Strategie Journal · Heft 01-08 8 Mewes: Die Informationsflut beherrschen 14 Fallstudie: Town & Country ist Marktführer 20 Instrument: Die StrategieKarte 26 Strategie-Kongress: Jetzt anmelden! Fallstudie: Légère - large & more Mode für Starke Frauen www.strategie.net Mewes Die Informationsflut beherrschen Von Prof. Wolfgang Mewes Das heißt in einer Welt, in der alles irgendwie mit allem anderen zusammenhängt. Beispielsweise der CO²-Ausstoß mit dem Abschmelzen des Poleises, dem Anstieg der Meere, der Klimagesetzgebung, den Klimaauflagen der Unternehmen und schließlich deren Kosten, deren Entwicklung und dem Auf und Ab auf dem Arbeitsmarkt. Dieses „komplexe“ Denken ist ein strategisches Denken, das alle auf den Erfolg und die Entwicklung einwirkenden Einflüsse einbezieht. Es überwindet damit die bisherigen Begrenztheiten des militärischen, ökonomischen und selbst sozialen Denkens. Prof. h. c. Wolfgang Mewes Zunächst empfiehlt Prof. Mewes ein Buch zur Visualisierung von strategischen Entscheidungsparametern. Dann folgt ein Text aus den 70er Jahren mit konkreter Anleitung zur Steuerung der Informationsflut auf die „Mühle unserer Entwicklung“. Ein wichtiges Buch: „Strategisch richtig entscheiden – Überzeugen mit visualisierten Entscheidungsparametern“. Strategie ist die Lehre vom wirkungsvollsten Einsatz der Kräfte. Strategisches Denken ist ein generelles Denken. Ursprünglich auf den Einsatz militärischer Kräfte begrenzt, hat es sich von der Frage, wie man militärische Kräfte am wirksamsten einsetzt, über die Frage, wie man ökonomische Kräfte am wirksamsten einsetzt, zu der Frage, wie man soziale Kräfte in einem sozialen Umfeld am wirkungsvollsten einsetzt, weiterentwickelt. In seiner fortgeschrittensten Form ist es heute ein ganzheitliches Denken. Wir leben, wie in der Praxis und den Naturwissenschaften immer deutlicher bewusst wird, in einer „komplexen“ Welt. 8 StrategieJournal [01-08] Die Aufgabe der Strategie ist, in diesem verwirrend komplexen Zusammenwirken der verschiedensten Einflüsse den objektiv und deshalb dauerhaft erfolgreichsten Weg zu erkennen und zu verfolgen. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist: Übersicht zu gewinnen. Je komplizierter unsere Welt wird, desto mehr wird der Erfolg von der besseren Übersicht bestimmt und nicht, wie man bisher glaubt, von der Größe des Wissens, des Kapitals oder den besseren Beziehungen. Sie können, wie Horst Geyer in dem Buch „Über die Dummheit“ aufgezeigt hat, sogar kontraproduktiv wirken. Beispielsweise, weil man „vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht“. Oder: „Wer allzu sehr hinter die Dinge zu blicken versucht, verliert die Dinge selbst aus dem Blick“ (St. Augustinus). Schon David hat den Goliath nicht durch größere Kräfte, Anstrengungen oder auch „Bildung“ besiegt, sondern durch bessere Übersicht. Je besser die Übersicht, desto präziser kann man wie David seine Kräfte auf den jeweils „wirkungsvollsten Punkt“ zielen. Dort lassen sich selbst mit geringeren Kräften hundertmal größere Wirkungen auslösen als mit größeren Kräften anderswo. - Es geht deshalb ganz allgemein nicht mehr darum, mehr oder weniger wahllos noch immer mehr Wissen zu erwerben, sondern darum, Übersicht zu gewinnen. Immer noch mehr Detailwissen zu erwerben, vergrößert nur die Verwirrung. Die Aufgabe von Strategie ist es, in komplexen Situationen den objektiv erfolgreichsten Weg zu erkennen. Das Problem ist nur: Wir leben in immer verwirrenderen und desorientierenderen Verhältnissen. Tagtäglich dringt eine immer größere Flut von Informationen, Anregungen, Ideen, widersprüchlichen Zielen usw. auf uns ein. In dieser Flut wird es immer schwerer, das Wesentliche, Gültige und Entscheidende vom Unwesentlichen, Nebensächlichen oder nur Modischen zu trennen. Aufgabe der Strategie ist, unter den vielen möglichen Zielen das objektiv beste Ziel zu finden und es durch alle dynamischen Veränderungen hindurch lebenslang zu Zur klassischen Papierflut gesellt sich noch der Informationsoverkill durch Fernsehen und Internet. Mewes verfolgen. Schon Descartes hatte erkannt: „Die nur langsam gehen, aber immer den rechten Weg verfolgen, kommen weiter als die, welche laufen und immer wieder auf Abwege geraten.