10.11.2015 Dr. Dima Zito, PSZ Düsseldorf Überblick Trauma und Flucht ►Vorstellungsrunde Tätigkeitsfeld, Motivation ►Migration und Flucht ►Psychosoziale Belastungen bei Flüchtlingen, Bedürfnisse ►Pause ►Trauma Traumatische Situation / Traumatisierung Traumafolgestörungen (PTBS) Weitere Folgen Bild: dpa Fortbildung für pädagogische Fachkräfte zum Umgang mit traumatisierten Flüchtlingsfrauen. Essen, 09.11.2015 ►Psychosomatik, Überblick ►Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen / Flüchtlingsfrauen Traumapädagogische Leitlinien ►Pause Vorstellungsrunde ►Tätigkeitsfeld ►Motivation Warum sind Sie hier? ►Schutz vor eigenen Belastungen ►Fragen / Fälle aus der Praxis ►Abschluss Vorweg… ► bei der Arbeit mit Flüchtlingsfrauen kein „Tunnelblick“ auf Belastungen „mit beiden Augen sehen“: Blick auf Ressourcen und Belastungen Angst, Depression, Suizidalität… ► Mittagspause Migration und Flucht ► Deutsche Gesellschaft ist eine Migrationsgesellschaft Geschichte von Einwanderung und Auswanderung geprägt ► 19. Jahrhundert: Hunderttausende verließen das Deutsche Reich auf der Suche nach besseren Perspektiven 1 10.11.2015 Migration und Flucht ► Beginn der Industrialisierung Arbeitskräften Mangel an mehr Menschen kommen als gehen Migration und Flucht ► Millionen Tote: Konsequenz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“ (UN 1948, Art. 14) Recht auf Asyl im Grundgesetz verankert (1949) „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ (GG, Art. 16a) Genfer Flüchtlingskonvention (1951) ► Zweiter Weltkrieg: massive Emigrationswelle ► Ende des 2. Weltkrieges: 12 Millionen Vertriebene 500.000 Menschen jüdischer Herkunft und andere Verfolgte des NS müssen Deutschland, 140.000 Österreich verlassen Migration und Flucht ► Aussiedler und Spätaussiedler 1950 – 2005: fast 4,5 Millionen ► 1960er Jahre: Wirtschaftsaufschwung Arbeitskräftemangel, Anwerbung von „Gastarbeitern“ aus Italien, Griechenland, Türkei… 2,3 Millionen Arbeitskräfte bis zum Anwerbestopp 1973 ► Alle Migrationswellen verändern die Gesellschaft und Alltagskultur 16,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund 20,5 % der Bevölkerung Migration und Flucht ► 1989 / 1990 Zusammenbruch des „Ostblocks“ Wiedervereinigung Zunahme kriegerischer Konflikte („Neue Kriege“) Balkankriege: steigende Flüchtlingszahlen ► Abschottung 1993: Einschränkung des Asylrechts „Festung Europa“ Sinkende Flüchtlingszahlen ► Aktuell: Flüchtlingszahlen weltweit / in Deutschland auf historischem Höchststand Situation von Flüchtlingen: Herausforderungen Flüchtlinge (UNHCR-Statistik 2015) ► Weltweit 60,2 Mio. Menschen auf der Flucht Binnenvertriebene 33,3 Mio. (größte Gruppe) ► Erfahrungen Flüchtlinge: 26,9 Mio. ► Verlust ► Hauptherkunftsländer: Syrien, Afghanistan, Somalia ► Hauptaufnahmeländer: Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien, Jordanien 86% aller Flüchtlinge bleiben in benachbarten Staaten und leben in Entwicklungsländern ► BRD: 2015 800.000 eingereist, 300.000 Asylanträge in den Herkunftsländern Vertrautes Umfeld, Familie, Freunde Sozialer Status, Anerkennung, Aufgabe und „Platz auf der Welt“ ► Flucht ggf. bedrohliche Erfahrungen ► Rettung, Neubeginn, Hoffnungen, Träume 2 10.11.2015 Situation von Flüchtlingen: Herausforderungen ► Fremde Empathisches Experiment Welt andere Sprache, ggf. Aussehen, Schrift, kulturelle Codes ► Sorge um die Zurückgebliebenen, ggf. Überlebensschuld, unerfüllbare Aufträge (Familienversorgung) ► Bei unsicherem Aufenthalt ► Versetzen Sie sich in die Situation: ► Wie fühlen Sie sich, welche Gedanken, Emotionen kommen? Existentielle Unsicherheit, Angst vor Abschiebung Situation in Unterkünften… Beratungs-Experiment Gefühle, Gedanken… ► Angst ► 2er-Gruppen ► Unsicherheit ► 1. ► Das Gefühl „Ich will das gar nicht!!!