- Alpine Rettung Schweiz

bergretter
AUSGABE 3 3
| DEZEMBER 2015
10 Jahre ARS | Seite 2
Editorial | Seite 3
ARS-Ausbildungsteam | Seite 5
Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen | Seite 7
Zusammenarbeit mit der Polizei | Seite 8
Lawinen und Recht | Seite 9
IKAR-Kongress | Seite 10
Bergrettung in Irland | Seite 12
100 Jahre Rettungsstation Airolo | Seite 14
Bergretter im Profil | Seite 15
geschäftsleitung
2
JUBILÄUM
Zehn Jahre und ein paar Meilensteine
Im Vergleich mit vielen Rettungsstationen ist die ARS ein Jungspund. Ein kurzer
Blick auf ihre kurze Geschichte lohnt sich
trotzdem.
«Alarm beim SAC: Bergretter vor dem Aus»,
titelte der Sonntags-Blick im August 2004.
Andreas Lüthi, damals Präsident der Rettungskommission des SAC, malte in den düstersten Farben: «Es muss etwas geschehen,
sonst müssen wir die Bergrettung aufgeben.» Und es geschah etwas: Am 24. Oktober 2005 gründeten SAC und Rega zusammen die Stiftung «Alpine Rettung Schweiz».
Seither kam die Bergrettung vornehmlich in
die Schlagzeilen, wenn sie anderen in der Not
half, und nicht mehr, weil sie selber in Not
war.
Die Krise vor der Gründung hatte viel mit Geld
zu tun gehabt. Die technische Ausrüstung der
Rettungsstationen und die Ausbildung der
Retterinnen und Retter wurden professioneller und teurer. Gleichzeitig schrumpften die
Umsätze, weil heute meist auf dem Luftweg
gerettet wird. Als einziger SAC-Vertreter
kommt dabei der Fachspezialist Helikopter
zum Zug – wenn überhaupt. Die Schere zwischen den Kosten für die Aufrechterhaltung
der Rettungsbereitschaft und den Erträgen
aus den Einsätzen öffnete sich immer stärker.
Die Beiträge von Rega und Kantone entlaste-
Der Funken hat gezündet. Nach 10 Jahren ist die ARS im Bergrettungswesen etabliert. Foto: zvg
ten den SAC zwar, aber nicht hinreichend.
Doch zurück zu den Anfängen. Am 1. Januar
plettiert Ausbildungschef Theo Maurer das
Solides Fundament
2006 übernahm Andres Bardill die Geschäfts-
Team. Die drei bilden bis heute die Geschäfts-
Mit der Gründung der ARS bekam die Berg-
führung der ARS. Vorerst war sein Arbeits-
leitung der ARS. Stiftungsratspräsident ist
rettung ein solides Fundament, wie ein Blick
platz in Bern am Sitz des SAC. Die Züglete an
seit 2009 Franz Stämpfli. «Die hohe perso-
auf die letztjährige Rechnung zeigt: Rund
den heutigen Standort im Rega Center am
nelle Konstanz ist ein wichtiger Erfolgsfak-
40 Prozent des Umsatzes stammen aus Er-
Flughafen Kloten wurde aber noch im glei-
tor», ist Andres Bardill überzeugt.
trägen für Leistungen. 30 Prozent kommen
chen Jahr be- und bis Ende 2007 abgeschlos-
Was die ARS-Crew in den letzten Jahren
von der Rega, gut 17 Prozent von den Kanto-
sen. Aufgrund der engen Zusammenarbeit
­erreicht hat, kann sich sehen lassen. Zum
nen. Ein Zehntel wird durch Spenden und Le-
mit der Rega drängte sich das geografische
Beispiel der rechtliche Status der Retterin-
gate gedeckt, und das Scherflein, das der
Zusammenrücken auf. Bardills Stellvertrete-
nen und Retter: Er war lange Zeit prekär. So­
SAC beiträgt, macht weniger als 3 Prozent
rin Elisabeth Floh Müller nahm ihre Arbeit
zialversicherungsrechtlich
aus.
Mitte 2007 auf. Seit dem 1. Januar 2008 kom-
schlecht gestellt, der Unfallschutz war vieler-
waren
sie
oft
editorial
3
Franz Stämpfli,
Stiftungsratspräsident
orts mässig. Als die ARS 2007 das gesamte
Kantonen, die auf ihrem Gebiet Rettungssta-
Einsatzinkasso übernahm, wurde sie gleich-
tionen haben. «Das ist aus finanzieller Sicht,
zeitig zur alleinigen Arbeitgeberin der Ret-
vor allem aber auch für unsere Legitimation
tungsleute im Einsatz. Damit waren diese be-
wichtig», sagt Bardill. Schliesslich sei man in
rufsunfallversichert, und die Stiftung zahlte
einem Bereich tätig, der eigentlich zum Auf-
die Sozialabgaben an die AHV. Die SAC-Sek-
gabenbereich der öffentlichen Hand gehöre.
tionen waren von der Haftung für die Tätigkeit
Noch fehlen die Vereinbarungen mit den Kan-
ihrer Rettungsstationen entbunden. Die ARS
tonen der Romandie (vgl. Artikel Seite 7).
strebt die gleiche Lösung mit Partnern wie
Polizei, Feuerwehr oder den Höhlenrettern
Härtetests
an: Wer für die ARS im Einsatz ist, soll auch
Es sind oft grosse Ereignisse, die zeigen, ob
unter ihrer Verantwortung stehen. Die eine
neue Konzepte und Strukturen etwas taugen.
oder andere Organisation vermutete hinter
Auch davon gab es in der kurzen Geschichte
diesem Ansinnen zwar Übernahmegelüste,
der ARS einige. Zu einer Bewährungsprobe
inzwischen liessen sich aber eine ganze
wurde im Januar 2010 das grosse Lawinen-
Reihe von Partnern überzeugen. Mit weite-
unglück am Drümännler im Diemtigtal. In den
ren ist die ARS im Gespräch.
Schneemassen kamen sieben Menschen
ums Leben, darunter ein Rega-Arzt. So grau-
Ausbildung vereinheitlicht
envoll die Opferbilanz auch ausfiel, so hätten
Ein grosser Brocken im Pflichtenheft der ARS
sich die Ausbildungsvorgaben, Führungs-
ist die Ausbildung, die Domäne von Theo
grundsätze und die Zusammenarbeit mit den
Maurer. Anfang 2010 wurden die drei Funk­
Partnerorganisationen in dieser Ausnahme­
tionsstufen Retter I, II und III eingeführt. Et-
situation doch bewährt, sagt Andres Bardill.
was länger liess das Lehrmittel auf sich war-
Zeit, sich auf Lorbeeren auszuruhen, bleibt
ten. Das umfassende Werk wurde zusam-
dennoch keine. «Ausbildung, Strukturen, Ab-
men mit der Kantonalen Walliser Rettungsor-
läufe und Organisation müssen kontinuierlich
ganisation (KWRO) und der Schweizer Ar-
überdacht und weiterentwickelt werden»,
mee erarbeitet. Seit September 2012 liegt
sagt der Geschäftsführer. Die Bergrettung
der Ordner vor und wird nun eingesetzt.
sehe sich steigenden Erwartungen gegen-
Die medizinische Ausbildung und Ausrüs-
über. Wie sie laientauglich bleiben und doch
tung ist speziell geregelt und wird seit 2011
zur vermehrten Zusammenarbeit mit Profis
durch einen Fachmann koordiniert. Die Ge-
fähig werden könne, sei eine der grossen Fra-
samtverantwortung für den Bereich Medizin
gen der Zukunft.
hatte der Stiftungsrat ein Jahr zuvor der Rega
Eine andere ständige Herausforderung ist
übertragen. Mit ihren «fliegenden» Ärzten
das Leid, mit dem Retterinnen und Retter
und jenen, die in der Einsatzzentrale 1414
zwangsläufig konfrontiert werden. Beson-
rund um die Uhr für Abklärungen zur Verfü-
ders schwer zu verarbeiten sind Unglücks-
gung stehen, ist die Rettungsflugwacht prä-
fälle, wenn es einen aus den eigenen Reihen
destiniert dafür. «Damit tragen wir den ge-
trifft. Die ARS blieb in ihrer kurzen Geschichte
stiegenen Ansprüchen der Patienten an die
auch davon nicht verschont. Letztes Jahr
Rettungsmedizin Rechnung», sagt ARS-Ge-
starb ein Retterkamerad beim Einsatz. Ein
schäftsführer Bardill.
schwerer Schlag, der allen Sicherheitsmass-
Zu den ARS-Meilensteinen gehören für ihn
nahmen zum Trotz wohl nie ganz ausge-
auch die Leistungsvereinbarungen mit den
schlossen werden kann.
