Bergretter Nr. 32 - Alpine Rettung Schweiz

bergretter
AUSGABE 32
| MAI 2015
Bergretter und Medien | Seite 2
Editorial | Seite 3
Jahresbericht | Seite 4
Reorganisation Medizin | Seite 7
Lawinen sprengen | Seite 8
Fortschritte in der Lawinenrettung | Seite 10
Bergrettung in Frankreich | Seite 11
Personelle Wechsel | Seite 13
Bergretter im Fokus | Seite 15
Mythos Matterhorn | Seite 16
ausbildung
2
MEDIEN
Vom richtigen Umgang mit Wort und Bild
Die Bergrettung interessiert Öffentlichkeit und Medien, je schlimmer der Unfall,
desto mehr. Retterinnen und Retter an
der Front sind deshalb begehrte Informationsquellen. Aber Vorsicht: Es gibt
Dinge, die sie für sich behalten sollten
oder sogar müssen.
Vor allem für die Zeitungen mit den grossen
Buchstaben sind Bergunfälle ein gefundenes
Fressen. Die Bilder sollten möglichst haarsträubend, die Aussagen von Beteiligten möglichst knackig sein. Bergretterinnen und Bergretter sind da willkommene Auskunftspersonen und Bilderlieferanten. Es lohnt sich deshalb, im Voraus darüber nachzudenken, was
zu tun wäre, wenn man denn plötzlich ein Mik-
Bergunfälle locken die Medien an. Doch es gibt Dinge, die nicht für die Öffentlichkeit
­b estimmt sind. Fotos: zvg
rofon oder eine Kamera vor dem Kopf hat. Fragen von Journalisten können den Stress eines
sehberichte, sondern auch Einträge in sozialen
auf später zu verschieben. Lassen Sie sich
Ernsteinsatzes noch steigern. Ob und was
Medien wie Facebook, Youtube, Twitter usw.
von Medienschaffenden nicht unter Druck
sein. Sonst kann man ungewollt Schaden an-
Regel 2: Auf dem Recht am eigenen Wort
ten Auskunft zu geben oder sich fotografie-
richten und sich sogar strafbar machen. Wer
beharren
ren zu lassen.
ein paar Regeln befolgt, kann das verhindern.
Nach einem Rettungseinsatz sind Sie mögli-
Wer interviewt wird, hat das Recht, seine di-
cherweise gestresst, aufgewühlt, erschöpft.
rekten Zitate gegenzulesen. Journalisten
Regel 1: Persönlichkeitsschutz
Da fällt es schwer, nur wohlüberlegte Aussa-
müssten dies gegenüber Personen mit we-
respektieren
gen zu machen. In dieser Situation kann es
nig Medienerfahrung offenlegen. Das tun
Sagen Sie nichts, was Rückschlüsse auf die
ratsam sein, zu schweigen oder ein Interview
aber nicht alle. Es empfiehlt sich deshalb,
setzen. Es gibt keine Pflicht, einem Journalis-
man in dieser Situation sagt, will gut überlegt
Identität von Verunfallten oder von anderen
Retterinnen und Rettern zuliesse. Eine solche Aussage wäre persönlichkeitsverletzend, weil sie den Privatbereich betrifft, der
nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Die
Betroffenen können auf Schadenersatz, Genugtuung oder Gewinnherausgabe klagen.
Ausserdem kann sich der Bergretter bei Herausgabe von Informationen zum Patienten
sogar wegen Verletzung des medizinischen
Berufsgeheimnisses strafbar machen.
Bilder oder Videos, auf denen Menschen erkennbar sind, dürfen ohne Zustimmung der
Abgebildeten nicht einmal gemacht, geschweige denn publiziert werden. Unter «Publizieren» fallen nicht nur Zeitungs- oder Fern-
Social-Media-Verhaltensregeln für Bergretterinnen und Bergretter der ARS
• Persönlichkeitsrechte: Bild- und Tonaufnahmen von Verunfallten dürfen nicht veröffentlicht werden.
Auch schriftliche Informationen über Verunfallte dürfen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, wenn sie
Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen zulassen. Bilder, Tonaufnahmen oder Informationen über
Retterkolleginnen und -kollegen dürfen nicht ohne deren Einverständnis öffentlich gemacht werden.
• Ehrverletzungen: Üble Nachrede, Verleumdung und Beschimpfungen sind auch im Internet strafbar.
• Sachlich argumentieren: Finden sich auf Social-Media-Plattformen kritische, abschätzige oder falsche Beiträge über die Bergrettung, so sollte die Reaktion darauf ruhig und sachlich ausfallen. In gravierenden Fällen ist die ARS zu informieren. Diese entscheidet dann, wie zu reagieren ist.
