Iod-131-Therapie: Information für das Pflegepersonal

Iod-131-Therapie: Information für das Pflegepersonal
Indikationen zu Iod-131-Therapie:
Iod-131 wird sowohl zur Therapie gut- wie bösartiger Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt
und muss bei verabreichten Aktivitäten von >200 MBq (MegaBequerel = internationale
Einheit für Radioaktivität) aufgrund gesetzlicher Vorschriften in dafür spezialisierten
stationären Abteilungen durchgeführt werden. Das Verhältnis gutartige zu bösartige
Schilddrüsenerkrankungen beträgt in unserem Krankengut ca. 60 zu 40%. Bei den gutartigen
Schilddrüsenerkrankungen überwiegen (ca. 95%) Schilddrüsenüberfunktion (Morbus
Basedow, uni- oder multifokale Schilddrüsenautonomien). Nur selten werden auch
sogenannte Radioiod-Resektionen bei grossen euthyreoten Strumen durchgeführt,
besonders bei älteren Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko.
Gutartige Schilddrüsenerkrankungen: Die verabreichten Aktivitätsmengen Iod-131 variieren
von ca. 300 bis 2'000 MBq. Die Hospitalisationsdauer ist in der Regel länger als bei
bösartigen Schilddrüsenerkrankungen und dauert von 3 Tagen bis maximal 3 Wochen.
Bösartige Schilddrüsenerkrankungen: Bei differenzierten Schilddrüsen-Carcinomen (follikulär
oder papillär) wird Iod-131 einerseits adjuvant nach Operation (sogenannte RadioiodElimination) eingesetzt sowie bei nachgewiesenen oder biochemisch vermuteten
Tumorrezidiven (eigentliche Radioiod-Therapie). Die verabreichten Aktivitätsmengen
betragen 3'000 bis 7'400 MBq. Da die Patienten keine Schilddrüse mehr besitzen wird der
Grossteil des applizierten Radioiods innerhalb kurzer Zeit hauptsächlich über den Urin
ausgeschieden, so dass die Hospitalisationsdauer kürzer als bei gutartigen
Schilddrüsenerkrankungen liegt (3 bis maximal 7 Tage).
Verabreichung von Radioiod:
Iod-131 wird in aller Regel als Kapsel peroral gegen Mittag appliziert. Dazu sollten die
Patienten nüchtern sein (ein leichtes Frühstück vor 8 Uhr ist erlaubt) rund bis 2 Stunden
nach Verabreichung nüchtern bleiben (Trinken in mässigen Dosen nach Applikation des
Radioiods erlaubt). Das nicht in Schilddrüse oder Schilddrüsentumor gespeicherte Radioiod
wird innerhalb von wenigen Tagen über den Urin und teilweise auch über den Stuhl
ausgeschieden. Wegen physiologischer Aufnahme in die Speicheldrüsen sollten alle
Patienten, insbesondere diejenigen mit bösartigen Schilddrüsenerkrankungen angehalten
werden, Zitronenschnitze und/oder saure Bonbons zu verwenden. Zudem reichliche
Flüssigkeitsaufnahme (ca. 3 Liter/Tag) in den ersten 2-3 Tagen.
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Nebenwirkungen der Radioiod-Therapie:
Die Radioiod-Therapie wird in aller Regel sehr gut toleriert. Akute Nebenwirkungen treten
meist erst 24 Stunden nach Applikation auf, vor allem bei Patienten mit hohen Aktivitäten von
Iod-131 (> 1'000 MBq). Neben leichten Halsschmerzen (Behandlung mit nicht-steroidalen
Antirheumatika), treten im Extremfall eine schmerzhafte Schwellung der Schilddrüse
(Behandlung mit 100 mg Ultracorten H nach Verordnung) auf. Nausea und generelle
Abgeschlagenheit im Sinne einer Strahlenerkrankung.
Toiletten:
Radioiod wird mit dem Urin ausgeschieden und muss in der dazu speziell eingerichteten
Tankanlage gesammelt werden.
