Scheuring/Steingen/Wiese Kommentar zum TV

Rezension
Scheuring/Steingen/Wiese
Kommentar zum TV-L
Begründet als Kommentar zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT)
fortgeführt als Kommentar zum TV-L von Bredendiek, Bürger, Geyer
8.420 Seiten in 8 Ordnern
edition moll
EUR 188,00
ISBN 978-3-415-03757-1
Boorberg Verlag
Getreu dem Motto, dass man die alten BAT-Kommentierungen noch nicht wegwerfen sollte, steht in
meinen Regalen noch der u.a. von Clemens und Scheuring begründete Kommentar zum BundesAngestelltentarifvertrag. Parallel zu dessen Ablösung wird das Werk seit einigen Jahren und nunmehr
in der 61. Ergänzungslieferung als Kommentar zum TV-L fortgeführt. Dabei agieren im Autorenteam
maßgebliche Repräsentanten der arbeitgeberseitigen Tarif-Vertragspartner, insbesondere der Tarifgemeinschaft deutscher Länder.
Das Werk besteht aus insgesamt 12 Teilen, die sich auf 8 Bände verteilen:
Teil I:
Teil I a:
Teil II:
Teil II a:
Teil III:
Teil IV:
Teil V:
Teil VI:
Teil VII:
Teil VIII:
Teil IX:
Teil X:
Wortlaut des TV-L mit Entgelttabellen
Wortlaut des TV-Ärzte mit Entgelttabellen
Kommentierung des TV-L
Kommentierung des TV-Ärzte
Entgeltordnung zum TV-L
Überleitungstarifverträge (TVÜ-Länder, TVÜ-Ärzte) mit Erläuterungen
Tarifverträge für Auszubildende der Länder
Alters- und Hinterbliebenenversorgung/Entgeltumwandlung
Sonstige Tarifverträge
Tarifvertrag für Waldarbeiter (TV-Forst usw.)
Gesetze, Verordnungen, Rundschreiben
Änderungstarifverträge
Schon beim ersten Durchblättern fällt positiv auf, dass nicht nur einzelnen Vorschriften des TV-L
kommentiert werden (in den Bänden 1-4), sondern auch der vom Marburger Bund abgeschlossene
Tarifvertrag Ärzte. Band 5 enthält nicht nur den kompletten Text der 2012 in Kraft getretenen
Entgeltordnung, sondern auch Erläuterungen zu den Eingruppierungsmerkmalen der einzelnen Teile
und Abschnitte der Entgeltordnung. In Band 6 sind die Überleitungsverträge sowie das Recht der
Auszubildenden und der Alters- und Hinterbliebenenversorgung erläutert. Die Bände 7 und 8
enthalten im Wesentlichen die sonstigen ergänzenden Tarifverträge (auch den TV Forst) sowie wichtige Gesetze, Verordnungen und Rundschreiben der TdL. Die einzelnen Änderungstarifverträge zum
TV-L sind im Bd. 8 (Teil X) abgedruckt.
Zur Beantwortung der Frage, ob eine Anschaffung lohnt, wurde das Werk im Folgenden einem
kleinen Praxis-Test unterzogen. Dabei habe ich zunächst einige Tage verschiedene (beliebige) Fragen
aus der Praxis gesammelt, um sie dann (um es vorwegzunehmen: in der Regel erfolgreich) mithilfe
des Kommentars zu beantworten.
Als erstes tauchte die Frage auf, ob eine Pflegezeit im Sinne des PflZG zur Beschäftigungszeit im
Sinne des § 34 Abs. 3 TV-L gehört. In der dortigen Kommentierung findet sich unter Rz. 685 die Aussage, dass es nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt, so dass (von der
Ausnahme des Sonderurlaubs nach § 28 TV-L abgesehen) bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis
auch Zeiten ohne Arbeitsleistung mitzurechnen sind. Als Beispiele werden dann zwar „nur“ der
Erholungsurlaub, die Arbeitsbefreiung nach § 29 TV-L, Erkrankungen, Rente auf Zeit nach § 33 Abs.2
TV-L sowie die Elternzeit explizit genannt. Die Aussage ist trotzdem unmissverständlich: Die Zeit der
Pflege nach dem PflZG ist als Beschäftigungszeit anzurechnen.