• Interne Probleme intern klären: Wer mit Gegebenheiten in seiner Rettungsstation, in der ARS oder der
Bergrettung unzufrieden ist, soll intern das Gespräch suchen.
• Geheimhaltung: Vertrauliche Informationen aus der Bergrettung gehören nicht ins Internet.
Leitfaden für Aktivitäten von Rega-Mitarbeitenden in den sozialen Medien:
www.rega.ch/pdf/multimedia/Rega_Social_Media_Leitfaden_d.pdf
editorial
3
Elisabeth Floh Müller
Stv. Geschäftsführerin
festzuhalten, dass man seine Aussagen ge-
für polemische oder ehrverletzende Aussa-
genlesen will. Unbedachte Äusserungen
gen.
können so korrigiert werden.
Während des Einsatzes besteht zwischen der
Stiftung ARS und den Retterinnen und Ret-
Regel 3: Die Arbeit der Polizei nicht
tern ein temporärer Arbeitsvertrag. So sind
beeinträchtigen
sie gut versichert, wenn sie verunfallen oder
Bei Unfällen ist zumeist die Polizei vor Ort.
Schäden verursachen. Im Rahmen dieses
Sie untersucht, ob sich jemand von den Un-
Vertrags könnten die «Angestellten» dazu
fallbeteiligten strafbar gemacht hat. Bilder
verpflichtet werden, keine Bilder herauszuge-
oder unvorsichtige Aussagen von Rettern in
ben und Stillschweigen zu bewahren. Die
den Medien können die Ermittlungen beein-
ARS möchte auf solche Massnahmen jedoch
trächtigen oder zu Vorverurteilungen führen.
verzichten und appelliert an die Retterinnen
Die zuständige Kantonspolizei bittet deshalb
und Retter, sich an die gesetzlichen Bestim-
darum, dass Medienanfragen oder Bilder an
mungen zu halten und zudem das Image der
ihre Medienstelle weitergeleitet werden.
Bergrettung im Auge zu behalten.
Diese Grundsätze gelten auch für Rega-Mitarbeitende. Wie sie sich bei Medienanfragen
zu verhalten haben, ist in einem Verhaltenskodex geregelt, der integrierender Bestandteil des Arbeitsvertrags ist. Darin steht unter
anderem, dass alle Anfragen von Medienschaffenden über den Rega-Mediendienst
kanalisiert werden. «Die Entscheidung, wer
in der Öffentlichkeit zu welchen Themen Auskunft gibt, wird vom jeweils zuständigen Me-
Wer fotografiert, muss das Recht der anderen am eigenen Bild respektieren.
diensprecher getroffen», erklärt Karin Hörhager, die Leiterin Information und Medien der
Rega. Der Mediendienst entscheidet auch,
Diese entscheidet dann, welche Bilder unbe-
welche Bilder veröffentlicht werden dürfen –
denklich sind und wer Auskunft geben soll.
immer mit Blick auf den Persönlichkeits-
Diesem Wunsch sollten Bergretterinnen und
schutz von Mitarbeitenden und Patienten.
Bergretter generell nachkommen. Falls sie
Für Aktivitäten in den sozialen Medien hat die
von der Polizei persönlich und explizit dazu
Rega für ihre Mitarbeitenden einen Leitfaden
aufgefordert werden, ist der Anweisung un-
erstellt. Sie sieht ihre Angestellten als Bot-
bedingt Folge zu leisten.
schafter und begrüsst es deshalb, wenn sie
sich in sozialen Netzwerken bewegen. «Wir
Regel 4: Das Image der Bergrettung
weisen aber auch auf mögliche Gefahren im
pflegen
Umgang mit sozialen Netzwerken hin und
Retterinnen und Retter im Einsatz sind nicht
stehen den Mitarbeitenden bei Unsicherhei-
nur Privatpersonen. Sie repräsentieren auch
ten mit Rat und Tat zur Seite», sagt Hörhager.
den SAC und die ARS. Ein Verhalten, das per-
Die ARS hat im Bergretter vom Dezember
sönlichkeitsverletzend ist oder die Arbeit der
2012 eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnit-
Polizei beeinträchtigt, schadet auch dem
tene Fassung der Richtlinien zu den sozialen
Image dieser Organisationen. Das Gleiche gilt
Medien publiziert (vgl. Kasten Seite 2).
Editorial
Megageiler Rettungseinsatz!
Zu einer vollständigen Einsatzberichterstattung
gehört dokumentarisches Bildmaterial. Für die
behördlichen Ermittlungen ist dies sogar zwingend. Für Journalisten und Reporter erfüllen
­U nfallbilder jedoch einen anderen Zweck: Je
spektakulärer und zeitnaher sie sind, umso besser f­ ür Leserzahlen, Einschaltquoten und Erfolgs­
prämien.