Editorial
Liebe Retterin, lieber Retter
Am 24. Oktober 2005 beglaubigte ich als Fürsprecher und Notar die Gründung der Alpinen Rettung
Schweiz. Vom «Taufpaten» bin ich inzwischen
zum Präsidenten der ARS geworden und immer
noch überzeugt davon, dass es damals richtig
war, die Bergrettung in einer Stiftung zu verselbstständigen. Die gebündelten Kräfte der
Stifter SAC und Rega machen die ARS zu einem
starken privaten Akteur in der öffentlichen Sicherheit.
Das soll so bleiben. Doch es gibt Entwicklungen,
die dem zuwiderlaufen. Der Trend zur Verstaatlichung von privat und solidarisch organisierten
Bereichen des Gesundheits- und Sozialwesens
macht mir Sorge. Besonders störend finde ich es,
wenn das Prinzip der Eigenverantwortung, das
gerade in Berggebieten noch funktioniert, von
meist bürgerlichen politischen Mehrheiten fahrlässig aufs Spiel gesetzt wird. Nachbarländer mit
hohen Staatsquoten und behördlicher Planwirtschaft in der öffentlichen Sicherheit zeigen deutlich, dass dies kein erstrebenswerter Weg ist.
Wir werden uns deshalb weiterhin dafür einsetzen, dass die ARS ihre Kompetenzen in der Bergrettung behalten kann, und zwar verbindlich geregelt in Verträgen mit den Kantonen und der Eidgenossenschaft. Damit fördern wir den typisch
schweizerischen Solidaritätsgedanken in unserem Bereich.
Ich wünsche mir auch von euch, liebe Retterinnen, liebe Retter, dass ihr die politischen Steuermänner und -frauen und den überbordenden Aktivismus der Verwaltung kritisch im Auge behaltet.
Einmal geschaffene Verwaltungsinfrastrukturen
und -einheiten sind langlebig und neigen zum
Wachstum. Die Kosten berappen wir Steuerzahlenden.
Für euren Einsatz als Retterinnen und Retter,
aber auch als kritische Bürgerinnen und Bürger,
die sich für das Erfolgsmodell ARS einsetzen,
danke ich euch.
Franz Stämpfli
geschäftsleitung
4
JUBILÄUM
Vorwiegend sonnig und einige Wolkenfelder
Was halten die Leute an der Front von der
Rettungschef Arosa, die ARS. Ohne den
und Rettungschefs etwas mit den dazwi-
ARS? Die Rettungschefs zeigen sich in
Rückhalt der ARS zu spüren, würde er die
schengeschalteten Regionalvereinen zu tun
­e iner Umfrage mehrheitlich zufrieden.
Verantwortung seines Amtes nicht tragen
hat, und schlägt vor, diese aufzulösen.
Anlass zu Kritik geben die Administra-
wollen.
Nicht nur mit Kommunikation hat das Anliegen von zwei Rettungschefs aus der West-
tion, steigende Anforderungen und die
Kommunikation.
Das Kreuz mit der Administration
schweiz zu tun. Gabriel Pythoud, Bulle, und
Nach so viel Lob zur Kritik. Ein Belastung sind
Olivier Savary, Villars, beklagen, dass die Ro-
Zuerst die gute Nachricht. Die Frage, ob es
für eine ganze Reihe von Rettungschefs ad-
mandie zu wenig Gehör finde in der ARS. Als
die ARS brauche, wird unisono bejaht. «Indis-
ministrative Arbeiten und Abläufe, auch
sehr gut beurteilt dagegen Toni Schertenleib,
pensable», «necessario», «nicht mehr weg-
wenn die Unterstützung der Geschäftsstelle
Kandersteg, den Austausch zwischen der
zudenken», tönt es aus allen Landesteilen.
in entsprechenden Fragen immer wieder po-
Geschäftsstelle und den Rettungsstationen.
Die 23 Rettungschefs, die auf die kleine Um-
sitiv erwähnt wird. «Die Papierflut hat seit
Ihm fehlt jedoch ein moderierter Anlass, an
frage geantwortet haben, schreiben auch,
der Gründung der ARS merklich zugenom-
dem Stationen, ARS und Rega Erfahrungen,
weshalb die zehnjährige Stiftung so
men», moniert etwa Forti Niederer, Prätti-
Fragen und Visionen austauschen und klären
wichtig geworden ist für das Ret-
gau.
tungswesen. Die einheitliche und
besser
gewordene
Andere
bemängeln
könnten.
lange Lieferfristen für Mate-
Ausbildung
rial und Kleider. Einige Ret-
Retten als Hobby
tungschefs
beschränken
Ein drittes Thema, das immer wieder ange-
schaft genannt, die zentrale Mate-
sich nicht aufs Rügen,
sprochen wird, sind die steigenden Anforde-
rial- und Kleiderbeschaffung wird
sondern bringen konkrete
rungen an die Bergretter und der Trend zur
wird immer wieder als Errungen-
einhellig gelobt, die Standardi-
Verbesserungsvorschläge:
benut-
Professionalisierung. Die ARS dürfe nicht
sierung von Anstellungsbedin-
zerfreundlichere Datenbank, frühere Be-
vergessen, dass sie es in den Stationen mit
gungen, Versicherungen und
kanntgabe von Kursdaten, die Möglichkeit,
Amateuren zu tun habe. «Ich wünsche mir,
Einsatzabrechnungen positiv
häufiger Material zu bestellen.
dass wir Retten weiterhin als Hobby betrei-
gewürdigt. Eine wichtige Rolle
Mehrere Rettungschefs wünschen sich,
ben dürfen», schreibt etwa Peter Diener von
wird der ARS auch als Interes-
dass die ARS vermehrt über die Arbeit ih-
der Rettungsstation Wildhaus-Amden. Ei-
senvertreterin zugewiesen. «Es
rer Freiwilligen informiere. Oft sei in
nige Rettungschefs befürchten, der hohe
braucht eine Organisation, wel-
den Medien nur von der Rega die
Aufwand könne abschreckend wirken, auch
che schweiz­weit unsere Anlie-
Rede, und andere Organisationen wie
auf den Nachwuchs. Gleichzeitig wird mehr-
gen vertreten kann», schreibt etwa Hans
die Feuerwehr oder die Polizei drängten sich
fach gefordert, dass die ehrenamtlichen Ret-
von Rotz, Rettungschef der Station Engel-
in den Vordergrund. Stefano Doninelli, Lu-
terinnen und Retter mehr zum Einsatz kom-
berg. Mehrfach wird festgestellt, die Berg-
gano, befürchtet, das könne auf Dauer dazu
men, um sie bei Laune zu halten.
rettung werde dank der ARS von Behörden,
führen, dass die Bevölkerung nicht wisse und
In diesem Sinne ist wohl zu verstehen, was
Öffentlichkeit und Medien stärker wahrge-
anerkenne, was die terrestrische Rettung sei
Heinz Christen, Rettungsstation Kiental-
nommen.
und leiste.
Suldtal, der ARS für die Zukunft wünscht:
Die Geschäftsstelle wird als kompetente und
Auch bezüglich der internen Kommunikation
«Dass sie den Spagat zwischen der Profes­
leicht zugängliche Anlaufstelle für alle Anlie-
gibt es offene Wünsche. Es falle schwer, an
sionalisierung im Rettungswesen und den
gen geschätzt. Sie wird als starker Partner
wichtige Informationen heranzukommen.
Rettungsstationen schafft.» Bei den Wün-
bezeichnet, der den Rettungschefs den Rü-
Adrian Bachmann von der Rettungsstation
schen für das Geburtstagskind überwiegt
cken frei halte, sie berate und ihnen ihre Auf-
Emmental regt an, den Rettungschefs mehr
das Positive klar. Die Antwort von Andreas
gabe erleichtere. In den Worten von Josef
direkte Information zukommen zu lassen, da-
Weber, Rettungsstation Sax, erfasst den Te-
Odermatt, Stans: «Die ARS ist immer für den
mit sie einen gewissen Wissensvorsprung
nor gut: «Bis auf ein paar Punkte, die kleinere
RC da.» Gar als das «Zentrum meiner Arbeit,
hätten. Forti Niederer vermutet, dass die un-
‹Schmerzen› bereiten, macht ihr einen guten
quasi das Zuhause» empfindet Reto Fritz,
genügende Kommunikation zwischen ARS
Job. Weiter so!»
ausbildung
5
AUSBILDUNGSTEAM
Die Gesichter hinter den Modulen
Ein Team koordiniert und organisiert seit
ein heterogenes Publikum auf den gleichen
Niklaus Kretz, Fachleiter Canyoning
Kurzem die modularisierte Ausbildung
Als junger Bergfüh-
Stand zu bringen», sagt Dotta. Eine Aufgabe,
der Fachspezialisten. Wer sind die Fach-
rer
Niklaus
die den 29-Jährigen reizt. Erfahrung als Aus-
leiter des ARS-Ausbildungsteams?
