal Care: Der gute Tod ZU M TH EMA ■ Unter dem Begriff „Comfort Terminal Care“, kurz CTC oder Komforttherapie, wird eine individuelle symptomorientierte ärztliche Begleitung eines sterbenden Menschen verstanden. Schmerz, Atemnot, Stress, Angst und Einsamkeit stehen im Fokus. M AG . S I LV I A J I RS A In der letzten Lebensphase steht die Behandlung der Symptome Schmerz, Angst, Atemnot, Stress und Einsamkeit im Mittelpunkt der Bemühungen von Ärzten und Pflege. Im Rahmen der „Comfort Terminal Care“ steht nur mehr die möglichst gute Lebensqualität des sterbenden Menschen – ärztliche Begleitung getragen vom Gedanken des „Wohl-Tuns“ – im Vordergrund, auch wenn sich die Lebenszeit durch die zur Symptomlinderung notwendige Medikamentengabe eventuell verkürzt, erklärt Univ.-Prof. Dr. Barbara Friesenecker, Med-Uni Innsbruck. Wichtig ist es der Anästhesistin und Intensivmedizinerin zu betonen, dass sterbende Patienten im Gegensatz zu Palliativpatienten auch unter Analgosedierung nicht mehr monitiert werden müssen. Das müsse sowohl Ärzten als auch der Pflege noch viel mehr vermittelt werden. Gleichzeitig sei es extrem wichtig, dass Ärzte im Team der Betreuenden vor allem in Bezug auf die medikamentöse TheraÄrzte sollen und können für ihre sterbenden Patienten noch viel tun. Dazu bedarf es manchmal einer Therapiezieländerung. „Weg mit dem Sauerstoff beim Sterbenden, Sauerstoff lindert keine Atemnot. Sie brauchen wirksame Medikamente, wenn der Patient an Atemnot leidet.“ Prof. Barbara Friesenecker pie als Team Leader fungieren. Dabei ist wichtig, dass sterbende Patienten weiterhin regelmäßig von Ärzten visitiert werden, um mit den Pflegepersonen, die den Sterbeprozess nahe begleiten, die Komforttherapie gut abzustimmen und evtl. bestehende Unsicherheiten regelmäßig zu besprechen. „Lassen Sie das Zimmer bei Ihrem Rundgang keinesfalls aus“, appellierte die Intensivmedizinerin. Schmerztherapie Der Schmerztherapie kommt in der Sterbephase eine besonders große Bedeutung zu, gleichzeitig fühlen sich Ärzte gerade hier oft unsicher. Friesenecker machte Mut: „Der Arzt darf die Dosis schrittweise steigern bis die Symptome im Griff sind – auch wenn der Patient dadurch weniger oft, weniger tief atmet, weniger gut hustet oder schluckt bzw. aspiriert und der Tod dadurch schneller eintritt“. Entscheidend sei, die Dosis gut dokumentiert nach der Wirkung zu steigern, „sodass der Arzt den Patienten damit nicht akut umbringt, was dann eine aktive Euthanasie wäre“. Das gilt besonders auch für Opiat-/Benzodiazepin-gewohnte PatientInnen, die für die gleiche schmerzstillende/angstlösende Wirkung eine oft viel höhere Dosis brauchen als Opiat-/Benzodiazepin-naive Patienten. Die Dosis müsse also immer individuell im Rahmen der Symptomkontrolle angepasst werden, und das gehöre auch genauestens und zeitnah dokumentiert. Atemnot lindern Atemnot ist in der terminalen Phase ein häufiges Symptom. Friesenecker ist es sehr wichtig zu betonen, dass Sauerstoff „sicher nicht Atemnot lindert“. „Das ist den meisten Ärzten und Pflegepersonen so nicht bewusst und der Griff zu Sauerstoff beim Sterbenden sei oft reflexartig zu beobachten, wobei sich dadurch leider die Atemnot nicht verbessern lässt.“ In der palliativmedizinischen Literatur fänden sich vielfach Belege dafür, dass keine Korrelation zwischen der Intensität der Atemnot und der O2-Sättigung bestehe. „Weg mit dem Sauerstoff beim Sterbenden, Sauerstoff lindert keine Atemnot. Sie brauchen wirksame Medikamente, wenn der Patient an Atemnot leidet“, wird Friesenecker deutlich. Um die Wechselwirkung aus Angst und Dyspnoe zu durchbrechen, sind Opioide und Benzodiazepine die Medikamentengruppe der Wahl. Steht die Dyspnoe im Vordergrund, verwendet man besser Opioide, dominiert die Angst, ist die Kombination mit Benzodiazepinen günstig. „Wird das gut gemacht, sieht man keine Atemdepression, im Gegenteil, manchmal wird der Patient darunter für einige Zeit so- gar klinisch besser“, beruhigt Friesenecker, da der Stress wegfällt und der Patient ökonomischer atmen könne. Manchmal wird der Sterbeprozess durch die Beatmung bei infauster Gesamtsituation hinausgezögert – häufig bei neurologischen Patienten –, dann sei auch an eine terminale Extubation zu denken. Dies müsse gut vorbereitet sein, um Patient und dem Betreuerteam nicht zusätzlich Stress zuzumuten. Dabei ist es notwendig, die Sedierung zunächst schrittweise so weit zu erhöhen, bis der Patient ruhig atmet, dann ist der Patient richtig zu lagern (z.B. Oberkörper hoch), abzusaugen und schließlich kann der Tubus entfernt werden. Kein Hunger, kein Durst Die Angst, der Patient könne in der Sterbephase verhungern oder verdursten, mache Angehörigen und Pflegekräften oft schwer zu schaffen. Hier müsse intensive Aufklä- rungsarbeit geleistet werden. Friesenecker: „Die Flüssigkeitsgabe spielt für den Sterbenden keine Rolle mehr.