Protokoll einer Veranstaltung VA-Nr.: 15-118 Protokollformular: Titel der Veranstaltung : Deutsch lernen im Einwanderungsland „Kamingespräch“ Öffentliche Dialogveranstaltung der Landeshauptstadt Hannover und der Region Hannover Datum Uhrzeit : : 06. Mai 2015 19:00 - 21:00 Uhr Veranstaltungsort Straße, Hausnummer PLZ, Ort : : : Orangerie Herrenhausen Herrenhäuser Straße 3 30419 Hannover Anzahl der TeilnehmerInnen : ca. 60 Ergebnisse: Protokoll einer Veranstaltung siehe Anlage Bitte beachten Sie bei der Protokollerstellung folgende Hinweise: Anlage zum Protokollformular Ausfüllhilfe: Wir bitten um Verständnis, dass nur in deutscher Sprache ausgefüllte Protokolle angenommen werden können, da eine Übersetzung nicht geleistet werden kann. Bezeichnung der Veranstaltung: Das Thema /die Fragestellung der Veranstaltung bitte hier klar definiert eintragen. Methode: Die Methode, mit der die Veranstaltung durchgeführt wurde, ist hier kurz zu beschreiben. (z.B. World Café, interkulturelles Bürgerfrühstück, Expertenrunde usw., siehe Methodenübersicht) Mit kurzer Erläuterung zum Ablauf der jeweiligen Methode. Ergebnisse: Hier sind erzielter Konsens, Ideen, Anregungen, offene Fragen oder Konflikte knapp und einfach lesbar einzutragen. Senden Sie dieses Protokoll bitte per E-Mail an: [email protected] oder in Ausnahmefällen bitte per Post an: Protokoll einer Veranstaltung Landeshauptstadt Hannover Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters, Grundsatzangelegenheiten Trammplatz 2 30159 Hannover Mein Hannover 2030 Dokumentation Handlungsfeld: Integration, Sprachlernklassen, Sprachkurse Thema Deutsch lernen im Einwanderungsland „Kamingespräch“ Öffentliche Dialogveranstaltung der Landeshauptstadt Hannover und der Region Hannover Wann? 6. Mai 2015 | 19:00 – 21:00 Uhr Wo? Orangerie Herrenhausen, Herrenhäuser Straße 3, 30419 Hannover Zielgruppe: Fachöffentlichkeit, Politik Teilnehmerzahl: ca. 60 Personen Protokoll: IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH Stand: 10. Juni 2015 HINTERGRUND In der Bundesrepublik wird gegenwärtig über ein Einwanderungsgesetz debattiert. Faktisch findet die Einwanderung statt; ZuwanderInnen kommen zu uns. Und im Gegensatz zu den Erwartungen der 50er-/60er-Jahre, muss und sollte sich unsere Gesellschaft auf Einwanderungskonzepte einstellen. Ein wichtiges Ziel muss es sein, Sprache zu vermitteln. Viele Jahre sind ohne Konzepte der Sprachförderung vergangen; seit einiger Zeit jedoch findet ein Wandel statt. Aber sind unsere Konzepte schon ausgereift? Müssen wir die gemeinsame Sprache als bedeutsames Ziel für alle nicht viel mehr in den Mittelpunkt stellen? Und wie können wir dies gemeinsam tun? Und nicht zuletzt: Welche Herausforderungen und Aufgaben ergeben sich in den Institutionen (Hauptschule, Bildungsvereinigungen, Agentur für Arbeit etc.) angesichts der steigenden Zuwanderungszahlen von Kindern, Jugendlichen sowie Eltern und der damit verbundenen sozialen Veränderungen? Diese Fragen waren Ausgangspunkt eines Kamingesprächs der Landeshauptstadt und der Region Hannover mit sechs ausgewählten ExpertInnen am 6. Mai 2015 in der Orangerie Herrenhausen. Ziel der Veranstaltung war es, gemeinsam Strukturen und Lösungen für ein integratives Miteinander zu entwickeln. Nach einer Einführung durch die Kultur- und Schuldezernenten der Landeshauptstadt Hannover, Marlis Drevermann, sowie Herrn Ulf-Birger Franz, Dezernent für Wirtschaft, Verkehr und Bildung der Region Hannover, fand ein gemeinsamer Gedankenaustausch sowie eine offene Themensammlung mit den ExpertInnen und dem Publikum mit dem Ziel statt, Hannover als Einwanderungsland zukünftig zu verbessern und zu stärken. Die folgenden Ausführungen fassen die Impulse der ReferentInnen sowie die zentralen Ergebnisse, Meinungen und Kommentare des Kamingesprächs zusammen. Diese und weitere Fragen stellen sich: Marlis Drevermann, Kultur- und Schuldezernentin der Landeshauptstadt Hannover Ulf-Birger Franz, Dezernent für Wirtschaft, Verkehr und Bildung der Region Hannover Dr. Hildegard Logan, Beraterin, Transnationale Projekte - Kanada, Gesellschaft für Innovative Beschäftigungsförderung G.I.B Beatrix Albrecht, Niedersächsisches Kultusministerium Mustafa Yalcinkaya, Hauptschule Nikolaus Kopernikus Garbsen Regina Dittberner, Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN Dr. Jessica Löser, Institut für Sonderpädagogik, Leibniz Universität Hannover Bärbel Höltzen-Schoh, Vorsitzende der Geschäftsführung Agentur für Arbeit Hannover Anna Zagidullin, Referentin für Erwachsenen- und Weiterbildung im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur Dr. Peyman Javaher-Haghighi, kargah e. V. Dr. Jessica Löser, Institut für Sonderpädagogik, Leibniz Universität Hannover BEGRÜSSUNG In der Begrüßung wurde durch Jens Imorde dargelegt, dass es seit mehr als 20 Jahren eine Tatsache ist, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Das heutige Thema beschäftigt sich somit nicht mit der Definition „Einwanderungsland“, sondern mit dem Thema „Deutsch lernen im Einwanderungsland“. EINFÜHRUNG In der Einführung skizzierten die Kulturdezernentin der Landeshauptstadt Hannover, Marlis Drevermann, sowie der Dezernent für Wirtschaft, Verkehr und Bildung der Region Hannover, Ulf-Birger Franz, die Wichtigkeit der Zuwanderung. Daten, Fakten und die wesentlichen Thematiken wurden umrissen sowie die Frage gestellt, wie die steigende Zahl der Zuwanderer und die Aufnahme von Flüchtlingen in den Städten und Kommunen gestaltet und umgesetzt werden kann. INPUT Marlis Drevermann, Kultur- und Schuldezernentin der Landeshauptstadt Hannover Das Thema „Deutsch lernen im Einwanderungsland“ wurde im Rahmen von „Mein Hannover 2030“ aufgegriffen, um sich gemeinsam mit den unterschiedlichen Ansätzen des Deutschlernens zu befassen. Als Schulträger für die weiterbildenden Schulen und für einige Formen von Förderschulen ist das Thema Inklusion, Berufsorientierung und Fachkräftemangel sehr wichtig. - Wir werden mehr und internationaler! Nicht nur Hannover, sondern auch die Region Hannover ist eine vielfältige Gesellschaft, eine Einwanderungsgesellschaft. Deutschland war schon immer ein Einwanderungsland. In der Vergangenheit sind 30 % der Menschen in der Stadtgesellschaft zugewandert. In Hannover leben 186 Nationen und die Geburtenzahlen steigen, und zwar aus der Gruppe von Familien, die zugewandert sind. In 2015 kommen mindestens 2 500 Flüchtlinge nach Hannover und die Tendenz ist deutlich steigend. Auch die Zahl der Zuwanderer aus anderen Ländern mit anderen Beweggründen, die nach Hannover kommen, steigt deutlich an. - Inklusion, Berufsorientierung und Fachkräftemangel Das Anwachsen der Sprachlernklassen hat sich innerhalb von 2 ½ Jahren verdreifacht. Viele ehrenamtlich engagierte Menschen geben den Flüchtlingen erste Hilfe in Deutsch. Bei der Einwanderungs-Geschwindigkeit schaffen es die Ämter nicht alleine, die erste Alltagssprache zu