“ Die Frage ist nur: Wie? Wie lässt sich in der überall wachsenden Verwirrtheit der Überblick gewinnen und behalten? Hier hilft die uralte Erkenntnis: dass „ein Bild mehr sagt als tausend Worte“. In einem Bild bzw. einer Abbildung kann man das Wesentliche augenfällig machen. Ein Beispiel ist jede Straßenkarte. Auch sie ist „ein Bild“. Sie konzentriert den Blick auf das Wesentliche und verbessert dadurch die Orientierung. Ja, sie macht sie oft überhaupt erst möglich. In dem Buch „Strategisch richtig entscheiden“ (siehe Kasten) zeigen die Autoren an zahlreichen Beispielen, dass das gleiche auch für die strategischen Situationen und deren Visualisierung gilt. Strategisch richtig entscheiden Hartmann/ Herrmann/ Schleppegrell Strategisch richtig entscheiden Überzeugen mit visualisierten Entscheidungsparametern Orell Füssli Management 2007 276 Seiten m. zahlr. meist farbigen graphischen Darstellungen - gebunden 34,80 Euro - ISBN 3280052335 In einem rapide wechselnden wirtschaftlichen und politischen Umfeld muss strategisch schnell entschieden werden - und manchmal muss auch die Strategie gewechselt werden. Das Buch beschreibt ein Tool, das diese Arbeit vereinfachen soll. Die Autoren behandeln nahezu alle relevanten strategischen Fragestellungen des unternehmerischen Alltags, sei es im KMU oder im Konzern. Mit ihrem Drei-Stufen-Modell sind sie in der Lage, alle Problemstellungen grafisch aufzubereiten und den unternehmerischen Entscheidungsprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden durch diese lebendige und einsichtige Darstellung überzeugt und motiviert und können sich aktiv einbringen, um das gefundene Ziel zum Nutzen der Kunden und des Unternehmens rechtzeitig und sicher zu erreichen. Alle Ergebnisse strategischer Ausarbeitungen sind messbar zeitsparend und leicht nachvollziehbar. Ein Bild konzentriert den Blick auf das Wesentliche und verbessert dadurch die Orientierung. zwischen Zielgruppe und Wettbewerbern? Welche Leistungsmerkmale beeinflussen unsere Zielgruppe bei ihren Kaufentscheidungen am stärksten? Wie ist unser Leistungsprofil im Vergleich mit den Wettbewerbern? Wer sind die Meinungsführer, Medien und Kristallisationspunkte, von denen aus sich die Zielgruppe am effektivsten „aufrollen“ lässt? Es ist regelrecht verblüffend zu sehen, wie sich durch Abbildungen das Wesentliche einer strategischen Situation verdeutlichen und in weiteren Abbildungen die positive oder negative Wirkung der strategischen Maßnahmen verfolgen lässt. deutlicher herausgearbeitet und verfolgt werden. Und zwar nicht nur für die eigenen Überlegungen, sondern auch für die Diskussionen mit Vorgesetzten, Mitarbeitern, Partnern, Betriebsräten, Journalisten, Aktionären und Banken. Vor allem die Mitarbeiter können besser auf das Wesentliche ausgerichtet werden. Die Visualisierung führt über die bessere Übersicht insgesamt zu einer besseren Beherrschung der Situation. Schon durch die Verdeutlichung der strategischen Situation werden die Überlegungen und Diskussionen aller Beteiligten auf das Wesentliche konzentriert und dadurch besser. Auch die Vernetzungen und speziell die Abhängigkeiten zwischen den Beteiligten treten deutlicher zutage. Was sind beispielsweise die brennendsten unter den Problemen einer Zielgruppe? Wie ist unsere strategische Position Zusammengefasst: Die wichtigste Voraussetzung für strategisches Denken ist die Übersicht. Durch Abbildungen lässt sie sich besser gewinnen als durch Worte. Aus der verwirrenden Vielfalt der Geschehnisse kann das Wesentliche Das Buch ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Konzentration auf das Wesentliche und damit zur Erleichterung, zur Kommunikation, Diskussion und zur Praktizierung des strategischen Denkens. Auch hier lässt sich durch Abbildungen die Orientierung erheblich verbessern. Man erreicht sein Ziel nicht nur schneller, sondern vor allem sicherer. Viele Beispiele zeigen, wie sich in der Kompliziertheit der heutigen Verhältnisse durch Abbildungen Übersicht gewinnen lässt. Das