Flüchtlinge willkommen heißen? Man wird ja noch mal sagen dürfen „Ich will keine Flüchtlinge, weil sie die Idylle meines Lebens im Häuschen und im Garten stören“… „Ich habe im Alter von 3 bis 4 Jahren gelernt, dass Augen zukneifen nicht hilft. Ich habe gelernt, dass denken hilft.“ Christian Hendrichs Deshalb hier eine Entgegnung zu folgenden Argumenten: „Es können doch nicht alle kommen.“ Ja, das stimmt. Die meisten schaffen den langen, schwierigen, gefährlichen u. teuren Weg nach Europa nicht. Zurück bleiben hauptsächlich Kinder, Frauen, Alte, Kranke u. Arme. Die müssen weiter in den großen Flüchtlingslagern im Nirgendwo der Nachbarländer ohne Perspektive, ohne Arbeit u. ohne Bildung leben. Deshalb kommen hauptsächlich junge Männer nach Europa. „Deutschland kann nicht so viele aufnehmen.“ Selbst wenn 2015 1 Mio. Flüchtlinge nach Deutschland kommen, sind das nur rund 1,5 % der weltweit 60 Mio. Flüchtlinge. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands beträgt 3,8 % des weltweiten BIP – also mehr als das Doppelte der Flüchtlingszahlen. Und: Libanon mit seinen 4,8 Mio. Einwohnern hat 1,2 Mio. Flüchtlinge aufgenommen. Wer hat da einen Grund zum Meckern? „Kosovo ist doch ein sicheres Herkunftsland und EU-Anwärter.“ Kosovo ist aus einem (nicht von der UNO genehmigten) Krieg unter deutscher Beteiligung entstanden. Es war von Beginn an ein Land ohne Perspektiven, mit einer kriminellen Regierung u. einem ethnischen Anspruch, der nie die Wirklichkeit traf. Deshalb sind heute noch KFOR-Soldaten dort stationiert, um den staatlichen Aufbau zu unterstützen. Ohne staatliche Stabilität kann es aber keine Sicherheit für alle Menschen geben. Daher ist Kosovo kein sicheres Herkunftsland u. wird es auch nicht, nur weil wir es so nennen. „Die wollen hier doch nur arbeiten.“ Was bitte ist daran verwerflich, dass jemand für seinen Lebensunterhalt arbeiten will? Die Mehrheit der Deutschen macht das auch. Schwierig ist nur, dass es diese Möglichkeit nicht so einfach gibt. Wichtig ist daher die Forderung, dass es Arbeitsvisa für Menschen aus anderen Ländern gibt und dass man vom Asylverfahren auf ein Arbeitsvisum umsteigen kann, wenn man in Deutschland eine Arbeit gefunden hat. Die dadurch eingesparten Asylentscheider können gerne die Arbeitsbedingungen überwachen u. das Mindestlohngesetz durchsetzen. „Wir brauchen Transitzentren.“ Dies ist ein Wort, bei dem man die Schönfärberei direkt merkt. Es geht um Gefängnisähnliche Lager, nur haben Flüchtlinge nichts verbrochen, außer ihr Leben zu retten. Es wird dazu kommen, dass Flüchtlinge um diese Lager einen Bogen machen, um dann ggf. mit Waffengewalt wieder dorthin verbracht zu werden. Und warum sollen in Transitzentren die Asylverfahren schneller gehen, als in einer Erstaufnahmeeinrichtung oder irgendwo anders? Populismus hat selten Recht. Er versucht nur, jahrelange Untätigkeit zu vertuschen u. die Opfer zu Tätern zu machen. Und spätestens jetzt weiß ich: Es geht bei der Flüchtlingsfrage auch um die Frage, in welchem Land ich leben will. Und wenn ich in einer solidarischen, demokratischen u. menschlichen Gesellschaft leben will, dann müssen Menschenrechte u. Würde für alle Menschen gelten – und immer besonders auch für die Schwachen. Also für die Flüchtlinge. Und deshalb weiß ich, es ist mehr als eine Pflicht, es ist eine Herzensangelegenheit: Ja, Flüchtlinge willkommen heißen. Herzlich. Christian Hendrichs, langjähriger Koordinator des Bleiberechtsnetzwerkes "BLEIB in Hessen", Vorstand des hessischen Flüchtlingsrates
© Copyright 2024 ExpyDoc