Vier hartnäckige Irrtümer aus der Welt schaffen

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STROMVERSORGUNG
USV IM RECHENZENTRUM
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Wenn die Nebensache zur Hauptsache wird
Vier hartnäckige Irrtümer
aus der Welt schaffen
Die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz, in Deutschland und Österreich liegt bei 99,997 Prozent.
Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist winzig. Für 0,003 Prozent bzw. 15 Minuten im Jahr lohnt sich da
grosses Aufheben wegen der USV? Wenn überhaupt eine USV einsetzen, genügt da nicht die günstigste
am Markt? Vier weit verbreitete Irrtümer im Bereich USV.
Eine richtige Gewitterstimmung ist faszinierend, sofern die Blitze nicht gleich im eigenen Haus einschlagen. Ein Direkteinschlag
ins Gebäude ist mit einem ungeheuren Knall
verbunden und traumatisch. Technisch gesehen muss ein sehr gutes Blitz- und Überspannungskonzept bestehen, damit nach
dem Knall noch alles «läuft». Die USV ist da
überhaupt nicht die Lösung, wenngleich wir
dies immer wieder glauben. Nebst diesem
beiläufig erwähnten Irrtum wollen wir uns
vier Irrtümern stellen, die man in der «USVSzene» nach wie vor als «Stand der Technik»
herumreicht.
Irrtum 1: Die USV ist 15 Minuten
pro Jahr aktiv
In vielen europäischen Ländern ist die Stromversorgungssicherheit nach wie vor sehr gut.
Blitzeinschlag – für Direktbetroffene traumatisch
und für die Technik sehr heikel
Sie dürfte in den nächsten Jahren allerdings
abnehmen, weil einerseits das Stromnetz
mehr und mehr an der Kapazitätsgrenze
arbeitet und andererseits in einem voll liberalisierten Strommarkt, wo zur Hauptsache
Finanzstrategen das Sagen haben, zu wenig
in die Netzinfrastruktur investiert wird, denn
Letzteres gibt ja kein Geld, es kostet nur. Von
daher gesehen brechen also für USV-Hersteller glorreiche Zeiten an.
Aber kommen wir auf Irrtum 1 zurück.
USV sind immer aktiv, auch wenn sie für nur
15 Minuten pro Jahr angeschlossene Verbraucher mit Batterieenergie versorgen. Dies
hat bedeutende Konsequenzen. Ein Beispiel
dazu: Der USV-Einkäufer hat die Daten aus
Hochglanzprospekten aller USV-Anbieter fein
säuberlich in einer Excel-Liste zusammengetragen und entscheidet damit, welche Firma
zum Auftrag kommt. Wir wollen uns einmal
ein Detail näher ansehen und zeigen, wie untauglich solche Vergleiche sein können.
Es liegt eine USV mit 20 kW Nennleistung
vor. Im praktischen Betrieb arbeitet diese
USV mit 7 kW, weil ein redundantes System
vorliegt. Bei 3 Prozent besserem Wirkungsgrad im Teillastbetrieb ergäben sich jährliche Energieeinsparungen von 300 Franken
(Fr. 0,16 pro kWh). Die Kosten zur Abführung
der zusätzlichen «USV-Heizleistung» fallen
etwa gleich hoch aus wie die Stromkosten,
wenn man alles einbezieht. Insgesamt lassen
sich pro Jahr grob gerechnet rund 600 Franken einsparen. Wie kommt das?
Moderne USV haben im idealen Arbeitspunkt einen guten Wirkungsgrad. Leider
trifft dies nicht auf den Betrieb bei extremer
Teillast zu, wie das typisch bei redundantem Betrieb in einem Rechenzentrum der
Fall ist. Eine «billige» USV von 20 kW kostet
heute zirka 15 000 Franken, eine hochwertige 19 000 Franken. In zehn Jahren kommen
da 6000 Franken Betriebskosten zusammen,
andere Kosten nicht eingerechnet. Beim Einkäufer stellt sich natürlich die Frage, in welchem Zeithorizont er denkt.
Erkenntnis: Hochglanzprospekte taugen
wenig, wenn es wirklich ans Eingemachte
geht. Hier müssen Spezialisten zur Entscheidung mithelfen.
Um den Wirkungsgrad einer USV zu optimieren, werden diese heute gerne auf
Bypass geschaltet. Energiebewusste IT-Leute
schwören auf den Ecomode. Hier ist der
Wechselrichter abgestellt, die USV läuft auf
Bypass und erreicht in dieser Betriebsart laut
Prospekt bis zu 98,5 Prozent Wirkungsgrad.