Es gibt in der medialen Welt viel schockierendes
Bild- und Filmmaterial. Zerschlagene Körper, die
den Schnee rot färben, abgetrennte Extremitäten, vorstehende Knochen und verdrehte Beine,
steif gefrorene Körper, die aus den Tiefen des
Schnees ausgegraben werden. Ich frage mich,
was das bringen soll? Welchen Nutzen habe ich
von einem extremen Einsatzbild?
Empfinden gewisse Betrachter das gleiche wohlige Gruseln wie im brutalen Actionfilm oder im
Kriegsspiel? Die Vermutung liegt nahe, dass
beim Konsum solcher Bilder die Grenzen zwischen Realität und Fiktion unscharf werden. Wer
jedoch einen schweren Unfall erleidet, erlebt den
Unterschied schmerzvoll und möchte vor allem
eines nicht: sein Bild am Tag darauf auf der Titelseite eines Boulevardblattes oder im Internet
­f inden.
Hinter jedem Rettungseinsatz stehen persönliche Schicksale, denen allergrösster Respekt gebührt. Als Opfer eines Unfalls bin ich darauf angewiesen, dass andere meine Privatsphäre
schützen. Bei unseren Einsätzen seid Ihr diese
anderen, liebe Retterinnen, liebe Retter. Rettungseinsätze sind Extremsituationen, mediales
Interesse ist deshalb programmiert. Dabei den
Überblick zu behalten und korrekt zu kommuni­
zieren, ist nicht einfach. Mit unserem Beitrag
auf den Seiten 2 und 3 stellen wir vier Regeln auf,
die uns im Umgang mit Medien behilflich sein
können.
Elisabeth Floh Müller
geschäftsleitung
4
JAHRESBERICHT 2014
Tod eines Retters überschattet ein reges Jahr
Das Geschäftsjahr 2014 der Alpinen Ret-
schiedene organisatorische Vorkehrungen
tion eines schwer verletzten Höhlenforschers
tung Schweiz (ARS) brachte Neuerungen
sind, die manchmal als unnötig oder als Schi-
aus der Riesending-Schachthöhle in den
in der Ausbildung, in der Zusammenar-
kane empfunden werden. Es braucht sie, um
Berchtesgadener Alpen beteiligt. Die Retter
beit mit Partnerorganisationen und in
wirtschaftliche oder rechtliche Härtefälle
leisteten ihren Einsatz als «Arbeitnehmer» der
der Logistik. In Erinnerung bleiben wird
vermeiden zu können.
ARS. Dadurch konnte vermieden werden, dass
aber vor allem der Tod eines Bergretters.
2014 leisteten SAC-Rettungsstationen und
Spéléo Secours Suisse als beauftragte Subun-
Er starb nach einem Unfall, der sich wäh-
Fachspezialisten der Partnerorganisationen
ternehmung tätig wurde. Die Risiken der Betei-
rend eines Einsatzes ereignet hatte.
659 Einsätze. Das sind etwas weniger als im
ligten waren dadurch besser abgesichert.
Vorjahr (675). Insgesamt nahmen 848 PersoEs geschah Ende Juli im Gebiet Schwei-
nen die Hilfe der ARS in Anspruch. Das Ein-
Ausbildung modularisiert
benalp in der Gemeinde Brienz: Während ei-
satzaufkommen war atypisch übers Jahr ver-
Das neue modulare Ausbildungskonzept für
ner Bergungsaktion stürzte Bergführer Franz
teilt. Im Winter 2013/14 musste die organi-
Fachspezialisten wurde im Herbst 2014 ein-
Werren einen steilen Abhang hinunter und
sierte Rettung eher selten eingreifen. Es
geführt. Damit alle das gleiche Basiswissen
verletzte sich schwer. Vier Tage später starb
folgten ein wettermässig durchzogener Som-
haben, besuchen sie gewisse Module ge-
er im Spital. Bergretterinnen und Bergretter
mer und ein schöner Herbst. Entsprechend
meinsam. Zusammen mit den fachspezifi-
reagierten mit grosser Anteilnahme auf den
wenige Einsätze gab es bis Ende August. Von
schen Modulen ergibt sich jene Kombination
Tod ihres Kameraden und das Leid seiner Fa-
September bis November lagen die Zahlen
von Kompetenzen, die es in der jeweiligen
milie.
dann deutlich über dem Mehrjahresschnitt.