“ ► Lähmung ► Depressive Stimmungen ► Angetrieben sein, rotieren ► Suche nach Nische, Perspektive ► Wunsch, sprache zu lernen ► Beobachten ► Hilflosigkeit Bedürfnisse ► Wunsch nach konkreten Botschaften, Greifbarem ► Wunsch nach persönlicher Ansprechpartnerin ► Wunsch nach genauerer Erklärung ► Wunsch, in der eigenen Sprache angehört zu werden ► Wunsch, etwas erzählen / erklären zu können ► Erzählen dürfen Konkrete Lösung – wie geht es weiter Person versetzt sich in eine Flüchtlingsfrau mit einem Anliegen ► 2. Person: „schlechte Beraterin“ ► 5 Min. Rollenspiel ► 1. Person schreibt auf: Wie habe ich mich gefühlt? Was hätte ich gebraucht oder mir gewünscht? ► Wechsel Spezifische Belastungen ► Flüchtlinge befinden sich in einer emotional vielschichtig herausfordernden und belastenden Situation. ► Dies stellt besondere Anforderungen an die begleitenden Kontaktpersonen / Vormünder ► Erkennen/Verstehen: Wann wird aus der existentiellen Herausforderung eine (behandlungsbedürftige) psychische Erkrankung? ► Einblick in vier Bereiche: Traumatisierung Psychosomatik Angst und Angststörungen Depression Suizidalität 3 10.11.2015 Trauma Wir erschaffen uns immer wieder neu… ► Mit jeder Erfahrung erweitert, verändert und aktualisiert sich unser Selbst-, Welt- und Menschenbild ► Tendenz zur Integration Traumatische Situation: Definitionen ICD 10/ International Classification of Diseases der WHO: „belastendes Ereignis oder einer Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß ausgesetzt sein, die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde“ (ICD 10, F 43.1) DSM IV/ Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen: -„Konfrontation mit Ereignissen, die den tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen oder anderer Personen beinhalten.“ - „Reaktion umfasst intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen“(DSM IV, 309.81) ► Trauma: nicht integrierbares Erlebnis Überforderung der Bewältigungsmechanismen ► Trauma = „das vitale Diskrepanzerleben zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Welt- und Selbstverständnis bewirkt“ (Fischer/Riedesser 2009, S. 84) Was passiert in einer traumatischen Situation? 4 10.11.2015 Stressreaktion (Hirn-)physiologische Stresskorrelate ► Erhöhung • Mobilisierung von Energie zur Bewältigung der Bedrohung: Archaische Überlebensprogramme: • Kampf – Flucht – Reaktion (Cannon, 1932) • Bewältigung/Erholung Was passiert bei traumatischem Stress? - Extreme Bedrohung kein Kampf/keine Flucht möglich: „traumatische Zange“ (Huber 2009) Erstarrung (Freeze – dritte archaische Reaktionsform) Dissoziation (innere Flucht) der Herz- und Atemfrequenz, erhöhte Muskelspannung ► Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin und des Stresshormons Cortisol Versorgung des Organismus mit Sauerstoff und Glukose Vorbereitung schneller Muskelreaktionen zum Kampf oder zur