vermitteln. Mehr Sprachkurse für Erwachsene anbieten, jedoch stagniert die Zahl, da der Bund die Fördermittel nicht erhöht, obwohl wir steigende Zuwandererzahlen haben. Über viele Generationen kommen Zuwanderer zu uns, deren Kinder dringend in der Sprache gefördert werden müssen. - Einwanderungs- und ganzheitliche Konzepte entwickeln Aufgrund einer im Jahr 1974 erstellten Studie zur Wohnsituation von ausländischen Unternehmern in NRW wurde schon damals dem Land empfohlen, ein Einwanderungsgesetz zu konzipieren, um auf Basis gegenseitiger Vereinbarung, Verlässlichkeit und gemeinsamen Willen, eine Stadtgesellschaft zu gestalten. Aufgrund des demografischen Wandels wurden viele Arbeitnehmer gerufen und sie sind gekommen; der Familienzuzug und das Bleiberecht etc. mussten erkämpft werden. Dank Europa sind wir heute schon ein Stückchen weiter. Wenn gesamtheitliche Konzepte konzipiert und über Vernetzung nachgedacht wird, gilt dies auch immer für alle. Ulf-Birger Franz, Dezernent für Wirtschaft, Verkehr und Bildung der Region Hannover - Hannover und die Region Deutsch lernen im Einwanderungsland wird gemeinsam mit der Region und der Landeshauptstadt umgesetzt. Hannover und die Region sind ein Einwanderungsland und sie haben eine vielfältige Struktur. Es gibt auf der einen Seite viele Menschen mit Migrationshintergrund, die hier aufwachsen, und auf der anderen Seite kommen viele Menschen zu uns. Im letzten Jahr haben über 1 000 Menschen im Alter von 0 – 18 Jahren ihren Wohnsitz vom Ausland in die Region Hannover verlegt, davon sind knapp 500 Flüchtlinge, ein Klientel, das eine ganz besondere Geschichte hinter sich hat; die Anzahl wird sich in diesem Jahr wahrscheinlich verdoppeln. - Herausforderung und Potenzial für alle Schultypen Dies ist eine große Herausforderung, aber auch ein riesiges Potenzial. Hannover und München sind die zwei Großstädte in Westdeutschland, die steigende SchülerInnenzahlen haben. Hannover vor allem im Grundschulbereich, aufgrund der enormen Zuwanderungen. Um diese Ressourcen nutzen zu können und diesen Menschen auch ein Zuhause zu geben, müssen wir es insgesamt schaffen, dass diese jungen Menschen integriert werden und die deutsche Sprache erlernen. Viele Sprachlernklassen sind in den letzten Jahren in den Berufsschulen neu entstanden, und zwar mittlerweile 15 Sprachlernklassen mit 150 SchülerInnen an 50 Schulen, und auch diese Zahl wird sich in den nächsten 2 – 3 Jahren ungefähr verdoppeln. In jedem Schultyp (Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasien, Förderschulen etc.) werden SchülerInnen dazukommen, die erstmal an die deutsche Sprache herangeführt werden müssen. Alle Schultypen müssten dabei sein, um die Integrationsleistung zu erbringen. Daraus resultierend wird das Thema Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Entwicklung für die nächsten Jahrzehnte eine enorme Ressource darstellen. - Zusammenarbeit und Erfahrungen mit klassischen Einwanderungsländern Die Zusammenarbeit mit vielen Institutionen ist der Schlüssel für den Erfolg, nur so kann ein systematisches, durchschaubares und vernünftiges System der Integration entwickelt werden. Wie machen das eigentlich klassische Einwanderungsländer, die schon etwas länger diese Themen diskutieren? Antworten darauf wird uns Frau Dr. Hildegard Logan heute in ihrer Einführung in das Thema mit dem Titel „Schule als Orte der Integration – kanadische Praxisbeispiele“ geben. Sie ist als Beraterin in Deutschland tätig, kennt von daher die deutsche Szene und hat in Toronto lange die Bildungspolitik gestaltet. Anschließend werden unterschiedliche und kompetente Personen viele Beiträge zur Diskussion bringen, damit wir gemeinsam weiterkommen. Dr. Hildegard Logan, Beraterin, Transnationale Projekte - Kanada, Gesellschaft für Innovative Beschäftigungsförderung G.I.B Schule als Orte der Integration – Eine kanadische Perspektive In dieser Präsentation sollen drei Aspekte skizziert werden: • Wertvorstellungen in einer multikulturellen Gesellschaft • Eine wachsende heterogene Gesellschaft • Schule als Orte der Integration Kanadischer Multikulturalismus & seine Wertvorstellungen Im kanadischen Kontext definiert der Multiculturalism Act (Multikulturalismus-Gesetz), eine der wesentlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Integration von Zuwanderern in die kanadische Gesellschaft. Die Wertvorstellungen, die in diesem Gesetz verankert sind, schaffen die Grundsatzphilosophie für alle kanadischen Institutionen, von der Schule, der Stadtverwaltung, der Hochschule bis zum Wirtschaftsunternehmen. Die ursprüngliche Politik des Multikulturalismus wurde 1971 von dem damaligen Premier Minister Pierre Elliott Trudeau ins Leben gerufen, und 1988 vom kanadischen Parlament bestätigt. Diese Gesetzesregelung war zu Beginn nicht mit dem Gedanken einer diversen multikulturellen Gesellschaft verbunden. Der Multiculturalism Act war zu diesem Zeitpunkt ein Instrument, um die Interessen der beiden Gründernationen Kanadas - England und Frankreich - zu befriedigen. Mit zunehmender Zuwanderung und einer ethnokulturell diversen Gesellschaft entwickelte sich der Multiculturalism Act zum Fundament der kanadischen Gesellschaft. Der Multiculturalism Act legt vier grundlegende Wertvorstellungen fest: In einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft soll jeder das Recht haben, seine Kultur zu pflegen und im gesetzlichen Rahmen der Demokratie auszuleben. Kanada hat eine positive Wertschätzung von Vielfalt. Kanada verfolgt also keine Politik der Assimilation, sondern orientiert sich am gesellschaftlichen Leitbild eines ethnokulturellen Mosaiks. Gleichzeitig ist die Identität der Kanadier eng mit der positiven Wertschätzung von Vielfalt verbunden. Zuwanderer, die aus verschiedenen Lebenssituationen nach Kanada kommen, sollen die Möglichkeit haben, sich aktiv an der Gestaltung der kanadischen Gesellschaft zu beteiligen. Dabei sollen Barrieren, die der Teilnahme der Zuwanderer am sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben im Wege stehen, beseitigt werden. Kanada möchte seine Erfahrungen mit dem Modell des Multikulturalismus und der gelebten Realität einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft in Dialoge auf internationaler Ebene einbringen. Eine Gesellschaft, die immer heterogener wird! Kanada ist eine sehr heterogene Gesellschaft und jährlich kommen ca. 250 000 Neuankömmlinge in das Land, davon sind ungefähr 58 % Menschen, die durch das AuswahlPunktesystem nach Kanada kommen. Eine Zustimmung zur Einwanderung nach Kanada ist abhängig davon, inwieweit Neuankömmlinge bestimmte Kriterien erfüllen im Hinblick auf Sprachkompetenz, Bildungsabschluss, Alter, Arbeitsplatz im Land, und Verbindung mit Familienangehörigen, die bereits im Land leben. Sehr viele Fachkräfte werden auf diese Weise angeworben. Die zweite große Kategorie der Zuwanderung (ca. 30 %) sind Familienzusammenführungen, die dritte