Kretz viel Canyo-
bildner hat er während vier Jahren im Kompe-
ning gemacht, und
tenzzentrum Gebirgsdienst der Armee in An-
noch bevor es die
dermatt gesammelt. Beruflich arbeitet er
Marcel Meier, Fachleiter Hunde
hatte
Seit 27 Jahren ist
ARS gab, hatte er
zurzeit als Zimmermann und im Winter als
Marcel Meier eine
bei der Entwicklung
Patrouilleur im Skigebiet Airolo – Pesciüm. In
feste Grösse in der
von Canyoning-Ausbildungskursen mitge-
der Rettungsstation Airolo ist er Einsatzleiter
ARS. In den letzten
wirkt. Es war deshalb naheliegend, dass er in
und technischer Leiter. Nächstes Jahr will der
Jahren hat er sich
der Arbeitsgruppe mitarbeitete, die die Fach-
29-Jährige die Bergführerausbildung in An-
als technischer Lei-
spezialistenausbildung unter die Lupe nahm
griff nehmen.
ter des Ressorts
– und dann den Fachleiterposten auch über-
Hunde um die Weiterentwicklung dieses
nahm. «Die ersten Rückmeldungen auf die
Teils der Bergrettung bemüht, künftig wird er
modularisierte Ausbildung sind gut», sagt
Sportlehrer, Bergfüh-
es als Fachleiter tun. «Neu an dieser Funktion
Kretz. Wie viel Arbeit ihm die Aufgabe be-
rer, J+S-Leiteraus-
sind vor allem die Kursorganisation und admi-
scheren wird, kann er noch nicht abschätzen.
bildner, Fachspe­zia­
nistrative Aufgaben», sagt Meier. Da ihm das
Aber als Selbstständiger mit eigener Firma
list Helikopter, stell-
Organisatorische liege, habe er nicht gezö-
ist er es gewohnt, verschiedene Aufträge un-
vertretender
gert, sich um die Stelle zu bewerben. Dies
ter einen Hut zu bringen. In die Niklaus Kretz
mann der Rettungs-
umso mehr, als er in der Arbeitsgruppe dabei
GmbH bringt der 48-Jährige alle seine Fähig-
station Näfels: Der
gewesen war, die die neue Ausbildungs-
keiten ein. Als Forstwart und Bergführer bie-
Rucksack an Fähigkeiten und Erfahrungen,
struktur für die Fachspezialisten entworfen
tet er vom Kletterkurs über Hochtouren, Ca-
die Samuel Leuzinger mitbringt, ist gross und
hatte. «Was man anfängt, sollt man auch um-
nyoning, Spezialholzerei, Felsräumung bis
prädestiniert ihn für sein neues Amt. Er hat
setzen», findet der 57-Jährige. Wichtig ist
zum Industrieklettern ein breites Dienstleis-
zudem wie Marcel Meier und Niklaus Kretz
ihm, die Qualität im Hundewesen stetig zu
tungsspektrum an. Ein wichtiges Standbein
schon bei der Konzeption der neuen Fach­
verbessern. Als Präsident der IKAR-Subkom-
ist die Ausbildung. Kretz bildet Lehrlinge aus
spezialistenausbildung mitgearbeitet. Er be-
mission Hunde erfährt Meier, was sich inter-
und Personen, die in der Höhe oder im steilen
schäftigte sich vor allem mit den allgemei-
national tut, und kann nach Hause bringen,
Gelände arbeiten.
nen Modulen, wurde dann aber angefragt, ob
was funktioniert. Sein Ziel ist es, alle Hundeführerinnen und -führer in den Ausbildungs-
Samuel Leuzinger, Fachleiter Helikopter
Ob-
er nicht den Teil Helikopter übernehmen
wolle. Nun ist er daran, sich ein Bild zu ver-
Andrea Dotta, Fachleiter Allgemein
kursen optimal auf die Ernsteinsätze vorzu-
Andrea Dotta ist für
schaffen, und wird in nächster Zeit alle Rega-
bereiten.
die
Grundmodule
Basen besuchen und mit den Fachspezialis-
der
Fachspezialis-
ten Helikopter sprechen. Bei den fliegenden
tenausbildung
Einheitlicher und gleichmässiger
Das neue Ausbildungskonzept für Fachspezialistinnen und Fachspezialisten wurde im Herbst
2014 eingeführt. Es vereinheitlicht die Inhalte
und verteilt die Kurse gleichmässiger über den
Aktionsraum der ARS.
zu-
Rettern ist ein grosser Teil der Ausbildung
ständig. Behandelt
durch die Rega vorgegeben. Leuzinger wird
werden
Themen
sich vorwiegend um die Alpintechnik küm-
Orientierung
mern. Ab 2017 sollte ein entsprechendes Re-
und Navigation, Lawinenkunde, Helikopter
fresher-Modul vorliegen und angeboten wer-
und Medizin. Es geht um Kenntnisse, die sich
den. «Ich finde es spannend, etwas mitzuge-
alle aneignen müssen, ob sie nun Hunde füh-
stalten», erklärt der 35-jährige Glarner sein
ren, am Helikopter hängen, Verunfallte aus
Interesse an der neuen Aufgabe. Schön fin-
Schluchten holen oder sie medizinisch ver-
det er auch die Arbeit mit den sehr motivier-
sorgen. «Die Herausforderung besteht darin,
ten Teilnehmern.
wie
6
AUSBILDUNGSZENTRUM
Ein zweiter Standort für die Seilausbildung
Seit September betreibt der Schweizer
Bergführerverband im St. Galler Sittertobel ein zweites Ausbildungszentrum. Es
richtet sich an alle, die in der Höhe oder in
der Tiefe arbeiten oder in der Freizeit mit
Seiltechnik in Berührung kommen.
Untergebracht ist das neue Zentrum in einem
leer stehenden Turm des Wasserkraftwerks
Kubel im Westen von St. Gallen. Er gehört der
St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke AG
(SAK), der Bergführerverband hat sich eingemietet. Weil der Turm unter Denkmalschutz
steht, durften nur wenige bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Immerhin
konnte eine Bodenplatte herausgeschnitten
werden, wodurch ein 13 Meter hoher Innenraum entstand. Hier werden Seiltechnik und
die Handhabung der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) vermittelt.
Dazu gibt es einen 10 Meter tiefen Schacht, in
dem die Arbeit in der Tiefe geübt wird. Neben
den Einrichtungen für die praktischen Ausbil-
Am Tag der offenen Tür konnten Interessierte einen Blick auf das neue Innenleben des KubelTurms werfen. Foto: Urs Wellauer
dungsteile gibt es einen Theorieraum. Aus­
serdem wurde eine ausgeklügelte Zugprüf-
Die Klientel ist beiderorts dieselbe. Es sind
spricht einem Viertel aller Leistungen, wel-
anlage installiert. Damit werden Seile, Kara-
zum einen Berufs- und Rettungsleute, die in
che die Suva für Berufsunfälle zahlt.
biner und Anschlagpunkte – die Vorrichtun-
der Höhe arbeiten: Bergführer, Gebäudereini-
Der Kubel-Turm steht aber nicht nur Berufs-
gen, an denen Seile und Gurtbänder befestigt
ger, Kranmonteure, Gerüstbauer, Dachde-
leuten zur Verfügung, sondern auch allen, die
werden – getestet. «Das ist eine Spezialität
cker, Hochbauarbeiter, Bühnenbauer, Baum-
in ihrer Freizeit hoch hinaus oder tief hinunter
der Anlage im Kubel», sagt Standortleiter An-
pfleger, Feuerwehrleute, Polizisten und –
wollen: Kletterer, Canyoningsportler, Höh-
dreas Brunner. «Damit können auch neue
Bergretter. Für einige Tätigkeiten sind Aus-
lenforscher, Pfadi, CEVI etc. Die beiden Aus-
Produkte ausprobiert und womöglich bis zur
und Fortbildungskurse gesetzlich vorge-
bildungszentren des Bergführerverbandes
Serienreife entwickelt werden.»
schrieben. Diese werden vom Bergführerver-
können auch gemietet und eigene Kurse
band angeboten.
durchgeführt werden. «Wir sind sehr interessiert daran, dass auch andere Institutionen
Kleiner und vielfältiger
Am Wochenende vom 17./18. Oktober wurde
Häufige Unfälle
unsere Räumlichkeiten nutzen», sagt Urs
die Eröffnung mit einem Tag der offenen Tür
Dass die Vorschriften nicht übertrieben sind,
Wellauer. Noch ist der Turm im Sittertobel
gefeiert. «Die Anreise für Kursbesucher aus
zeigt ein Blick in die Statistik. Jedes Jahr pas-
nicht ausgelastet.
der Ostschweiz ist damit weniger weit», sagt
sieren in der Schweiz 9000 berufsbedingte
Urs Wellauer, Ausbildungsleiter des Bereichs
Absturzunfälle, jeden Tag wird deswegen je-
Information und Anmeldung: Schweizer Bergführer-
Arbeitssicherheit beim Bergführerverband.
