VG Regensburg, Urteil v. 01.09.2015 – 8 K 15.936 Titel: VG Regensburg: GOZ, Regensburg, Landesamt, Befestigung, ohne mündliche Verhandlung, Rechtsquelle, Postfach, Beklagte, Bemessungssatz, Kiefer, Beihilfeleistung, Behördenakt, einschlägige Rechtsprechung, Stift, Kleber, Empfängerhorizont, Zement, Beklagtenseite, Kunststoff, Mehraufwand Normenketten: GOZ-Nr. 6100 GOZ-Nr. 2197 § 101 Abs. 2 VwGO § 154 Abs. 1 VwGO § 167 VwGO § 708 Nr. 11 ZPO Leitsatz: 1. GOZ-Nr. 2197 ist auch neben GOZ-Nr. 6100 anwendbar. (amtlicher Leitsatz) Schlagworte: Klebebrackets, adhäsive Befestigung, kieferorthopädische Behandlung, Beamter Entscheidungsgründe Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg Aktenzeichen: RN 8 K 15.936 Im Namen des Volkes Urteil vom 1.9.2015 Sachgebiets-Nr: 1335 8. Kammer (Einzelrichter) Hauptpunkte: Klebebrackets; adhäsive Befestigung Rechtsquellen: Leitsätze: In der Verwaltungsstreitsache ... - Kläger gegen Freistaat Bayern vertreten durch: Landesamt für Finanzen Dienststelle Regensburg Bahnhofstr. 7, 93047 Regensburg - Beklagter - beteiligt: Regierung von Niederbayern als Vertreter des öffentlichen Interesses Postfach, 84023 Landshut wegen Beihilfe (Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlung) erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg, 8. Kammer, durch Richter am Verwaltungsgericht Habler als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 1. September 2015 folgendes Urteil: I. Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen, Dienststelle Landshut, vom 15.4.2015 und dessen Widerspruchsbescheids vom 26.5. 2015 verpflichtet, dem Kläger hinsichtlich der mit Antrag vom 30.3.2015 eingereichten Rechnung vom 26.3.2015 auch insoweit Beihilfe zu gewähren, als dort die Position nach GOZ-Nr. 2197 angesetzt worden ist. II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht vorher der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet. IV. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand: Die Beteiligten streiten darum, ob im Zusammenhang mit einer kieferorthopädischen Behandlung des Sohns des Klägers neben GOZ-Nr. 6100 auch Aufwendungen nach GOZ-Nr. 2197 beihilfefähig sind. Der Kläger ist als Beamter des Beklagten beihilfeberechtigt, sein Sohn M. ist mit einem Bemessungssatz von 80% berücksichtigungsfähig. Im Zusammenhang mit einer kiefer-orthopädischen Behandlung des Sohns reichte der Kläger mit Antrag vom 30.3.2015 eine Rechnung vom 26.3.2015 ein, in der neben der Position GOZ-Nr. 6100 auch die Position GOZ-Nr. 2197 angesetzt worden ist. Das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Landshut, lehnte insoweit mit Bescheid vom 15.4.2015 Beihilfeleistungen ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.5. 2015 zurück. Auf die Bescheide wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 16.6.2015 hat der Kläger vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung verweist er auf das Urteil des VG Regensburg vom 26.1.2015 Az. RO 8 K 14.1888. Der Kläger beantragt sinngemäß, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen, Dienststelle Landshut, vom 15.4.2015 und dessen Widerspruchsbescheids vom 26.5.2015 zu verpflichten, dem Kläger hinsichtlich der mit Antrag vom 30.3.2015 eingereichten Rechnung vom 26.3.2015 auch insoweit Beihilfe zu gewähren, als dort die Position nach GOZ-Nr. 2197 angesetzt worden ist. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die GOZ-Nr. 2197 sei neben GOZ-Nr. 6100 nicht abrechenbar und daher nicht beihilfefähig. Auf die insoweit zitierte Literatur und Rechtsprechung wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 24.7.2015 hat die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. Die Klage ist zulässig und begründet. Zur Überzeugung des Gerichts ist hier die GOZ-Nr. 2197 neben der GOZ-Nr. 6100 abrechenbar und daher beihilfefähig. Der Bescheid des Landesamts für Finanzen, Dienststelle Regensburg, vom 15.4.2015 und dessen Widerspruchsbescheid vom 26.5.2015 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§113 Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht verweist zur Begründung auf sein Urteil vom 26.1.2015 Az. RO 8 K 14.1888, welches wiederum auf einschlägige Rechtsprechung (insbesondere AG Pankow/Weißensee vom 10.1.2014 Az. 6 C 46/13; LG Hildesheim vom 24.7.2014 Az. 1 S 15/14) und die im GOZ-Kommentar von Liebold/Raff/Wissing vertretene Auffassung Bezug nimmt. Zusammenfassend und ergänzend ist auszuführen: Die GOZ-Nr. 6100 betrifft die „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel“ und ist mit 165 Punkten bewertet. Die GOZ-Nr. 2197 erfasst die „Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.)“ und ist mit 130 Punkten bewertet. Nach dem Empfängerhorizont spricht bereits der Wortlaut der GOZ-Nr. 2197 für eine Anwendung auch im Zusammenhang mit der GOZNr. 