Methodik Stützsprunge am Sprung

Methodik Stützsprunge am Sprung
Axel Fries - Koblenz
Stützkraftübungen
spätere Gegendruck der Hände auf das
Gerät simuliert. Dieser Gegendruck muss
lang und sehr stabil sein. Im Gegensatz zu
landläufiger Meinung zieht man nämlich die
Hände nicht schnell vom Gerät zurück (Abdruck), sondern man drückt so lange und
so feste dagegen, wie man kann. Dann wird
sich bei mehrmaliger Ausführung der
Übung nach der Hockwende der Oberkörper ganz von alleine aufrichten in den
Stand.
Zur Vorbereitung der Hockbewegung und
zur Schulung der Arm-Schulter-Muskulatur
bietet man als ergänzende Übung zu Kleinen Spielen und Klettern in Gerätelandschaften eine Langbank an, über die Hockwenden geturnt werden. Aber Achtung:
Hockwenden werden immer falsch geturnt!
Sobald sich die Schultern über die Hände
bewegen – und das ist bei herkömmlichen
Hockwenden über die Bank immer der Fall
– ist Hockwende keine Vorübung mehr für
die Stützsprünge. Die Schultern dürfen die
Senkrechte über den Händen nicht überqueren. Das erreicht man durch einen kleinen, aber sehr wirkungsvollen Trick:
Eine weitere sehr gute,
auch bekannte, aber fast
immer falsch ausgeführte
Übung ist die Hockbewegung über zwei Bänke:
Man legt unter eine Bank vier Springseile
und die Aufgabe lautet dann: Stelle Dich
vor das erste Springseil, setze die Hände
weit nach vorne, turne eine Hockwende
und lande auf der anderen Seite der Bank
mit den Füßen wieder vor dem Springseil.
Quer über die beiden Bänke werden drei
Springseile gelegt, direkt hinter jedes
Springseil legt man eine Teppichfliese. Die
Anordnung lautet: Stelle Dich vor ein Seil,
die Arme nach hinten unten gestreckt. Nun
schwinge die Arme weit nach vorne, wenn
möglich bis zum nächsten Seil, hocke über
das Seil, setze aber die Füße bei der Landung auf die Teppichfliese. Auch diese
Übung führt dazu, dass die Schultern sich
nicht über die Hände bewegen, sondern die
Arme immer schräg stehen bleiben (im Bild
unten ist das gut zu sehen) und so optimalen Druck auf die Bänke ausüben können.
Auch hierbei wird gelernt, lange und feste
gegen die Bänke zu drücken und der Oberkörper bewegt sich nach einigen Versuchen wie von Geisterhand
bei der Landung nach
oben: die zweite Flugphase wird geboren.
Nun gehe einen Schritt nach vorne zum
nächsten Seil und wiederhole die Übung –
also insgesamt vier Mal auf der Bank. Die
Hände werden dabei auf die Bank und nicht
an die Kante der Bank gesetzt.
Diese Übung führt dazu, dass sich die
Schultern nicht über die Hände bewegen,
sondern dass die Hände fest gegen die
Bank drücken, damit die Füße wieder vor
dem Seil landen können. Damit wird der
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Der Absprung auf dem Sprungbrett
langsamen
Anlauf.
Dadurch wird einerseits das Abspringen
auf dem Sprungbrett
immer besser geübt,
andererseits wird die
nötige Stützkraft, um in die Zielübung zu
kommen, immer größer. Es handelt sich bei
dieser Übung also einerseits um eine Technik-Übung (Absprung auf dem Sprungbrett), andererseits um eine spezifische
Kräftigungsübung (Stützsprünge). Dass
hohe Wiederholungszahlen bessere Effekte bringen, ist wohl klar.
Für Kinder ist die Koordination, einbeinig
vor und beidbeinig auf dem Sprungbrett abzuspringen, sehr schwierig. Hier hilft ein
kleiner Trick: man legt vor das Sprungbrett
quer einen Kastendeckel oder ein Step-Aerobic-Bett (wie unten im Bild). Die Aufgabe
ist dann, sich vor den Kastendeckel zu stellen, einen Fuß auf den Kastendeckel zu
stellen und dann
auf das Sprungbrett zu springen.
Weitere Aufgabe
ist dann, auf den
hinter dem Sprungbrett längs stehenden,
sehr niedrigen Kasten (2- oder 3-teilig) aufzuknien. Dabei ist darauf zu achten, dass
die Knie beim Aufknien niemals zwischen
Hinführung zu Sprunggrätsche und
Sprunghocke - herkömmlich
Bei der „herkömmlichen“ Methode wird
man Hockbewegungen mit gegenseitiger
Hilfe vom Kasten auf den Boden machen.