mand invalid. Alle zwei Wochen endet ein
verband SBV, Sekretariat Abteilung Arbeitssicherheit,
«Der neue Standort ist etwas kleiner als jener
Sturz sogar tödlich. Neben Leid und Schmerz
Telefon 033 952 15 15, [email protected],
in Meiringen, dafür sind die Ausbildungsmög-
entstehen dadurch Kosten von durchschnitt-
lichkeiten vielfältiger.»
lich 270 Millionen Franken pro Jahr. Das ent-
www.4000arbeitssicherheit.ch
partner
7
LEISTUNGSVEREINBARUNGEN
Klarer Auftrag für die Bergrettung
Der Grosse Rat des Kantons Bern hat der
Versicherung und die Entschädigung der Ret-
gitimation ganz wichtig.» Einst aus der Kame-
Leistungsvereinbarung mit der ARS für
terinnen und Retter. Der neue Vertrag sollte
radenselbsthilfe entstanden, sei die Bergret-
die Jahre 2016 bis 2025 zugestimmt. Die
deshalb mit der ARS abgeschlossen werden.
tung längst Aufgabe der öffentlichen Hand,
Zusammenarbeit der Behörden und der
In Verhandlung mit der Polizei- und Militärdi-
was sich in kantonalen Verfassungen und Po-
Kantonspolizei mit der privat organisier-
rektion des Kantons Bern und der Kantonspo-
lizeigesetzen nachlesen lasse. «Wenn eine
ten alpinen Rettung erhält damit eine
lizei Bern wurde der neue Leistungsvertrag
private Organisation in diesem Feld tätig sein
neue Grundlage.
entworfen. Er hält fest, dass die 14 Berner
soll, braucht sie den Auftrag dazu.» Sonst be-
Rettungsstationen die Kantonspolizei dort
wege sie sich unter Umständen an der
So viel Einigkeit ist selten: Am 8. September
unterstützen, wo diese ihre gesetzliche Auf-
Grenze der Legalität. Etwa dann, wenn sie bei
stimmte der Grosse Rat – die Legislative des
gabe – bedrohten Menschen helfen – nicht
einer Suchaktion einen Vermissten beim
Kantons Bern – mit 135 zu 0 Stimmen dem
selber erfüllen kann. Die jährliche Pauschal­
Schäferstündchen aufspüre, der eben gerade
Leistungsvertrag mit der ARS für die Zeit von
entschädigung dafür ist rund 100 000 Fran-
nicht habe gefunden werden wollen. Der Be-
2016 bis 2025 zu. Die Eckpunkte: Die ARS
ken höher als bisher.
troffene könnte gegen die Verletzung seiner
stellt die Bergrettung im Kanton Bern sicher
Privatsphäre klagen. Kann sich die Bergret-
und wird dafür entschädigt. Im ersten Jahr er-
Wichtig für die Legitimation
tung dann nicht auf einen klaren polizeilichen
hält sie 221 000 Franken. Der Betrag ist inde-
ARS-Geschäftsführer Andres Bardill ist sehr
Auftrag berufen, kann das für sie rechtliche
xiert und steigt mit den Konsumentenprei-
froh, dass der Grosse Rat einstimmig Ja ge-
Konsequenzen haben.
sen. Das Geld ist für die ständige Einsatzbe-
sagt hat, obwohl die Vereinbarung den Kan-
reitschaft der alpinen Rettung gedacht, also
ton teurer zu stehen komme. Bern sei einer
Skeptische Romandie
vor allem für Ausbildungs- und Materialkos-
der grossen Kantone im Bergrettungswesen.
Die elf Deutschschweizer Kantone mit Ret-
ten. Einsätze vergütet der Kanton nur dann,
«Das klare politische Bekenntnis des Parla-
tungsstationen auf ihrem Gebiet und das Tes-
wenn sonst niemand zahlt, und dies nur bis zu
ments zur Zusammenarbeit ist für unsere Le-
sin haben der ARS diesen Auftrag erteilt. In
einem Kostendach von 60 000 Franken pro
Jahr. Der neue Vertrag ersetzt jenen, den der
Kanton Bern im Jahr 2000 mit der Kantonal
Bernischen Bergrettungskommission (heute
Alpine Rettung Bern, ARBE) abgeschlossen
hatte.
Höhere Ansprüche, höhere Kosten
Die ARS hatte den Kanton Bern im März 2014
um einen neuen Leistungsvertrag ersucht,
der Romandie gibt es bis jetzt dagegen keine
Privaten», sagt Bardill. Er hofft aber, dass es
175 000
schweiz zu vergleichbaren Lösungen kom-
75 000
terbildung und die Ausrüstung mit sich. Dazu
men wird. «Der klare Entscheid des zweisprachigen Kanton Bern ist hoffentlich ein
­S ignal.»
125 000
die Vorhaltekosten nicht mehr deckte. Die
höhere Aufwendungen für die Aus- und Wei-
in den kommenden Jahren auch in der West-
150 000
100 000
den «Service» der Bergrettung. Das bringt
stärkere Vorbehalte gegenüber Verträgen mit
200 000
weil die bisherige Pauschalentschädigung
Bevölkerung hat heute höhere Ansprüche an
solchen Leistungsvereinbarungen. «Es gibt
225 000
50 000
25 000
kommt, dass die Zahl der Einsätze seit Jahren
steigt, namentlich auch jener, für die niemand
GR BE SZ SG LU TI GL UR OW NW AR AI
die Kosten übernimmt. Schliesslich drängte
sich ein neuer Vertrag auch aus organisatorischen Gründen auf. Heute kümmert sich die
ARS um das Einsatzinkasso sowie um die
Bisher zwölf Kantone haben mit der
ARS eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Grafik: ARS
8
ZUSAMMENARBEIT
Bergrettung und Polizei ziehen am gleichen Strick
Im Kanton Graubünden arbeiten Polizis-
Kommunikation. «Wichtig ist aber auch, dass
machten etwa die Fachspezialisten Helikop-
ten und Bergretter gut zusammen. Das
wir uns gegenseitig kennenlernen», sagt Ezio
ter beim Anflug oft Fotos. Damit sehen die
hat viel damit zu tun, dass man sich per-
Crameri. Er ist überzeugt, dass die Zusam-
Polizisten, wie die Situation ausgesehen hat,
sönlich kennt.
menarbeit so gut funktioniert, weil alle wis-
bevor Spuren durch die Rettung selber, aber
sen, mit wem sie es zu tun haben. «Die Retter
auch durch Wind und Wetter verändert wur-
wissen inzwischen, was wir brauchen.» So
den. Ebenfalls wichtig, um den Sachverhalt
Die Kantonspolizei Graubünden hat eine spezielle Truppe, die aus Leuten besteht, die
rekonstruieren zu können: Waren die Verun-
gerne und regelmässig in die Berge gehen:
fallten richtig angezogen? Trugen sie Steigei-
das Alpinkader. Seine neun Mitglieder sind
sen? Waren sie angeseilt? Auch diesbezüg-
alle mindestens SAC-Tourenleiter und kom-
lich helfen Fotos und Beobachtungen der
men bei ähnlichen Unfällen zum Einsatz wie
Retter.
die Bergretter. Ein grosser Teil des Alpinka-
Bei den Hunden ist die Zusammenarbeit an-
ders ist denn auch selber in einer Rettungs-
ders geregelt. Bis 2014 hat die Kantonspolizei
station aktiv. «So wird man von den Bergret-
ihre Lawinenhundeteams zusammen mit
tern besser akzeptiert», sagt Ezio Crameri. Er
dem Grenzwachtkorps im Auftrag der ARS
ist der Chef des Alpinkaders, Tourenleiter-
selbstständig ausgebildet. Mit der Einfüh-
chef der SAC-Sektion Bernina und Retter III
rung der Modulausbildung bei den Fachspezi-
in der Rettungsstation Pontresina. Bei einem
alisten werden nun alle Hundeteams durch
Unfall taucht er deshalb nicht immer in den
die ARS ausgebildet. Die Bündner Polizei hat
gleichen Kleidern auf. Ist er im Dienst oder
zurzeit drei Teams mit Lawinenhunden. Die
wird durch die Einsatzzentrale der Kapo alar-
zwei Hundeführer und die Hundeführerin
miert, trägt er das Tenue der Polizei. Wird er
sind alle Mitglieder einer Rettungsstation.
in seiner Freizeit durch die Rega aufgeboten,
Werden sie zu einem Einsatz der Bergrettung
streift er Schwarz-Gelb über.
gerufen, stellt sie die Kantonspolizei frei und
Ist Crameri als Polizist im Einsatz, rettet er na-
sie sind als «Arbeitnehmer» der ARS tätig.