“ Beim Sterbenden gebe es im Gegensatz zum Gesunden keinen Zusammenhang mehr zwischen Durstgefühl, Flüssigkeitsload, Kochsalz- und Harnstoffspiegel. Sterbende neigen dazu, im Rahmen der terminalen Niereninsuffizienz Flüssigkeit zu retinieren, ihr Herz pumpe weniger gut und es kommt zum Flüssigkeitsstau im Körper. „Mit zusätzlicher Flüssigkeitsgabe verursachen Sie beim Sterbenden unter Umständen ein Lungenödem und verstärken damit die Atemnot. In der Sterbephase sollte daher die Flüssigkeitstherapie beendet werden“, wird die Anästhesistin deutlich. Auch für die Ernährung gilt, diese sollte spätestens dann abgesetzt werden, wenn sie beim terminal Kranken problematisch wird. Im Gegensatz zur Palliativpatienten haben Sterbende keinen Hunger und auch keinen Durst. Der Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit gehört zum Sterben, bekräftigt Friesenecker ihre Aussagen. Dies müsse man – wenn es die Möglichkeit gibt – rechtzeitig mit Patienten und auch mit den Angehörigen besprechen. Wenn Symptome anders nicht mehr in Griff zu bekommen sind, kann notwendige Analgosedierung bis hin zur terminalen Sedierung gesteigert werden, die letztendlich einen narkoseähnlichen Zustand darstellt. Letztlich plädierte Friesenecker für einen Kulturwandel in den Krankenhäusern, der eine vernünftige Therapieplanung, eine rechtzeitige Therapiezieländerung Richtung Komforttherapie bei schwerst kranken Patienten in der terminalen Phase ihres Lebens erlaubt und ihnen damit ein würdevolles Sterben und einen guten Tod ermöglicht, den wir uns doch alle auch für uns selber wünschen würden. Einheitliche Terminologie Die ÖGARI spricht sich für eine einheitliche Terminologie in der palliativen Sterbebegleitung aus: Therapiezieländerung: Änderung des ursprünglichen Therapieziels der „Heilung“ in Richtung Palliativmedizin und Sterbebegleitung, wo es darum geht, Symptome zu lindern und nur mehr das zu tun, was Patienten als angenehm empfinden, eine sogenannte Komforttherapie (= Comfort Terminal Care; CTC) durchzuführen, um ein Sterben in Würde (angstfrei, schmerzfrei, stressfrei, ohne Atemnot und nicht alleine) zu gewährleisten. DNR = „Do not resuscitate“: nicht wiederbeleben (weder mechanisch noch elektrisch noch medikamentös; das kann einzeln definiert werden); eine DNR-Order hat keinen Einfluss auf bereits begonnene oder geplante diagnostische oder therapeutische Therapiemaßnahmen. DNE = „Do not escalate“: laufende Therapie nicht steigern, einerseits z.B. Dosisbegrenzungen für laufende medikamentöse Therapien (z.B.: Katecholamine/Vasokonstriktorendosis) und andererseits Unterlassen intensivmedizinischer Interventionen (z.B.: Intubation, Hämofiltration). RID = „Re-evaluate indication and de-escalate“: Alle intensivmedizinischen Therapien müssen täglich auf das Vorliegen einer Indikation überprüft werden, und falls diese nicht mehr vorhanden ist, darf und muss die laufende Therapie beendet werden. CTC = „Comfort Terminal Care“: Komforttherapie des Sterbenden (auf jeder Station und auch zu Hause; Komforttherapie ist ein allgemeiner, nicht ortsgebundener Ausdruck!) AND = „Allow natural death“: den natürlichen Tod ermöglichen (nur sinnvoll anzuwenden für Sterbebegleitung auf der Normalstation, da im Rahmen der Intensivmedizin nichts „natural“ ist ) Withhold: mit Therapie nicht beginnen (z.B.: Übernahme auf Intensivstation, keine Hämofiltration etc.) Withdraw: eine begonnene Therapie beenden; sich aus einer Therapie komplett zurückziehen Begrifflichkeiten wie „passive Sterbehilfe“ oder „direkte/indirekte Sterbehilfe“ sind veraltet und nicht mehr zielführend und sollten daher nicht mehr verwendet werden. FOTOS: X X X X X X X X X / ISTOCK Univ.-Prof. Dr. Barbara Friesenecker Med-Uni Innsbruck
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