Die gegenseitige Hilfe entlastet den
Übungsleiter und die Übenden erfahren gegenseitige Unterstützung. Durch die eigene
Ausführung der Übung
erkennt man, wo die
Knackpunkte
liegen
und weiß so, recht gut
zu helfen.
die Hände gelangen, sondern dass die
Arme schräg stehen – die Hände vor den
Schultern. Das Kind im hier gezeigten Bild
macht es falsch: die Schultern haben sich
über die Hände bewegt – die Knie sind
zu nahe an den
Händen.
Das Hüpfen wie ein Hase innerhalb von
kleinen Spielen ist hier eine gute Vorübung,
die genau die Bewegungsabfolge einschließlich des festen Gegendrucks der
Hände auf den Boden, die für die Hocke benötigt wird, programmiert. Günstigerweise
helfen aber immer zwei Helfer mit Klammergriff am Oberarm. Dadurch ist die Bewegung viel stabiler und wird auch nicht
schief. Beide Helfer müssen unbedingt mit
der Bewegung mitgehen und bei der Landung neben dem Übenden stehen. In der
Praxis macht man das so: bei den ersten
Versuchen hilft der Übungsleiter zusammen mit einem der Kinder. Nach einigen
Versuchen ist das Kind so sicher, dass der
Es ist dann sinnvoll,
aufzustehen, zum
Ende des Kastens
zu gehen und von dort mit beidbeinigem
Absprung einen Strecksprung vom Kasten
herunter auf die Bodenmatte zu machen.
Der Übende legt bei der Landung seine
Hände auf die Hände des Helfers. So erreicht man die richtige Landeposition.
Weiterführend macht man diese Bewegung
dann aus dem Angehen und dann aus dem
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Übungsleiter sich durch ein andreres Kind
ersetzen lassen kann. Nach wieder einigen
Versuchen kann der erste Helfer ersetzt
werden, usw. Man tauscht immer nur einen
Helfer aus!
Bei Mädchen stellt man die Kästen zunächst quer, bei Jungen (je nach Alter)
kann man die beiden Kästen auch zu einer
längs gestellten Kastengasse aufbauen.
Der Vorteil ist, dass durch die längs gestellten Kästen mehr Schwung aufgebaut werden muss und die Arme stärker nach vorn
zum Stütz geschwungen werden. Helfer
sollten hier natürlich ebenfalls zunächst
durch Klammergriff am Oberarm sichern.
Es ist sinnvoll, nun zunächst mit der
Sprunggrätsche weiterzumachen. Über einen T-Bock – natürlich auch gerne zunächst mit zwei Helfern – springt man über
die beiden wie im Bild zusammengestellten
Böcke mit Griff auf dem zweiten, höheren
Bock. Der erste Bock hat technisch gesehen keine Funktion, gibt aber eine psychologische Hilfe: das „Loch“ unter dem hohen
Bock verschwindet und falls der Sprung
schief geht, kann
man sich auf den
niedrigeren Bock
draufsetzen.
Nachdem die Hocke an der Kastengasse
quer gekonnt ist, dreht man die Kastengasse längs, nachdem die Grätsche am TBock gekonnt ist, kann sie auch über den
längs gestellten Kasten geturnt werden.
Diese herkömmliche Methode bedient sich
der gegenseitigen Hilfestellung und ist für
weniger geübte Turnerinnen und Turner
und Lehrer gut geeignet.
Die Helfer müssen hier gut darauf achten, dass sie mit der
Bewegung bis zur Landung mitgehen, weil
sie sonst den gegrätschten
Beinen im Weg stehen und
den Übenden behindern.
Hinführung zu Sprunggrätsche und Sprunghocke – ganz modern
Zur Sprunghocke kommt
man dann über eine „Kastengasse“: zwei Kästen werden
mit einer Lücke hingestellt.
Diese muss mit einem weichen Gegenstand gefüllt
werden (Zauberschnur um
beide Kastendeckel legen;
Heizungsrohrisolierung
in
die Griffe der Kästen stecken; keinen Gymnastikstab
verwenden!!!), damit die
Beine nicht zwischen den
Händen hindurch schwingen
können – das wäre eine falsche Bewegung („Durchhocken“ gibt es am
Sprung nicht!). Durch die Kastengasse hat
der Übende nicht die Angst, sich an der vorderen Kastenkante die Knie zu stoßen und
springt deshalb mit mehr Schwung.
In der Methodik ohne Hilfestellung nimmt
der Mattenberg eine zentrale Rolle ein.