türlich mit, wenn Not am Mann ist. Aber die
Hauptaufgabe von ihm und seinen Kollegen
Kurze Wege
vom Alpinkader ist die Tatbestandsauf-
Die enge Verflechtung zwischen Polizei und
nahme. Gibt es Tote oder Verletzte, muss
Rettung zeigt sich auch im organisatorischen
festgestellt werden, ob jemanden eine
und administrativen Bereich. Oberstleutnant
Schuld trifft. Das kann dann der Fall sein,
Robert Willi sitzt im Kommandostab der
wenn jemand in einer Gruppe eine Führungs-
Kapo, ist bis Ende Jahr noch als Hundeverant-
funktion hatte, als Bergführer, Tourenleiter,
wortlicher und anschliessend als Einsatzlei-
J+S-Leiter etc. Auch bei Unfällen auf der Ski-
ter in der Rettungsstation Chur tätig und ist
piste gilt es, einen Rapport zu verfassen:
Vizepräsident der ARG. «Das hat grosse Vor-
wenn Personen schwer verletzt sind oder
teile», sagt Willi. Namentlich führe es zu kur-
wenn jemand eine Anzeige wegen Körper-
zen Wegen. «Die Rettungschefs rufen mich
verletzung erstattet.
an, wenn etwas in der Zusammenarbeit mit
der Polizei nicht funktioniert hat.» Gebe es
Probleme bei der Verrechnung eines Ein­
«Retter wissen, was wir brauchen»
Die Mitglieder des Alpinkaders nehmen regelmässig an den Ausbildungen der Alpinen
Rettung Graubünden (ARG) teil. Dabei geht
es zum einen um Rettungstechnik, Abläufe,
satzes, genüge oft ein Telefon mit der
Gemeinsame Übungen schaffen Vertrauen
und Vertrautheit: Bergretter und Alpin­
kader in Plaun da Lej. Foto: Ezio Crameri
­A RS-Geschäftsstelle, um sie aus dem Weg
zu räumen.
9
SEMINAR LAWINEN UND RECHT
Unsichere Informationen und harte Entscheide
Bei der Beurteilung von Lawinenunfällen, aber auch bei der Sicherung von
Stras­s en und Skipisten spielen juristische Aspekte eine wichtige Rolle. Rund
250 Fachleute informierten sich im vergangenen Juni an einem Seminar in
­D avos über den Stand der Dinge in diesem Spannungsfeld.
Darf ein Hang befahren werden? Muss eine
Strasse oder Skipiste gesperrt werden? Die
Grundlagen, um solche Fragen zu entscheiden, sind in vielen Fällen unsicher. Trotzdem
muss scharf entschieden werden: «go» oder
«no go». Und auch der Richter muss ein eindeutiges Urteil fällen, wenn ein Unfall passiert: schuldig oder unschuldig.
Mit Themen im Spannungsfeld zwischen Lawinen und Recht befasste sich ein vom WSL-
Nach einem Lawinenunfall stellt sich immer auch die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung, insbesondere wenn verantwortliche Personen wie Tourenleiter oder Bergführer
beteiligt sind. Foto: SLF/Jürg Schweizer
Institut für Schnee- und Lawinenforschung
SLF organisiertes Seminar, das vom 1. bis
Entscheidungsträger
wurden,
tisch geahndet. Selbst wenn Gegner oder
3. Juni in Davos stattgefunden hat. Wie
keine allgemeingültigen Normen sind. Sie
Mitspieler verletzt werden, wird dies als
schon bei den vorangegangenen Seminaren
dürfen deshalb von der Justiz auch nicht vor-
sportartspezifisches Risiko akzeptiert. Wei-
in den Jahren 1994 und 2005 sollte das Ver-
behaltlos als solche betrachtet werden.
tere Beiträge beleuchteten die rechtliche Si-
ständnis zwischen Rechtsvertretern und
Denkanstösse lieferte ein Beitrag von Kurt
tuation in den Nachbarländern oder die Rolle
Praktikern im Bereich Schnee und Lawinen
Winkler (SLF). Seine statistische Analyse von
von Sachverständigen im Strafverfahren so-
gefördert werden. 246 Interessierte aus
Lawinenunfällen und Tourenaktivität ergab,
wie zivil- und versicherungsrechtliche As-
sechs Ländern nahmen teil.
dass sich in den letzten rund zehn Jahren die
pekte von Lawinenunfällen.
Anzahl der Todesopfer nicht wesentlich ver-
In Workshops wurden Themen wie Sorgfalts-
Grosse Fortschritte
änderte, obwohl die Aktivitäten im freien Ge-
pflichten von Sicherheitsverantwortlichen,
Wie Jürg Schweizer (SLF) aufzeigte, hat die
lände stark zunahmen. Es sind vor allem mehr
Befundaufnahme und Einvernahme bei Lawi-
Forschung in der Lawinenbeurteilung seit
Schneeschuhgeher unterwegs, die in der Re-
nenunfällen und rechtliche Fragen im Touren-
dem letzten Seminar wichtige Fortschritte
gel ein geringeres Risiko eingehen. Dadurch
und Freeride-Bereich vertieft. Über unsi-
erzielt, so versteht man heute besser, wie
nahm das Risiko pro Tourentag ab. Diese er-
chere Entscheidungsgrundlagen, Restrisiko,
sich eine Lawine bildet. Die Qualität und die
freuliche Entwicklung scheint aber von der
Bandbreiten und scharfe Entscheide wurde
Verbreitung von Informationen über die Lawi-
Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen
intensiv und teilweise kontrovers diskutiert.
nengefahr wird laufend verbessert, wie Tho-
worden zu sein, weil die Anzahl medienträch-
mas Stucki (SLF) erläuterte. Trotzdem müs-
tiger Lawinenunfälle im gleichen Zeitraum
Hansueli Rhyner und Martin Heggli, WSL-Institut für
sen Entscheidungsträger in der Praxis meis-
nicht zurückgegangen ist.
Schnee- und Lawinenforschung SLF
tens basierend auf unsicheren Informationen
Der Münchner Rechtsanwalt und Bergführer
einen scharfen Entscheid treffen, betonte
Stefan Beulke wagte zum Thema Risikokultur
Alle Beiträge sind in einem ausführlichen Tagungsband
Stefan Harvey (SLF) in seinem Referat. Er
den Vergleich mit anderen Sportarten. Im
zusammengefasst, der ab Ende 2015 beim SLF erhält-
wies darauf hin, dass Faustregeln, wie die kri-
Fussball werden zumindest leicht fahrlässige
lich ist.
tische Neuschneehöhe, die als Hilfsmittel für
Regelverstösse normalerweise nicht juris-
entwickelt
10
IKAR 2015
Mit Eisenkralle, Korkenzieher und Heringen
Der IKAR-Kongress fand dieses Jahr in
Killarney im Südwesten Irlands statt. Die
ständig wachsende internationale Bergrettergemeinschaft informierte sich über
neue Verfahren, Techniken und Gerätschaften.
Der erste Tag des grossen Rettertreffens ist
traditionell der Praxis gewidmet. Der «Feldtag» am 14. Oktober wurde von der Bodenrettungskommission organisiert. An einem
der fünf Posten lernten die Teilnehmenden
In feuchten Torfböden braucht es andere Techniken als auf Fels: zwei Hilfsmittel, welche die­
­i rische Bergrettung zur Verankerung einsetzt. Foto:zvg
verschiedene Verankerungstechniken kennen. In den nass-feuchten Moor- und Torfbö-
sehr niedrige Herzfrequenz. Erschwerend
lassen oder heraufzuziehen. Die Hundefüh-
den Irlands braucht es ganz andere Werk-
kam dazu, dass der Patient plötzlich bewusst-
rer zeigten, wie ihre Vierbeiner in der irischen
zeuge und Materialien als in Breitengraden
los wurde und der Puls ausfiel. Es wurde
Landschaft Vermisste und Verletzte auffin-
mit stabilen Felsuntergründen: Zum Einsatz
­folgendes Vorgehen gewählt: Abwechselnd
den können.
kommen fünffingrige Eisenkrallen, Riesen-
5 Minuten Herz-Lungen-Wiederbelebung
korkenzieher oder V-Verankerungen mit He-
(CPR) und 5 Minuten weiterer Abtransport.
Empfehlungen erarbeitet
ringen – je nach Gelände. Die irländischen
Die Mediziner sind sich in diesem Punkt ei-
An zwei Kongresstagen tauschten sich die
Retterinnen und Retter kennen aber auch die
nig: Kräftiges und korrekt angewendetes
Delegierten in den Kommissionen Bodenret-
sogenannte «Schlangen-Verankerung»: Das
CPR mit Unterbrechung ist besser als ein
tung, Lawinen, Medizin und Flugrettung über
Seil wird dabei um die sitzenden Personen
leichtes und dauerndes CPR. Noch besser ist
Einsätze im vergangenen Jahr, neue Techni-
gewunden. Zugtests haben gezeigt, dass
es natürlich, wenn ein portables Herz/Puls-
ken, Geräte sowie nötige und unnötige neue
diese menschliche Verankerung sehr stabil
Gerät in Reichweite ist. Es kann auch wäh-
Vorschriften aus. Sie erarbeiteten Empfeh-
ist.
rend des Transports kräftig und mit regelmäs­
lungen, auf die sich die Mitgliedsländer in
An einem anderen Posten lernten die Teilneh-
sigem Rhythmus massieren.
