Infopro Digital - Student und Arbeitsmarkt

Bericht - Auslandspraktikum
Gastland:
Frankreich (Paris)
Zeitraum:
09.03.2015 – 28.08.2015 (6 Monate)
Firma:
Infopro Digital
1. Vorbereitung
Schon seit dem ersten Semester meines Studiums (derzeit BWL im 6ten Semester) war mir klar, dass
ich das theoretische Studium mit so vielen praktischen Erfahrungen wie möglich vertiefen möchte.
Da ich Familie in Paris habe, habe ich mir Anfang dieses Jahres überlegt, nicht nur eine
Praxiserfahrung in einem Unternehmen zu sammeln, sondern diese gleich mit einem
Auslandsaufenthalt dort zu verbinden.
Rückblickend habe ich sehr viel Glück bei der Organisation meines Praktikums gehabt, und meine
Familie vor Ort und deren Kontakte haben mir enorm geholfen. Da ich für Bewerbungen sehr spät
dran war, habe ich an einige Firmen, deren HR-Kontaktdaten ich über die Website LinkedIn gefunden
habe, Initiativbewerbungen verschickt. Ursprünglich hatte ich mich für maximal 3monatige Praktika
beworben, als ich jedoch nach einem Skype-Bewerbungsgespräch die Zusage für 6 Monate in der
Firma Infopro Digital erhielt entschloss ich mich dazu, mich für ein Semester beurlauben zu lassen
und die Gelegenheit zu ergreifen.
Da zu diesem Zeitpunkt schon Ende Februar war, musste nun alles sehr schnell gehen, was angesichts
der unbedingt nötigen ‚Convention de stage‘ für Praktika in Frankreich ein wenig kompliziert war:
man braucht alle möglichen Versicherungsnachweise, zusätzlich musste ich eine Unfallversicherung
abschließen, doch Dank der großen Hilfsbereitschaft seitens der Mitarbeiter von Student und
Arbeitsmarkt konnte ich sogar von Paris aus noch alle nötigen Unterlagen vervollständigen. Leider
war ich zu spät dran, um mich für ein Erasmus Plus Stipendium zu bewerben, da die Zusage für das
Praktikum und der erste Arbeitstag zeitlich sehr nah aneinander lagen. Was ich jedoch von
Bekannten mitbekommen habe denke ich es lohnt sich auf jeden Fall sich für ein derartiges
Stipendium zu bewerben, und hätte ich noch einmal die Gelegenheit würde ich es auf jeden Fall tun.
2. Unterkunft
Wie bereits erwähnt stammt meine Familie väterlicherseits aus Paris. Daher ist mir die Stadt
bekannt, da ich dort schon des Öfteren zu Besuch war. Bei meiner Ankunft konnte ich
glücklicherweise in der WG meiner Cousine unterkommen. Es war geplant, dass ich in den ersten
Wochen nach einem eigenen WG-Zimmer suchen würde, und daher nur übergangsmäßig bei ihr
einzog.
Was ich schon erwartet hatte, mich in diesem Ausmaß jedoch trotzdem schockierte war die wirklich
schwierige Wohnungssuche in Paris. Ich fand über Bekannte und Websites (www.appartager.com
und verschiedene Facebook-Gruppen) einige Angebote, ging auch zu ein paar Besichtigungen,
allerdings ließ das Preis-Leistungs-Verhältnis in den meisten Fällen doch zu wünschen übrig. Wenn
man in Paris nach einer WG sucht, muss man mit mindestens 500€ im Monat rechnen, und dafür
bekommt man je nach Gegend gerade mal um die 10 bis 15 Quadratmeter. Wenn man jedoch bereit
ist, außerhalb der Stadt in den Banlieus zu wohnen bekommt man auch (verhältnismäßig) günstigere
Angebote.
Schließlich bin ich die ganzen 6 Monate bei meiner Cousine geblieben. Wir haben uns besser
kennengelernt und sehr gut verstanden, und da ihr WG-Zimmer in diesem Zeitraum sowieso frei war,
bot sie mir an zu bleiben. Die ideale sehr zentrale Lage der Wohnung und die Tatsache, dass ich so
auch mehr Zeit mit ihr verbringen konnte machten mir den Aufenthalt in Paris noch angenehmer.
3. Praktikum
Die Firma Infopro Digital ist einer der größten professionellen Informationsdienstleister in Frankreich,
unter anderem organisiert sie Messen, vertreibt Magazine und Fachzeitschriften und bietet
Fortbildungen an. Sie hat weltweit Büros, der Hauptsitz ist jedoch in Antony, einem Vorort
südwestlich von Paris. Dort arbeiten um die 500 Mitarbeiter, weltweit beschäftigt das Unternehmen
ungefähr 2000 Mitarbeiter.
Da ich in meinem Studium den Schwerpunkt Marketing, Management und Innovation gewählt habe
absolvierte ich das Praktikum im Bereich Distribution, als Marketing- und Kommunikationsassistentin
für drei verschiedene Messen.