für die strategischen Entscheidungen Wesentliche lässt sich augenfälliger verdeutlichen als „durch tausend Worte“. StrategieJournal [01-08] 9 Mewes Wie man die Informationsflut wie „Wasser auf die Mühle seiner Entwicklung“ leitet beschrieb Prof. Wolfgang Mewes bereits in einem Text aus den 70er Jahren: Wie entwickelt man eine Geschäftsidee weiter? Man erforscht erst einmal den Ist-Zustand; sammelt alle erreichbaren Informationen, diskutiert mit Freunden, sucht das Gespräch mit Fachleuten, abonniert die entsprechenden Fachzeitschriften, besucht Messen und Tagungen usw.: Was wird bisher schon Vergleichbares geliefert? Von wem? Was wird außerdem gebraucht? Wer sind die Auftraggeber - wie die Stückzahlen und Preise? Was sind die Probleme? Anfangs ist das Projekt nur eine Idee. Aus der Idee entwickelt sich eine Sammlung von Notizen und aus den Notizen eine Gliederung, unter der man seine bisherigen Informationen, Erfahrungen und Überlegungen schließlich in einer Kartei zusammenfasst. Es wird dringend empfohlen, diesen Weg - von der Idee über die Sammlung von Notizen und deren Gliederung zum Einrichten einer Kartei - möglichst schnell und konsequent zu gehen. Möglichst bald sollte man eine Gliederung des Projektes machen: das brennendste Problem, das man ins Auge gefasst hat, zu lösen? (Schritte zuerst ganz grob skizzieren, erst später aus dem sich verbessernden Informationsstand heraus verfeinern). Welcher Schritt ist der schwerste bzw. unsicherste (Engpass)? 3.) Welche Stückzahlen, Kosten, Preise und Gewinne? - Mit welchen Stückzahlen kann man rechnen, welche Preise kann man erzielen? Wie hoch sind Stückkosten und zu erwartende Gewinne? Wie verhält es sich mit festen Kosten (Grundkosten), veränderlichen Kosten (Leistungskosten), wie sieht ein Kosten-Umsatz-Gewinn-Diagramm aus etc. 4.) Kapitalbedarf: Welche Investitionen sind für Produktion, Betrieb und Absatz erforderlich? 5.) Finanzierungsplan: Wie lässt sich das benötigte Kapital beschaffen? 6.) Risiken: Welche Risiken sind mit der Verwirklichung des Projekts verbunden? 7.) Wie können diese Risiken ausgeschaltet bzw. reduziert werden? Anfangs glaubt man, diese Informationen nicht beschaffen zu können. Aber das Leben ist ein Lernprozess. Und zwar ein Lernprozess, den man weit über das bisher Vorstellbare hinaus optimieren kann. 1.) Bedarf: Wie sieht der Bedarf gegenwärtig aus? Wie wird das Problem bisher gelöst? Wer sind die Auftraggeber (Zielgruppe)? Wer sind die Lieferanten und wie sind ihre Marktanteile (Konkurrenzsituation)? Welche Probleme haben die Auftraggeber und welche werden als die brennendsten empfunden? Wie werden sich Markt und Bedarf zukünftig entwickeln? 2.) Ablaufplan: Was muss man erstens, zweitens, drittens, viertens usw. tun, um 10 StrategieJournal [01-08] Der elementare Drang, eine Lücke zu schließen: Eisenfeilspäne ordnen sich automatisch entlang einem Magnetfeld. Je konsequenter man ihn optimiert, um so mehr erhält man Informationen und entwickelt Fähigkeiten und Ideen, die man anfangs für nicht erreichbar hält. Wer ein Projekt entwickelt, sollte schon einige Zeit in diesem Bereich zu hause sein. Einige der erforderlichen Informationen hat er dann schon, und von anderen kennt er die Quellen und Personen, von denen er sie sich beschaffen kann. Durch eine möglichst frühzeitige Gliederung konkretisiert man die Informationen und Ideen. Aber vor allem kann man sein Gehirn effektiver arbeiten lassen. Und zwar einfach dadurch, dass man möglichst frühzeitig eine solche Gliederung macht. In ihr konkretisiert man die Informationen und Ideen, die man für seine weitere Entwicklung braucht, und durch diese Konkretisierung erhöht sich automatisch die Spannung, unter der das Gehirn nach diesen Informationen sucht. Das ist kein geheimnisvoller Zauber, sondern hat erklärbare Ursachen: Alle lebenden und selbst toten Systeme haben einen elementaren Drang, eine empfundene Lücke zu schließen. Und zwar: je stärker sie sie empfinden, desto sicherer und schneller. Es ist dieser elementare Drang, der beispielsweise Eisenfeilspäne automatisch zu einem Magnetfeld, Moleküle zu