44 STROMVERSORGUNG USV IM RECHENZENTRUM www.polyscope.ch Wenn die Nebensache zur Hauptsache wird Vier hartnäckige Irrtümer aus der Welt schaffen Die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz, in Deutschland und Österreich liegt bei 99,997 Prozent. Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist winzig. Für 0,003 Prozent bzw. 15 Minuten im Jahr lohnt sich da grosses Aufheben wegen der USV? Wenn überhaupt eine USV einsetzen, genügt da nicht die günstigste am Markt? Vier weit verbreitete Irrtümer im Bereich USV. Eine richtige Gewitterstimmung ist faszinierend, sofern die Blitze nicht gleich im eigenen Haus einschlagen. Ein Direkteinschlag ins Gebäude ist mit einem ungeheuren Knall verbunden und traumatisch. Technisch gesehen muss ein sehr gutes Blitz- und Überspannungskonzept bestehen, damit nach dem Knall noch alles «läuft». Die USV ist da überhaupt nicht die Lösung, wenngleich wir dies immer wieder glauben. Nebst diesem beiläufig erwähnten Irrtum wollen wir uns vier Irrtümern stellen, die man in der «USVSzene» nach wie vor als «Stand der Technik» herumreicht. Irrtum 1: Die USV ist 15 Minuten pro Jahr aktiv In vielen europäischen Ländern ist die Stromversorgungssicherheit nach wie vor sehr gut. Blitzeinschlag – für Direktbetroffene traumatisch und für die Technik sehr heikel Sie dürfte in den nächsten Jahren allerdings abnehmen, weil einerseits das Stromnetz mehr und mehr an der Kapazitätsgrenze arbeitet und andererseits in einem voll liberalisierten Strommarkt, wo zur Hauptsache Finanzstrategen das Sagen haben, zu wenig in die Netzinfrastruktur investiert wird, denn Letzteres gibt ja kein Geld, es kostet nur. Von daher gesehen brechen also für USV-Hersteller glorreiche Zeiten an. Aber kommen wir auf Irrtum 1 zurück. USV sind immer aktiv, auch wenn sie für nur 15 Minuten pro Jahr angeschlossene Verbraucher mit Batterieenergie versorgen. Dies hat bedeutende Konsequenzen. Ein Beispiel dazu: Der USV-Einkäufer hat die Daten aus Hochglanzprospekten aller USV-Anbieter fein säuberlich in einer Excel-Liste zusammengetragen und entscheidet damit, welche Firma zum Auftrag kommt. Wir wollen uns einmal ein Detail näher ansehen und zeigen, wie untauglich solche Vergleiche sein können. Es liegt eine USV mit 20 kW Nennleistung vor. Im praktischen Betrieb arbeitet diese USV mit 7 kW, weil ein redundantes System vorliegt. Bei 3 Prozent besserem Wirkungsgrad im Teillastbetrieb ergäben sich jährliche Energieeinsparungen von 300 Franken (Fr. 0,16 pro kWh). Die Kosten zur Abführung der zusätzlichen «USV-Heizleistung» fallen etwa gleich hoch aus wie die Stromkosten, wenn man alles einbezieht. Insgesamt lassen sich pro Jahr grob gerechnet rund 600 Franken einsparen. Wie kommt das? Moderne USV haben im idealen Arbeitspunkt einen guten Wirkungsgrad. Leider trifft dies nicht auf den Betrieb bei extremer Teillast zu, wie das typisch bei redundantem Betrieb in einem Rechenzentrum der Fall ist. Eine «billige» USV von 20 kW kostet heute zirka 15 000 Franken, eine hochwertige 19 000 Franken. In zehn Jahren kommen da 6000 Franken Betriebskosten zusammen, andere Kosten nicht eingerechnet. Beim Einkäufer stellt sich natürlich die Frage, in welchem Zeithorizont er denkt. Erkenntnis: Hochglanzprospekte taugen wenig, wenn es wirklich ans Eingemachte geht. Hier müssen Spezialisten zur Entscheidung mithelfen. Um den Wirkungsgrad einer USV zu optimieren, werden diese heute gerne auf Bypass geschaltet. Energiebewusste IT-Leute schwören auf den Ecomode. Hier ist der Wechselrichter abgestellt, die USV läuft auf Bypass und erreicht in dieser Betriebsart laut Prospekt bis zu 98,5 Prozent Wirkungsgrad. Damit eine schnelle Umschaltung in den