Die erste Messe fand gleich einen Monat, nachdem ich das Praktikum begonnen hatte, statt: Es
handelte sich um eine Messe für Gartenbedarf, die ‚Journées des Collections Jardin‘ in Marseille. Da
die Vorbereitungen schon in vollem Gange waren, wurde ich quasi sofort mit vielen verschiedenen
Aufgaben betraut. Vor allem ging es um die Betreuung der über 300 Aussteller: ich war für die
Kommunikation mit ihnen zuständig und mir wurde ebenfalls die Aufgabe zuteil, den Austellerkatalog
zu erstellen. Obwohl ich im Eventmanagement noch absolut keine Erfahrung hatte wurde mir von
Anfang an relativ viel Verantwortung übertragen: Aufgaben wurden mir kurz erklärt, anschließend
war ich jedoch in den meisten Fällen auf mich allein gestellt. Meine anfängliche Unsicherheit
verschwand glücklicherweise recht schnell, da ich in den meisten Fällen positive Rückmeldung über
meine Arbeit erhielt. Ich hatte natürlich immer die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mir wurde bei
Problemen auch immer gern geholfen, allerdings bin ich überzeugt davon, dass ich mit mehr
Autonomie auf jeden Fall mehr gelernt habe als es der Fall gewesen wäre, wenn jemand mich die
ganzen sechs Monate lang an der Hand geführt hätte.
Später erfuhr ich dann, dass kurz vor meiner Ankunft eine Mitarbeiterin aus dem Marketing-Team in
Mutterschaftsurlaub gegangen war, und ich somit mehr oder weniger eine Vollzeitarbeitskraft
ersetzen sollte. Meine Arbeitslast war dementsprechend intensiv, und es passierte nicht selten dass
ich abends erst nach 9 das Büro verließ. Die Firmenpolitik in Frankreich verbietet es allerdings,
Überstunden von Praktikanten zu vergüten, und außerdem war ich auch öfters an Brückentage, die
allen Mitarbeitern gegeben wurden, alleine im Büro, da Praktikanten von dieser Regelung ebenfalls
ausgenommen werden. Diese Regelungen führten bei uns Praktikanten allgemein zu dem Eindruck,
doch ein wenig ausgenutzt zu werden.
Die zweite und dritte Messe waren aus der Spielzeug-Industrie. Da alle drei Messen recht zeitnah
hintereinander stattfinden (April, Juni, September), arbeitete ich simultan an den drei Projekten.
Dies beinhaltete wie bereits erwähnt den Kontakt mit den Ausstellern, außerdem die Pflege und
Überarbeitung der Websites, Kommunikation und Werbung auf den sozialen Netzwerken und das
Verfassen von E-Newslettern.
Für die zweite Messe im Juni bekam ich außerdem die Aufgabe, potenzielle Einkäufer aus dem
Ausland zu kontaktieren und zu unserem Event einzuladen. Ich hatte eine Datenbank zur Verfügung
mit den Kontaktdaten von Einzelhändlern und Einkaufszentralen aus allen EU-Ländern. Dies war auch
einer der Hauptgründe, warum das Unternehmen gerne Studenten aus dem Ausland beschäftigt: um
von deren Sprachkenntnissen zu profitieren, da diese in den meisten Fällen besser sind im Vergleich
zu französischen Studenten.
Primär kontaktierte ich Leute aus Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Belgien. Ich schaffte
es, mehrere zusätzliche Kunden für unsere Messe zu gewinnen, und konnte somit feststellen, dass
mir der kommerzielle Bereich von Events nicht nur mehr Spaß machte, sondern dass ich in diesem
Bereich auch effektiver war, als beispielsweise bei der Erstellung von Werbeplakaten und
dergleichen.
Nebenbei waren auch immer diverse administrative Aufgaben zu erledigen, wie beispielsweise das
Bearbeiten von Rechnungen, Übersetzen von Texten, Auswerten von Umfragen etc.
Das Arbeitsumfeld war recht angenehm, das Team in dem ich arbeitete bestand aus 14 Leuten, die
für Sales, Marketing und Technik der Messen verantwortlich waren. Ich wurde von allen sehr gut
aufgenommen und bekam regelmäßig konstruktives Feedback über meine Arbeit, sodass ich in der
Zeit viel lernen konnte.
Außerdem konnte ich bei der Erstellung der Kataloge und Plakate mit der Graphikabteilung
zusammenarbeiten, ebenso mit dem Webstudio für die Überarbeitung der Websites. So kam ich in
Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen im Unternehmen und fand leicht Anschluss, auch mit
anderen Praktikanten. Vor allem in der Internationalen Abteilung waren viele Praktikanten
angestellt, die ebenfalls aus dem Ausland kamen. Die Firma bietet das ganze Jahr über viele
Praktikumsstellen auch an Deutsche an. Allerdings ist es wichtig, sich schon gut auf Französisch
verständigen zu können, da man oft auch mit Mitarbeitern zu tun hat, die kein Englisch sprechen.