Wenn die Gruppe bereits den technisch
richtigen Absprung auf dem Minitrampolin
beherrscht, nimmt man vierteilige Kästen
mit Minitrampolin. Falls das nicht der Fall
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würde damit ein „Durchhocken“ erzeugen, das es am Sprung aber überhaupt
gar nicht gibt. Man sollte auch den Begriff unbedingt vermeiden, denn er impliziert, dass die Beine irgendwo „hindurch“ müssen. Das ist aber nicht der
Fall. Im Moment des Hockens oder des
Grätschens haben die Hände die
Stützposition längst verlassen.
sein sollte, wählt man dreiteilige Kästen
und legt ein (gutes) Sprungbrett davor. Die
dann folgenden Übungen sind bei beiden
Geräteaufbauten gleich.
1. Aufknien auf den Mattenberg. Wichtig
ist dabei, dass zuerst die Hände, dann
die Knie auf der Matte landen. Ganz
wichtig ist: die Knie dürfen sich nicht an
die Hände annähern, sondern sollen
weit dahinter bleiben. Die Arme stehen
immer schräg auf dem Mattenberg, die
Schultern überqueren die Senkrechte
über den Händen nicht.
Wenn diese Vorübungen gemacht worden
sind, kann man mit T-Bock für die Sprunggrätsche oder mit der Kastengasse für die
Sprunghocke weitermachen. Nur bei den
ersten zwei oder drei Sprüngen wird dabei
aus Sicherheitsgründen noch mit Klammergriff am Oberarm gesichert. Dabei sollten
die Helfer nicht aktiv auf die Bewegung einwirken, sondern lediglich die Bewegung begleiten und einen möglichen Sturz und eine
damit verbundene Verletzung vermeiden.
2. Hohes Aufhocken auf den Mattenberg.
Hierbei wird durch mehr Schwung der
Kraftaufwand erhöht, die Stützkraft
wird verstärkt geschult und die Technik, lange und feste auf die Unterlage
zu drücken, wird gelernt.
3. Durch schnelleren Anlauf und festeren
Absprung wird jetzt so viel Schwung
aufgebaut, dass nach langem und festem Gegendruck auf die Weichbodenmatte eine „Umlenkung“ der Schultern
nach oben erwirkt und die Landung erfolgt im Stand mit nach vorn gestreckten Armen. (Warum das funktioniert,
wird später noch erklärt)
4. Wenn man in der Übung 3. in der zweiten Flugphase – also nach Lösen der
Hände von der Weichbodenmatte – die
Beine anhockt oder grätscht, landet
man im Sitz. Aber Achtung! Die Hände
dürfen dabei nicht auf der Weichbodenmatte sitzen bleiben. Das würde
auch gar nicht funktionieren. Man
So schnell wie möglich ersetzt man die beiden Helfer durch einen Feuerwehrmann,
der hinter dem Gerät steht und die Hände
nach vorne streckt. Der Übende springt
seine Grätsche oder Hocke und legt bei der
Landung seine Hände auf die Hände des
Feuerwehrmanns. Dadurch wird verhindert, dass die Hände auf dem Gerät sitzen
bleiben, die zweite Flugphase wird höher
und weiter und falls man zu viel Schwung
haben sollte, kann sich der Übende auf den
Händen des Feuerwehrmanns abfangen.
Wird die Bewegung sicherer, muss der
Feuerwehrmann beizeiten seinen Dienst
aufgeben.
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spezifische Kraft wird erzeugt. Es wird geübt, die Schultern und die Arme so „fest wie
möglich“ zu machen. Die Schultern strecken sich, die Arme werden stabilisiert und
drücken so feste und so lange wie möglich
auf das Gerät. Durch steigende Anlaufgeschwindigkeit wird es irgendwann unmöglich, die Anlaufgeschwindigkeit durch Druck
der Arme auf das Gerät auf Stillstand abzubremsen. Der Körper bewegt sich also im
Stütz auf dem Gerät weiter nach vorne und
die Schultern werden – wenn die Arme
lange und feste auf das Gerät drücken –
nach oben umgelenkt.
Biomechanik Stützsprünge
Wie funktionieren Hocke und Grätsche
überhaupt. Ohne Kenntnis der genauen
Technik kann man die richtige Bewegung
kaum vermitteln, kaum die richtigen verbalen Hilfen geben oder die richtigen methodischen Kniffe anwenden.
Wenn genau in diesem Moment die Beine
Allzu oft habe ich bei Hospitationen oder
bei Wettkämpfen gesehen, wie Trainer ihren Schützlingen falsche Anweisungen gegeben haben, wodurch die Ausführung der
Fertigkeiten dann noch schlechter geworden ist. Beispielsweise bringt bei der Hocke
am Sprung die Anweisung, sich fester „abzudrücken“ fast immer eine schlechtere
zweite Flugphase, das Aufrichten des
Oberkörpers kommt nicht zustande und die
Landung hinter dem Sprunggerät erfolgt
dann oft auf allen Vieren (oder Fünfen,
wenn die Nase noch dazu kommt…).
angehockt oder gegrätscht werden, entsteht dadurch ein noch größerer Druck der
Arme auf das Gerät und nach dem Prinzip
actio – reactio wird die in das Gerät eingegebene Kraft (je mehr, desto besser) wieder auf die gestreckten Arme und damit auf
die Schultern und damit auf den Oberkörper zurückübertragen. Dadurch entsteht
die zweite Flugphase. Je größer die Kraft,
die man auf das Gerät gibt, ist, desto größer ist die reflektorische Kraft, die wieder
auf den Körper übertragen werden kann.