Flucht ► Bei extremem Stress und Schmerzen zusätzlich Endorphine zur Schmerzdämpfung Hirnaktivität bei traumatischem Stress ► Hippocampusaktivität (Speicherung autobiographischer Kontextinformationen) stark herabgesetzt Amygdala wegen der existenziellen Ängste stark aktiviert, fördert die Speicherung von Details im Umfeld der traumatischen Situation Neurobiologischer Schutzmechanismus: Innerliche Distanzierung von Bedrohung/ Rückzug aus unerträglicher Realität Veränderte Zeit/Raum/Selbstwahrnehmung, Schmerzempfinden… ► Wahrnehmung ► Anspannung fragmentiert bleibt im Körper gespeichert Erleben als „Spiegel“ in unkritischen Situationen Traumatisierung als „zerbrochener Spiegel“ Emotionen ► Emotionen Gedanken ► Bilder ► Geräusche ► Gerüche ► Körperempfindungen Gerüche Geräusche ► Gedanken Bilder „als ganzes Bild“ Körperempfindungen Erfahrungen 5 10.11.2015 Verschiedene Traumatypen Potentielle Traumata bei Flüchtlingen ► Gewalt ► Typ I: Plötzlich, unvorhersehbar, unbeabsichtigt (z.B. Unfall, Naturkatastrophen) ► Typ II: „man-made“, bewusst durch Mitmenschen zugefügt (z.B. Gewalt, Folter) Erschüttern Vertrauen in Welt / andere Menschen, schwerer zu verarbeiten Beziehungstraumata besonders gravierend ► Typ III: Zeugenschaft Auch sekundäre Traumatisierung von HelferInnen/Fachkräften in Herkunftsländern Krieg, politische Verfolgung Gewalt gegen Frauen und Mädchen Zuspitzung in (bewaffneten) Konflikten Chronische Marginalisierung, Unsicherheit, Übergriffe (z.B. Roma) Nachkriegsgesellschaften, transgenerationale Weitergabe von Traumata (z.B. Kosovo) ► Gewalt und Lebensgefahr in Transitländern Überfälle, Gefahr, Gewalt auf der Strecke Inhaftierung, Folter in Lybien; Gewalt in Marokko… Belastungen / (Re-)Traumatisierungen auf dem Weg nach Deutschland ► Trennung von Angehörigen Ungewisse Dauer und Ausgang „Warten“ in Flüchtlingslagern ► Lebensgefahr auf der Überfahrt Gefahr von Verdursten und Ertrinken Zeugenschaft beim Tod anderer Menschen ► Gewalt, Unsicherheit, Inhaftierung in europäischen Transitländern Leben auf der Straße in Italien Haft/Gewalt in Griechenland, Bulgarien, Ungarn… Traumatisierung: Zusammenspiel von Ereignis-, Schutz- und Risikofaktoren ► Ereignisfaktoren Qualität (Intensität, Brutalität) Quantität (Häufung, Dauer) ► Schutzfaktoren Soziale Unterstützung Persönliche Kompetenzen und Haltungen, z.B. ► positive Lebenseinstellung ► Religiosität ► aktive Bewältigungsstrategien (sinnhaft einordnen können) ► Kohärenz ► Risikofaktoren geringes Alter frühere belastende Erfahrungen frühere psychische Belastungen („Störungen“) aktuell belastende Lebensbedingungen Häufigste Traumafolge: Posttraumatische Belastungsstörung Hyperarousal ► Anspannung ►3 Symptomkomplexe: Hyperarousal (erhöhte angstbedingte Erregung) Intrusionen (Wiedererleben) Konstriktion (Vermeidung) im Körper gespeichert, dauerhaft erhöhter Stresslevel ► Symptome: Schlafschwierigkeiten Reizbarkeit, Wutausbrüche Konzentrationsschwierigkeiten übermäßige Wachsamkeit übertriebene Schreckreaktionen 6 10.11.2015 Intrusionen (Wiedererleben) nicht an autobiographische Erinnerung gekoppelt ► kreist unverarbeitet, ist potenziell im „Hier und Jetzt“ ► Integrationstendenz, Versuch der Selbstheilung ► Symptome: Wiedererleben ► Ereignis wiederholte, sich aufdrängende Erinnerungsbilder Alpträume Flash-Backs intensive