1 13.2 Zur Problematik der privaten Bereitstellung öffentlicher Güter In diesem Abschnitt werden wir feststellen, daß eine marktwirtschaftliche Bereitstellung eines öffentlichen Gutes wenig erfolgversprechend ist. Um die Gründe möglichst einfach nachvollziehen zu können, ziehen wir uns wieder auf den Fall von 2 betroffenen Personen zurück, die darüber hinaus quasilineare Präferenzen haben. Schließlich gehen wir davon aus, daß c(G) = G. Das öffentliche Gut wird mit konstanten Grenzkosten von 1 produziert. Wenn nun die beiden Personen die Beiträge gA und gB leisten, ist ihr Nutzen v A (g A + gB ) + wA − g A v B ( g A + g B ) + wB − g B . Dabei ist offensichtlich unterstellt, daß die Summe der Beiträge vollständig in die Bereitstellung des öffentlichen Gutes fließt. Die Pareto-optimale Menge des öffentlichen Gutes ist in diesem Fall durch v ′A (G ) + v B′ (G ) = 1 gegeben. Vergleichen wir mit diesem Niveau des öffentlichen Gutes das Niveau, das durch private Nachfrage entstehen könnte. Eine Möglichkeit, diese marktwirtschaftliche Situation zu modellieren, besteht darin, das Nash-Gleichgewicht in einem Beitragsspiel zu untersuchen. Beide Personen fragen sich also, wieviel sie zu der Bereitstellung des öffentlichen Gutes beisteuern sollen. Erwartet die Person A, daß die Person B den Beitrag g B0 leistet, ist es für sie optimal, einen Beitrag zu leisten, der v A ( g A + g B0 ) + w A − g A maximiert. Dies führt zu der Entscheidungsregel v ′A ( g A + g B0 ) − 1 ≤ 0 und = 0, falls gA > 0 Wenn der Grenznutzen durch einen marginalen Beitrag unter den Grenzkosten liegt, wird die Person gar nichts beitragen. Wenn er über den Grenzkosten liegt, wird die Person so viel beitragen, daß der Grenznutzen den Grenzkosten entspricht. Analog ergibt sich für die Person B: v B′ ( g 0A + g B ) − 1 ≤ 0 und = 0, falls gB > 0 In einem Nash-Gleichgewicht müssen die Entscheidungen mit den Erwartungen konsistent sein. Es muß also gi = gi0 für i = A,B 2 gelten. Daraus kann man nun schon sehr viel ablesen. Gehen wir davon aus, daß die Präferenzen der beiden Personen unterschiedlich sind und daß der Person B mehr an der Bereitstellung des öffentlichen Gutes liegt. Dies können wir dadurch abbilden, daß v ′A (G ) < v B′ (G ) gilt. Dann folgt daraus, daß die Person A keinen Beitrag leisten wird. Wenn die Person B nämlich im Gleichgewicht einen positiven Beitrag leistet, gilt v ′A (G 0 ) < v B′ (G 0 ) = 1 . Also wird Person A keinen positiven Beitrag leisten. Wenn die Person B im Gleichgewicht einen positiven Beitrag leistet, wird die Menge des bereitgestellten öffentlichen Gutes aber unter dem Niveau liegen, das Pareto-optimal wäre. Dies sieht man am einfachsten an der folgenden Graphik: Grenznutzen A B A+B 1 Gm Gp Hier sind die Grenznutzen der Personen A und B und die Summe der Grenznutzen der beiden Personen abgetragen. Die Pareto-optimale Menge des öffentlichen Gutes, Gp, ergibt sich als Schnittpunkt der Summe der Grenznutzen (wegen Quasilinearität = Grenzraten der Substitution) und der Grenzkostenkurve. Das Nash-Gleichgewicht, Gm, ergibt sich als Schnittpunkt der Grenznutzenkurve der Person mit dem höheren Grenznutzen und der Grenzkostenkurve. Offensichtlich muß dieses Niveau unter dem liegen, das sich als Paretooptimal ergibt. Selbst wenn sich eine Person findet, die bereit ist, einen positiven Betrag zu leisten, ist das tatsächlich erreichte Niveau in einem marktwirtschaftlichen System zu gering. Aber es ist auch nicht gesichert, daß es überhaupt zu einem positven Angebot des öffentlichen Gutes kommt. Wenn nämlich v B′ (0) < 1 gilt, dann wird auch die Person mit dem höheren Grenznutzen nicht bereit sein, einen positiven Beitrag zu leisten. Dann wird das öffentliche Gut gar nicht bereitgestellt. 