Fachrichtung braucht. Mit dem neuen Kon-
Die administrative Aufarbeitung des trauri-
Die Rettungsmannschaft von Spéléo Secours
zept werden nicht nur die Ausbildungsinhalte
gen Ereignisses hat gezeigt, wie wichtig ver-
Suisse war im Juni massgeblich an der Evakua-
vereinheitlicht, sondern auch Kursstrukturen
dezentraler und gleichmässiger über den Aktionsraum der ARS verteilt. Parallel zu den
Einsätze nach Monaten 2012–2014
Ausbildungsmodulen wurde die Kursverwal-
147
140
tung über die Website aufgebaut. Das entlas-
139
130
120
110
2012
tet die Ausbildner von Büro- und Schreibkram.
2013
2014 wurden die Stationsgrenzen überarbei-
2014
tet und das ganze Rettungsgebiet in Einsatzräume mit klaren Verantwortlichkeiten über-
108
100
führt. In mehreren lokalen Projekten wurde
100
93
90
93
die Zusammenarbeit zwischen Rettungssta-
88
tionen und Partnern optimiert.
80
70
56
50
30
20
Stiftungsräte und die Geschäftsleitungen
64
60
40
Die Bergrettungsmedizin beschäftigte die
72
72
52
46
46
40
39
37
31
45
44
42 43
weit sich die Flugrettungsmedizin der Rega in
46
44
39
36
32
von Rega und ARS. Es ging um die Frage, wie
57
56
der terrestrischen Rettung engagieren soll
38
33
24
23
26
29
16
und wie die Abgrenzung zu kantonalen Blaulicht- und Notfallorganisationen zu definieren
ist. Die letzten Entscheide stehen noch aus,
10
umgesetzt werden die Neuerungen erst im
Jan.
Feb.
März
Apr.
Mai
Juni
Juli
Aug.
Sep.
Okt.
Nov.
Dez.
Atypisch übers Jahr verteilte Einsätze: Von September bis November hatten die Retter überdurchschnittlich viel zu tun.
Frühjahr 2015.
Seit Anfang 2015 ist ein System zur besseren
Material- und Lagerbewirtschaftung operativ. Die Materialflüsse von sicherheitsrele-
5
Rettungseinsätze und Beteiligte
Zu öffentlichkeitswirksamen Auftritten ka-
Auch auf der Geschäftsstelle und bei den für
men die Berner Lawinenhundeteams anläss-
die ARS tätigen Rega-Mitarbeitenden gab es
1000
lich der Jubiläumsausstellung des Naturhis-
im vergangenen Jahr Wechsel. Sandra San-
torischen Museums Bern über Barry. Mit
ter hat nach ihrem Mutterschaftsurlaub die
praktischen Demonstrationen, Podiumsdis-
Buchhaltung der ARS wieder vollumfänglich
kussionen und Medienauftritten zeigten sie
übernommen. Sie betreut auch die Personal-
auf, wo Unterschiede und Parallelen zwi-
administration. Alexandra Fuchs wurde im
schen dem legendären Bernhardiner und
Herbst als neue Ressortleiterin Einsatzadmi-
heutigen Lawinenhundeteams liegen.
nistration der Rega gewählt. Stefan Fricker
917
900
895
848
800
700
660
675
659
600
hat die medizinische Koordination im Herbst
500
400
Stämpfli wurde IKAR-Präsident
abgegeben, Dr. med. Michael Lehmann ist
ARS-Stiftungsratspräsident Franz Stämpfli
sein Nachfolger.
wurde im Oktober am Kongress der Inter­
300
200
100
Rettungseinsätze
Beteiligte
2013
2014
2012
Die Anzahl der Einsätze und der Beteiligten
ist 2014 leicht gesunken.
vantem Einsatzmaterial und die entsprechen-
nationalen Kommission für alpines Ret-
100 000 Franken Überschuss
tungswesen (IKAR) zu deren neuem Präsi-
Die Rechnung 2014 der ARS schliesst mit ei-
denten gewählt. Er trat die Nachfolge von
nem Überschuss von CHF 98 680.– ab. Die
Gerold ­Biner an, dem CEO der Air Zermatt.
Geschäftsleitung hat dem Stiftungsrat bean-
Tom Spycher betreut seit dem 1. Juni die Ge-
tragt, diesen Betrag dem Organisationskapi-
schäftsstelle der IKAR. Er arbeitet haupt­
tal zuzuführen und damit das Stiftungskapital
beruflich in der Helikoptereinsatzzentrale
auf knapp CHF 3,2 Mio. zu äufnen. Ange-
der Rega.
strebt wird längerfristig ein Stiftungskapital
Ende 2014 ist Corine Blesi, Leiterin Helikop-
in der Höhe eines Jahresaufwandes von ca.
tereinsatz Rega, als Nachfolgerin von Franz
CHF 4,8 Mio.
