„Werft das Netz auf der rechten Seite aus“

„Werft das Netz auf der rechten Seite aus“ -Der pastorale Erneuerungsprozess
„Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“ in der Seelsorgeeinheit
Dietenheim-Illerrieden
Raus aus der Enttäuschung…
Die Fastenzeit ist eine Not-wendige Zeit. Viele Menschen nutzen die 40 Tage vor Ostern, um
schlechte Gewohnheiten abzulegen, etwas für die Gesundheit zu tun oder ihren Lebensstil einmal
kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Eine Not-wendige Zeit… nicht nur für die körperlichen Nöte, sondern auch für die seelischen:
Vielleicht kennen Sie das auch aus Ihrem Alltag oder manchmal auch aus der ehrenamtlichen Arbeit.
Sie haben sich eine Sache, ein Projekt vorgenommen, stecken viel Zeit, Mühe, Anstrengung hinein
und merken nach einiger Zeit, dass dabei nicht das heraus kommt, was Sie sich vorgestellt haben. Es
klappt einfach nicht. Also arbeiten Sie noch intensiver daran, setzten noch mehr Kraft ein, doch am
Ende bleiben nur Ermüdung und Enttäuschung. Was also tun?
„Werft das Netz auf der anderen Seite aus“ – ein Blickwechsel
Wagen wir einen Ausblick auf die Ostererfahrung der Jünger Jesu und der frühchristlichen Gemeinde.
Das Johannesevangelium erzählt wie die Jünger nach dem Kreuzestod Jesu wieder ihrem gewohnten
Alltag als Fischer nachgehen. Doch der Erfolg bleibt ihnen verwehrt: „Aber in dieser Nacht fingen sie
nichts“ (Joh 21,3). Doch dann begegnet den Jüngern der Auferstandene selbst und fordert sie auf:
„Werft das Netz auf der rechten (anderen) Seite aus, und ihr werdet etwas fangen.“ Die Jünger
wussten nicht, dass es Jesus war. Trotzdem vertrauten sie auf sein Wort und wurden beloht: Das
Netz war voller Fische.
Wozu Jesus die Jünger und auch uns aufruft ist nicht anderes als einen Blickwechsel vorzunehmen. Es
braucht nicht immer mehr vom Gleichen – mehr Anstrengung, mehr Energie, mehr Mühe – sondern
eine Neuausrichtung, einen veränderten Blick. Das gilt für jeden einzelnen wie auch für die
Kirchengemeinde und das christliche Leben. Anstatt Klagen über leere Kirchen und enttäuschte
Motivation braucht es eine geistliche und pastorale Erneuerung:
Warum überhaupt Erneuerung?
Diese Erneuerung, diesen Blickwechsel macht auch unsere Diözese Rottenburg-Stuttgart durch. Im
pastoralen Erneuerungsprozess „Kirche am Ort- Kirche an vielen Orten gestalten“ machen sich bis
2020 Gemeinden, Dekanate und Organisationen in Württemberg auf den Weg, gemeinsam zu
entdecken, wie wir in Zukunft Kirche sein wollen. Unsere Ortskirche geht diesen Weg in dem
Bewusstsein, dass die Kirche Jesu Christi nicht etwas Statisches ist, sondern stets eine pilgernde
Kirche, welche die Zeichen der Zeit immer neu zu deuten hat (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dokument
Gaudium et Spes 4).
Denn dass es angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen nicht so weiter gehen kann wie bisher
liegt auf der Hand:
Zu den Herausforderungen zählen nicht nur der Priestermangel und der Rückgang der
Gottesdienstbesucher. Es geht auch um die Tatsache, dass die einheitliche Volkskirche so nicht mehr
besteht. Statt einer selbstverständlichen Volkskirche müsse Kirche daher viel mehr missionarische
(hingehende) und diakonische (dienende) Kirche im Volk sein, so Bischof Geb-hard Fürst.
Für uns als Kirchengemeinden am Ort heißt das: Wie können wir in einer vielgestaltigen Gesellschaft
das Evangelium heute glaubwürdig leben, nicht für uns allein, sondern mit und für die Menschen bei
uns vor Ort: Mit ihren Fragen, ihren Sorgen ihren Hoffnungen? (vgl. II. Vatikanisches Konzil,
Dokument Gaudium et Spes 1). Wo sind wir mit unseren Strukturen, unseren Handlungen und
unseren Vorstellungen von den Menschen noch auf der Spur der frohen Botschaft und wo drehen wir
uns vielleicht zu sehr um uns selbst? Wie können wir gerade für Suchende, Benachteiligte und
Menschen in Krisen helfende und einladende Kirche sein? Nehmen wir diese überhaupt wahr? Zu
diesem Erneuerungsprozess möchte auch unsere Seelsorgeeinheit aufbrechen.