3 Was ist das Problem? Warum können sich die Beteiligten nicht auf die Pareto-optimale Menge einigen und die entsprechenden Beiträge dazu? Sie würden sich dadurch beide besser stellen als in der Situation, die wir hier modellmäßig als Resultat einer marktwirtschaftlichen Allokation abgebildet haben. In der Tat zeigen zahlreiche Experimente, daß sich die meisten Individuen so verhalten, wie es in diesem einfachen marktwirtschaftlichen Modell vorhergesagt wird. Der Grund liegt im Kontext unseres Modells darin, daß die Personen zwar den Nutzen für sich selbst richtig einschätzen, jedoch den Nutzen, der mit einem Beitrag automatisch für die andere Person verbunden ist, vollkommen unberücksichtigt lassen. Diese Situation hat starke Ähnlichkeiten mit der Situation bei Externalitäten. Hier übt der Beitrag einer Person einen positiven externen Effekt auf die andere Person aus (Steigerung der Menge des öffentlichen Gutes für alle). In einem privatwirtschaftlichen Kalkül wird dieser positive externe Effekt jedoch nicht berücksichtigt. Daher kommt, es wie bei den Externalitäten, zu einer Unterversorgung mit dem öffentlichen Gut. Genauso, wie bei negativen Externalitäten die zusätzlichen gesellschaftlichen Kosten nicht berücksichtigt werden, werden hier die zusätzlichen gesellschaftlichen Nutzen nicht berücksichtigt. Man kann dies auch anders ausdrücken: Die Personen versuchen "Trittbrett zu fahren". In dem obigen Beispiel wird dies am deutlichsten, wenn wir ein Gleichgewicht betrachten, in dem die Person B einen positiven Beitrag leistet. Die Person A läßt die Person B für das öffentliche Gut bezahlen und nutzt das entsprechende Angebot an öffentlichem Gut, ohne irgendetwas zu zahlen. Person A ist hier tatsächlich der sprichwörtliche Trittbrettfahrer. Wenn wir ein Gleichgewicht betrachten, das dadurch gekennzeichnet wird, daß niemand etwas beiträgt, sieht man, in welche extremen Situationen dies führen kann. Obwohl es immer für beide Personen sinnvoll ist, sich zumindest auf einen jeweils marginalen Beitrag zu einigen, wenn die Pareto-optimale Menge positiv ist, verläßt sich jeder auf den anderen, daß dieser einen Beitrag leistet. Dadurch kann es geschehen, daß niemand einen Beitrag leistet. Allgemein beleuchtet dieses Beispiel die Schwierigkeiten, mit denen die marktwirtschaftliche Organisation der Bereitstellung öffentlicher Güter verbunden ist. Sie sind der Grund dafür, daß viele öffentliche Güter nicht über den Markt organisiert werden, sondern durch staatliche Institutionen. Damit haben wir dem Staat eine weitere Rolle zugeteilt: die Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Nachdem wir zu einer schlechten Prognose hinsichtlich der Fähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems im Umgang mit öffentlichen Gütern gekommen sind, wollen wir nun noch einige zusätzliche Aspekte herausgreifen. Fragen wir uns noch einmal von einen anderen Seite, warum es so schwierig ist, öffentliche Güter marktwirtschaftlich zu organisieren. Ein Grund kann darin gesehen werden, daß ein privatwirtschaftlicher Anbieter die Zahlungsbereitschaft einer Person nicht ermitteln kann. Bei einem privaten Gut kann man im Prinzip durch Variation der Preise herausfinden, wie diese einzuschätzen sind. Bei 4 öffentlichen Gütern geht dies jedoch kaum. Zum einen haben wir angenommen, daß bei öffentlichen Gütern die Möglichkeit des Nutzungsausschlusses fehlt. Dies verhindert, daß irgend jemand ohne weiteres offenlegt, daß er eine positive Zahlungsbereitschaft hat. Er steht nämlich in Gefahr, als einziger zu zahlen, während alle anderen Trittbrett fahren. Es hat daher einige Anstrengungen gegeben, Verfahren zu entwickeln, die den potentiellen Nutzern einen Anreiz geben, ihre Zahlungsbereitschaft offenzulegen. Ein solches Verfahren ist das ClarkeGroves Verfahren, das wir hier jedoch nicht besprechen werden. Man kann die wichtigsten Aspekte z.B. in Varian oder Schotter nachlesen. Allen diesen Verfahren ist gemeinsam, daß es ein Stück weit gelingt, die Zahlungsbereitschaften