­ihrer Arbeit abstützen können. Nicht selten
menden den Abtransport eines stark unter-
An weiteren Posten wurden die Verwendung
werden daraus Standards, die weltweit Be-
kühlten Patienten. Ausgangslage: Körper-
von Dyneema-Seilen vorgeführt und eine
achtung finden.
temperatur von 25°C, keine Verletzungen,
neue Umlenkrolle, um Personen herunterzu-
Die Bodenrettungskommission erarbeitete
ein Statement zum Thema Lawinengefahr im
Die Delegiertenversammlung Bergretter der ARS
Der IKAR-Kongress 2015 dauerte vom 13. bis 17. Oktober. 450 Teilnehmende aus mehr als 30 Ländern
nahmen teil. Am letzten Tag fand unter der Leitung von Präsident Franz Stämpfli die 67. Delegiertenversammlung der IKAR statt. Es wurden 13 neue Mitgliedsorganisationen aus Ländern wie Japan, China,
Bosnien Herzegowina, Bulgarien, Australien, Katalonien, Norwegen, Kanada und Deutschland aufgenommen. Aus der Schweiz sind neu eine Ärztegruppe des Notfalldienstes des Universitätsspitals Lausanne (B-Mitglied) und die «Medical Commission» der Union internationale des associations d‘alpinisme
(UIAA, C-Mitglied) mit dabei. Nebst den statutarischen Geschäften wurde einer Erhöhung des Kongressbeitrages zugestimmt. Damit ist es auch in Zukunft möglich, den Kongress auch in teureren Ländern durchzuführen. Mit einem Teil des zusätzlichen Geldes sollen ausserdem Übersetzungsdienste bezahlt werden. Dieses Jahr wurde der Kongress nur in englischer Sprache durchgeführt. Die nächsten
Austragungsorte sind bestimmt: 2016 findet der Kongress in Bulgarien, 2017 in Andorra statt.
Sommer im Hochgebirge. Sie appelliert darin
an Bergsteigerinnen und Bergsteiger, auch im
Sommer bei der Tourenplanung die Kriterien
Neuschnee, Exposition, Höhenlage, Temperaturentwicklung usw. zu berücksichtigen.
Ebenso wird ihnen empfohlen, die Wetterdienste zu nutzen und eine Notfallausrüstung
mitzunehmen. Als sinnvoll wird das permanente Tragen von detektierbaren Hilfsmitteln,
zum Beispiel Recco, erachtet. Dies könne helfen, die Suchzeit drastisch zu senken.
Die Lawinenkommission diskutierte und evaluierte diverse Sondiertechniken, darunter die
11
neue Methode des Slalomsondierens. An-
Im Bereich Medizin wird bis Ende Jahr eine
gen. Aufgefallen ist dieses Jahr die isolierte
hand diverser Tests konnte festgestellt wer-
neue «Avalanche Resuscitation Checklist»
Rettungsdecke der Firma Blizzard ABM Blan-
den, dass diese in gewissen Situationen
publiziert. Darauf werden die Verschüttungs-
ket. Das englische Unternehmen hat die her-
schneller ist als herkömmliche Techniken. Ein
zeit der Person sowie die Frage der Atem-
kömmliche Rettungsknisterdecke mit zu­
Entwurf für eine Empfehlung liegt vor. Er wird
höhle notiert. Dank diesem Indiz kann der
sätzlichen Luftkammern und einer zweiten
im kommenden Jahr im Vorstand geprüft.
Arzt gezielter und schneller einen Behand-
Schicht ergänzt. Damit erhöht sich der Isola­
Hundeführerinnen und Hundeführer aus
lungsweg einschlagen. Die neue Checkliste
tionswert um ein Vielfaches, und der Patient
15 Ländern tauschten sich in der Subkommis-
wird in diesem Winter voraussichtlich auch in
kühlt viel weniger schnell aus. Die Decke ist
sion Hunde über Rettungsaktionen aus Lawi-
der ARS eingeführt.
klein, leicht, mehrfach verwendbar, wind-
nen und in unterschiedlichen Geländekam-
und wasserundurchlässig. Die ARS wird die
mern im Sommer aus. Es zeigte sich einmal
Vielversprechende Rettungsdecke
Decke prüfen und allenfalls ins Materialsorti-
mehr, wie vielfältig die Hundenase einge-
Nebst Vorträgen über spezielle Einsätze in al-
ment aufnehmen.
setzt werden kann. In Irland ist sie ein unent-
len Mitgliedsländern präsentierten Produkte-
behrliches Mittel, um vermisste Personen
hersteller von Rettungsgeräten am Kongress
aufzuspüren, vorab bei Nebel, Nässe, Wind.
wieder Neuerungen oder Weiterentwicklun-
Die Schweizer Delegation am diesjährigen Kongress: vorderste Reihe, kniend, von links nach rechts: Tom Spycher (ICAR Office), Wayne Jenkins
­(Buschauffeur). Zweite Reihe: Theo Maurer (ARS), Richard Raphy (KWRO), Bruno Jelk (Ehrenmitglied IKAR), Felix Meier (Ehrenmitglied IKAR),
­C orinna Schön (SGGM), Fabienne Jelk (Protokollführerin Bodenrettungskommission), Elisabeth Floh Müller (ARS), Sarah Galatioto (Präsidentin
SAC-Sektion Bern), Rosaria Heeb (Kassierin IKAR-Vorstand), Louis Salzmann (Ehrenmitglied IKAR), Marcel Meier (ARS, Präsident IKAR-Subkommission Hund). Dritte Reihe: Jan Allert (Bergrettung Liechtenstein), Patrick Fauchère (KWRO, Präsident Air Rescue Commission IKAR), Mathieu
Pasquier, (CHUV Lausanne), Hervet Sonnai (KWRO), Toni Grab (Ehrenmitglied IKAR), Gian Darms (SLF), Franz Stämpfli (Präsident IKAR, Stiftungsratspräsident ARS), Gregor Zenruffinen (KWRO), Raphaël Gingins (Seilbahnenverband Schweiz) Foto:zvg
12
BERGRETTUNG ANDERSWO
Retten im Moor
Das Einsatzgebiet der irischen Bergret-
Sprachen. Etwas weniger geheimnisvoll, da-
verteilt sind, zwei davon in Nordirland. Der
tung ist vielfältig: nicht sehr hohe, aber
für verständlicher klingt es auf Englisch:
langjährige blutige Konflikt in der britischen
zerklüftete Berge, hügelige Moorgebiete,
Mountain Rescue Ireland oder Irish Mountain
Provinz habe die Bergrettung nie beein­
Wildwasser. Rund 350 freiwillige Retter
Rescue Association (IMRA). Die Organisa-
trächtigt, sagt Gerry Christie vom Kerry
in zwölf regionalen Teams suchen und
tion ist vergleichsweise jung. Sie wurde 1965
Mountain Rescue Team, das im Südwesten
bergen immer mehr vermisste und ver-
gegründet, nachdem kurz vorher die ersten
tätig ist. «Wenn es um Notfälle geht, spielt
letzte Personen.
regionalen Rettungsteams entstanden wa-
das Land keine Rolle. Die Zusammenarbeit
ren. Zuvor hatte es in Irland keine organisierte
über die Grenze hinweg ist und war nie ein
Die irische Bergrettung hat einen Namen, der
Bergrettung gegeben. Hilfe wurde bei Bedarf
Problem.» Auch die Rettungshundeorganisa-
einen an Elfen, Druiden und Einhörner den-
von lokalen Bergsteigervereinen oder den
tion SARDA (Search and Rescue Dog Associ-
ken lässt: Tarrtháil Sléibhe Éireann. Irisch –
Bauern im betreffenden Gebiet geleistet.
ation), seit 1993 das zwölfte Mitglied der
gemäss Verfassung die Hauptamtssprache
Heute gibt es elf Rettungsgebiete und die da-
IMRA, deckt ganz Irland ab. Viele SARDA-
der Republik Irland – gehört zu den gälischen
zugehörigen Teams, die über die ganze Insel
Hundeführer sind gleichzeitig Teil eines der
Eine Gruppe von Bergrettern am Lugnaquilla (925 m) in den Wicklow Mountains südlich von Dublin Foto: zvg
13
«Retten ist befriedigend»
Gerry Christie (62) ist Ausbildungsverantwortlicher im Kerry Mountain Rescue
Team. Der pensionierte Mikrobiologe ist
verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.