Steinegger in den ARS-Stiftungsrat gewählt
Die Einsatztätigkeit und Arbeiten für Dritte
worden.
sind die wichtigsten Einnahmequellen für die
den Qualitätskontrollen werden dadurch vereinheitlicht und nachvollziehbar.
Finanzierung der ARS
Erster Rettertag
Gesamtumsatz: CHF 4 883 289.–
Im Juni trafen sich Partnerfirmen, Stiftungsräte und Regionalvereinspräsidenten erst-
476 018
Spenden und Legate
1 946 179
Betriebsbeitrag Rega
mals an einem praktischen Rettertag im Grim-
1 260 000
selgebiet. Die ARS gestaltete den Tag zusam-
Weitere Leistungen Rega
Betriebsbeitrag SAC
men mit der SAC-Rettungsstation Oberhasli
Betriebsbeiträge Kantone
und der Rega-Basis Wilderswil. Die Gäste
Net toer träge aus
Lieferungen und Leistungen
wohnten anspruchsvollen Demonstrationen
und Übungen bei.
Die Zusammenarbeit mit den Seilbahn- und
den Kraftwerkunternehmen wurde weiter intensiviert. Bis Ende 2014 wurden insgesamt
35 Vereinbarungen abgeschlossen. Diese regeln die Kooperation bei Bergungsarbeiten,
bei Betriebsunterbrüchen und anderen Notfällen.
204 187
140 000
856 905
Die Betriebsbeiträge der Kantone, Einnahmen aus Lieferungen und Leistungen sowie die
Beiträge der Stifter Rega und SAC bilden das finanzielle Fundament der ARS.
6
BERGNOTFALLSTATISTIK 2014
Jahr in Zahlen
ARS. Trotz etwas weniger Einsätzen wurde
ten Betriebsverlustes durch die Rega und den
2014 sind in den Schweizer Alpen und im
praktisch der gleiche Betrag fakturiert wie im
SAC ist der «Normalbetrieb» der ARS finanzi-
Jura rund 2500 Personen in eine Notlage
Vorjahr. Dies ist auf einige grosse Einsätze,
ell gesichert. Dieses Dreisäulenprinzip hat
geraten und mussten von der Bergret-
wie jenen in der Riesending-Schachthöhle,
sich bewährt und soll beibehalten werden.
tung geborgen werden. Beim Bergsport
zurückzuführen.
Stiftungsrat und Geschäftsleitung danken
sind 96 Menschen tödlich verunfallt,
Die beiden Stifter Rega und SAC zahlten
Retterinnen und Rettern, Partnerorganisatio-
11 Prozent weniger als im Jahr zuvor.
die
von
nen und beteiligten Einzelpersonen für den
CHF 1,4 Mio. Dazu kamen zusätzliche geld-
budgetierten
Betriebsbeiträge
sorgfältigen Umgang mit den finanziellen
Die gesamtschweizerische Bergnotfallstatis-
werte Leistungen der Rega in der Höhe von
Ressourcen und den grossen Einsatz im ver-
tik ist – wie die Einsatztätigkeit der ARS –
CHF 205 000.–. Im vergangenen Jahr gingen
gangenen Jahr.
vom Wettergeschehen geprägt. Vor allem
Spenden von rund CHF 476 000.– ein. Davon
der verregnete Hochsommer schränkte die
waren CHF 260 000.– direkte Spenden an die
Geschäftsleitung:
Tourenaktivitäten ein. Dadurch kam es insge-
ARS. Der Rest wurde von den Rettungssta­
Andres Bardill, Geschäftsführer
samt zu weniger Notlagen, auch wenn etliche
tionen eingebracht. Auf der Aufwandseite
Elisabeth Floh Müller, stv. Geschäftsführerin
Berggängerinnen und Berggänger gerade
schlagen die Personalkosten und die persön-
Theo Maurer, Chef Ausbildung
wegen der schlechten Witterung in Schwie-
liche Ausrüstung der Rettenden am stärksten
rigkeiten gerieten.
zu Buche.
2456 Personen mussten in den Schweizer Al-
Mit den jährlichen Einnahmen aus der Ein-
Der ausführliche Jahresbericht 2014 findet sich
im Internet unter www.alpinerettung.ch.
satztätigkeit, den Betriebsbeiträgen von Kantonen sowie der Übernahme des budgetier-
pen und im Jura die Bergrettung in Anspruch
nehmen, 97 Personen oder rund 4 Prozent
weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der Todesfälle ist mit 162 (Vorjahr 150) jedoch höher.
Dies vor allem wegen Erkrankungen. 38 Per-
Einsatzzahlen nach Regionalvereinen
sonen haben aus diesem Grund das Leben
verloren (Vorjahr 26), meist als Folge eines
200
Herz-Kreislauf-Problems.