Schritt für Schritt – Entwicklungsplan Pastoral und Prozessteam
Wie jede Entwicklung braucht auch der Prozess „Kirche am Ort…“ einen Zeitplan und eine Struktur.
Anders als bei vergangenen pastoralen Projekten wird hierbei aber viel Wert darauf gelegt, dass jede
Seelsorgeeinheit den Prozess zeitlich und inhaltlich individuell gestalten kann, je nach Situation vor
Ort. Der Gesamtprozess ist auf 2 Jahre angelegt und gliedert sich in drei Phasen, dem sogenannten
Entwicklungsplan Pastoral. Die einzelnen Phasen sind:
1. Geistliche Erneuerung und pastorale Ausrichtung: Was ist unser geistliches Fundament? Wie sehen
die Lebenswirklichkeiten der Menschen vor Ort aus? Welche Vision für Kirche haben wir?
2. Pastorale Profilierung: Wo können wir Schwerpunkte setzen (Gottesdienste, Veranstaltungen,
Katechese etc…) und uns mit anderen vor Ort vernetzen?
3. Pastorale Umsetzung und strukturelle Klärung: Wie setzen wir konkrete Aufgaben um? (in
Verwaltung, Leitung, Vernetzung etc.)
Begleitet wird der Erneuerungsprozess vom Prozessteam. Dieses besteht in unserer Seelsorgeeinheit
aus Kirchengemeinderäten im Gemeinsamen Ausschuss, Vertretern des Pastoralteams und einer
externen Moderatorin. Das Prozessteam wird von den Kirchengemeinderäten offiziell beauftragt und
koordiniert die Entwicklung für die Gemeinden der Seelsorgeeinheit. Eine wichtige Aufgabe des
Prozessteam besteht dabei in der Vernetzung und im Austausch mit den verschiedenen „kirchlichen
Orten“ (z.B. Kindergärten, Sozialstation, Kloster Brandenburg) und „pastoralen Orten“ (z.B.
Flüchtlings-Helferkreis, Vereine). Diese sollen den Prozess aktiv mitgestalten können.
Am Anfang steht die Haltung…
Dass dieser Erneuerungsprozess nicht nur die Aufgabe einiger Weniger ist, sondern alle Katholiken
der Seelsorgeeinheit (und auch alle interessierten Menschen) meint, verdeutlich der Beginn: Am
Anfang steht nicht das Erstellen schöne klingender Konzepte, am Anfang stehen Haltungen: Wenn
Gott der Halt unseres christlichen Lebens ist, mit welchen Halt-ungen gehen wir dann auf die
Menschen zu?
Vier Haltungen werden genannt und sollen diesen Prozess begleiten:
Vertrauen: Aus dem „Ja“ Gottes leben und den Menschen mit Vertrauen begegnen
Lassen: Loslassen, was überfordert; sich einlassen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen
Erwarten: Gott erwartet uns auch an unbekannten Orten
Wertschätzen: Einander auf Augenhöhe begegnen, Gottes Wertschätzung weitergeben
Zu den Haltungen finden an den Fastensonntagen verschiedene thematische Predigten statt.
Ebenso werden diese zum Nachlesen auf Schautafeln und im Internet (http://se-dietenheimillerrieden.drs.de) veröffentlicht.
Zudem erhalten sie im Laufe des Prozesses weitere Informationen zum jeweiligen Stand und zu
Möglichkeiten, sich zu beteiligen.
Zum Schluss…
So möchte ich Sie zum Schluss ganz herzlich einladen, diesen Entwicklungsweg mitzugehen und auch
mitzugestalten, mit Ihren Fragen und Anliegen, mit Ihrem Zukunftsbild von Kirche. Denn ich bin
überzeugt: Eine Kirche, die sich nicht um sich selbst dreht, sondern eine dienende Kirche ist, die das
Evangelium immer neu bei und mit den Menschen entdeckt, so eine Kirche hat Zukunft. So einer
Kirche gilt die Verheißung Jesu: Werft das Netz auf der anderen Seite aus, und ihr werdet etwas
fangen.
Pfarrer Gerhard Bundschuh