Kategorie besteht aus Zuwanderung aus humanitären Gründen. Im Vergleich zu Europa nimmt Kanada derzeit nur einen kleinen Anteil an Flüchtlingen auf. Vor allem in den großen Städten Toronto, Montreal und Vancouver gibt es eine ausgeprägte Präsenz sichtbarer Minderheiten. Die Hälfte der Bevölkerung von Toronto hat eine andere Muttersprache als die beiden offiziellen Landessprachen Kanada ist also ausgesprochen bunt: Die 10 meist gesprochenen Muttersprachen in Toronto sind neben Englisch und Französisch: Chinesisch, Italienisch, Spanisch, Tagalog, Tamil, Portugiesisch, Persisch, Urdu, Russisch und Koreanisch. In Vancouver und Montreal herrscht eine ähnliche Sprachenvielfalt. Sprachkompetenz in den beiden offiziellen Landessprachen Englisch und Französisch ist ein Auswahlkriterium im kanadischen Punktesystem. Laut Statistiken der Behörde für Staatsbürgerschaft und Einwanderung (Citizenship and Immigration Canada) geben 90,2 % der Zuwanderer an, Englisch sprechen zu können. Jedoch muss man genauer auf das Niveau der Sprachkompetenz schauen, denn im alltäglichen Leben und am Arbeitsplatz kann es dann doch zu Verständigungsproblemen aufgrund fehlender Sprachkenntnisse kommen. Schule als Orte der Integration Teilhabe und Chancengleichheit – Integrative Schulkultur – Individuelle Förderung & gemeinsamer Unterricht – Engagement der Gemeinde in der Schule Die Schule, wie andere gesellschaftliche Institutionen in Kanada, reflektiert die Wertvorstellungen des Multikulturalismus. Beispielsweise hat das Toronto District Schoolboard ein Leitbild definiert, das sich für die Förderung von Teilhabe und Chancengleichheit aller SchülerInnen einsetzt. Es ist das Ziel, eine inklusive Schulkultur zu kreieren, und eine Willkommenskultur zu schaffen, in der SchülerInnen unabhängig von ethnokultureller Herkunft, sozialem Status, Religion, oder Behinderung positive Wertschätzung erhalten und im Lernprozess unterstützt werden. Eine inklusive Schulkultur schätzt die Muttersprache, die Zuwanderer mitbringen, weil sie als wichtiger Ausgangspunkt für das Erlernen einer neuen Sprache – Englisch oder Französisch – dienen kann. Beim Toronto District Schoolboard lernen SchülerInnen Englisch als Zweitsprache durch ein ausgeklügeltes System: Individueller Sprachunterricht wird mit gemeinsamen Unterricht mit SchülerInnen, die Englisch als Muttersprache beherrschen, verbunden. Zudem werden speziell geschulte Lehrkräfte, die als ESL Lehrer zertifiziert sind, für den Sprachunterricht eingesetzt. Auch die verschiedenen ethnokulturellen Gemeinden werden sehr intensiv in den Schulbetrieb eingebunden, so dass die Kinder und die Eltern Englisch als Zweitsprache an der Schule erlernen. Die Schule agiert auch als zentrale Anlaufstelle, die Eltern Orientierungshilfen für die Einwanderung bietet, und die Eltern beispielsweise auch bei der Arbeitssuche unterstützt. Beatrix Albrecht, Niedersächsisches Kultusministerium, Projektleiterin DaZNet DaZNet = Regionales Zentrum für Deutsch als Zweit- und Bildungssprache, Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Bildung in Hannover Aus ihrer Vergangenheit heraus betrachtet sie die momentane Situation von zwei Seiten: Praxis und Ministerium. Nach 14 Jahren Praxiserfahrung als Schulleiterin an einer Schule mit Kindern mit 70 % Migrationsgeschichte und der Tätigkeit im Kultusministerium seit einem ¾ Jahr sieht sie die ganze Diskussion um Sprachlernklassen und Sprachförderung aus beiden Perspektiven. Sie schildert Eindrücke, die ihr durch den Kontakt mit den Kommunen und Schulen nähergebracht wurden und stellt sie unter den Titel: „Sprachbildung im Spanungsfeld von Land, Kommune und Ehrenamt“. In diesen Bereichen helfen bereits viele Akteure den Flüchtlingen und Zuwanderern trotz großer Schwierigkeiten. Durchgängige Sprachbildung Die Erfahrung im Projekt DaZNet zeigt, dass der Begriff „Deutsch als Zweitsprache“ noch weiter gefasst werden muss, und zwar als durchgängige Sprachbildung und das bedeutet: Von der Geburt bis zum Ende des Lebens muss Sprache in den Blick genommen werden. Dazu zählen u. a. Übergänge zu gestalten zwischen den verschiedenen schulischen Institutionen; welche Akteure unterstützen Kinder, Eltern und Familie beim Erlernen von Deutsch als Zweit- oder Bildungssprache, sondern wirklich auch zu fokussieren, dass die Menschen ihre Herkunftssprache nicht verlieren, da dieses Identifikationsmerkmal für unseren Wirtschaftsstandort eine ganz wichtige Rolle spielt. Das Projekt DaZNet hat sich daher ebenfalls zur Aufgabe gemacht, dies in die Schulen hineinzutragen und in Kombination mit Deutsch als Zweit- oder Bildungssprache auch die Herkunftssprachen zu fördern. Zielgruppen für Sprachfördermaßnahmen Die Zielgruppe für Deutsch als Zweit- bzw. Bildungssprache sind vor allem Asylanten, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten. Die Problematik in diesen Gruppen ist sehr ähnlich: Sie sprechen kein Deutsch, müssen sehr viele Dinge neu erlernen und sich in die Gesellschaft einleben. Hinzu kommen noch Deutsche mit einer Migrationsgeschichte, die schon viele Jahre hier sind, aber die tatsächlich in vielen Bereichen noch Unterstützung benötigen, da die Chancengleichheit nicht so gegeben ist, weil diese Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen häufig nicht auf bildungssprachlichem Niveau dem Unterricht folgen können. Die Bandbreite, die auf unsere Angebote angewiesen ist, sind zum einen Menschen mit geringen Sprachkenntnissen in Deutsch als Zweitsprache; Menschen, die eine geringe Schulbildung haben; die nicht alphabetisiert sind, zum anderen gibt es aber mittlerweile Menschen, die sehr gut ausgebildet und bildungsorientiert sind oder ein Studium haben. Für all diese Menschen müssen sehr unterschiedliche Angebote bereitgestellt werden. „Unterstützer“ vor Ort Was für Institutionen oder Menschen, die diese Zuwanderer (Kinder, Jugendliche und Erwachsene) unterstützen, haben wir in Deutschland: Kita, Schule, Familienzentrum, Sozialpädagogen in der Schule und Kommune, ehrenamtliche Helfer, Kirchengemeinden, Migrantenorganisationen (sehr aktive Intergrationslosten), die helfen, dass sich diese Menschen in unserem System zurechtfinden. Das System ist jedoch nicht ganz transparent. Die Akteure kommen z. B. aus verschiedenen Stadtteilen oder Kommunen, arbeiten sehr intensiv mit den Zuwanderern und wissen nichts vom anderen und das ist manchmal die Situation, mit der wir heute konfrontiert sind. Die Schule weiß nicht, dass es ehrenamtliche Helfer gibt, die Migrantenorganisation nicht, dass auch die Kirchengemeinde mit einbezogen ist; es fehlt an Austausch und Kommunikation. Im Moment gibt es nur begrenzte Ressourcen für diese wirklich wichtige Arbeit, diese müssen ziel- und personengerichtet gebündelt werden. Akteure im Bereich der Sprachbildung Das sind die Kita, Schulen und Hochschulen, die vom Land bestimmte Ressourcen für sprachliche Bildung bereitstellen, es gibt