Gerry Christie
Foto: zvg
Warum engagieren
Sie sich in der
Rettung?
Ich möchte etwas zurückgeben für all das
Schöne, das ich in den
Hügeln erlebt habe. Ich
liebe die Rettungsarbeit,
sie ist emotional befriedigend.
Wie hoch ist das zeitliche Engagement?
Ich messe es nicht, aber ich schätze, dass ein
Freiwilliger im Durchschnitt mindestens vier
­A rbeitswochen einsetzt. Mein Team hat rund
40 Einsätze pro Jahr. Dazu kommen Übungen
und administrative Arbeiten. Als Frühpensionierter kann ich etwas mehr Zeit investieren.
Erinnern Sie sich an eine ganz besondere Rettungsaktion?
Nicht wirklich, jede Rettung ist speziell. Aber
ich kann mich noch gut an meine ersten Ernst­
einsätze vor 15 Jahren erinnern. Vielleicht
­bleiben sie wegen der eigenen Unerfahrenheit
stärker in der Erinnerung haften?
regionalen Rettungsteams. Seit 1986 ist die
langt: ein Trainingsabend pro Woche, ein Trai-
werden hauptsächlich von den eigenen Mit-
ningstag im Feld pro Monat plus die Einsätze.
gliedern vermittelt, für einzelne Themen wer-
Ausserdem wird erwartet, dass die Retterin-
den externe Fachleute beigezogen. Die hohe
nen und Retter auch beim Fundraising und
Autonomie der Teams erlaube es, den lokalen
bei Werbeaktionen mitmachen und an Team-
Gegebenheiten Rechnung zu tragen, sagt
sitzungen teilnehmen. Auch die Ausrüstung
Gerry Christie. Im Gebiet seines Kerry Moun-
sowie Reise- und Telefonkosten zahlen sie
tain Rescue Teams liegen die höchsten Berge
teilweise aus dem eigenen Sack. Das hat
Irlands, darunter die drei einzigen, die ganz
auch damit zu tun, dass die irische Bergret-
knapp über 1000 Meter reichen. «Das ist nicht
tung finanziell nicht auf Rosen gebettet ist.
sehr hoch, aber sie sind schroff und zerklüftet,
Für die Geretteten ist der «Service» gratis,
was ganz andere Fähigkeiten erfordert als Ge-
und der Staat zeigt sich auch nicht sehr spen-
genden mit sumpfigen Hügeln», sagt er.
dabel. Er übernimmt rund ein Drittel der Kosten, das restliche Geld treiben die Retterin-
Häufige Suchaktionen
nen und Retter über Sponsoring selber auf.
Das Einsatzgebiet der irischen Bergrettung
Die eher karge finanzielle Situation zeigt sich
ist vielgestaltig und beschränkt sich nicht
unter anderem daran, dass viele Teams keine
aufs Gebirge. Gerade Suchaktionen finden
permanenten Rettungslokale haben. Fahr-
oft auch in flachen abgelegenen Gebieten
zeuge und Ausrüstung werden privat oder bei
statt, gelegentlich werden die Retter auch
verwandten staatlichen Institutionen unter-
bei Autounfällen oder Flugzeugabstürzen in
gebracht. Auf ihrer Website bezeichnet
schwer zugänglichen Landstrichen aufgebo-
Mountain Rescue Ireland eigene Lokalitäten
ten. Wildwasser- und Tierrettungen sind wei-
für alle Teams als Priorität.
tere Aktivitäten, die zu den Aufgaben einiger
IMRA, die nationale Vereinigung der Bergret-
Teams gehören. In den letzten zwölf Jahren
tungsteams, funktioniert nach dem Konsens-
hat sich die Zahl der Einsätze in Irland von 180
prinzip. Eingriffe in die organisatorischen
auf 360 praktisch verdoppelt. Neben der Ber-
oder operativen Eigenheiten der Teams sind
gung verletzter Personen sind vor allem
weder gewollt noch möglich. Die Organisa-
Suchaktionen häufig.
tion versucht aber, interessante Techniken
Die meisten Teams besitzen mindestens ein
und Methoden, die von einem Team entwi-
Fahrzeug. Verbreitet sind Landrover, die teil-
ckelt wurden, den anderen zugänglich zu ma-
weise zu Ambulanzen aufgerüstet wurden.
chen. Dazu organisiert sie nationale Konfe-
Helikopter werden bei der Küstenwache an-
renzen und Einsatzübungen, aber auch Kurse
gefordert, wobei diese sie ihrerseits von pri-
für Aspiranten, Ausbildner, Einsatzleiter, Ma-
vaten Firmen zumietet. Fünf Sikorsky S-92
terialwarte etc.
sind einsatzbereit. Falls nötig, sind darüber
irische Bergrettung offiziell als Notfalldienst
hinaus auch Militärhelikopter verfügbar.
anerkannt und wird über die europäische Not-
Lokal organisierte Ausbildung
fallnummer 112 alarmiert. Aufgeboten wer-
Im Grossen und Ganzen ist die Ausbildung
den die Bergretter in der Regel via die Polizei.
aber dezentral organisiert. Rettungsaspiran-
Etwas mehr als 350 Freiwillige sind für die iri-
tinnen und -aspiranten werden von den jewei-
sche Bergrettung tätig. Die Rekrutierung sei
ligen Teams unter die Lupe genommen und,
kein Problem, sagt Christie. «Es wird als Ehre
wenn sie als geeignet erachtet werden, für
betrachtet, in der Bergrettung zu dienen.»
eine Probezeit aufgenommen, die normaler-
Dabei wird von den Mitgliedern einiges ver-
weise ein Jahr dauert. Die Ausbildungsinhalte
Blick über die Grenze
Der Beitrag über Irland gehört zur Serie über die
Bergrettung in anderen Ländern. Der Blick über
die Grenze macht Ähnlichkeiten und Unterschiede sichtbar und kann Anregungen für neue
Ideen und Lösungen liefern.
diverses
14
JUBILÄUM
100 Jahre am Fuss des Gotthards
Vor hundert Jahren wurde die Rettungsstation Airolo gegründet. Sie spielte
­b esonders in Ausbildungsfragen eine
Vorreiterrolle.
Am 28. April 1964 wird Mario Leonardi, der
damalige Hüttenwart der Capanna Cristallina, während des Aufstiegs von einer Lawine erfasst. Erst am nächsten Tag alarmieren die Hüttengäste die Rettung und be­
ginnen selber zu suchen. Ohne Erfolg. Tags
darauf, am 30. April, wird ein Lawinenhund
mit einem Heli aus Samedan eingeflogen,
und die Rettungskolonne von Airolo trifft
nach ­einem langen Aufstieg mit Ski und Fellen ein. Unterstützt wird sie von Freiwilligen
und von der Armee. Das Unterfangen ist
schwierig: Der Lawinenkegel ist gross, die
Schneemassen enorm. An gewissen Stellen
müssen Sondierstangen verbunden werden,
um eine Tiefe von 14 Meter erreichen zu
Einer der grössten Einsätze der Rettungsstation Airolo: Elf Tage lang suchten die Retter 1964
im Val Torta nach der Leiche des Hüttenwarts der Capanna Cristallina. Foto: zvg
kön­
­
nen. Wegen der hohen Temperaturen
muss die Suche an den Nachmittagen regel-
Über die Gründungszeit der Rettungsstation
die beiden Bergführer Alfredo Pini und Silvio
mässig unterbrochen werden. Erst nach elf
Airolo weiss man nicht viel. Viele Dokumente
Vicari formten die Station entscheidend mit.
Tagen, kurz vor Abbruch der Operation, wird
sind wohl verloren gegangen oder schlum-
Bereits vor mehr als zwanzig Jahren, also
die Leiche von einer Grenadiereinheit ge­
mern in Kellern und Estrichen. Bekannt ist,
lange vor der Ära der Alpinen Rettung
funden.
dass die SAC-Sektion Bellinzona e Valli die
Schweiz, hat die Rettungsstation Airolo ein
Station zusammen mit der Festungswache
Pikettsystem und zwei Retterkategorien
Was sich ändert und was nicht
Airolo ins Leben gerufen hat. Gemäss münd-
(Gruppe Technik, Gruppe Suche) mit entspre-
37 Jahre später wird die Rettungsstation
licher Überlieferung war der Bergführer Gio-
chender Ausbildung eingeführt. Mitglieder
­A irolo erneut für einen Grosseinsatz aufgebo-
vanni Jori 1915 zum ersten Rettungsobmann
der Rettungsstation Airolo hatten immer wie-
ten. Unterschiede und Parallelen zwischen
gewählt worden.
der wichtige Aufgaben im Bereich Ausbil-
den beiden Ereignissen illustrieren, wie sich
dung inne und prägen diesen Sektor bis heute
die Bergrettung verändert hat. Am Pizzo Ro-
Einflussreiche Persönlichkeiten
aktiv mit. Aldo Maffioletti war von 1981 bis
tondo werden am 11. Februar 2001 drei Tou-
Heute werden viele Einsätze von der Rega-
1995 Chef der Ausbildung für die Zone 9
renfahrer von einer Lawine verschüttet. Ein
Basis Locarno aus geflogen. Sie wurde im
(heute SATI), Mauro Imperatori und Tiziano
Augenzeuge schlägt per Handy Alarm. Auf
Jahre 1982 eröffnet und 2013 nach einer zwei
Pedretti gehören zum Instruktorenteam der
einem ersten Flug werden Skispuren geortet,
Jahre dauernden Renovation wiedereröffnet.