Wichtig bei der Sprunghocke, der Sprunggrätsche (und fast allen anderen Stützsprüngen) ist die richtige Position der Arme
auf dem Gerät. Sie müssen schräg aufgesetzt werden. Die Schultern dürfen die
Senkrechte über den Händen nicht überschreiten. Theoretisch gilt: je schräger die
Arme aufgesetzt werden, desto höher kann
die zweite Flugphase werden. Diesem Winkel sind aber verschiedene Grenzen gesetzt (vorhandene Kraft, Rutschen der
Hände auf dem Gerät). Bei den gezeigten
Vorübungen wird das geübt und die hierfür
Die Umlenkung der Schultern geschieht
aber nur dann, wenn die Hände und die gestreckten Arme lange genug auf das Gerät
drücken. Deshalb ist der Hinweis, sich „abzudrücken“, vollkommen falsch. Die im Zusammenhang mit dem Sprung oft gebrauchte Formulierung: „Stell‘ dir vor, der
Bock sei eine heiße Herdplatte.“ ist eine
völlig falsche Formulierung, denn dadurch
werden die Hände kurz auf das Gerät aufgesetzt, aber sofort wieder zurückgezogen.
Aber nicht der Übende zieht die Hände vom
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Gerät weg, sondern im Gegenteil: er drückt
sie so lange wie möglich auf das Gerät, damit er die reaktive Kraft abwarten kann, die
ihn nach oben umlenkt. Wenn die Schultern
und der Oberkörper sich dann nach vornoben bewegen, entfernen sich die Hände
ganz von selbst vom Gerät. Der Hinweis
muss also lauten: „Drücke so lange und so
feste gegen das Gerät, wie Du kannst.“
hätte Federn in den Armen und die zweite
Flugphase wird noch höher und noch weiter.
Durch die Wahl des Geräteaufbaus greifen
wir zu einem weiteren Trick, um den Gegendruck auf das Gerät zu verbessern.
Dadurch, dass die Übungen auf den Mattenberg mit Weichbodenmatte ausgeführt
werden, muss der Übende wegen der weichen Oberfläche, relativ viel Kraft aufwenden, um die nötige Stützkraft aufzubauen,
weil ein großer Teil der Kraft, die auf das
Gerät ausgeübt wird, eben nicht reflektorisch zum Übenden zurückgeführt werden
kann, weil sie für die Deformation der
Weichbodenmatte als „Verlustenergie“ abfällt. Damit wird durch die Vorübungen zu
den Stützsprüngen dem Übenden erheblich mehr Kraft vermittelt als er später für
die tatsächlichen Sprünge über Bock, Kasten, Pferd oder Sprungtisch wirklich benötigt. Man könnte von „Übertraining“ sprechen – hier aber positiv belegt.
Hier im Bild sieht gut die schräg gestellten
Arme beim Gegendruck auf den Kasten,
man sieht sehr gut, wie sich die Schultern
dann nach schräg oben bewegen und wie
die Hände dann den Kasten verlassen. Bei
der Landung werden die Arme wieder nach
vorn gestreckt. Noch besser funktioniert
das Aufrichten des Oberkörpers, wenn die
Hände nach dem Gegendruck sofort nach
vorn geführt werden.
Und nun:
Man stelle sich vor, man fährt zwei Jahre
lang mit dem Fahrrad mit angehängtem
Kinderanhänger mit Kleinkind im Kindersitz
einen Berg hinauf. Das Kind wächst und
wird schwerer, so dass der Fahrradfahrer
eine permanente Erhöhung der Belastung
erfährt. Nach zwei Jahren nimmt man den
Kinderanhänger weg und der Fahrradfahrer hat das Gefühl, er wird den Berg hinauf
geschoben, weil er viel mehr Muskulatur
aufgebaut hat, als er eigentlich hierfür benötigt. (Eigene Erfahrung des Autors ).
Bilder: Axel Fries, Buchverlag Axel Fries,
www.bodenturnen.de – www.axelfries.eu
Literatur zum Kinderturnen und Gerätturnen – Moderne Turnmethodik – Empfehlungen anderer Autoren und Verlage – Angebot angeleitetes Training.
Wenn nun also diese Vorübungen immer
nur auf die Weichbodenmatte ausgeübt
werden und man dann auf das richtige Gerät wechselt, hat der Übende das Gefühl, er
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