6100. Ein Ausschluss der GOZ-Nr. 2197 folgt nicht daraus, dass sich die GOZ-Nr. 6100 auf „Klebe“brackets bezieht. Die GOZ-Nr. 6100 legt sich vielmehr hinsichtlich der Art und Weise der Eingliederung nicht fest. Soweit die Beklagtenseite meint, die Begriffe Adhäsivtechnik und Klebetechnik seien synonym zu verstehen, folgt dem das Gericht nicht. Unstreitig werden Brackets geklebt. Im Gegensatz zum Einsatz (klassischer) Kunststoff- oder Zement-kleber erfordert jedoch die adhäsive Klebetechnik einen Mehraufwand, insbesondere im Hinblick auf die Vorbehandlung (Konditionierung) von Schmelz und Dentin mit Säuren und den Auftrag eines Primers („Grundierer“). Unter diesem Gesichtspunkt hat die GOZ-Nr. 2197 unstreitig Zuschlagscharakter. Ein Punktevergleich der beiden Positionen zeigt, dass bei Anwendung der Adhäsivtechnik für die sonstigen Tätigkeiten bei der Eingliederung eines Klebebrackets - selbst wenn dann die klassische Klebeprozedur entfällt - nur noch ein geringer (offensichtlich nicht angemessener) Punktewert verbleiben würde. Eine Wertigkeit des Mehraufwands bei der Adhäsivtechnik lässt sich im Übrigen einem Vergleich der GOZ-Nrn. 2050 und 2060, 2070 und 2080,2090 und 2100 sowie 2110 und 2120 entnehmen. Eine eventuell anderweitige Intention des Verordnungsgebers erschließt sich nicht aus der GOZ. Hätte der Verordnungsgeber eine Anwendungsbeschränkung der GOZ-Nr. 2197 vornehmen wollen, so hätte er dies sprachlich zum Ausdruck bringen müssen, wie etwa durch einen ausdrücklichen Ausschluss im Zusammenhang mit GOZ-Nr. 6100 oder dadurch, dass er im Klammerzusatz der GOZ-Nr. 2197 nicht unbeschränkt „etc.“ (et cetera = und die Übrigen), sondern - begrifflich einschränkend - etwa „und vergleichbare“ oder „und dergleichen“ verwendet hätte. Der Hinweis auf eine Nichtberücksichtigung bei der Leistungsumschlüsselung bei Erstellung des GOZ-Referentenentwurfs im Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 31.10.2013 kann nicht durchgreifen, weil ein eventueller Kalkulationsirrtum nicht Teil der Verordnung geworden ist. Eine textliche Klarstellung in der GOZ würde im Übrigen schneller zu Rechtssicherheit führen, als aus dem Referentenentwurf - angreifbare Interpretationen herzuleiten. Schließlich bleibt im Dunkeln, welche sonstigen Präparate der Verordnungsgeber bei GOZ-Nr. 2197 unter „etc.“ im Auge gehabt haben soll. Der Mehraufwand bei adhäsiver Klebetechnik unterscheidet sich bei einem Bracket jedenfalls nicht erheblich von dem bei den in GOZ-Nr. 2197 benannten Klammerbeispielen. Auch Brackets werden in der Regel über mehrere Jahre getragen. Sollte aber tatsächlich eine ungewollte Regelungslücke vorliegen, so wäre die GOZ-Nr. 2197 jedenfalls analog anzuwenden. Das Gericht verkennt nicht, dass die streitgegenständliche Fragestellung in der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur kontrovers diskutiert wird. Selbst wenn man aber im Ergebnis GOZ-Nr. 2197 neben GOZ-Nr. 6100 als nicht anwendbar erachten wollte, dürfte dies jedenfalls nicht zulasten des Beihilfeberechtigten gehen, wenn und solange der Dienstherr - wie hier - nicht vor Entstehen der Aufwendungen insoweit einen Leistungsausschluss klargestellt hat. Der Dienstherr kann die Unklarheiten entweder durch einen konkreten, veröffentlichten Hinweis - etwa durch Richtlinien - auf die Zweifelsfragen ausräumen. Dadurch hat der Beihilfeberechtigte die Möglichkeit, sich vor Entstehung der Aufwendungen gegebenenfalls gegenüber seinem behandelnden Arzt oder Zahnarzt auf diesen Rechtsstandpunkt zu berufen. Der Dienstherr kann die erforderliche Klarheit auch im jeweiligen Verhältnis zum einzelnen Beihilfeberechtigten herbeiführen (VG Arnsberg vom 9.12.2014 Az. 13 K 3687/13 unter Hinweis auf BVerwG vom 30.5.1996 Az. 2 C 10.95 und vom 17.2.1994 Az. 2 C 10.92). Die Ausführungen der Beihilfestelle im Anerkennungsbescheid vom 8.7.2013 genügen, da nicht eindeutig, insoweit nicht. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO. Zulassung der Berufung: § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittel: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg schriftlich einzulegen (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg). Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Berufungsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden. Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen (Ludwigstraße 23, 80539 München oder Postfach 340148, 80098 München). § 124 a Abs. 3 VwGO ist zu beachten. Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO. Beschluss: Der Streitwert wird auf 255,64 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG). Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittel: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg) einzulegen. Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
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