Session 7 - Intelligenz, Bewusstsein, Selbstbewusstsein

Evolutionäre Grundlagen des
Sozialverhaltens
Intelligenz, Bewusstsein,
Selbstbewusstsein
ZÜR-07
Wichtige Stichwörter
„Social Brain Hypothesis“
„Theory of Mind“
„Machiavellian Intelligence“
„False belief tests“
„So groß nun auch
nichtsdestoweniger die
Verschiedenheit an Geist
zwischen dem Menschen und
den höheren Thieren sein mag,
so ist sie doch sicher nur eine
Verschiedenheit des Grads und
nicht der Art“
„Es ist ... keine
Übertreibung zu sagen,
dass das geistige Leben
des Menschen eine
neue Art von Leben sei“
1973:225
"Aus der Sicht der
Hirnforschung ist die
Annahme einer
Sonderstellung des
Menschen in der
Natur nicht
berechtigt. Das
menschliche Gehirn
hat denselben
Grundaufbau wie
das Gehirn anderer
Wirbeltiere und ist
vom Gehirn der
Affen auch in Details
kaum unterschieden“
Gerhard Roth 1994
Hirngewichte in g
Pottwal
8.500
Elefant
5.000
Mensch
1.300
Pferd
590
Gorilla
550
Schimpanse
400
Hund
135
Katze
30
Mausmaki
1,8
Maus
0,4
Mausmaki
Mensch
Hirngewicht
Körpergewicht
Verhältnis
1,8 g
60 g
1 : 33
1.300 g
60 kg
1 : 46
Folge der Köhler-Experimente:
Intelligenz wird als technologische Intelligenz verstanden
Die Intelligenz der nichtmenschlichen Primaten scheint
ein ‚Überflussphänomen‘ zu
sein, denn im Freiland machen
die Primaten von ihrer
technologischen Kompetenz
nur recht wenig Gebrauch.
Aber wie kann das sein?
Das biologische
Evolutionsgeschehen ist ein
konsequent ökonomisches
Prinzip, das niemals
ungenutzte Überflüsse
hervorbringen kann.
Die „Social Brain“-Hypothese
Der evolutionäre Erfolg der Primaten ist weniger ökologisch
als sozial begrenzt
Intelligenz entstand vorrangig durch soziale Herausforderungen,
weil das Sozialleben der Primaten sowohl Kooperation als auch
Wettbewerb innerhalb ein- und derselben Beziehungsdyade
erfordert („Machiavellische Intelligenz”)
„Social Brain“-Hypothese
„In komplexen Gesellschaften, wie sie unter den höheren
Primaten verbreitet sind, können die Gruppenmitglieder
Gewinn ziehen sowohl aus der Aufrechterhaltung der
Gruppenstruktur als auch durch Ausbeutung und Austricksen
der anderen Mitglieder. Das soziale System erfordert von
Beginn an, dass Primaten kalkulierende Wesen sind. Sie
müssen das wahrscheinliche Verhalten der anderen
vorausahnen können, Bilanzen von Kosten und Nutzen ziehen
können – und dies alles in einem sozialen Kontext, in dem die
Grundlagen dieser Kalkulationen sich ständig ändern können,
nicht zuletzt auf Grund des eigenen Verhaltens. In solch einer
Situation ist ‚social skill‘ gleichzusetzen mit Intellekt.“
N. K. Humphrey 1976: 309
Die biologische Evolution von Intelligenz
Das
Anpassungsproblem
Ökologische
Herausforderungen
Konventionelle
Sichtweise der
„Köhler-Tradition“
?
Soziale
Herausforderungen
„Social Brain“Hypothese
Soziale Planhandlungen?
• Kooperation
Soziale Planhandlungen?
• Kooperation
• soziale Manipulation
„gesichertes Drohen“
Soziale Planhandlungen unter Primaten
Kooperative Allianzen im Wettbewerb um Ressourcennutzung
Politische Unterstützung in Dominanzauseinandersetzungen
Lang dauernde Freundschaften
Beachtliche Investition in soziale Beziehungen („social grooming“)
Schlichtung und Versöhnung nach Streit („reconciliation“)
Wissen um die sozialen Beziehungen der Gruppenmitglieder
untereinander
Techniken sozialer Manipulation (Täuschung)
Soziale Planhandlungen unter Primaten
Kooperative Allianzen im Wettbewerb um Ressourcennutzung
Politische Unterstützung in Dominanzauseinandersetzungen
Lang dauernde Freundschaften
Beachtliche Investition in soziale Beziehungen („social grooming“)
Schlichtung und Versöhnung nach Streit („reconciliation“)
Wissen um die sozialen Beziehungen der Gruppenmitglieder
untereinander
Techniken sozialer Manipulation (Täuschung)
Die großen
Menschenaffen haben
in Bezug auf ihre
Gruppengröße einen
relativ größeren
Neocortex.