psychische Belastung bei Aspekten, die an das Trauma erinnern, auch körperl. Reaktionen ► „Wenn ich auf der Straße gehe, manchmal sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern ► „Wenn ich auf der Straße gehe, manchmal sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) ► „Wenn ich auf der Straße gehe, manchmal sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern Intensive emotionale Reaktion, auch körperlich Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern Sich ich auf der Straße gehe,aufdrängende manchmal sehe Erinnerungen ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) ► „Wenn Intensive emotionale Reaktion, auch körperlich Intensive emotionale Reaktion, auch körperlich Sich ich auf der Straße gehe,aufdrängende manchmal sehe Erinnerungen ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Wiedererleben, Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich Flash-backs an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) ► „Wenn 7 10.11.2015 Konstriktion (Vermeidung) ► Bewusste Vermeidung von Reizen, die an traumatische Ereignisse erinnern Vermeidung bestimmter Situationen, Orte, Filme, Menschen… Vermeidung zur Ruhe zu kommen Vermeidung von Gesprächen über Erlebnisse ► auch in Asylverfahren, Beratung und Therapie ► Unbewusste Vermeidung Amnesie für Erlebtes und darüber hinaus extreme Vergesslichkeit, Orientierungsschwierigkeiten Gefühl der Gefühllosigkeit und der Entfremdung von der Welt ► „Numbing“, Posttraumatische Belastungsstörung ► Viele Menschen erleben diese Symptome unmittelbar nach traumatischen Ereignissen ► „Akute Belastungsreaktion“ ► Gehen von selbst nach einigen Tagen / Wochen zurück (Selbstheilungstendenz) ► Wenn Beschwerden länger als 1 Monat andauern + klinisch relevante Einschränkung: PTBS ► Häufig verzögerter Beginn, nach Zeit des Funktionierens im Alltag Teilweise Jahre später, bei weiteren Auslösern z.B. Abschiebungsandrohung abgestumpfte Gefühle, sozialer Rückzug Traumatisierung in der Kindheit ► Ein Erwachsener hat ein gewordenes Selbst- und Weltbild, zu dem Trauma einen „zu integrierenden Teil“ bildet ► Traumatische Ereignisse in der Kindheit werden in die Grunddefinitionen von „so ist Welt“ aufgenommen ► dauerhafte Überflutung durch Stresshormone führt zu Dauererregungszustand Traumatische Ereignisse im frühen Alter „Hausbau bei starkem Unwetter“ ► ► ► ► greift neuronales Material an hohe Stresssensibilität (nach Scherwath/Friedrich 2012 ) Organismus stellt sich auf ein „Leben in Alarmbereitschaft“ ein Persönlichkeitsentwicklung Traumatisierte Flüchtlinge ► Kind, das früh auf Überleben trainiert ist, wird sich zu einem perfekten Überlebenskämpfer entwickeln. Das heißt, dass seine Notfallprogramme Flüchten, Kämpfen, Dissoziieren und Vermeiden in die Pole-Position des individuellen Verhaltensrepertoires aufgenommen werden und so eine zentrale Grundlage für die Strukturierung der Gesamtpersönlichkeit bilden“ (Scherwath/Friedrich 2012). Baumaterial wird durch Regen und Sturm beschädigt und zerstört neues kann schwerlich herangeschafft werden Fundament wird unterspült und instabil Baumeister ist vorrangig damit beschäftigt, die Baustelle abzusichern, anstatt sich der eigentlichen Arbeit des Aufbaus und der Einrichtung widmen zu können. ► „Ein ► ► ► Wahrscheinlichkeit psychischer Belastungen, insb. PTBS