Damit eine schnelle Umschaltung in den USVPolyscope 20/10
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USV im Bypass-Betrieb; Last hält Ausgangsfilter auf Betriebsstatus
Betrieb überhaupt möglich ist, muss man den
USV-Ausgangsfilter von der Lastseite her unter Spannung halten.
Der stark kapazitiv wirkende Ausgangsfilter belastet den Bypass mit zusätzlichen
Verlusten und auf der Netzseite wird bei
schwacher Belastung insgesamt eine stark
kapazitive Last wahrgenommen. Bei Stromausfall muss man auf USV-Betrieb umschalten, was bis zu 10 ms dauert. Computernetzteile kommen mit einem Stromunterbruch
von 10 ms problemlos zurecht. Es gibt aber
eine Reihe von Steuerungen, die sich damit
schwer tun. Da darf man sich nicht wundern,
wenn vor allem bei älteren Steuerungen mysteriöse Abstürze auftreten. Nebenbei: Auch
Transformatoren können nach einem Stromunterbruch von 10 ms mit einem gewaltigen
Einschaltstromstoss reagieren.
Irrtum 2: Alle USV sind heute
redundant aufbaubar
Grundsätzlich ist diese Aussage richtig. Es
fragt sich nur, was man unter redundant versteht. Auch in diesem Punkt erstaunt es, dass
das Thema Redundanz selbst Ingenieurbüros
auf einem Excel-Blatt abhandeln, als ob sich
mit ein paar Zahlen bezüglich MTBF die tatsächlichen Vor- und Nachteile aufs Prozent
genau festlegen liessen.
Wenn das Thema Redundanz im Raume
steht, wissen Serviceleute, dass ein erstaunlich hoher Anteil von USV-Abstürzen ihren
Ursprung 50 cm vor der USV haben, nämlich
durch Fehlbedienungen. Von daher gesehen
ist ein Excel-Blatt mit minutiös eingetragenen MTBF usw. äusserst fragwürdig. Besser
wären wohl eine klare Beurteilung des Bedienungskonzepts und geschulte Mitarbeiter.
Und da sind wir nun mitten im Thema.
Polyscope 20/10
Wenn nur eine einzige Bedienungseinheit
für alle parallel geschalteten USV besteht,
kann man die redundante Anlage auch mit
einem einzigen Fehlklick ins Nirwana befördern. Wie fahrlässig sich Redundanz beurteilen lässt, sollen ein paar weitere Begründungen zeigen:
■ Wenn für mehrere parallel geschaltete
USV nur ein Steuerteil besteht und dieses
ausfällt, ist es aus mit der Redundanz.
■ Wenn es nur einen einzigen statischen
Bypass für alle parallelen USV gibt und
dieser ausfällt, ist es vorbei mit der Redundanz.
■ Wenn es nur ein einziges Anzeige- und
Bediensystem für alle parallelen USV gibt
und dieses ausfällt, ist Blindflug angesagt,
was sehr gefährlich ist.
Erkenntnis: Von echter Redundanz ist nur
dann die Rede, wenn jedes Teilsystem redundant aufgebaut ist, und auch wirklich nur
dann.
Irrtum 3: Die Batterietechnik
ist überall gleich
Schon mancher Einkäufer von USV-Anlagen
war enttäuscht, wenn nicht gar erbost, weil
seine Batterien nicht die im Prospekt ausgewiesenen 13 Jahre überlebt haben, sondern
er sie schon nach 8 Jahren für viel Geld ersetzen musste. Wie kommt das? Die 12 bis
15 Jahre «Normlebenserwartung» ermittelt
man mit speziellen Prüfverfahren. Diese Lebenserwartung bezieht sich auf eine Umgebungstemperatur von 20 °C bei 10 Stunden
Entladung. Bei USV-Applikationen erfolgt
der Einsatz der Batterien meistens bei deutlich höherer Umgebungstemperatur und die
Entladung erfolgt extrem schnell. Die Lebenserwartung der Batterie halbiert sich pro
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10 °C höherer Umgebungstemperatur. Verheerend wirkt sich für Batterien im gleichen
Strang eine stark unterschiedliche Temperatur aus. Das wäre beispielsweise dann der
Fall, wenn ein Teil des Batteriestranges dem
warmen Abluftstrom einer USV ausgesetzt
ist. Bei einer allfälligen Wärmeschichtung im
Batterieraum ist unbedingt darauf zu achten,
dass alle Batterien eines Stranges auf gleicher
Höhe mit gleicher Temperatur liegen.
