70 „Bund-Länder-Anleihe“ unwirtschaftlich: 14 Mio. Euro Mehr

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
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Drucksache 18/XXXX
Bundesschuld
(Einzelplan 32)
70
„Bund-Länder-Anleihe“ unwirtschaftlich: 14 Mio. Euro Mehrausgaben für den Bund
Kat. B
(Kapitel 3201 Titel 325 11)
70.0
Im Juni 2013 gaben der Bund sowie zehn Länder erstmals eine gemeinsame
„Bund-Länder-Anleihe“ mit einem Gesamtvolumen von 3 Mrd. Euro heraus. Mithilfe der
Anleihe sollten sich die Länder zu günstigeren Bedingungen verschulden können und damit
ihre Haushalte entlasten. Für den Bund war die Anleihe unwirtschaftlich; sie verursachte
Mehrausgaben von 14 Mio. Euro. Für die Länder errechnete sich dagegen ein wirtschaftlicher Vorteil von insgesamt 13 Mio. Euro. Die Anleihe führte damit zu haushaltswirtschaftlichen Vorteilen der Länder zulasten des Bundes. Der Bundesrechnungshof hat dem
BMF davon abgeraten, sich an weiteren „Bund-Länder-Anleihen“ zu beteiligen.
70.1
Gemeinsame Kreditaufnahme soll die Länder entlasten
Als Reaktion auf die Staatsschuldenkrise schlossen die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Jahr 2012 den „Europäischen Fiskalpakt“. Darin vereinbarten sie,
mittelfristig ihre gesamtstaatlichen Haushalte nahezu auszugleichen oder Überschüsse
anzustreben.
Bund und Länder sollen die Vorgaben zur Haushaltsdisziplin gemeinsam erfüllen. Die im
Grundgesetz verankerte Schuldenregel verpflichtet sie, ihre Haushalte grundsätzlich ohne
neue Schulden auszugleichen. Der Bund hat dieses Neuverschuldungsverbot ab dem Jahr
2016 einzuhalten, die Länder ab dem Jahr 2020.
Im Zuge der Verhandlungen zur gesamtstaatlichen Umsetzung der Verpflichtungen aus
dem „Europäischen Fiskalpakt“ verständigten sich Bund und Länder im Juni 2012 darauf,
die Voraussetzungen für eine gemeinsame Kreditaufnahme zu schaffen. Mithilfe von gemeinschaftlich begebenen „Bund-Länder-Anleihen“ sollten sich die Länder zu günstigeren
Bedingungen verschulden können und damit ihre Haushalte entlasten.
„Bund-Länder-Anleihe“ führt zu Mehrausgaben für den Bund
Das BMF beauftragte die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH (Finanzagentur) im September 2012, die „Bund-Länder-Anleihe“ einzuführen. Die Finanzagentur ist
der zentrale Dienstleister für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des
Bundes.
Die erste „Bund-Länder-Anleihe“ mit einem Gesamtvolumen von 3 Mrd. Euro und einer
Laufzeit von sieben Jahren gaben Bund und Länder im Juni 2013 heraus. Der Bund sowie
zehn Länder beteiligten sich unterschiedlich hoch an der Anleihe; der Anteil des Bundes lag
bei 405 Mio. Euro.
Nach der Emission untersuchte die Finanzagentur deren Wirtschaftlichkeit. Hierzu verglich
sie die Anleihe mit der regelmäßigen Kreditaufnahme von Bund und Ländern. Sie ermittelte,
inwieweit diese mehr oder weniger für Zinsen ausgeben mussten. Ausweislich der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung war die Anleihe für alle teilnehmenden Länder vorteilhaft. Über
die Laufzeit der Anleihe sparen sie Zinsen von 7 Mio. Euro ein. Den Schätzungen der Finanzagentur zufolge wären weitere 6 Mio. Euro in einem günstigeren Marktumfeld möglich
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gewesen. Deshalb bezifferte sie den wirtschaftlichen Vorteil für die Länder auf insgesamt
13 Mio. Euro.
Der Bund nahm über die Laufzeit der Anleihe hinweg zusätzliche Zinsausgaben von 13 Mio.