Kommunen und Landkreise, die die Dinge vorhalten und sehr aktiv sind, dann gibt es Verbände, Vereine, Organisationen und die Ehrenamtlichen. Leider gibt es im Gegenzug für diese Akteure eine Menge Hindernisse, die eine effektive Zusammenarbeit erschweren oder nicht möglich machen, und das sind teilweise die gesetzlichen Grundlagen, Zuständigkeiten, die Finanzierung, fehlende Kommunikationsstrukturen, fehlende Qualitätsstandards und organisatorische Rahmenbedingungen, die schwierig sind, z. B. ein Ehrenamtlicher möchte gerne Deutsch unterrichten, hat aber keinen Raum und keine Materialien. Herausforderungen Die Zuwanderung wird ein Dauerthema bleiben. Daher müssen nicht kurzfristig, sondern langfristig tragfähige Strukturen entwickelt werden, die einige Herausforderungen aufweisen: - Die Bestandsaufnahme der Bedarfe der Akteure und der Angebote vor Ort, aber auch landesweit. Die gemeinsame Entwicklung und Vernetzung von bedarfsgerechten Angeboten. Klären, wo gemeinsame Finanzierungsbedarfe und Finanzierungsmöglichkeiten gegeben sind. Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Zusammenarbeit (z. B. Kooperationsverträge, Rahmenvereinbarungen, …) Der Aufbau von einem Netzwerk vor Ort mit klaren Aufgabenverteilungen und Zuständigkeiten. - Schaffung eines Netzwerkes auch auf Landesebene. Entwicklung von Kommunikations- und Informationsstrukturen. Langfristig sollte nun die geballte Energie genutzt und die Finanzmittel so gesteuert werden, dass sie auch wirklich zielgerichtet bei den Menschen ankommen und Synergieeffekte geschaffen werden können. PODIUMSDISKUSSION UNTER BETEILIGUNG DES PUBLIKUMS Migrantenorganisation Was macht kargah e.V.? Welche Erwartungen haben Zuwanderinnen und Zuwanderer, die nach Hannover kommen und nicht deutsch sprechen? An wen wenden sie sich und werden sie sich und ihre Kinder beraten lassen? Welche Erfahrungen machen sie mit der Schule? Wie schnell erreichen Erwachsene einen Anschluss an den hiesigen Arbeitsmarkt? Welche Sprache geben wir in die nächste Generation und wie funktioniert die Sprachanwendung, wie ist es mit Eltern-Kind-Vermittlung? Dr. Peyman Javaher-Haghighi – kargah e. V. Kargah e. V. hat vier verschiedene Bereiche: Bildung, Beratung, Kultur und Stadtteilarbeit und zu jedem Bereich gibt es Projekte für Zuwanderer. Im Bereich Bildung gibt es zum Beispiel sechs Deutschkurse im kargah-Haus und seit drei Jahren sieben Kurse in Flüchtlingswohnheimen in Hannover. Pro Jahr gibt es ca. 9 000 Beratungsfälle aus verschiedenen Lebensbereichen: Asylverfahren, Wohnungssuche, Arbeitssuche und sogar Beratung gegen häusliche Gewalt und Zwangsheirat. Die Förderung der Muttersprache von MigrantInnen ist zwar im Bewusstsein, aber noch nicht in dem Maße wie in den anderen Ländern (z. B. Kanada oder Schweden), bzw. es werden nur bestimmte Sprachen gefördert, z. B. Englisch, Spanisch, Französisch. Bei den Erwachsenen gibt es positive Entwicklungen und Ansätze, die Gesellschaft hat sich geöffnet, es gibt ein riesiges Potenzial von ehrenamtlicher Arbeit, die Sensibilität ist anders als vor 20 oder 30 Jahren, aber es besteht immer noch eine große Herausforderung, nämlich, das Sprache lernen als Teil des gesamten Integrationsprozesses betrachtet werden muss. Beim Ankommen reden wir mit den Flüchtlingen in ihrer Muttersprache soweit es geht, bevor wir mit dem Deutschkurs anfangen können - wir müssen Sprache lernen in einem größeren Kontext sehen. Zur Sozialisierung gehört auch, dass die anderen Kulturkreise in der Schule mehr anerkannt werden, dass mehr Lehrer aus anderen Kulturkreisen eingestellt werden, weil sie zu Kindern/Schülern mit Migrationshintergrund einen anderen Bezug haben. Oder das die Lehrer mehr interkulturelle Umschulung, interkulturelle Bildung bekommen und die Eltern mit einbezogen werden. Viele Eltern kennen das Schulsystem nicht; sie sind verwirrt durch die Vielfalt und ihnen ist nicht bewusst, dass sie eigentlich die Entscheidungsgewalt haben. Dazu gibt es seit Januar 2014 ein 14-sprachiges Internetportal namens Welt-inHannover.de, das in wenigen Monaten ein Infopaket über das Schulsystem – extra für Eltern mit Migrationshintergrund veröffentlichen wird. Das Internetportal wird durch die Landeshauptstadt Hannover unterstützt und ich wünsche mir, dass solche Infopakete über verschiedene Lebensbereiche möglichst in vielen Sprachen geschnürt und veröffentlicht werden. Mein Wunsch: Die vielen Initiativen müssen gebündelt werden in Netzwerke, insbesondere, die Aufwertung der ehrenamtlichen Arbeit, was mit relativ wenig finanziellen Mitteln durchsetzbar ist. Und, dass die Vielfalt irgendwann in Deutschland so selbstverständlich wird, dass man sie nicht zu thematisieren braucht. Frau Regina Dittberner– Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN Die Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN ist ein gewerkschaftlicher Bildungsträger und bietet seit 25 Jahren Sprachkurse in der Erwachsenenbildung an. Die Erwachsenen kommen häufig in Begleitung u. a. auch mit ihren Kindern zu uns, die in der Schule bereits Deutsch gelernt haben, um ihre Eltern bei der Anmeldung zum Sprachkurs zu unterstützen. Andere Interessenten kommen von der Ausländerbehörde, über das JobCenter und die Agentur für Arbeit, über Migrantenorganisationen und über Beratungsstellen zu uns. In den Anfängen standen drei Zielgruppen im Fokus: Spätaussiedler, Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge, die anfangs in Sprachkursen mit 1 400 Unterrichtsstunden gefördert wurden und die dementsprechenden Zertifikate erhielten. Mit dem Zuwanderungsgesetz und der Integrationskursverordnung von 2005 wurde dieses System aufgelöst und ab dann gab es bundeseinheitliche Konzepte der Deutschförderung für Erwachsene über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, was reduziert war auf 600 Unterrichtsstunden, jedoch mit dem gleichen Ziel, die Prüfung auf dem Niveau B1 abzulegen. Es entstand ein unheimlicher Druck, der wenig Freiraum für Exkursionen (Büchereibesuche, Stadterkundungen, Schuldnerberatung sowie Menschen in die Beratungssysteme einzuführen) lässt. Nicht alle sind in ihrem Heimatland zur Schule gegangen, so dass eine Differenzierung erforderlich ist. Die Zugänge zu den Integrationskursen sind unterschiedlich: Teilnehmer beantragen selbst die Zulassung zum Kurs und besuchen diesen freiwillig, andere werden vom JobCenter oder der Ausländerbehörde verpflichtet, Deutsch zu lernen, wenn sie z. B. Kinder im schulpflichtigen Alter haben. Integrationskurse gibt es regional und bundesweit, die alle nach dem gleichen Konzept arbeiten und die in Modulen aufgebaut sind, damit jeder z. B. beim Umzug von München nach Hannover in die entsprechenden Module der Kurse einsteigen kann. Im Bereich der beruflichen Qualifizierung gibt es über das ESF-BAMF-Programm eine berufsbezogene Sprachförderung, die über das Bundesamt mit ESF-Mitteln gekoppelt gefördert wird. Diese