aufzudecken und die Beteiligten dazu anzureizen, positive Beiträge zu leisten. Bei dem Clarke-Groves Verfahren läßt sich bei quasilinearen Präferenzen, die ja in diesem Abschnitt unterstellt wurden, sogar erreichen, daß die Pareto-optimale Menge angeboten wird. Alle haben jedoch auch Nachteile. U.a. sind manche hochgradig kompliziert, so daß sich ihre Durchführung zumeist als sehr schwierig herausstellt. Selbst, wenn man die Möglichkeit des Ausschlusses vorsieht - und damit von der Klasse der reinen öffentlichen Güter Abschied nimmt -, ist eine privatwirtschaftliche Organisation schwierig. Wenn nämlich zur teilweisen Aufdeckung der Zahlungsbereitschaft der Ausschluß derjenigen praktiziert wird, die nicht bereit sind, die entsprechenden Zahlungen zu leisten, so ist dieser Ausschluß nicht effizient. Da bei Nichtrivalität des Konsums die Nutzung durch ein zusätzliches Individuum keine gesellschaftlichen Kosten erzeugt, ist es ineffizient, dieses Individuum auszuschließen. Diesen Nachteil könnte man allenfalls dann überwinden, wenn man die Präferenzen der Nutzer vollständig kennt und die Gebühren individuell anpaßt. Dies läuft im Prinzip auf das Konzept des sogenannten Lindahl-Gleichgewichts heraus. Angesichts der abenteuerlichen Informationsanforderungen fällt jedoch auch diese Möglichkeit als praktikables Verfahren aus. Deshalb besprechen wir es hier nicht. Man kann bei Interesse wieder bei Varian oder Schotter nachlesen. Zum Abschluß dieses Abschnitts wollen wir noch einmal kurz auf die Umweltverschmutzungsproblematik zurückkommen. Diese ist offenbar durch das gleichzeitige Auftreten von externen Effekten und öffentlichen Gütern (saubere Luft, Wasser usw.) gekennzeichnet. Gerade die Diskussion des Aspekts des öffentlichen Gutes dürfte klar machen, wo die Grenzen der Coase-'schen Lösung sind. Konzentrieren wir uns auf die Gruppe der Geschädigten, die nur einem Verursacher gegenüberstehen. Bevor man zu einer Entscheidung kommen kann, wieviel Verschmutzung zugelassen werden soll, muß zunächst idealerweise herausgefunden werden, wieviel Pareto-optimal wäre. Dies ist jedoch mit allen den oben genannten Problemen mit der Offenlegung der Präferenzen verbunden. Wenn nun der Verursacher das Eigentumsrecht auf Verschmutzung hat, müßten sich die Betroffenen darauf einigen, wieviel Entschädigungen gezahlt werden sollten, um den Verursacher zu einer Eindämmung zu bewegen. Dies ist wiederum mit allen obigen Problemen behaftet. 5 Insbesondere wird hier das Ergebnis wahrscheinlich, daß niemand etwas bezahlen will. Der Beitrag eines einzelnen wird einen großen Verursacher kaum dazu bewegen, daß sich der Schadstoffausstoß so weit reduziert, daß die Wirkung bei dem Zahlenden spürbar wird. Dies aber bedeutet, daß der Grenznutzen eines einzelnen aus einer marginalen Reduktion des Schadstoffausstoßes sehr klein sein wird und unter Grenzkosten der Vermeidung liegt. Unsere obige Analyse wird dann vorhersagen, daß niemand bereit ist, positive Zahlungen zu leisten. Rein individuelle Verhandlungen mit dem Verursacher sind also kaum geeignet, das Problem im Sinne von Coase zu lösen. Kann es eine kollektive Verhandlung mit dem Verursacher geben?. Im Prinzip schon. Aber die Organisation einer Gemeinschaft der Geschädigten erfordert ebenfalls Anstrengungen und diese Organisation hat ebenfalls starke Aspekte eines öffentlichen Gutes. Es wird unter Umständen sinnvoll sein, absichtlich von einem Ausschluß abzusehen, weil in der Verhandlung eine breitere Basis typischerweise besser ist. Wenn dies der Fall ist, hat die Organisation eines gemeinsamen Verhandlungsgremiums alle Aspekte eines öffentlichen Gutes. Deshalb ist ein Zustandekommen nicht sehr wahrscheinlich. All dies schränkt eine Lösung der Umweltproblematik durch eine geschickte Verteilung der Eigentumsrechte nachhaltig ein.
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