Nebenbei gesagt, es lohnt sich, wenn Batterien im Keller an einem kühlen Ort aufgebaut
werden, die Lebenserwartung ist deutlich höher. Aber jetzt noch ein paar immer wieder
anzutreffende Irrtümer bezüglich Batterien:
■ Bei vielen USV-Systemen ist nur ein
Batteriepaket möglich – wo bleibt da die
Redundanz?
■ Batterien sind sehr sicher, doch ein Ausfall
einer Batterie von 20 in Serie geschalteten
Batterien verursacht einen Totalausfall
der USV.
Viele USV-Systeme belasten Batterien
mit Rippelstrom. Folge: Batterien werden
wärmer und dadurch sinkt ihre Lebenserwartung.
■ Sind Batterien direkt im Zwischenkreis
aktiv, können Verbraucher, die periodische
Lastsprünge produzieren, die Lebenserwartung der Batterien drastisch reduzieren.
Erkenntnis: Weil Batterien bei USV-Systemen
einen erheblichen Kostenfaktor darstellen,
lohnt es sich, die Technik der USV genau unter die Lupe zu nehmen.
■
Irrtum 4: Technische Daten
unterscheiden sich kaum
Wer die Unterlagen von USV-Anbietern
studiert, gelangt zur Erkenntnis, dass
eine Weiterentwicklung von USV-Systemen
kaum mehr möglich ist, denn die Systeme
sind bereits perfekt. So gesehen versteht
man Einkäufer von USV-Systemen ohne
Kaum jemand liebt Hochspannungsleitungen,
doch alle profitieren davon, und wehe, wenn
diese ausfallen
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USV IM RECHENZENTRUM
technisches Detailverständnis, wenn sie
nur den Anschaffungspreis beachten. Doch
es gibt nach wie vor deutliche Unterschiede,
man muss nur die Details genauer analysieren:
■ Die meisten USV-Systeme am Markt erlauben keinen echten redundanten Betrieb –
es besteht immer ein »Single Point Of
Failure».
■ Viele USV-Systeme können die Nennleistung nur erbringen, wenn es ohmsche
oder induktive Last ist, was bei Rechenzentren nie der Fall ist.
■ Viele USV-Systeme verfügen nur bei
Nennlast am Netzeingang über kleine
harmonische Verzerrungen, bei 30 Prozent
Auslastung hingegen über eine erhebliche
Verzerrung.
■ Bei vielen USV-Systemen ist ein Auswechseln von Modulen nicht durch eine
einzige Person zu bewerkstelligen, weil der
Aufbau der USV dies nicht erlaubt.
■
■
Der Quadratmeterpreis in Rechenzentren
ist hoch, von daher gesehen lohnt sich
auch ein Blick auf die Leistungsdichte
einer USV.
USV-Systeme sollten mit dem Strombedarf der IT-Abteilung wachsen, denn eine
anfangs zu gross dimensionierte USV-Leistung kann unnötig Energie verbraten.
Newave –Trendsetter im USV-Bereich
Newave ist eine 1993 gegründete Schweizer
Firma mit Sitz im Tessin. Sowohl Entwicklung als auch Produktion erfolgen in der
Schweiz. Das Unternehmen ist in vielen
Ländern mit Vertretungen präsent. Es darf
für sich in Anspruch nehmen, Trendsetter
in der USV-Technologie zu sein. Mit Billigprodukten kann der USV-Hersteller nicht
konkurrieren, jedoch bei einer Kostenbilanz
über zehn Jahre bestens. Das Leistungsspektrum der angebotenen USV reicht von
1 bis 3000 kW.
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Polyscope 20/10
ST ROMVERSORGUNG
Fazit
Alle Unternehmen geben sich heutzutage
einen «grünen Anstrich». Dazu, könnte man
meinen, gehört auch die USV-Anlage mit bestem Wirkungsgrad. So wirkt der grüne Anstrich auch glaubwürdig. Aber da muss man
doch bemerken: «Das Brötchen und das Geld
sind nicht gleichzeitig zu haben und der Bäckersfrau Kuss auch noch dazu.»
«
Infoservice
Newave Energy AG
Industriestrasse 5, 5432 Neuenhof
Tel. 056 416 01 01, Fax 056 416 01 00
[email protected], www.newavenergy.ch
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