Kurse laufen über sechs Monate, mit einem 4- bis 6-wöchigen Praktikum. Die Mittel für diese Kurse wurden reduziert. In der Region Hannover können in diesem Jahr nur maximal 12 Kurse durchgeführt werden, gegenüber 20 im letzten Jahr und hinzukommt, dass die Bildungsträger für die Maßnahmen 5 % Eigenmittel in die Finanzierung einbringen müssen. Auch in dem ESF-BAMF-Programm werden für den Deutschunterricht nur Lehrkräfte mit der Zulassung vom Bundesamt als Lehrkraft eingesetzt. Es fehlen die Menschen, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten möchten und die Zulassung vom BAMF haben - leider reichen aber die zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus, um adäquat finanzierte Stellen einrichten zu können. Wir können lediglich Honorarstellen mit geringem Entgelt anbieten. Zudem können wir den Lehrkräften aufgrund der unsicheren Laufzeiten in den Kursen keine langfristigen Verträge anbieten. Mein Wunsch: Wir arbeiten in vielen Netzwerke und stoßen immer wieder auf die Problematik, dass für die Zielgruppe der Flüchtlinge was Sprachförderung anbelangt nichts getan werden kann und da wünsche ich mir, dass finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden und die bestehenden Netzwerke genutzt werden. Schule Was passiert denn in der Schule? Wer hat Sprachförderbedarf? Und wie wird dieser bewältigt? Was ist die Voraussetzung für eine gute Sprachförderung an Schulen? Mustafa Yalcinkaya – Hauptschule Nikolaus Kopernikus Garbsen Es gibt nicht nur kargah e. V., sondern es gibt viele Communities, die regional arbeiten, die Integrationsbeiräte, die MSOs, der niedersächsische Integrationsrat, die alle mithelfen und den Kontakt aufnehmen, damit die Familien Unterstützung bekommen. In gewissen Regionen sind es auch Ortspolitiker oder Familien, die die Zuwanderer unterstützen, sich Gedanken machen, wenn die Flüchtlinge nach Deutschland oder in die Region kommen. Letztendlich kommen sie an die Schule, es erfolgt ein Erstgespräch im Diagnostikverfahren (eine Bestandsaufnahme), d. h. ein Gespräch mit der Kollegin der Sprachlernklasse, die seit einem Jahr da ist, die das Level des Kindes sprach- und fachbezogen diagnostiziert, um dementsprechend in die Sprachlernklasse aufgenommen zu werden. In erster Linie wird Deutsch vermittelt aber auch über Projektarbeit, man geht z. B. auf den Markt, ins Kino, in die Bücherei etc., um auch im sozialen Bereich Deutsch zu verstehen. Es sind nicht nur die Flüchtlinge, die in Deutsch unterstützt oder gefördert werden müssen. Wir beobachten zunehmend, dass sich in gewissen sozialen Brennpunkten oder in gewissen Städten Zonen entwickeln, in denen sich Migranten zusammen tun. Das hat verschiedene Gründe, wenn Jugendliche teilweise in diesen Bereich rutschen. Auch diese müssen gefördert werden und da greift DaZNet – also Deutsch als Zweitsprache/Zielsprache. Im ersten Jahr erfolgt eine Differenzierung, ein Sprachtraining, gemeinsame Aktivitäten, damit sie integriert werden. Im nächsten Jahr arbeitet man auf dem zweiten Level und danach müssen sie weiter gefördert werden; da sind die DaZNet-Kurse – Deutsch als Zielsprache – sehr wichtig. Dazu gehört natürlich ein Sprachförderkonzept, was eine Schule haben muss und natürlich sprachsensibler Unterricht. Natürlich gibt es heute noch eine Lücke für Erwachsene, aber diese gab es vor drei Jahren in den Schulen auch. In den letzten drei Jahren haben sich die genehmigten Sprachlernklassen in den Schulen verdreifacht. Aber für Erwachsene gibt es bis heute noch keine Regelung, kein Konzept, das sie vernünftig Deutsch erlernen können. Sprachlernklassen sollte es in allen Schultypen (Gymnasium, Realschule und Hauptschule) geben. Das Prinzip der Sprachlernklassen ist es, egal in welcher Schulform, zu schauen, auf welchem Level die Kinder sind. Wir waren bei der Einführung einer Sprachlernklasse sehr skeptisch. Werden damit die Schüler nicht aussortiert, nicht integriert, differenziert, beim Lernen allein gelassen? Wir befragten Experten, haben uns das System beschreiben lassen, haben uns über die Grenzen Niedersachsens hinaus informiert und schließlich die Erfahrung gemacht, dass die Kinder doppelt so schnell Deutsch lernen. Das ist eine gute Richtung, um gemeinsam zu entscheiden, in welchem Schultyp diese Kinder weiter gefördert werden sollen. Mein Wunsch: Dass es in 2030 ein ganzheitliches Programm gibt, angefangen damit, wo die Flüchtlinge hinkommen, denn die Sprache beginnt im Alltag, bei den deutschen Nachbarn, dann Kitabereich, Schule, Berufswelt. Es geht nur über das Ganzheitliche, d. h. es muss über ein Programm nachgedacht werden, wo das Ganze mehrsprachlich fixiert wird, damit jeder es bei Bedarf, wenn SchülerInnen oder Familien aus einem bestimmten Land kommen, nutzen kann. Kultusministerium Welches Konzept unterstützt die Landesregierung? Welche Defizite sieht das Land? Gibt es Verbesserungsmöglichkeiten? Welche sind geplant? Gibt es Forschungsergebnisse zu Sprachnetzwerken? Welche Folgerungen sollen weiter verfolgt werden? Beatrix Albrecht, Niedersächsisches Kultusministerium, Projektleiterin DaZNet = Regionales Zentrum für Deutsch als Zweit- und Bildungssprache, Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Bildung in Hannover DaZNet geht weiter! Das ist bereits in der Vorbereitung. Mehr Schulen sollen davon profitieren, denn wir sehen den hohen Beratungsbedarf im Rahmen der Schulentwicklung. Auf Landesebene möchten wir im Rahmen des Schulentwicklungsprozesses bestimmte Dinge stärker zusammenführen: Schulentwicklung, Unterrichtsentwicklung, Inklusion, Ganztagsschule, diese Dinge stehen zurzeit oft nebeneinander. Und gerade deshalb sind vermehrt Personen im schulischen Bereich mit Kompetenzen im Bereich Deutsch als Zweitsprache eingestellt worden. Die Herkunftssprachen wurden durch den neuen Erlass, der verabschiedet wurde und in Kraft getreten ist, aufgewertet. In Zusammenarbeit mit TELC, den Volkshochschulen und anderen Partnern arbeiten wir daran, die Herkunftssprachen zu stärken, das ist ein langwieriger Prozess, aber erste Schritte wurden bereits unternommen. Bei den Ressourcen ist es schwierig, dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden, da wir den genauen Bedarf noch nicht kennen und mittlerweile fehlen in einigen Bereichen geschulte Lehrkräfte, die eine Sprachlernklasse führen können. Ein großes Fortbildungsprogramm wird zurzeit angeschoben, damit dauerhaft Kollegen für neue Aufgaben und für parallel laufende Projekte zur Verfügung stehen. In der Lehrerausbildung wird Deutsch als Zweit- und Bildungssprache zukünftig in alle Fächern integriert. Auf längere Zeit gesehene Strukturveränderungen sind in Arbeit; jedoch akut müssen wir den Bedarf mit den vorhandenen Mitteln abdecken. Sprachlernklassen wird es auch weiterhin geben, vielmehr müssen die jeweiligen Dezernentinnen und Dezernenten an der NLSchB klären, ob geeignetes Personal vorhanden ist bzw. ob eine