Dunbar 1998
Gängige Hypothese:
Die großen Menschenaffen haben eine Vorstellung
von der Intention der Anderen. Sie haben damit
Zugang zum Erleben von Dritten („Theory of
Mind“)
„Theory of mind“
„Theory of Mind“ (mind reading):
Das Wissen vom Wissen, Glauben,
Denken, Wollen, Verstehen, Wünschen
und anderen Bewusstseinszuständen
Ich weiß, dass sie
glaubt,ofdass
„Theory
mindich
“ sie liebe
Ich weiß,
dass sie
mich liebt
Ich weiß,
dass ich liebe
Ich weiß, dass sie glaubt,
ich sei der Überzeugung,
dass sie mich liebt
Ich weiß, dass sie glaubt, ich
sei der Überzeugung, dass sie
weiß, dass ich sie liebe
Ich weiß, dass sie glaubt, ich sei
der Überzeugung, dass sie weiß,
dass ich glaube, dass sie mich liebt
So genannte „false belief“Tests können nur von
Probanden gelöst werden,
die eigenes Wissen von
fremdem Wissen
unterscheiden können
120
% richtig
100
80
60
Ratewahrscheinlichkeit
40
3 Jahre
4 Jahre
5 Jahre
6 Jahre
Autisten
20
0
O‘Connell & Dunbar (2006)
„Theory of Mind“ bei Großen Menschenaffen?
Taktische
Täuschungen
Kognitive Empathie
Emotionale
Empathie
Selbsterkennung im
Spiegel
Foto: Bierschwale
Fotos: Bierschwale
Metakognition: Einige Menschenaffen können sich selbst zum
Objekt der eigenen Aufmerksamkeit machen (= sie sind sich
selbst bewusst, = erleben personale Identität)
Wozu Selbstbewusstsein ?
„Nur Organismen, die sich selbst erkennen lernen, sind in
der Lage, später eine ‚theory of mind‘ zu entwickeln“
(Gallup 1982)
„Wir erkennen andere als uns ähnlich“ (Gallese 2003)
“Die Kenntnis unserer eigenen mentalen Zustände erlaubt
Voraussagen über die Absichten von anderen” (Frith &
Frith 1999)
Aber:
Muss ich mich wirklich selbst verstehen, um andere
verstehen zu können?
Wozu Selbstbewusstsein ?
Selbstbewusstsein evolviert als Voraussetzung zum
Fremdverstehen.
Fremdverstehen evolviert im Zusammenhang sozialer
Herausforderungen. Kontingenzbewältigung ist das
adaptive Problem, nicht Selbsterkenntnis
Wozu Selbstbewusstsein ?
Es kommt zu einer Art kognitiver
Transferleistung: Die Kompetenz des
„Gedankenlesen“ wendet ego auf sich
selbst an
„Wir erkennen andere als uns ähnlich“
„Wir erkennen uns als anderen ähnlich“
Fazit
Metakognition (Selbstbewusstsein, und damit personale
Identität) ist Ausfluss der sozialen Evolution der
Primaten. Sie ist ein Nebeneffekt der adaptiven
Leistung des „Gedankenlesen“ („mind-reading“), also
eine nicht selektierte Nebenwirkung sozialer Intelligenz
Foto: Bierschwale
„Kann man dem menschlichen
Bewußtsein, das [...] sich aus
einem so niedrigen Bewußtsein
entwickelt hat, wie es das
niedrigste Lebewesen besitzt,
kann man ihm trauen, wenn
man so anspruchsvolle
Schlüsse zieht?“
Wichtige Stichwörter
„Social Brain Hypothesis“
„Theory of Mind“
„Machiavellian Intelligence“
„False belief tests“
Leistungsnachweis
Eine Seminararbeit zu einem selbst gewählten
Aspekt aus der Vorlesung.
Umfang: 8-10 Seiten, 1 ½-zeilig
Wissenschaftlicher Stil (kein Besinnungsaufsatz)
Deutsch oder Englisch
Termin: 31. Januar 2016, 12:00 h
[email protected]
https://www.ethz.ch/de/studium/rechtlichesabschluesse/leistungskontrollen/plagiate.html/