Prof. Dr. iur. Peter Breitschmid Übungen im Personenrecht HS 15 A. Schutz der Persönlichkeit vor übermässiger Selbstbindung nach ZGB 271 1. Allgemeiner Schutzumfang von ZGB 27 Absatz 1 Absatz 2 (Generalklausel) • schützt die Dispositionsfähigkeit • Auf seine sach- oder personenbezogene Rechtstellung kann niemand verzichten • z.B. Verzicht auf eine Heirat, Verpflichtung keine Schulden mehr zu machen u.s.w. • schützt die Entscheidungsfreiheit und vor übermässiger Selbstbindung 2. Schutzumfang von ZGB 27 II im Speziellen Unzulässigkeit der Bindung aufgrund des Gegenstandes Unzulässigkeit der Bindung aufgrund ihres Ausmasses • Im Kernbereich der Persönlichkeit ist jede vertragliche Bindung ausgeschlossen • z.B. Rechtsgeschäftliche Bindungen im Bereich der Intimssphäre, Bewegungsfreiheit (s.a. BGE 136 III 401) • Übermass der Intensität • z.B. wirtschaftliche Knebelungsverträge • überlange Dauer • z.B. ewige Leistungsverpflichtungen • Übermass in sachlicher Hinsicht • z.B. Konkurrenzverbote im Arbeitsrecht 3. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen 1 Verstoss gegen die Dispositionsfreiheit (ZGB 27 I) Unzulässigkeit der Bindung aufgrund des Gegenstandes (ZGB 27 II) • Nichtigkeit • von Amtes wegen zu beachten • OR 20 i.V.m. ZGB 27 I • (Teil-) Nichtigkeit oder • Recht auf Widerruf durch die belastete Partei • von Amtes wegen • OR 20 i.V.m. ZGB 27 II Unzulässigkeit der Bindung aufgrund des Ausmasses (ZGB 27 II) • (Teil-) Nichtigkeit • klageweise • ZGB 27 II Grundlage für diese Zusammenstellung ist HAUSHEER HEINZ/AEBI-MÜLLER REGINA E., Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 3. A., Bern 2012 und PFAFFINGER MONIKA/MARRO PIERRE-YVES/MANNHART ANNJA, Tafeln zu den Einleitungsartikeln und dem Personenrecht, Bern 2012. Prof. Dr. iur. Peter Breitschmid Übungen im Personenrecht HS 15 B. Schutz der Persönlichkeit nach ZGB 28 ff. 1. Welcher Bereich der Persönlichkeit könnte verletzt sein? physische Persönlichkeit affektive (emotionale) Persönlichkeit Persönlichkeit wirtschaftliche Persönlichkeit soziale Persönlichkeit Wenn eine Verletzung bejaht wird, stellt sich die Frage, ob Rechtfertigungsgründe nach ZGB 28 II vorliegen. 2. Prüfung der Rechtfertigungsgründe Einwilligung höhere Interessen • Voraussetzungen • Urteilsfähigkeit • hinreichend konkret • Beachtung von ZGB 27 und OR 20 • öffentliche Interessen • z.B. der öffentliche Informationsauftrag der Medien • private Interessen gesetzliche Rechtfertigungsgründe • Notstand • Notwehr • Selbsthilfe u.s.w. Variante 1: Liegt kein Rechtfertigungsgrund vor Eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung ist zu bejahen. Die Klagen nach ZGB 28a ff. stehen offen Variante 2: Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor Eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung ist zu verneinen. Prof. Dr. iur. Peter Breitschmid Übungen im Personenrecht HS 15 3. Die Klagen nach ZGB 28a ff. Für alle Klagen gilt: (1) Aktivlegitimation: Personen, deren Persönlichkeitsrechte direkt verletzt sind oder von einer Verletztung direkt bedroht werden (2) Passivlegitimation: Personen, deren Persönlichkeitsrechte direkt verletzt sind oder von einer Verletzung direkt bedroht werden a) Abwehrklagen • • • • • Unterlassungsklage ZGB 28a I Z. 1 Eine bestimmbare Persönlichkeitsverletzung muss bevorstehen oder es muss Wiederholungsgefahr bestehen Die Gefahr einer bevorstehenden Verletzung oder die Gefahr einer Wiederholung muss ernsthaft sein Beseitungsklage ZGB 28a I Z. 2 Die Persönlichkeitsverletzung muss andauern und „beseitigungsfähig“ sein (z.B. gespeicherte persönliche Daten löschen lassen) Feststellungsklage ZGB 28a I Z. 3 (nicht subsidiär zu den anderen Klagen!) Es muss ein Feststellungsinteresse vorliegen Berichtigung und Urteilspublikation ZGB 28a II kein selbständiger Rechtsbehelf und kommt nur in Zusammenhang mit einer Klage von ZGB 28a I zur Anwendung Schutz gegen Gewalt, Drohung und Nachstellung ZGB 28b (vor allem relevant bei nicht ehelichen Gemeinschaften) Annäherungsverbot ZGB 28b I Z. 1 Ortsverbot ZGB 28b I Z. 2 Kontaktverbot ZGB 28b I Z. 3 Wohnungsausweisung ZGB 28b II und III Diese Schutzmassnahmen können ergriffen werden, wenn einer der folgenden Tatbestände vorliegen: Gewalt Drohung •unmittelbare Beeinträchtigung der physischen, sexuellen, sozialen Integrität mit einer gewissen Intensität •in Aussicht stellen einer widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzung b) Wiedergutmachungsklagen ZGB 28a III • Schadenersatzklage (s.a. OR 41 ff. und OR 97 ff.) • Genugtuungsklage(s.a. OR 49, 47 und ZGB 29 II) • Gewinnherausgabeklage Nachstellung ("Stalking") •Zwanghafte Verfolgung oder Belästigung über längere Zeit Prof. Dr. iur. Peter Breitschmid Übungen im Personenrecht HS 15 4. Das Gegendarstellungsrecht ZGB 28g a) Folgende Voraussetzunge müssen kumulativ erfüllt sein und es darf kein Fall von ZGB 28g II vorliegen Tatsachendarstellung (oder gemischtes Werturteil) • Tatsachen sind äussere oder innere Wahrnehmungen, welche durch Beweis objektiv auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können • Ein gemischtes Werturteil ist eine Verbindung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einem Werturteil (es besteht nur ein Anspruch auf Gegendarstellung der Tatsachenbehauptung) Periodisch erscheinendes Medium • erscheinen in mehr oder weniger regelmässigen Abständen Unmittelbare Betroffenheit • wenn sich die Tatsachendarstellung erkennbar auf eine bestimmbare Person bezieht • und diese Person dadurch in einem ungünstigen Licht erscheinen lässt oder in anderer Weise deren Persönlichkeitsgüter betrifft b) Form und Inhalt der Gegendarstellung ZGB 28h knappe Form (ZGB 28h I) Darlegung der Sicht des Betroffenen Gegendarstellungstext Der Text darf nicht offensichtlich unrichtig, rechts- oder sittenwidrig sein (ZGB 28h II) Die Schranke des Rechtsmissbrauchsverbots ist zu beachten (ZGB 2 II) Das Verfahren zur Durchsetzung des Gegendarstellungsrechts richtet sich nach ZGB 28i ff.
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