Sprachlernklasse das Allheilmittel für die jeweilige Situation einer Schule ist und ob es geeignetere Alternativen gibt. Wir stehen in sehr engem Kontakt mit der Landesschulbehörde und versuchen, zeitnah zu reagieren, genauso wie es eben auch für die Kommunen eine Herausforderung ist, wenn plötzlich 100 neue Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Aus dem Publikum, Jana Selikowa, kommt aus der Ukraine Migranten sollen sich am gesellschaftlichen Leben beteiligen. Es gibt aber einen Anteil an jungen Erwachsenen, die einen Spagat zwischen hierherkommen und ankommen schaffen wollen, die Sprache beherrschen wollen, die sich engagieren wollen, die aber nicht in der Bildungsförderung vorgesehen werden. Kann diese Lücke auch irgendwann geschlossen werden? Beatrix Albrecht Das sind die Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren. Eine Arbeitsgruppe der Flüchtlingskonferenz klärt zurzeit, wie diese Jugendlichen gefördert, wie sie einen Schulabschluss erhalten, in weiteren Sprache gefördert und wie sie an die Berufsausbildung herangeführt werden können. Mein Wunsch: Dass wir jenseits aller Zuständigkeiten von den Menschen aus denken, was ist erforderlich und wer muss wo und wie zusammenarbeiten, und dass wir dann gemeinsam nach Lösungen suchen und nicht von vornherein sagen, das geht nicht, sondern auch nach neuen Wegen suchen. Und in Kanada, dem Orientierungsland für Einwanderungsgesetzgebungen? Welches sind die erprobten Erfahrungen oder gibt es gar Nachbesserungsbedarfe? Muss auch Kanada etwas lernen – oder müssen wir etwas lernen? Welches sind künftige Herausforderungen hier wie dort? Dr. Hildegard Logan, Beraterin, Transnationale Projekte - Kanada, Gesellschaft für Innovative Beschäftigungsförderung G.I.B Die erfolgreiche Eingliederung von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt beruht unter anderem auf der Sensibilisierung der Arbeitgeber für die sprachlichen Herausforderungen, die Immigranten im Arbeitskontext meistern müssen. Es gibt interessante kanadische Praxisbeispiele, wie Arbeitgeber sich in die Rolle des Zuwanderers im Rahmen eines Jobinterviews hineinversetzen können, um so ein Verständnis für diese Herausforderungen zu gewinnen: Zum Beispiel werden Führungskräfte innerhalb eines Trainingsprogramms aufgefordert ein Jobinterview zu simulieren, die Bewerber und das Interviewteam können allerdings keine originellen Worte in ihrer Muttersprache benutzen, um den Dialog zu führen, sondern müssen ausschließlich Synonyme zur Kommunikation benutzen. Dabei lernen sie wie es ist, sich in einer neuen Sprache am Arbeitsplatz verständlich zu machen. Einige Unternehmen in Kanada führen Jobinterviews auch in der Muttersprache des Zuwanderers durch. Der neue Arbeitnehmer erhält dann in der Einarbeitungsphase einen Mentor, der aus demselben kulturellen Umfeld kommt, und der Unterstützung anbieten kann. Im deutschen Kontext könnte man ähnliche Maßnahmen einsetzen, um die interkulturelle Öffnung von Unternehmen voranzutreiben. Die Stadt Toronto informiert BürgerInnen über die Dienstleistungen der Kommune und über aktuelle Nachrichten in den im Stadtgebiet am häufigsten benutzen Muttersprachen. So werden wichtige Dokumente zeitweise in 25 verschieden Sprachen übersetzt und herausgegeben. Um Sprachprobleme und Kommunikationsbarrieren mit BürgerInnen zu beseitigen, hat die Stadt Toronto auch einen Telefondolmetscherdienst eingerichtet. Diese Einrichtung hat sich als ganz besonders hilfreich erwiesen in der Kommunikation mit Zuwanderern zu Themen der öffentlichen Gesundheit oder zum öffentlichen Transportwesen. Mein Wunsch: Ich würde Hannover empfehlen, ähnlich wie die Stadt Toronto einen ressortübergreifenden Rat zu gründen, wie beispielsweise das Toronto Region Immigrant Employment Council (TRIEC). Dieser Rat würde sich mit verschiedenen Fragen wie der Integration in Arbeit, dem Spracherwerb, der Berufsorientierung und dem Übergang Schule – Beruf beschäftigen und gemeinsam erarbeiten, welche unterstützenden Maßnahmen und Initiativen zur Integration von Zuwanderern n der Stadt benötigt werden und wie man diese Unterstützung leisten kann. Arbeitsagentur Erwachsene sollen möglichst schnell ein selbstständiges Leben führen, also auch in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ohne Sprache schwierig, oder? Sind wir schnell genug in der Umsetzung? Reichen die Qualität der Sprachförderung und die Förderinstrumente? Wie können wir das Time Lag zwischen Einwanderung und Arbeitsplatz verringern? Frau Bärbel Höltzen-Schoh – Vorsitzende der Geschäftsführung Agentur für Arbeit Das ist äußerst schwierig, und zwar weil es beim Thema Migranten und Asylanten einen unterschiedlichen Status gibt. Wir können Menschen innerhalb von drei Monaten in Arbeit bringen, dazu brauchen wir Sprachkurse. Diese dürfen wir nicht selber machen und finanzieren, sondern das übernimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Seit Februar besteht ein extremer Engpass im Bereich AO, d. h. „Alphabetisierung“. Eine Vermittlung in Arbeit ist ohne deutschsprachige Kenntnisse praktisch nicht möglich. Ferner fehlen Dolmetscher, um Zeugnisse, Zertifikate etc. anzuerkennen. Das Dritte sind unterschiedliche Rechtsgrundlagen, wann gefördert werden kann. Jemand mit Migrationshintergrund, der eine Zeitlang hier lebt und arbeitet, kann förderungsrechtlich Leistungen empfangen, dann werden Sprachkurse mit überwiegenden beruflichen Anteilen kombiniert. Hintergrund ist: Integration in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Bei der reinen Sprachlernkompetenz sind wir außen vor! Ein Beispiel: Wir haben einen ausgebildeten Tischer, Französisch als Muttersprache. Trotz intensiver Kontakte zu 22 Firmen und Fachkräftemangel konnten wir ihn nicht vermitteln. Fazit: Wenn die Sprachkompetenzen fehlen, dann finden sie keine Arbeit. Wir sehen die Problematik und wir besuchen zurzeit gemeinsam mit dem Land jede Aufnahmeeinrichtung, um die ersten Daten unter Arbeitsmarktgesichtspunkten aufzunehmen und eine Transparenz zu bekommen. Aber unter dem Aspekt der Traumatisierung der Menschen ist eine Integration, z. B. im Rahmen eines Praktikums zunehmend wichtig, um überhaupt in den Sprachgebrauch hereinzukommen, begleitet durch Sprachkurse. Wir sind von der Willkommenskultur weit entfernt: Wir diskutieren über Fachkräftemangel, sehen aber die Notwendigkeit nicht, systematisch auch bundespolitisch Kräfte zu bündeln, um für Sprachkurse Genehmigungsverfahren schneller umzusetzen. Berufliche Anteile bei der Förderung von Kursen für die Berufsorientierung. Lassen wir mal die Fantasie spielen: Wann haben wir 51 % berufliche und 49 % sprachliche Anteile? Wir fördern vor dem Hintergrund – finanziert durch Beitragszahler – deshalb ist der berufliche Anteil ganz entscheidend. Also müssen wir dahingehend, auch im Rahmen unserer Fachkräfteallianz, mit großen Arbeitgebern und Kammern gezielte Maßnahmen