180
179
176
160
2012
2013
156
140
2014
126
120
120
100
80
103
100
125
87
Gleitschirm oder Montainbike – kamen
96 Personen ums Leben, 11 Prozent weniger
als im Jahr zuvor. Beim Bergwandern gab es
ren Bergsportart. Auf Skitouren und Hoch-
87 87
80
alpinen Aktivitäten ohne Transportgeräte wie
39 Tote zu beklagen, mehr als bei jeder ande-
105
105
Beim Bergsport im engeren Sinn – also den
70
79
67
60
touren starben je 17 Personen, beim Free­
65
riden/ Variantenfahren 9 Personen.
Von Lawinenunfällen waren letztes Jahr
40
28 26
20
29 Personen betroffen, 48 weniger als im
23
Jahr zuvor. Dadurch gab es auch deutlich
­weniger Lawinentote: Bei vier Unfällen sind
SARO
SARO
ARBE
ARZ
SATI
=
=
=
=
ARBE
ARZ
Alpine Rettung Westschweiz
Alpine Rettung Bern
Alpine Rettung Zentralschweiz
Alpine Rettung Tessin
SATI
ARGL
ARO
ARG
ARGL = Alpine Rettung Glarnerland
ARO = Alpine Rettung Ostschweiz
ARG = Alpine Rettung Graubünden
Die Einsätze pro Regionalverein bewegten sich in den üblichen Grössenordnungen. Bei der
Alpinen Rettung Bern lag die Zahl am deutlichsten unter jener des Vorjahres.
sieben Tourenfahrer ums Leben gekommen
(Vorjahr 15). Drei Unfälle ereigneten sich bei
Gefahrenstufe «erheblich», einer bei «mässiger» Lawinengefahr.
Ueli Mosimann, Fachgruppe Sicherheit im Bergsport
medizin
7
REORGANISATION
Die Medizin der ARS wird gestärkt
Die Rekrutierung von Fachspezialisten
Medizin wird schwieriger. Um die bisherige Qualität der Rettungsmedizin zu erhalten, führen ARS und Rega deshalb das
gleiche System ein, wie es die anderen
Fachspezialisten schon haben.
Es gibt sie noch, die Hausärzte, die eine Praxis über Jahrzehnte führen, die alle im Dorf
kennen und die sich für die Gemeinschaft engagieren – z.B. als Stationsarzt in der alpinen
Rettung. Aber sie sind seltener geworden.
«Hausärzte werden mehr und mehr zu einer
mobilen Gesellschaft», sagt Michael Lehmann. «Es ist schwierig, Leute zu finden, die
sich langfristig verpflichten können.» Michael Lehmann ist selber Arzt und koordiniert
Mit der Reorganisation der Medizin soll deren Qualität gefördert werden. Foto: ARS
für die Rega die medizinischen Aktivitäten
der ARS: «Wir haben mehrere Stationen und
nen so künftig auch in einem grösseren Ge-
niger Personal», sagt Lehmann. «Statt ­einer
Regionen, die medizinisch eine unklare Zu-
biet eingesetzt werden. Wäre bei einem
grossen, eher wenig beschäftigten Truppe
kunft haben», sagt er. Noch sei die Qualität
Alarm in der betroffenen Station oder Region
hätten wird dann eine kleinere, aber bereite
der Rettungsmedizin gewährleistet, aber
kein Fachspezialist Medizin verfügbar, würde
Mannschaft.» Mit den Einsatzstunden näh-
ohne Gegensteuer zu geben, könnte sich dies
die Rega im weiteren Umfeld suchen. Wer
men Routine und Motivation der Fachspezia-
ändern. Dies umso mehr, als die Notfallmedi-
einsatzbereit ist, wird ins Unfallgebiet ge-
listen zu.
zin komplexer werde und man es den Patien-
bracht, je nach Distanz auch mal per Helikop-
Zusammen mit den Regionalvereinsärzten
ten schuldig sei, die Qualität kontinuierlich zu
ter.
sollen die Fachspezialisten Medizin auch wei-
steigern.
