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Die Bergwacht am Brocken | Manuskript
Die Bergwacht am Brocken
Bericht: Julia Cruschwitz, Sebastian Pittelkow
Der Berg ruft – Einsatz für die Sanitäter Sebastian Brüchert und Karin Brandt vom
Rettungsdienst am Brocken. Ihnen bleibt nicht viel Zeit. Die Meldung: Ein Mann soll kurz das
Bewusstsein verloren haben, der Weg zu ihm ist kein Spaziergang.
Sebastian Brüchert:
Eine Person mit Kreislaufproblemen, mehr wissen wir aktuell noch nicht. Nicht gestürzt,
einfach nur Kreislaufprobleme.
Einsatzbesprechung über Stock und Stein. Schnelle medizinische Hilfe auf schwierigem
Terrain.
Sebastian Brüchert:
Uiuiuiuijuiahh. Gut festhalten!
Aber die erfahrenen Bergretter kennen sich auch im Unterholz des Brockens bestens aus.
Jährlich tummeln sich ca. 2 Millionen Touristen auf dem Berg. Heute ist ein Mountainbiker
gestürzt und auf die Hüfte gefallen. Dann hat auch noch sein Kreislauf schlapp gemacht.
Sebastian Brüchert: Hüftschmerzen?
Mountainbiker: Ja, Hüftschmerzen.
Erleichterung: Der Patient ist ansprechbar.
Sebastian Brüchert: Ich werde mal ein bisschen drücken und sie sagen mir, wo das in etwa
anfängt. Weil hier sitzt ja auch der große Oberschenkelmuskel an.
Patient: Ja, der hat auch einen Schlag wegbekommen. Ist taub erstmal.
Der Ausflug des Radfahrers – beendet: Diagnose Oberschenkelhalsbruch. Und:
Sebastian Brüchert: So, der Patient hat ein bisschen niedrigen Blutdruck.
Karin Brandt und Sebastian Brüchert sind Freiwillige beim Deutschen Roten Kreuz. Ihre
Schichten bei der Bergwacht leisten sie ehrenamtlich in ihrer Freizeit.
Sebastian Brüchert: Ne, wir machen das jetzt so. So, bei drei! Eins, zwo, drei! Sehr schön,
tapfer gewesen.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Die Bergwacht am Brocken | Manuskript
Rettung im unwegsamen Gelände – eine Herausforderung für die Sanitäter und die Technik.
Sebastian Brüchert: Jetzt geht es ein bisschen ruckelig rein.
Weil das Geld fehlt, hat die Bergwacht diesen Jeep schon seit der Wende. Inzwischen ist er
mehr Patient als Auto – es quietscht und knarrt an allen Ecken.
Und jetzt bis zum Anschlag! Halt. Noch ein Stück. Jetzt sind Sie drinnen, genau! So, ok, los!
Die Bergwächter übergeben den Patienten am Fuße des Brockens einem Rettungswagen. 35
Minuten hat der Einsatz gedauert – schneller wären sie wohl mit besserer Ausrüstung.
Sebastian Brüchert: Diese Scheißgurte, das baue ich alles um, das sage ich dir. Ein Mist, ey.
Ist doch peinlich, oder?
Alte Trage trifft auf moderne Hebebühne. Die Bergwacht gehört zwar formal zum
Rettungssystem in Sachsen-Anhalt, doch die Ausrüstung finanziert sie aus Spenden, vom
Land kommt kaum etwas. Die Geldfrage über die Technik ist die eine – wo gerettet werden
darf, die andere: Denn die Sanitäter sollen nur in unwegsamem Gelände retten - so schreibt
es das Gesetz vor.
Karin Brandt: Hier, wo wir jetzt gerade stehen, das ist die Brockenstraße, eine Kreisstraße.
Hier dürfen wir nicht retten, bzw. dürfen natürlich schon, nur bezahlt kriegen wir es nicht.
Und hier geht gerade der Glashüttenweg ab, ein Wanderweg. Und wenn hier was
passieren würde, dann würden wir es auch wieder bezahlt bekommen.
Praktisch könnte das zu absurden Szenarien führen – für Retter und Patient.
Reporterin: Ich sage jetzt mal böse, würden Sie den jetzt hier rüber tragen, hätten sie
weniger Probleme oder wie?
Büchert lacht: Da sagen wir jetzt besser nichts zu.
Kein Scherz: Selbst die Einsätze im Gelände bekommt die Bergwacht zurzeit kaum bezahlt.
Die Krankenkassen, allen voran die AOK, erfahren wir, sollen die Verhandlungen bremsen. –
Doch die Bergretter vom Brocken werden gebraucht.
Eine Woche zuvor. Wir begleiten Sanitäter Sebastian Brüchert auf einer anderen Schicht.
Heute dabei: Kollege Gerald Adam. Patrouillengang mit Blick auf potentielle Patienten.
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verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Die Bergwacht am Brocken | Manuskript
Sebastian Brüchert: Gefährdetes Klientel sieht meistens ein bisschen weiß, kaltschweißig
aus oder einen hochroten Kopf, je nach dem und die sprechen wir dann einfach an.
In etwa 1.000 Meter Höhe, jenseits der Baumgrenze, schlägt das Wetter schnell um.
Massenansturm auf den Gipfel. Die meisten Unfälle passieren beim Abstieg. Es ist Mittag
und 4 Grad kalt. Gefährdungsansprache:
Sebastian Brüchert: Sie ist heute auch schon ein bisschen zu kalt angezogen. Schauen sie
mal, sie hält die Hände ein bisschen so zusammen.
Mutter: Ja, man unterschätzt das, wenn man bei Sonnenschein los geht’s, ne.
Sebastian Brüchert: Genau, ganz genau. Wenn der Wind auffrischt, dann wird das ganz
schnell dolle kalt.
Unterkühlte Kinder – eine häufige Diagnose, der Brocken hat seine Tücken.
Gerald Adam: Kriminell wird’s erst dann wenn die Kinder ruhig werden.
Sebastian Brüchert: So lange der Mensch noch schreit, lebt er auch noch. Das ist immer ein
Indikator dass wir ein bisschen mehr Zeit haben (lacht).
Zeit haben Sebastian Brüchert und Gerald Adam heute für die vielen kleinen Hilferufe – ein
Notruf ereilt sie nicht. Früher waren es Wanderer, heute sind vor allem Fahrradfahrer, die
Hilfe brauchen.
Reporter: Wie ist das denn passiert?
Radfahrer: Ich bin hier vorne aus der Pedale nicht richtig rausgekommen, weil es
gekrampft hat. Und dann bin ich in dem Kollegen sein Fahrrad rein gefallen.
Das Kettenblatt hat sich ins Knie gebohrt.
Sebastian Brüchert: Wenn Erschöpfung und Kälte dazu kommen, dass dann die Beine
krampfen, zu kurze Hosen, die Temperatur unterschätzt, und somit passiert das dann ganz
schnell, auf Gelände wo man denkt, dass man gar nicht stürzen könnte.
Die Kniescheibe ist nicht gebrochen.
Gerald Adam: Wir machen die Wunde einfach ein bisschen sauber und dann kriegt er ein
Pflaster drauf. So schlimm ist es nicht.
Retten, helfen, trösten – auch am nächsten Tag werden die Bergwächter wieder am Brocken
unterwegs sein.
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