• Die Patienten müssen nach Einnahme des Radioiods die speziell gekennzeichneten
Toiletten benutzen.
• Männer sollen beim Wasserlösen sitzen. Urininkontinente Patienten bekommen immer
einen Dauerkatheter.
Körperpflege:
• Zum Duschen sollen die Patienten die an die Tankanlage angeschlossene Dusche
benutzen. Da die Kapazität der Tankanlage begrenzt ist, sollen die Patienten instruiert
werden, die Duschen nur sparsam zu benutzen, wobei einmal täglich Duschen möglich
ist.
Kontaminiertes Material:
• Grundsätzlich müssen alle Gegenstände, welche das Patientenzimmer verlassen mit dem
Kontaminationsmonitor vor den Türen freigemessen werden.
• Alles mit Körperflüssigkeit in Berührung kommende Material (Papiertücher, Binden
Textilien, Erbrochenes) in graue Plastiksäcke verpacken und in den Bleiwagen bei der
Spezialtoilette legen. Der Bleiwagen wird auf Verlangen vom Strahlenschutzassistenten
zum Abklingraum gebraucht, entleert und zurückgebracht.
• Bitte Säcke mit Textilien kennzeichnen. Textilien werden nach dem Abklingen wieder der
normalen Schmutzwäsche zugeführt.
• Bei Fragen wende man sich an den diensthabenden Physiker oder den
Radiopharmazeuten.
Besucher:
Besuche sind grundsätzlich nicht erlaubt.
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Rauchen, Spaziergänge etc.:
Die Patienten werden von den zuständigen Ärzten vor der Therapie grundsätzlich darüber
informiert, dass sie während des Therapieaufenthaltes die Zimmer nicht verlassen dürfen.
Bei starken Rauchern kann erlaubt werden, dass diese (nur nach vorgängiger Rücksprache
mit dem Pflegepersonal) 2 – 3mal täglich auf dem Balkon Rauchen dürfen. In
Ausnahmefällen kann der verantwortliche Nuklearmediziner Patienten, welche nur noch
geringgradig strahlen, erlauben, sich abends nach Beendigung der Besuchszeit und in
Absprache mit dem Pflegepersonal für einige Minuten im Korridor aufzuhalten.
Medikamente und Blutentnahmen:
Bei Struma maligna Patienten wird in der Regel 2 Tage nach Verabreichung des Radioiods
die Schilddrüsenhormonsubstitution mit Eltroxin wieder aufgenommen. Diesbezüglich
besteht ein gesondertes Verordnungsblatt. Bei Patienten mit ausgeprägter Hyperthyreose
wird beginnend ab 4. Tag gelegentlich eine überbrückende thyreostatische Medikation (NeoMercazole) verordnet. Patienten mit aktiver endokriner Orbitopathie erhalten in der Regel
Corticosteroide in absteigender Dosierung, ebenfalls gemäss Verordnungsblatt.
Blutentnahmen, insbesondere in den ersten Tagen nach Verabreichung des Radioiods (nach
3 Tagen ist die Blutaktivität allerdings bereits weitgehend abgeklungen und die Strahlung
stammt hauptsächlich von in der Schilddrüse gespeichertem Radioiod) sind möglichst zu
vermeiden.
In Sonderfällen (insbesondere bei Patienten, die zur Vorbereitung der Radioiodtherapie das
neue Medikament Thyrogen erhalten, muss 2 Tage nach Therapie allerdings eine
Blutentnahme entnommen werden. Ebenso bei dringender medizinischer Indikation. Alle
übrigen notwendigen Blutentnahmen sind prinzipiell vor Verabreichung der RadioiodTherapie durchzuführen ebenso wie ein obligatorischer Schwangerschaftstest bei allen
Frauen im gebärfähigen Alter.