Wie Michael Lehmann sagt, müssten die Pa-
ter eine wichtige Rolle in der Ausbildung der
ger-Träger allerdings zwingend am E-Lear-
Retter spielen. Dazu sind die bei der ARS übli-
Tiefe Einsatzzahlen
ning teilnehmen, jährlich einen Tag Weiterbil-
chen Fachspezialisten-Entschädigungen ab
Ein weiteres Problem: Wo die Stationen noch
dung absolvieren und an zwei Übungen der
Januar 2016 beantragt worden, sagt Michael
berggängige Ärzte und Rettungssanitäter ha-
Rettungsstationen mitmachen. Für die Ret-
Lehmann. Geklärt werden müsse auch, wann
ben, kommen diese selten zum Einsatz. Das
tungssanitäter kommt eine zusätzliche Auf-
welche Fachspezialisten Medizin aufgeboten
hat nachteilige Folgen: Zum einen können die
lage dazu: Als Bedingung für die Delegation
werden. Denkbar wäre, dass dies aufgrund
Fachspezialisten wenig praktische Erfahrung
ärztlicher Massnahmen müssen sie die dafür
einer Indikationenliste und direkt durch die
sammeln, zum anderen ist es unter diesen
nötigen Medikamentenkenntnisse wie bis-
Rega-Einsatzzentrale geschieht und nicht
Umständen schwierig, immer bereit zu sein
her regelmässig nachweisen. Dies geschieht
wie heute durch den Rettungschef.
und sich weiterzubilden.
durch E-Learning.
Am 26. März hat der ARS-Stiftungsrat der
Rega und ARS möchten diesen Problemen
Reorganisation der Medizin zugestimmt und
begegnen, indem sie die Fachspezialisten
Kleinere, schlagkräftige Truppe
das Geld für die notwenigen zusätzlichen Pa-
besser unterstützen und einbinden. Es wer-
Das neue System hat den Vorteil, dass es
ger gesprochen. Ziel ist es nun, die neuen
den alle mit einem Pager ausgerüstet, wie
auch funktionieren würde, wenn sich die
Strukturen und Abläufe bis Ende dieses Jah-
dies bei den Fachspezialisten Helikopter und
Nachwuchsprobleme akzentuieren sollten.
res einzuführen.
Fachspezialisten Hund LW/GS heute schon
«Durch den regionenübergreifenden Einsatz
der Fall ist. Die Fachspezialisten Medizin kön-
der Fachspezialisten Medizin braucht es we-
partner
8
LAWINENSCHUTZ
Vom Minenwerfer bis zu «DaisyBell»
Um Pisten, Bergbahnen, Strassen und
len, wohin Ladungen à 2,5 Kilogramm zu Fuss
Sprengseilbahnen sind ebenfalls fest instal-
Siedlungen sicherer zu machen, werden
oder mit dem Pistenfahrzeug gebracht wer-
lierte Anlagen. Die Sprengladungen werden
Lawinen künstlich ausgelöst. Dafür ste-
den, für die sogenannte Handsprengung. Pro
mit einem Absenkgerät an den Sprengpunkt
hen verschiedene Methoden zur Verfü-
Jahr verbrauchen Michel und seine Kollegen
gefahren und abgeworfen. Sie sind an einer
gung. Genaues Beobachten ist in jedem
im Schnitt etwa 1,5 Tonnen Sprengstoff.
Halteschnur befestigt, so dass sie über dem
Schnee explodieren. Gezündet werden die
Fall wichtig für erfolgreiches Lawinensprengen.
Der beste Zeitpunkt
Ladungen per Funk.
«Diese beiden Methoden sind in der Schweiz
Lawinensprengen beginnt im Sommer. Peter
am weitesten verbreitet», sagt Lukas Stoffel
Michel, der Pisten- und Rettungschef der
vom Team Schutzmassnahmen des SLF, das
Bergbahnen Meiringen-Hasliberg schreitet
sich mit Lawinenschutz befasst. Die Heli­
die heiklen Hänge seines Gebiets ab, lange
sprengung ist schnell, billig und sicher. Der
bevor der erste Schnee fällt. So sieht er zum
Nachteil: Sie ist nur bei Flugwetter möglich.
Beispiel, wenn eine Fläche nicht beweidet
Dadurch verpasst man möglicherweise den
worden ist und das Gras hoch steht. Darauf
besten Zeitpunkt, weil jene Sprengeinsätze
gleitet der Schnee viel leichter ab, als wenn
am erfolgreichsten sind, die bereits während
Kühe und Schafe einen kurz gefressenen Ra-
oder unmittelbar nach Schneefällen durchge-
sen zurücklassen. Einer von vielen Faktoren,
führt werden.
die es zu beobachten gilt. «Vom ersten
Handsprengungen sind auch bei schlechte-
Schneefall an führe ich Buch», sagt Peter Mi-
rem Wetter möglich. Es muss aber jemand so
chel. Er notiert natürlich immer wieder die
nahe an den Sprengpunkt gelangen, dass er
Schneemengen, aber auch, ob der Boden ge-
die Ladung ins Anrissgebiet werfen kann.