und schwerer Depressionen bei Flüchtlingen signifikant (ca. 10fach) erhöht (Fazel/Wheeler/Danesh 2005) Prävalenz von PTBS bei neu aufgenommenen Asylbewerbern 40 % (Gäbel et al. 2006) 33,2% (Niklewski/Richter/Lehfeld 2012) Leitlinie der deutschsprachigen Fachgesellschaft für Psychotraumatologie(DeGPT): 50% Prävalenz der PTBS bei Kriegs-, Vertreibungs- u. Folteropfern (Flatten et al. 2011). Zusammenhang zwischen belastenden Nach-FluchtLebensbedingungen, ungesicherten Zukunftsperspektiven und psychischen Erkrankungen (Hallas et al. 2007, Momartin et al. 2006, Gerlach 2012 etc.) 8 10.11.2015 Sequentielle Traumatisierung ► Untersuchung mit jüdischen Waisenkindern ► Verlauf der Traumatisierung in Phasen ► 3. traumatische Sequenz: Zeit nach direkter Verfolgung das Leben in Waisenhäusern, Pflegefamilien etc. ► Phase entscheidend Belastungen / Risikofaktoren / (Re-)Traumatisierungen in Deutschland ► Aufenthaltsrechtliche Verfahren unklarer Dauer u. ungewissem Ausgang ► Dublin-Verfahren Unangekündigte Abschiebungen / Zeugenschaft ► Lebensbedingungen unterstützende Umgebung: Verarbeitung eher möglich fortgesetzter Stress: Fortsetzung und Chronifizierung der psychischen Belastung ► Übertragen auf Flüchtlingskinder und –jugendliche: dritte traumatische Sequenz in Deutschland ► Lebensbedingungen und Unterstützung prägen weitere Entwicklung maßgeblich in Flüchtlingsunterkünften Schlechte räumliche & hygienische Bedingungen Enge, keine Rückzugsmöglichkeiten, Gewalt Razzien, Abschiebungen Künftig 6 statt 3 Mon. Erstaufnahmeeinrichtung Belastungen / Risikofaktoren / (Re-)Traumatisierungen in Deutschland ► Flüchtlingskinder- und Jugendliche in Familien Situation in Unterkünften Belastungen / Traumatisierungen der Eltern ► emotional weniger verfügbar / unterstützend „Parentifizierung“ ► ► Kinder übernehmen Elternrolle Dolmetschen bei Ärzten, Behörden, Schulen… ► Belastungen Unsicherheit für unbegleitete Minderjährige Einsamkeit, Sehnsucht, Sorge, Schuldgefühle Schutzfaktoren ► Sicherheit! Inbesondere sicherer Aufenthalt Unterbringung in Wohnungen oder Jugendhilfeeinrichtungen ► Zugang zum Bildungswesen ► Zugang zu Freizeitaktivitäten, sozialen Netzwerken, Freundschaften ► Unterstützung durch zugewandte Fachkräfte im psychosozialen Bereich und engagierte Ehrenamtliche ► Zugang zu trauma- und kultursensibler Psychotherapie ► Angemessene (vgl. Tonheim et al. 2015; Zito 2015) Heilung/Integration ► Das Gehirn ist lebenslang lernfähig ► Bei frühbiographischen Traumata müssen neue (neuartige) neuronale Bahnungen durch neue Erfahrungen geschaffen werden Fragen? ► Anknüpfung an/Einordnung in das autobiographische Gedächtnis ► Wieder „ganz“ werden 9 10.11.2015 Begleiterscheinungen ► Somatoforme Störungen körperliche Beschwerden ohne organische Ursache ► Suchterkrankungen Alkohol, Drogen, Medikamente als Versuch der Selbstmedikation ► Angststörungen ► Depressive Körper-Übung Atmen mit Bewegung Angst Angststörungen ► Panikstörung Panikattacken: plötzlicher Beginn, Herzklopfen, Brustschmerz, Erstickungsgefühlen, Schwindel, Entfremdungsgefühle (Depersonalisation, Derealisation) sekundär: Angst zu sterben, verrückt zu werden Dauer: wenige Minuten Angst vor der Angst/ nächsten Attacke, weil nicht vorhersehbar Störungen 70% aller TraumapatientInnen (Maier 2007) Angst als normale Reaktion ► Angst ist ein gesundes Alarmsystem des Menschen ► Wenn die grundlegenden Kategorien von Sicherheit und Überleben angesprochen sind, setzt eine instinktive Angst als erhöhte Erregung (arousal) ein, bis diese Variablen gesichert sind. ► => erhöhter Grundstresslevel Angststörungen ► Generalisierte Angststörung generalisierte und anhaltende Angst nicht auf bestimmte Situationen beschränkt frei flottierend, aber an wechselnde Auslöser gehängt (Sorgen, Vorahnungen) Typisch: ständige Nervosität, Muskelspannung, Benommenheit, Oberbauchbeschwerden 10 10.11.2015 Angststörungen Depression ► Phobien Angstreaktionen auf bestimmte Reize: Menschenmassen, Insekten, Hunde, Enge… ► Agoraphobie Angst das Haus zu verlassen, vor weiten Plätzen, vor Menschenmengen, weiten Reisen… => Angst, in der Öffentlichkeit hilflos (ohne sicheren Fluchtweg) ausgeliefert zu sein ► Soziale Phobie „Blockierte Emotion“ (Trauer, Angst, Wut) Furcht vor (so wahrgenommener) prüfender Betrachtung durch andere Vermeidung sozialer Situationen Major Depression ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► ► Gedrückte Stimmung Interessenverlust, Freudlosigkeit Antriebs- und Energielosigkeit, aber auch Agitiertheit und innere Unruhe Erhöhte Ermüdbarkeit, Erschöpfung Schlafstörungen Konzentrationsschwierigkeiten Grübelschleifen, negative bzw. pessimistische Zukunftsperspektiven Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen Schuldgefühle, Gefühl von Wertlosigkeit Verminderter Appetit, Gewichtsabnahme oder Zunahme Suizidalität Suizidalität ► Flüchtlinge: Gruppe mit besonders erhöhtem Suizidrisiko ► Bei PTBS achtfach erhöhte Rate an Suizidversuchen (Huber 2003) SUIZID ► -gedanken ► -pläne ► -vorbereitungen ► -ankündigung ► -handlung Maßnahmen bei Suizidalität 1. Keine Scheu vor Ansprache von Suizidalität! Es wird dadurch keine Suizidhandlung „ausgelöst“! 2. Besorgnis und Empathie vermitteln 3. Einschätzung der Suizidgefahr Risikofaktoren: alleinstehend, bereits SV Versuch in der Vergangenheit, Bedauern über Erfolglosigkeit des SV Versuches, konkrete Pläne, konkrete Vorbereitungen. Schutzfaktoren: Familiäre Verantwortung, religiöse Verpflichtung, Aufgaben und Verantwortung, gesellschaftliche Tabuisierung/ Ehrgefühl, subjektive Kontrollmöglichkeiten Wann muss ich sofort handeln? Verwirrtheitszustände in der Vergangenheit Suizid-Versuche, KlientIn bedankt sich herzlich für die Hilfe (ohne nachvollziehbaren Anlass), wirkt sehr abgeklärt und ruhig nach einer vorhergegangenen Phase hoher emotionaler Erregung (Suizidplan ist gefasst, Abschied wird genommen, innere Ruhe kehrt ein) ► Keine Impulskontrolle, zeitliche/örtliche Desorientierung ► Hohes Angstlevel, evtl. Stimmenhören/ Halluzinationen ► Keine planbaren Absprachen möglich (bis wann ist SV kontrollierbar? Was braucht jemand, um sich zu kontrollieren? Nächster Termin evtl. bereits am kommenden Tag) ► ► 11 10.11.2015 Konkrete Maßnahmen bei Suizidalität ► Absprache Wiedersehen Notfallplan (an wen wenden…) ► (Therapeutische) Fragen? Unterstützung abfragen, ggf. Möglichkeiten aufzeigen ► Keine Absprache möglich Einweisung Regional zuständige psychiatrische Klinik Am besten begleiten (lassen) Wenn nicht möglich: abholen lassen ► Sozialpsychiatrischer Dienst / Polizei ► Krankenwagen Pause 12
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