Euro in Kauf. Darüber hinaus gab er weitere knapp 1 Mio. Euro für die Emission der Anleihe
aus. Die Mehrausgaben aus dem Bundeshaushalt belaufen sich damit auf insgesamt 14 Mio.
Euro.
„Bund-Länder-Anleihen“ aus verfassungsrechtlicher Sicht
„Bund-Länder-Anleihen“ gleichen Zinsdifferenzen aus, die bei alleiniger Kreditaufnahme
zwischen den Emittenten bestehen. Diese Zinsdifferenzen können auf Unterschieden in ihrer
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ihrem bisherigen Ausgabeverhalten oder ihrem Verschuldungsgrad beruhen. Die Länder erhalten die Möglichkeit, sich zulasten des Bundes zu
einem für sie günstigeren „Einheitszins“ zu verschulden.
Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig. Finanzielle Hilfen des Bundes an die Länder in Form einer für die Länder günstigeren
gemeinsamen Kreditaufnahme zulasten des Bundes sieht das Grundgesetz nicht vor.
70.2
Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die „Bund-Länder-Anleihe“ für den Bund im
Vergleich zu seiner regelmäßigen Kreditaufnahme unwirtschaftlich war. Damit hat die
Anleihe die für alle finanzwirksamen Maßnahmen des Bundes geltenden haushaltswirtschaftlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht erfüllt. Der wirtschaftliche Vorteil für die Länder fiel zudem nur deshalb so hoch aus, weil die Finanzagentur
einen Schätzwert von 6 Mio. Euro für das schwierige Marktumfeld berücksichtigte.
Weil die Länder Einsparungen zulasten des Bundes erzielten, wirkte die Anleihe wie eine
finanzielle Hilfe des Bundes an die Länder. Bund und Länder haben auf diese Weise das
Prinzip der Eigenverantwortlichkeit für ihre Haushalte unterlaufen.
Der Bundesrechnungshof hat dem BMF von einer weiteren Beteiligung an
„Bund-Länder-Anleihen“ abgeraten. Er hält die Anleihen aus wirtschaftlichen Gründen für
nicht vertretbar. Darüber hinaus sprechen auch die verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte
gegen eine Fortführung dieses Instruments.
70.3
Das BMF hat erklärt, dass die „Bund-Länder-Anleihe“ für den Bund zwar Mehrausgaben im
Vergleich zu seiner regelmäßigen Kreditaufnahme verursacht habe. Diesen Mehrausgaben
hätten jedoch Einsparungen bei den Ländern gegenübergestanden.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei die Anleihe nicht als eine finanzielle Hilfe des Bundes
an die Länder zu bewerten. Dem wirtschaftlichen Vorteil der Länder habe keine Leistung des
Bundes zugrunde gelegen.
Im Übrigen habe sich der Bund aus einem gesamtstaatlichen Interesse an der
„Bund-Länder-Anleihe“ beteiligt. Durch dieses Zugeständnis habe er ausschließen können,
dass die innerstaatliche Umsetzung des „Europäischen Fiskalpaktes“ gefährdet wurde.
70.4
Der Bundesrechnungshof hält an seiner Auffassung fest. Für den Bund ist die
„Bund-Länder-Anleihe“ verglichen mit seiner regelmäßigen Kreditaufnahme unwirtschaftlich. Die Einsparungen der Länder können die Mehrausgaben des Bundes nicht ausgleichen.
Deshalb ist die Anleihe auch gesamtstaatlich unwirtschaftlich.
Die Ausführungen des BMF tragen den verfassungsrechtlichen Fragen, die durch die
„Bund-Länder-Anleihe“ aufgeworfen werden, nicht ausreichend Rechnung. Die Anleihe ist
auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil der Bund den Ländern finanzielle Vorteile gewährt, die das Grundgesetz nicht vorsieht.
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Der Bund verknüpfte seine Beteiligung an der „Bund-Länder-Anleihe“ und damit die Gewährung eines finanziellen Vorteils an die Länder mit deren Zustimmung zur innerstaatlichen Umsetzung des „Europäischen Fiskalpaktes“. Dadurch nahm er Einfluss auf ihre
politischen Entscheidungen. Die Finanzverfassung will diese Art der Einflussnahme verhindern.
Der Bund sollte daher davon absehen, weitere „Bund-Länder-Anleihen“ herauszugeben.