USVPolyscope 20/10 USV IM RECHENZENTRUM ST ROMVERSORGUNG USV im Bypass-Betrieb; Last hält Ausgangsfilter auf Betriebsstatus Betrieb überhaupt möglich ist, muss man den USV-Ausgangsfilter von der Lastseite her unter Spannung halten. Der stark kapazitiv wirkende Ausgangsfilter belastet den Bypass mit zusätzlichen Verlusten und auf der Netzseite wird bei schwacher Belastung insgesamt eine stark kapazitive Last wahrgenommen. Bei Stromausfall muss man auf USV-Betrieb umschalten, was bis zu 10 ms dauert. Computernetzteile kommen mit einem Stromunterbruch von 10 ms problemlos zurecht. Es gibt aber eine Reihe von Steuerungen, die sich damit schwer tun. Da darf man sich nicht wundern, wenn vor allem bei älteren Steuerungen mysteriöse Abstürze auftreten. Nebenbei: Auch Transformatoren können nach einem Stromunterbruch von 10 ms mit einem gewaltigen Einschaltstromstoss reagieren. Irrtum 2: Alle USV sind heute redundant aufbaubar Grundsätzlich ist diese Aussage richtig. Es fragt sich nur, was man unter redundant versteht. Auch in diesem Punkt erstaunt es, dass das Thema Redundanz selbst Ingenieurbüros auf einem Excel-Blatt abhandeln, als ob sich mit ein paar Zahlen bezüglich MTBF die tatsächlichen Vor- und Nachteile aufs Prozent genau festlegen liessen. Wenn das Thema Redundanz im Raume steht, wissen Serviceleute, dass ein erstaunlich hoher Anteil von USV-Abstürzen ihren Ursprung 50 cm vor der USV haben, nämlich durch Fehlbedienungen. Von daher gesehen ist ein Excel-Blatt mit minutiös eingetragenen MTBF usw. äusserst fragwürdig. Besser wären wohl eine klare Beurteilung des Bedienungskonzepts und geschulte Mitarbeiter. Und da sind wir nun mitten im Thema. Polyscope 20/10 Wenn nur eine einzige Bedienungseinheit für alle parallel geschalteten USV besteht, kann man die redundante Anlage auch mit einem einzigen Fehlklick ins Nirwana befördern. Wie fahrlässig sich Redundanz beurteilen lässt, sollen ein paar weitere Begründungen zeigen: ■ Wenn für mehrere parallel geschaltete USV nur ein Steuerteil besteht und dieses ausfällt, ist es aus mit der Redundanz. ■ Wenn es nur einen einzigen statischen Bypass für alle parallelen USV gibt und dieser ausfällt, ist es vorbei mit der Redundanz. ■ Wenn es nur ein einziges Anzeige- und Bediensystem für alle parallelen USV gibt und dieses ausfällt, ist Blindflug angesagt, was sehr gefährlich ist. Erkenntnis: Von echter Redundanz ist nur dann die Rede, wenn jedes Teilsystem redundant aufgebaut ist, und auch wirklich nur dann. Irrtum 3: Die Batterietechnik ist überall gleich Schon mancher Einkäufer von USV-Anlagen war enttäuscht, wenn nicht gar erbost, weil seine Batterien nicht die im Prospekt ausgewiesenen 13 Jahre überlebt haben, sondern er sie schon nach 8 Jahren für viel Geld ersetzen musste. Wie kommt das? Die 12 bis 15 Jahre «Normlebenserwartung» ermittelt man mit speziellen Prüfverfahren. Diese Lebenserwartung bezieht sich auf eine Umgebungstemperatur von 20 °C bei 10 Stunden Entladung. Bei USV-Applikationen erfolgt der Einsatz der Batterien meistens bei deutlich höherer Umgebungstemperatur und die Entladung erfolgt extrem schnell. Die Lebenserwartung der Batterie halbiert sich pro 45 46 STROMVERSORGUNG USV IM RECHENZENTRUM 10 °C höherer Umgebungstemperatur. Verheerend wirkt sich für Batterien im gleichen Strang eine stark unterschiedliche Temperatur aus. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn ein Teil des Batteriestranges dem warmen Abluftstrom einer USV ausgesetzt ist. Bei einer allfälligen Wärmeschichtung im Batterieraum ist unbedingt darauf zu achten, dass alle Batterien eines Stranges auf gleicher Höhe mit gleicher Temperatur liegen. Nebenbei gesagt, es lohnt sich, wenn Batterien im Keller an einem kühlen Ort aufgebaut werden, die Lebenserwartung ist deutlich höher. Aber jetzt noch ein paar immer wieder anzutreffende Irrtümer bezüglich Batterien: ■ Bei vielen USV-Systemen ist nur ein Batteriepaket möglich – wo bleibt da die Redundanz? ■ Batterien sind sehr sicher, doch ein Ausfall einer Batterie von 20 in Serie geschalteten Batterien verursacht einen Totalausfall der USV. Viele USV-Systeme belasten Batterien mit Rippelstrom. Folge: Batterien werden wärmer und dadurch sinkt ihre Lebenserwartung. ■ Sind Batterien direkt im Zwischenkreis aktiv, können Verbraucher, die periodische Lastsprünge produzieren, die Lebenserwartung der Batterien drastisch reduzieren. Erkenntnis: Weil Batterien bei USV-Systemen einen erheblichen Kostenfaktor darstellen, lohnt es sich, die Technik der USV genau unter die Lupe zu nehmen. ■ Irrtum 4: Technische Daten unterscheiden sich kaum Wer die Unterlagen von USV-Anbietern studiert, gelangt zur Erkenntnis, dass eine Weiterentwicklung von USV-Systemen kaum mehr möglich ist, denn die Systeme sind bereits perfekt. So gesehen versteht man Einkäufer von USV-Systemen ohne Kaum jemand liebt Hochspannungsleitungen, doch alle profitieren davon, und wehe, wenn diese ausfallen &:/ 7"1B7/=:BA9/ ** ("99/C:/ 5/C #/79@+ *#C B743F7#=1 ?" 174H&CCF#=17@ 8FHDF#AD$$74#7@ #@ 2#3#$DFHDC74D% ,-7%"F$D$7 D4##747@ !7 @D=1 >DC74D. B74A4D"=1$7 6D$$74#7@ C)%%7@ :74 B74HD"5%%$7FF7 ?"4)=H37A4D=1$ G74:7@. ' 66F 7/:;?9/C DF% 8FHDF#06D$$74#7@ :74 3F7#=17@ +4&%%7 ' 8"%37?7#=1@7$7 ;7#%$"@3 D"=1 A7# /E$47C$7C974D$"47@ <@ <DG2' =:A E>G2' ' ;D3745(1#3H7#$ <@ ,) %"?C/1 %/9H9 4:9 1.;? 4/?C $.0/C8 5"3/C9 - 4"7 7!1B/C@ USV IM RECHENZENTRUM technisches Detailverständnis, wenn sie nur den Anschaffungspreis beachten. Doch es gibt nach wie vor deutliche Unterschiede, man muss nur die Details genauer analysieren: ■ Die meisten USV-Systeme am Markt erlauben keinen echten redundanten Betrieb – es besteht immer ein »Single Point Of Failure». ■ Viele USV-Systeme können die Nennleistung nur erbringen, wenn es ohmsche oder induktive Last ist, was bei Rechenzentren nie der Fall ist. ■ Viele USV-Systeme verfügen nur bei Nennlast am Netzeingang über kleine harmonische Verzerrungen, bei 30 Prozent Auslastung hingegen über eine erhebliche Verzerrung. ■ Bei vielen USV-Systemen ist ein Auswechseln von Modulen nicht durch eine einzige Person zu bewerkstelligen, weil der Aufbau der USV dies nicht erlaubt. ■ ■ Der Quadratmeterpreis in Rechenzentren ist hoch, von daher gesehen lohnt sich auch ein Blick auf die Leistungsdichte einer USV. USV-Systeme sollten mit dem Strombedarf der IT-Abteilung wachsen, denn eine anfangs zu gross dimensionierte USV-Leistung kann unnötig Energie verbraten. Newave –Trendsetter im USV-Bereich Newave ist eine 1993 gegründete Schweizer Firma mit Sitz im Tessin. Sowohl Entwicklung als auch Produktion erfolgen in der Schweiz. Das Unternehmen ist in vielen Ländern mit Vertretungen präsent. Es darf für sich in Anspruch nehmen, Trendsetter in der USV-Technologie zu sein. Mit Billigprodukten kann der USV-Hersteller nicht konkurrieren, jedoch bei einer Kostenbilanz über zehn Jahre bestens. Das Leistungsspektrum der angebotenen USV reicht von 1 bis 3000 kW. ITQ '%&"*)#)$!%( !(! %$(' '(#"& )6.*5#5*13)672%5*0* 2.5/9<*52/57)67 9 EKB:PF,K4? IQ2L(B.F4?B <S8 # "" 12( 9 G0?K:PF,K4? IQ2L(B.F4?B "< # ;8<< 12( 9 QMQ 7QNFNK,6P?0 M0FB,U?0LQ6PF.N?05 J< # 8%<< ( 9 ).?K6P0K6PN?0 7GHL2?0,>04-B45 'S;# J<<< ( 9 =.ADP??. 7GABF*K,6P?, EB?04K?,:?K6P?0,A,N?* *KN Q6PD-B40FO5 "@<# "<<< 1/ 9 X>**-BK1FNK>B,,>UNDF0? 9 VFNN?0K?B U+0 F..? IQ2LW?K,N-B4?B -BO =F!0K1FN? 9 Q?0&K6? 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