Wir Praktikanten organisierten zusammen auch regelmäßig die in Paris üblichen ‚After-Works‘ oder
gemeinsame Mittagessen, was den anstrengenden Arbeitsalltag erheblich auflockerte.
4. Alltag und Freizeit
Der Alltag während meines Vollzeit-Praktikums war, auch wegen der vielen Überstunden, natürlich
erheblich von der Arbeit geprägt. Der Arbeitstag beginnt in Frankreich für viele erst gegen 10 Uhr,
und dementsprechend bleibt man auch länger im Büro, was die Möglichkeit, abends noch Sport zu
treiben oder Ähnliches erheblich einschränkt.
Franzosen essen daher auch eher später zu Abend, irgendwann war es auch für mich normal mich
zum Abendessen erst ab 21 Uhr 30 zu verabreden.
Trotz der langen Arbeitstage lernte ich in Paris sehr schnell viele nette Menschen kennen. Zu Beginn
war ich viel mit meiner Cousine unterwegs, vor allem auch an den Wochenenden, doch schon nach
zwei Wochen hatte ich in den Bars oder bei Spaziergängen in meinem Viertel eigene Bekanntschaften
gemacht, mit denen ich dann meine Zeit verbrachte.
Im Sommer wurde es dann immer mehr zur Gewohnheit, gemeinsam abends nach der Arbeit noch zu
einem Picknick an die Quais der Seine zu gehen, und dort gefühlt mit der gesamten Jugend von Paris
den Abend ausklingen zu lassen.
Paris ist zum Ausgehen eine sehr teure Stadt, und vor allem mit einem Praktikantengehalt von 500€
ist der Geldbeutel nach einiger Zeit immer recht strapaziert. Man findet jedoch auch viele Kneipen
und Bars, die Bier und sogar Cocktails zu studentenfreundlicheren Preisen anbieten, etwa um
Republique, Bastille oder teilweise auch in Montmartre.
Was die Kultur angeht bietet Paris bekanntlich alles, was das Herz begehrt. Eines meiner
Lieblingsmuseen ist das Musée d’Orsay. Für Spaziergänge ist das Viertel ‚Le Marais‘ absolut geeignet,
außerdem Belleville, in dem man viele Graffiti Kunstwerke bewundern kann.
Außerdem lohnt sich der Palais de Tokyo immer wieder für seine Ausstellungen zeitgenössischer
Künstler, ebenso für seine Terrasse mit Blick auf den Eiffelturm und den Club YOYO, der sich direkt
darunter befindet und in dem oft exklusive Events und Konzerte veranstaltet werden.
Ich hatte das Glück, den Großteil des Sommers dort zu verbringen und die ganzen Open Air Clubs und
Bar-Boote (péniches) mitzuerleben. Einer meiner Lieblingsorte für Samstagabende war der Quai
d’Austerlitz, an dem jeden Abend live Salsa gespielt und getanzt wird.
Ein Tipp für alle, die gerne Paris von oben betrachten möchten: das Café ‚Le ciel de Paris‘ in der Tour
Montparnasse im 15ten Arrondissement. Von dort oben hat man eine wundervolle Aussicht auf die
ganze Stadt, inklusive Eiffelturm, und man hat dort Ruhe vor dem Touristenansturm, der
normalerweise in der ganzen Stadt herrscht.
5. Fazit
Alles in allem haben mir die sechs Monate in Paris sehr viel Spaß gemacht und sind leider viel zu
schnell vergangen. Ich habe sehr viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, sowohl auf professioneller
Ebene in meinem Praktikum, als auch auf menschlicher Ebene, durch die zahlreichen
Bekanntschaften, die ich in dieser Zeit machen durfte. Somit kann ich einen Auslandsaufenthalt
generell, vor allem aber auch in Paris, nur empfehlen.
Durch das Praktikum habe ich viele Kontakte geknüpft, sowohl innerhalb der Firma als auch
außerhalb mit anderen Firmen, dank unserer Messen, und es ist nicht auszuschließen dass ich nach
meinem Studienabschluss wieder nach Paris zurückkehre. Auch allein die Tatsache, tagtäglich eine
andere Sprache zu sprechen und in einem anderen kulturellen Umfeld zu leben, bereichert meiner
Meinung nach die persönliche Erfahrung enorm.
Glücklicherweise habe ich dort auch viele tatsächliche Pariser kennenglernt, und nicht nur mit
anderen Studenten aus dem Ausland Zeit verbracht. Somit war es leichter, die Sprache besser und
schneller zu lernen, da man nicht nur in der Arbeit, sondern tatsächlich auch im alltäglichen Leben
die Sprache des Gastlandes spricht, und sich auch Redensarten etc. besser aneignen kann.
Trotz der höheren Kosten, auf die man sich in Paris einstellen muss, kann ich einen
Auslandsaufenthalt dort nur empfehlen. Wenn man sich auf die Pariser Lebensart einlässt und das
organisierte Chaos in den Firmen, auf den Straßen und vor allem in der Métro akzeptiert, lernt man
die Stadt und die Leute schnell lieben.