ARS, und Andrea Dotta wurde dieses Jahr
die im Lawinenkegel enden. Einige Stunden
Die Rettungsstation Airolo zählt heute drei
zum Fachleiter Allgemein bei der ARS beru-
später arbeiten auf der Lawine mehr als fünf-
Fachspezialisten Helikopter, zwei Ärzte und
fen (vgl. Artikel Seite 5).
zig Bergretter und zwölf Lawinenhunde. Ar-
rund 50 Retter. Erwähnt werden sollen hier
mee und Zivilschutz sind auch involviert.
auch vier einflussreiche Retterpersönlichkei-
Auch in diesem Fall werden die Verunfallten
ten, die in den letzten zehn Jahren gestorben
tot geborgen.
sind. Fernando Dotta, Florino Leonardi und
Walter Maffioletti
15
RETTER IM FOKUS
Der vielfältig talentierte Signore Capra
Mauro Capra ist Rettungssanitäter und
Einsatzleiter der Rettungsstation Bellinzona. Er ist ein Mann mit vielen Interessen und den idealen Eigenschaften für
das Rettungswesen.
Eigentlich hätte Mauro Capra ganz viele Hobbys: Kochen, Fotografieren, Klettern, Wandern, Mountainbike. Reisen in die nordeuropäischen Länder oder nach Kanada würde er
auch gerne mehr. Und da ist noch sein Haus in
Ascona: Capra liebt es, daran herumzubasteln, zu renovieren, auszubauen. «Wohl das
Erbe meines Grossvaters, der Schreiner
war», schmunzelt der 35-Jährige über seinen
Hang zum Heimwerken. Im vergangenen
Jahr kamen aber alle diese Beschäftigungen
zu kurz. Die Nachdiplomausbildung zum Rettungssanitäter hatte ihn zu sehr in Anspruch
Mauro Capra mit einem wichtigen Vehikel seines Arbeitsalltags: ein Ambulanzwagen des
Croce Verde Foto: Andreas Minder
genommen – neben der Arbeit für den Ambulanzbetrieb Croce Verde in Bellinzona und
Das Croce Verde bringt seit 100 Jahren die
sammenstössen mit anderen geführt. «Ich
dem Engagement für die Bergrettung nota
Leute in und um Bellinzona ins Spital. Rund
habe aber auch eine reflektierte Seite», sagt
bene.
30 Rettungssanitäter und 40 Freiwillige er-
er. Das ermögliche es ihm, einen Schritt zu-
Mauro Capra ist seit zehn Jahren in der Ret-
halten den Service aufrecht. Das Engage-
rück zu machen und eine Sache nochmals
tungsstation
Begonnen
ment für die alpine Rettung vertrage sich gut
von aussen zu betrachten. Die Verbindung
hatte alles an einem Kletterkurs, an dem auch
Bellinzona
aktiv.
mit seinem Beruf, sagt Capra. Zwischen null
von Entschlossenheit und Bedacht ist für die
der damalige Obmann der Rettungskolonne
und zehn Mal werde er pro Jahr als Bergretter
Rettung günstig. Und es sind Eigenschaften,
teilgenommen hatte. Er erzählte Capra von
aufgeboten. «Bis jetzt haben die Einsätze fast
die Capra auch bei anderen bewundert. Auf
der alpinen Rettung, offenbar auf überzeu-
ausnahmslos ausserhalb der Arbeitszeit
die Frage nach Vorbildern nennt er nicht ei-
gende Art und Weise. Jedenfalls schaute
stattgefunden.»
nen einzelnen Namen. «Erfinder faszinieren
Capra kurz darauf erstmals an einer Übung
mich», sagt er. Also jene «Verrückten», die
vorbei. Und blieb. Die vielfältigen Anforderun-
Hartnäckig und reflektiert
den Mut aufbrächten, die ausgetretenen
gen technischer, medizinischer und organisa-
Zu seinen Aufgaben beim Croce Verde gehö-
Pfade des Denkens zu verlassen – auch ge-
torischer Art zogen ihn an. Es bestätigte sich,
ren auch administrative Arbeiten. Er küm-
gen Widerstände.
dass die Rettung – ob alpin oder urban – für
mert sich unter anderem um das Netzwerk
den wissbegierigen Macher das ideale Be­
und die Informatik. Das einschlägige Wissen
tätigungsfeld ist. Nach seiner Krankenpflege-
hat er sich autodidaktisch angeeignet. Sein
ausbildung war es für ihn klar gewesen, dass
Forschergeist, aber auch seine Hartnäckig-
er in den Ambulanzwagen gehörte und nicht
keit kommen ihm dabei zugute. Wenn er sich
ins Spitalzimmer. «Es ist mein Traumberuf.»
etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht er es
Diesen August hat Capra die Prüfung zum
durch. Diese Stärke könne gelegentlich auch
Rettungssanitäter bestanden. Mit seinem Ba-
etwas übers Ziel hinausschiessen und zur
chelor in Pflege hatte er für diesen Abschluss
Sturheit werden, räumt Capra ein. Dies und
noch ein Jahr anhängen müssen.
seine impulsive Art haben auch schon zu Zu-
Steckbrief
Mauro Capra (35) ist ledig und wohnt in Ascona.
Er ist Einsatzleiter in der Rettungs­s tation ­B ellin­zona.
16
Herausgegriffen
Die Rega hautnah
Mit Bildern und Texten erzählt das Buch «Rega –
Backstage» Wissenswertes aus Geschichte und
Gegenwart der Schweizerischen Rettungsflugwacht. Es ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen der Luftrettung, so etwa in die Einsatzzen­
trale und den Hangar beim Flughafen Zürich. Es
wird berichtet über einen 24-Stunden-Tag auf einer Helikopterbasis und über
einen Einsatz mit dem Ambulanzjet. Mehr als 350 Piloten, Notärztinnen, Rettungssanitäter, Pflegerinnen, Mechaniker, Einsatzleiterinnen arbeiten heute bei der Rega. Ein paar von ihnen lernen die Leserinnen und Leser des eben
erschienenen Buchs kennen.
Die drei Autorinnen und der Autor kennen den Betrieb aus dem Effeff. Walter
Stünzi, Karin Hörhager, Ariane Lendenmann und Wanda Pfeifer arbeiten
oder arbeiteten alle im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit der Rega. Stünzi ist
mittlerweile pensioniert, schreibt aber immer noch Fachbeiträge im RegaMagazin 1414.
Das Buch ist viersprachig verfasst (D/F/I/E). 120 Abbildungen auf 128 Seiten
machen diese Hommage an die Rega auch zu einem Bilderbuch.
Karin Hörhager, Ariane Lendenmann, Wanda Pfeifer, Walter Stünzi (2015):
Rega – Backstage. AS-Verlag, Zürich. CHF 45.–.
Dank
Retouren:
Alpine Rettung Schweiz
Rega-Center
Postfach 1414
8058 Zürich-Flughafen
Im Namen aller Gremien der ARS danken wir den Retterinnen und
Rettern für die grossen Leistungen, die aktive Mithilfe und die
­U nterstützung rund um die alpine Rettung. Für die bevorstehenden
Festtage und den Jahreswechsel wünschen wir alles Gute. Auf dass
2016 wiederum ein erfolgreiches Retterjahr werde!
Geschäftsleitung ARS:
Andres Bardill, Geschäftsführer
Elisabeth Floh Müller, stv. Geschäftsführerin
Theo Maurer, Chef Ausbildung
3001 Bern
P. P.
Impressum
Bergretter: Magazin für Mitglieder und Partner der Alpinen Rettung Schweiz
Herausgeber: Alpine Rettung Schweiz, Rega-Center,
Postfach 1414, CH-8058 Zürich-Flughafen,
Tel. +41 (0)44 654 38 38, Fax +41 (0)44 654 38 42,
www.alpinerettung.ch, [email protected]
Redaktion: Elisabeth Floh Müller, stv. Geschäftsführerin, [email protected]
Andreas Minder, [email protected]
Auflage: 3500 Deutsch, 1000 Französisch, 800 Italienisch
Adressänderungen: Alpine Rettung Schweiz, [email protected]
Gesamtherstellung: Stämpfli AG, Bern