Molekülketten, Einzelbüsche zu Hecken zusammenschließen und Wunden heilen lässt. Je stärker unser Körper einen Mangel, beispielsweise einen Mangel an Nahrung, empfindet, desto konsequenter konzentriert er alle Sinne darauf, diese Lücke zu schließen. Wenn nötig so sehr, dass wir, wie beispielsweise ein Verdurstender in der Wüste an Wasser, an nichts anderes mehr als an das, was zum Schließen dieser Lücke notwendig ist, denken können. Und auch nichts anderes mehr empfinden. Mewes Informationen und Ideen zu konkretisieren. Weil das Gehirn nur nebelhaft tastet, statt konkret zu suchen, arbeitet es nicht so effektiv wie es könnte und bleiben die Erfolge zufällig, unsicher und klein. Man sollte sie deshalb möglichst frühzeitig machen. Ganz ohne Zwang: nur immer so weit, wie der jeweilige Informationsstand erlaubt. Von Zeit zu Zeit mache man Inventur: Welche Informationen habe ich inzwischen und welche fehlen mit noch? — Um damit die Spannung und über sie seine unterschwelligen Gehirnvorgänge auf den jeweiligen Rest zu konzentrieren. Es gilt, die Informationsflut durch einen systematischen Selektionsprozess auf die eigenen Mühlen zu leiten. (Foto: Andreas Trepte, Marburg) Was hier für die Nahrung gilt, gilt genauso für Informationen und Ideen: Je stärker eine Informationslücke, ein Informationsbedarf empfunden wird, desto stärker wird der innere Drang, sie zu schließen. Alle bewussten, aber vor allem auch unterbewussten Sinne konzentrieren sich darauf. Und weil diese Mobilisierung der Sinne und Kräfte über die Veränderung der Spannungsverhältnisse bis in den letzten atomaren Gehirnvorgang reicht, hat sie eine Wirkung, die das uns Vorstellbare weit übersteigt. Man braucht also seinem Gehirn nur genauer bewusst zu machen, welche Informationen und Ideen man braucht, um es automatisch eifriger nach ihnen suchen zu lassen. Entscheidend dafür, ob man die erforderlichen Informationen erhält, ist nicht die vorhandene Intelligenz, sondern die Stärke der Spannung, unter der das Gehirn sucht. Die Gliederung erhöht die Spannung. Zu Anfang ist die Wirkung einer solchen Gliederung unspürbar gering. So gering, dass man sie für gar nicht vorhanden hält. Aber die Konkretisierung der erforderlichen Informationen führt unterschwellig zu einer Präzisierung und Beschleunigung des Informationsprozesses, unter der die erforderlichen Informationen noch konkreter und der Informationsprozess noch präziser und schneller wird. Man weiß schon seit langem, dass unser Gehirn durch automatische Assoziationen arbeitet, aber dass man diese Assoziationen ganz einfach dadurch für seine Ziele optimieren kann, indem man sich die benötigten Informationen und Ideen immer wieder deutlich und schriftlich vor Augen führt, ist neu. Ohne konkretes Ziel werden wir von der täglichen Informationsflut haltlos hin und her gerissen. Solange wir kein Ziel haben und nicht recht wissen, was wir wollen, werden wir von der täglichen Informationsflut haltlos hin und her gerissen. Unser Gehirn nimmt die Informationen ziemlich zufällig und träge auf. Je genauer wir ihm bewusst machen, welche Informationen und Ideen wir brauchen, desto größer wird sein ‘Sog’ und auch die ‘Trennschärfe’, mit der es die — für unser Ziel — wichtigen Informationen von den unwichtigen trennt, und damit seine Effektivität. Aus der Flut der Informationen pickt es sich die für unser Ziel wichtigen heraus, wacher, trennschärfer, haftender, konsequenter. Aber, weil die Spirale zunächst unterschwellig beginnt und man die Zusammenhängen zwischen ihr und den später sichtbar werdenden Erfolgen nicht kennt, fängt man gar nicht erst an, die gesuchten Das Ergebnis: Die gleiche Informationsflut, die uns vorher überschwemmte und verwirrte, wird ‘zum Wasser auf der Mühle unserer Entwicklung’. Aus der anfangs tatsächlich nicht spürbaren Wirkung entwickelt sich in einer sich selbst steigernden Spirale eine immer weiter fortschreitende Konkretisierung, Präzisierung und Beschleunigung des Informations- und Lernprozesses, die dann über kurz oder lang auch spürbar wird. StrategieJournal [01-08] 11
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