Als nächstes wurde ein Beleg dafür gefordert, dass auch offener tariflicher Mehrurlaub (und nicht nur
offener gesetzlicher Mindesturlaub) bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 7 Abs. 4
BUrlbG abzugelten ist. In der Kommentierung zu § 26 TV-L wird unter Rn. 615 ff darauf hingewiesen,
ZfPR online 6/2015
Rezension
dass das BAG mit Urteil vom 4. Mai 2010 (9 AZR 183/09) entschieden hat, dass die Tarifvertragsparteien den tariflichen Mehrurlaubs abweichend regeln könnten. Dies hätten sie im TV-L hinsichtlich
des Verfalls getan (der tarifliche Mehrurlaub verfällt auch im Fall der Langzeiterkrankung nach § 26
Abs. 2a spätestens Ende Mai des Folgejahres), bei der Frage der Abgeltung aber auf eine eigenständige Regelung verzichtet. Auch offener Tarifurlaub ist also bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten.
Der nächste Klärungsbedarf betraf die Stufenzuordnung bei Neueinstellung und in diesem Zusammenhang die Frage, ob auch länger zurückliegende Berufserfahrung einschlägig im Sinne des § 16
Abs. 2 Satz 3 TV-L sein kann. Hier wird im Rahmen der Kommentierung zu § 16 unter Rn. 36a ein
Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL aus dem Jahr 2007 zitiert, wonach für diese Frage § 17
Abs. 3 Satz 3 TV-L sinngemäß angewendet werden sollte (also länger als drei Jahre zurückliegende
Berufserfahrung nicht mehr als einschlägig behandelt werden sollte). Das noch restriktivere Urteil
des BAG vom 3. Juli 2014 (6 AZR 1088/12, dort Rn. 20 ff) wird dagegen nicht erwähnt. Das BAG geht
in seiner Entscheidung davon aus, dass zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs und nach
Maßgabe des Gleichheitssatzes die Wertung aus Nr. 3 der PE zu § 16 Abs. 2 entgegen ihrem Wortlaut
auch bei dieser Frage anzuwenden ist. Berufserfahrung aus Arbeitsverhältnissen zu anderen Arbeitgebern sei daher nicht mehr „einschlägig“, wenn sie länger als sechs Monate zurückliegt. Dass diese
(nebenbei: verfehlte) Rechtsprechung des BAG nicht erwähnt wird, erklärt sich zwanglos mit dem
Bearbeitungsstand dieser Passage, der mit „Januar 2011“ angegeben ist.
Und noch einmal etwas ganz anderes: In einer Uniklinik tauchte die Frage auf, ob die Inanspruchnahme während einer nächtlichen Rufbereitschaft dazu führt, dass die Ruhezeit des § 5 ArbZG neu zu
laufen beginnt und der Beschäftigte daher am nächsten Morgen nicht beschäftigt werden darf. Über
das Stichwortverzeichnis stößt man schnell auf die Rn. 197 in der Kommentierung zu § 6 TV-L. Dort
befindet sich in dem abgedruckten Rundschreiben der zutreffende Hinweis auf § 5 Abs. 3 ArbZG.
Nach der Vorschrift können in Krankenhäusern Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen
während der Ruhezeit, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit ausmachen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.
Schließlich bringt mich der aktuelle Tarifabschluss auf den Gedanken, mich endlich einmal mit der
betrieblichen Altersversorgung/Zusatzversorgung im TV-L-Bereich zu beschäftigten, die bislang für
mich ein weitgehend unbekanntes Gebiet darstellte. Die Erläuterungen zum ATV im Band 8 starten
mit einer Vorbemerkung, die unter anderem einen Überblick über die Geschichte der Zusatzversorgung, die frühere Gesamtversorgung und den Umstieg auf das Punktemodell sowie das Übergangsrecht enthalten. Die Ausführungen sind übersichtlich, verständlich und zeigen, dass Kommentare auch wunderbar geeignet sein können, sich in ein Themenfeld neu einzuarbeiten.
Fazit: Es ist mehr als lohnend, sich das Loseblattwerk anzuschaffen und ihm einen prominenten Platz
auf dem eigenen Bücherregal zu verschaffen. Fast alle auftretenden Fragen konnten binnen kurzer
Zeit mithilfe des Kommentars sehr gut beantworten werden. Die tägliche Arbeit des Praktikers wird
optimal unterstützt. Zudem bietet es die Möglichkeit der strukturierten Einarbeitung in neue
Themenbereiche.
Dr. Thomas Wurm
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
ZfPR online 6/2015