durchführen. Wie können wir im Rahmen unserer Netzwerke eine gegliederte Anlaufstruktur schaffen, um kurzfristig auf Informations- und Beratungsbedarfe, z. B. in Asylunterkünften und Flüchtlingsheimen, reagieren zu können? Mein Wunsch: Unter dem Aspekt 2030 wünsche ich mir eine Willkommensorganisation. Ich spreche nicht von Kultur, sondern von einer Anlaufstelle, wo die Menschen auch wirklich willkommen sind, jenseits von allen Zuständigkeiten. Dass die Menschen hier bleiben, gut leben und auch wir mit ihnen gut leben können. Angesichts der Zahlen sind wir auf viele Menschen angewiesen und dafür haben wir eigentlich zu alte und viel zu standardisierte Verfahren. Ministerium für Wissenschaft und Kultur Wie lernen denn Erwachsene Deutsch? Welche Strategien verfolgt das Land? Gibt es Unterschiede, aus welchen Ländern zugewandert wird? Und aus welchem Grund die Einwanderung erfolgt ist? Und haben wir genügend Sprachlehrerinnen und -lehrer, oder wie beheben wir den Mangel? Frau Anna Zagidullin – Referentin für Erwachsenen- und Weiterbildung im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur Vielfältige Möglichkeiten werden schon wahrgenommen und umgesetzt, um den Erwachsenen beim Spracherwerb zu helfen. Es ist eine gesetzliche Aufgabe der Erwachsenenbildungseinrichtungen Sprachkurse anzubieten, d. h. Integration von Zuwanderern, und es werden bereits viele Unterrichtsstunden in Niedersachsen gewährleistet, z. B. Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen, Arbeit und Leben. Unsere Einrichtungen führen bereits eine Reihe von Integrationsmaßnahmen für Erwachsene durch. Dies ist jedoch primäre Aufgabe des Bundes ist. Wir als Land ergänzen und unterstützten die Maßnahmen des Bundes entsprechend. Die Kurse sind im Moment sehr gut nachgefragt bzw. belegt. Ein Mangel an Kursplätzen besteht in den Großstädten und da versuchen wir, unsere Förderprogramme, z. B. Zweiter Bildungsweg, Offene Hochschule usw. auch für Zielgruppen der Migranten zu öffnen und sie gezielt mit unseren Maßnahmen für den Spracherwerb, aber auch beim Nachholen von Schulabschlüssen anzusprechen. Es gibt auch gute Adressen für eine qualifizierte pädagogische Bildungsberatung. Diese können professionelle Hilfeleistung oder Orientierungshilfe geben in Richtung: geeignete Maßnahmen finden, speziell für einen bestimmten Beruf, für Sprache und Fördermöglichkeiten. Das Nachholen von Schulabschlüssen und der Übergang hin in ein reguläres Bildungssystem ist ein Ziel der Arbeitsgruppe in der Flüchtlingskonferenz. Wir müssen unsere Einrichtungen darauf sensibilisieren, dass sie die Personen mit Migrationshintergrund stärker als bisher ansprechen und akquirieren, um damit die Hemmschwelle zum Übergang zu dieser Bildungsmaßnahme ein Stück abzubauen. Mein Wunsch: Ich habe heute viele Anregungen bekommen, die ich gerne mit in meine Arbeit nehme und wünsche mir, dass wir bis 2030 unsere Netzwerkstruktur im Bildungsbereich, die wir in Hannover, in der Region aber auch in Niedersachsen auf- und ausgebaut haben, stärker als bisher nutzen, durch weitere Ideen ergänzen und 2030 eine Gesellschaft bzw. eine Kultur des lebenslangen Lernens haben. Universität Wir haben Erfahrungen mit Einwanderung und Sprache, und wir haben Erfahrungen mit verpasster Sprachförderung und Folgen für Generationen. Wie also können wir anders an das Thema herantreten? Dr. Jessica Löser – Institut für Sonderpädagogik, Leibniz Universität Hannover Bei uns in Deutschland sind Kinder mit Migrationshintergrund insbesondere im Förderschwerpunkt Lernen überrepräsentiert. Eine Studie in Niedersachsen aus dem Jahr 2009 von Prof. Birgit Lütje-Klose hat gezeigt, dass wir die Sprachförderung bereits im vorschulischen Bereich durchführen, dann aber nachlassen. Mit dem Programm „DaZNet“ haben wir uns weiterentwickelt und eröffnen weitere Sprachförderungsmöglichkeiten. Welche Wege gehen andere Länder? Toronto hat einen spannenden Ansatz mit dem „Settlement Worker in School“ entwickelt, dessen Einsatz in Kooperation zwischen den Settlement Agencies, Boards of Education and Citizenship und Immigration Canada stattfindet. Wenn Eltern mit Migrationshintergrund keine oder wenige Kenntnisse in der englischen Sprache haben und ihr Kind in der Schule anmelden möchten, wird der „Settlement Worker in School“ hinzugeholt, dessen Arbeitsplatz bewusst in einige Schulen Torontos verlagert wurde, meist bis zu sechs Sprachen spricht und selbst Migrationserfahrung hat. Der „Settlement Worker in School“ klärt zunächst ganz pragmatische Dinge: wie ist das Schulsystem aufgebaut, welche Aufgaben haben Eltern, dürfen Eltern beispielsweise bei den Hausaufgaben helfen, wofür sind Elternabende da usw. und eröffnet beispielsweise auch Unterstützung bei Behördengängen oder der Integration in den Arbeitsmarkt. Die gesamte Familie kann von dieser Unterstützung profitieren. Schweden hat sich mit der Förderung verschiedener Sprachen in den Schulen bewusst der Sprachenvielfalt des Landes geöffnet. Auch hier haben sich verschiedene Ministerien und Behörden miteinander vernetzt. Die Herkunftssprachenlehrkräfte können einzelne Kinder mit Migrationshintergrund im regulären Unterricht beispielsweise individuell unterstützen, indem sie z. B. die Matheaufgabe in die jeweilige Sprache übersetzen, damit die Kinder verstehen, worüber im Unterricht inhaltlich geredet wird. Mein Wunsch: Dass sich Institutionen besser vernetzen können, dass etwas mehr Pragmatismus in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ministerien und Ämtern möglich ist und inklusive Schulen gute finanzielle Ressourcen erhalten. Ulf-Birger Franz Als Ausländerdezernent hat er das Flüchtlingsthema bei der Regionsverwaltung mit betreut und festgestellt, dass beim Flüchtlingsthema eine Notverwaltung besteht und sie am Rande der Leistungsfähigkeit ist. Sicherlich stellt der Bund zu wenig Ressourcen zur Verfügung, aber es gibt Schwächen in der Organisation (Richtlinien, die nicht zusammenpassen, Sprachkurse, die Berufsqualifizierendes zu beinhalten haben, Nachhilfefinanzierung, die nicht als Ergänzung des schulischen Angebotes stehen etc.). Es gibt Regeln aus unterschiedlichen Ministerien und Töpfen, die im Gesamtsystem nicht zusammenpassen. Und frappierend ist, dass sich viele verschiedene Akteure an verschiedenen Orten um das gleiche „Kind“ kümmern. An einer Stelle müssen Leistungen für alle (AsylbewerberInnen, Integration junger Menschen, Berufsorientierung, Übergang Schule/Beruf) gebündelt werden, um diese Integrationsleistung zu vollbringen. Wir benötigen eine integrierte Willkommenskultur, keine Organisation, sondern eine gute Zusammenarbeit aller Akteure. Das ist eine besondere Qualität, dieses Potenzial vernünftig zu nutzen, Freiräume zu schaffen, dann haben wir in Deutschland wirklich eine gute Willkommenskultur. Das ist eine tolle Ressource und wenn wir es schaffen, uns besser zu organisieren dann sind wir auch viel erfolgreicher