Strahlenschutz für das Pflegepersonal:
Basis ist die Strahlenschutzverordnung. Grundsätzlich gilt das sogenannte ALARA-Prinzip
(„as low as reasonable achievable“), wobei sämtliches Personal der Nuklearmedizin und
Radio-Onkologie zum beruflich strahlenexponierten Personal mit entsprechender
Überwachung (Dosimeter) und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erlaubten höheren
Strahlenexposition gehören (Grenzwert: 20 mSv).
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Wichtigste Massnahme zur Vermeidung einer Strahlenexposition liegt in der Vermeidung
einer inneren Kontamination (Aufnahme kontaminierter Gegenstände und Flüssigkeiten über
die Schleimhäute, insbesondere die Mund- und Nasenschleimhäute).
Deshalb gilt:
•
Nach jedem Verlassen der Patientenzimmer gründliches Händewaschen.
•
Bei jedem Verlassen der Station oder bei Verdacht auf Kontamination Überprüfung am
Kontaminationsmonitor (Hand, Fuss, Magen, Schilddrüse) und bei Bedarf Rücksprache
mit dem Strahlenschutzsachverständigen.
•
Weitere Prinzipien des Strahlenschutzes für das Pflegepersonal bestehen im Einhalten
eines möglichst grossen Abstandes zu den Patienten (mit Verdoppelung des Abstandes
wird die Strahlendosis auf ein Viertel herabgesetzt, der zeitlichen Begrenzung, der
Anwesenheit in den Patientenzimmern, sowie der Verwendung der Abschirmungen).
Der berechtigte Anspruch auf Strahlenschutz des Pflegepersonals soll aber nicht dazu
führen, dass sich die PatientInnen wie Aussätzige fühlen. Es ist keineswegs verboten und
manchmal sogar erwünscht, sich (in guter Entfernung) mit den nicht selten ängstlichen
Patienten auch über das absolut Notwendige hinaus zu unterhalten.
Pflegebedürftige Patienten:
Pflegebedürftige Patienten werden grundsätzlich nicht stationär mit Radioiod behandelt. Bei
grenzwertigen oder fraglichen Situationen wird vor Entscheid zur Therapie in der Regel eine
24- bis 48-stündige Beobachtungszeit vorgesehen. Das Pflegepersonal hat jedoch bei allen
Patienten grundsätzlich das Recht, bei Verdacht auf Pflegebedürftigkeit eine Verschiebung
der Radioiod-Applikation zu verlangen und die Patienten vorerst über 24 Stunden zu
beobachten.
Bei unerwartet auftretender Pflegebedürftigkeit nach Applikation einer Radioiod-Therapie
sind die Massnahmen mit dem zuständigen Arzt und dem technischen
Strahlenschutzverständigen zu besprechen. In diesem Fall soll neben dem üblichen
Dosimeter grundsätzlich auch ein direkt ablesbares Dosimeter verwendet werden.
Entlassung der Patienten:
Mit Radioiod behandelte Patienten müssen minimal 48 Stunden hospitalisiert werden.
•
Die Entlassung darf bei einer Dosisleistung von 5 µ Sievert pro Stunde in 1 m Abstand
erfolgen.
•
In Ausnahmefällen kann nach schriftlicher Anfrage beim Bundesamt für Gesundheit
auch eine vorzeitige Entlassung beantragt werden.
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Modellrechnung zum Verständnis der Strahlenbelastung:
verabreichte
Aktivität nach 24h
Aktivität
(bei % uptake)
Dosis 24h nach Applikation während 1 Stunde im Abstand
zum Patienten von:
30 cm
1m
2m
500 MBq
350 MBq (70%)
244 µSv
22 µSv
6 µSv
3’000 MBq
900 MBq (30%)
622 µSv
56 µSv
9 µSv
3’700 MBq
185 MBq (5%)
133 µSv
12 µSv
3 µSv
7’400 MBq
74 MBq (1%)
56 µSv
5 µSv
1 µSv
Für allfällige Fragen stehen Ihnen der zuständige Nuklearmediziner, der Radiochemiker oder
der Physiker gerne zur Verfügung.
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