als in der Vergangenheit. Frau Marlis Drevermann Was müssten wir tun? Viel mehr in der Muttersprache lehren, wir brauchen eine bessere Qualität und Vernetzung und wir haben nicht genug DeutschlehrerInnen. Jetzt höre ich es und wir erleben es bei der BAM-Förderung auch immer wieder, dass die Standards eigentlich extrem hoch geschraubt werden sollen. Ich frage mich, wie wir die Schere zubekommen und wie wird es eigentlich in Kanada gelöst. Es gab auch in Deutschland Situationen, wo es nicht genügend LehrerInnen gab und man nach Hilfslösungen suchen musste. Wird eigentlich über so etwas nachgedacht? Wir haben nicht mehr so viel Zeit: Die Menschen sind da und es werden immer mehr kommen. An unterschiedlichen Stellen mach wir die Erfahrung, dass die Harmonisierung von Gesetzen und Erlassen mindestens so lange dauert, wie der Aufbau eines ausreichenden Personalstands für den Sprachunterricht. Wir erleben es beim Thema Inklusion, wie unsere Gesetze manchmal Daumenschrauben anlegen. Frau Höltzen-Schoh, können sie sich vorstellen, dass man auf dem Wege eines Modells vielleicht nochmal gemeinsam ein Stück weiterkommt, bevor Bund, Länder und wer auch immer Gesetze verändert? Fazit Frau Marlis Drevermann Wir brauchen sie alle: Vom Ehrenamt bis zur Professionalität und ich bin immer ganz gerührt, wenn ich die Initiativen um die Flüchtlinge und die Unterkünfte, die entstehen, se- he. Was Menschen ohne nachzufragen tun, wie schnell sie sich engagieren und ein erstes gutes Willkommen zeigen. Wir dürfen auf keinen Fall bis 2030 warten, um die Frage der Sprachbildung im Erwachsenenalter modellhaft und unter Einhaltung aller Gesetze zu klären. Dass wir auch an Netzwerke in Schulen denken und wir unbedingt dabei mitdenken, uns viel stärker für Organisationen öffnen, die gute Hilfestellung leisten können, wo wir am Ende mit unseren Sprachfähigkeiten sind. ANREGUNGEN, ERFAHRUNGEN, QUALITÄTEN UND WÜNSCHE DER AKTEUERE VOR ORT Aus dem Publikum Karl Pfeifer, arbeitet in einer Kommune innerhalb der Region Hannover und ist dort zuständig für Asyl- und Integrationsschulen Das aktuell gesagte entspricht nach meiner Ansicht unbedingt so ganz der Realität, die tatsächlich bei den Kommunen herrscht. Wir haben innerhalb der letzten 5 Monate 45 Personen zugewiesen bekommen, die kommen aus 13 verschiedenen Nationalitäten und von diesen 45 Personen sind noch nicht mal die Hälfte ausreichend untersucht worden. Diese Menschen müssen auch die Sprache lernen, diese Menschen haben Angst, wenn sie in den Krankenhäusern sind, wir bringen sie in Wohnheimen unter, wir versuchen dezentrale Wohnungen zu bekommen und wir haben große Probleme, gerade was den sprachlichen Bereich angeht und bekommen keine Kurse mehr, weil im Rahmen der förderalen Situation, die Gelder nicht zur Verfügung gestellt werden und die Kommunen hier mit dieser Aufgabe massiv allein gelassen werden. Und darum möchte ich bitten, dass dort schnellstmöglich etwas passiert, weil immer noch mehr Menschen kommen werden. Natalia Beckmann, arbeitet für die VHS Hannover und für die Koordination der Integrationslosen der Landeshauptstadt Hannover An jeder Schule sollte es eine Sprachlernklasse geben. Viele Kinder, die hier herkommen, sehr gut lernen, sehr intelligent sind, landen aber automatisch in Real- und Hauptschulen, weil man ihnen aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse die Intelligenz nicht zutraut, ein Gymnasium zu schaffen. Ich habe in Polen studiert, bin ausgebildete Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache und bekomme keine Arbeit. Das Kultusministerium erkennt aber meine Qualifizierung nicht an, um in einer Schule Deutsch als Zweitsprache zu unterrichten. Hierüber sollte das Kultusministerium nachdenken, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Andrea Dräger, arbeitet als Sozialarbeiterin bei der Stadt Barsinghausen und ist zuständig für Asylbewerber Wir diskutieren über Sprache im arbeitsmarktpolitischen Sinne, über die Schulen, aber es ist auch wichtig, direkt sprachlich vorbereitet zu werden, vielleicht mit der Hilfe von Dolmetschern. Ein Beispiel: Wir bekommen über die Landesaufnahmebehörden kurzfristig Menschen aus ihren Einrichtungen in unsere Kommune. Diese sprechen kein Wort Englisch, Deutsch, Französisch und wir müssen die armen Menschen aufnehmen. Sie verstehen uns nicht und wir müssen ihnen die ganz praktischen Dinge erklären, die von der Landesaufnahmebehörde nicht erfüllt werden: z. B. wie funktioniert der Müll und unser Verkehrssystem, wie kommen sie zur Ausländerbehörde, wie geht man einkaufen usw. Im Grunde sind wir alle damit überfordert, sie ohne „Sprache“ weiter zu betreuen, zu begleiten und zu helfen. Da würde ich gerne eine Lösung haben. Appell – aus dem Publikum: Seit 25 Jahren bieten wir Sprachkurse für Spätaussiedler und Kontingentflüchtlinge an. Vor vier Jahren wurde das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt, damals konnte sich das Sozialministerium mit dem Kultusministerium auf kein gemeinsames Antragsformular einigen, da sie es gegenseitig nicht akzeptiert haben. Daher müssen sich die Ministerien zusammensetzen, gemeinsam Leitlinien erlassen, zusammenarbeiten und den Kommunen die Gelder zur Verfügung stellen; denn unsere Volkshochschule würde sofort Sprachkurse anbieten, wenn sie es bezahlen könnten. Dr. Wilhelm Bretthauer, Goetheschule Hannover Wir haben rund 30 % Kinder mit Migrationshintergrund in einigen Schulen am Stöckener Bach. Uns ist nicht nur die Sprache wichtig, sondern auch die Sozialisierung. Kinder lernen wahnsinnig schnell und am schnellsten von anderen. Die Sprachlernklasse sind in Hannover alle überfüllt und sie werden ohne Differenzierung aufgenommen. Dass darf nicht sein! Wir müssen Wege finden und können nicht dem System hinterherreagieren; gerade bei Kindern und Jugendlichen müssen wir schnell handeln. Ich freue mich über die vielen aktiven Organisationen, aber auch auf Ministeriumsebene müssen andere Wege als die formalen angestrebt werden. Erst wenn die Ressourcen zur Verfügung stehen kann es funktionieren, nicht umgekehrt. Elfi Gerber arbeitet am östlichen Stadtrand von Hannover Am Bahnhof entstand ab Januar eine Flüchtlingsunterkunft für bis zu 100 Flüchtlinge. Mindestens 40 Personen waren bereit, Deutschhilfeanfangsgrundlagen zu unterstützen. Wo und wie fangen wir hinsichtlich der Unterschiedlichkeit der Menschen ohne zertifizierte Kurse an! Brauchen wir diese? Jeder, der gut Deutsch kann und hier wohnt, mit diesen Menschen umgehen kann, kann ehrenamtlich Anfangsdeutsch für Flüchtlinge geben und sie dort abholen, wo sie gerade stehen. Dr. Michael Bax, Schulleiter der IGS Mühlenberg Wie geht es mit DaZNet weiter, soll es 2015 auslaufen, heißt das, dass die Ressourcen und Stunden für die Neueinrichtung von Sprachlernklassen nicht mehr vorhanden bzw. aufgebraucht sind? Münster, 22. Mai 2015
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