froren ist oder nicht, wenn die ersten Flocken
Wie Lukas Stoffel erklärt, ist das nicht ganz
fallen. Wenn nicht, verbindet sich die Schnee-
ungefährlich, weil der Patrouilleur schon auf
schicht nicht mit dem Untergrund und hält
dem Weg dorthin oder dann nach der Explo-
schlecht. Um den Schneedeckenaufbau zu
sion selber in eine Lawine geraten könnte,
ermitteln, ist Michel die ganze Saison mor-
wenn diese anderswo abgeht oder grösser
gens, mittags und abends mit der Ramm-
ausfällt als erwartet.
sonde unterwegs. Die gewonnenen Daten
Diese Gefahr entfällt bei der dritten Methode,
braucht er nicht nur für den Sprengentscheid,
mit der in Meiringen-Hasliberg gearbeitet
sondern er leitet sie auch ans Institut für
wird. Seit der Wintersaison 2012/13 verfügt
Schnee- und ­L awinenforschung SLF weiter,
das Skigebiet über eine Gazex-Sprenganlage.
wo sie verwendet werden, um die lokalen
Sie besteht aus sechs dicken, fest installier-
­L awinenbulletins zu erstellen.
ten Zündrohren, die mit zwei Gastanks ver-
«Im Vorwinter beginnen wir früh zu schies­
bunden sind. Von der Rettungszentrale aus
sen», sagt Peter Michel. «Ab 20, 25 Zentime-
kann Peter Michel steuern, in welche Zünd­
ter putzen wir den Neuschnee weg.» Das ist
rohre Gas fliesst, und es entzünden. Durch die
nicht nur gut für die Sicherheit. Wo die Lawi-
Explosion entsteht eine Druckwelle, die vom
nen auf den Pisten liegen bleiben, erspart es
Rohr auf die Schneedecke wirkt und die La-
auch Kunstschnee. Die Sprengpunkte im und
wine auslöst. Die Installation kostete rund
ums Skigebiet Meiringen-Hasliberg sind fest-
600 000 Franken. Aus Sicht von Peter Michel
gelegt. Es gibt 48 «Helikopterziele». Dort
hat sich die Investition gelohnt. «Wir können
werden Sprengladungen à 5 Kilo aus dem He-
damit effizienter sprengen als mit der Spreng-
likopter abgeworfen. Dazu kommen 16 Stel-
bahn, die wir vorher in diesem Gebiet hatten.»
Eine explosive Glocke: «DaisyBell» wird
im Endgadin und in Zermatt eingesetzt.
Fotos: Lukas Stoffel
9
Die Sprenghöhe
tenrohre und Minenwerfer. Mit diesen Ar-
Ob Sprengstoff im, auf oder über dem
meewaffen werden bereits seit langer Zeit
Schnee detoniert, beeinflusst die Erfolgs-
Lawinen abgeschossen.
chancen der Lawinenauslösung. So genannte Überschneesprengungen sind ge-
Innovationen
mäss den Untersuchungen des SLF am ef-
Zu den Innovationen im Lawinensprengen
fektivsten, da die Druckwelle auf eine
gehört hingegen «DaisyBell». Es ist ein drei
­g rössere Fläche wirkt. Sie führen in 70 bis
Meter hoher, glockenförmiger Behälter, der
90 Prozent der Fälle zum Ziel. Explodiert der
an einem 20 Meter langen Kabel unter einem
Sprengstoff auf der Oberfläche liegt dieser
Wert etwa bei 60 Prozent, wird im Schnee gesprengt, zwischen 30 und 50 Prozent.
Helikopter hängt. Dieser Behälter kann ohne
Gazex-Zündrohre können bei jedem Wetter und auch ohne Sicht gezündet werden.
Sprengmasten erlauben ebenfalls eine Über-
Nachfüllen 50 bis 60 Mal mit einem Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch gefüllt und entzündet werden. Die Druckwelle, die dabei ent-
schneesprengung. Sie werden fix im Lawi-
wächter» mit nur einem Abschussrohr. Die-
steht, soll die Lawine auslösen. Wie gut diese
nenanrissgebiet installiert. Per Helikopter
ses ist voll drehbar. Je nach Rohrneigung
Methode wirkt, hängt laut Lukas Stoffel stark
oder manuell werden Sprengladungen auf
kann die Sprengladung bis 400 Meter weit
vom fliegerischen Können des Piloten ab.
den Masten deponiert und später per Funk
geworfen werden. Die «Lawinenpfeife» kann
Entscheidend ist namentlich, wie hoch die
ausgelöst. Sie explodieren an einer Hal-
fest im Boden verankert oder auf einem Fahr-
Glocke zum Sprengzeitpunkt über dem Bo-
teschnur.
zeug montiert sein. Sie muss von einer Per-
den hängt. Eingesetzt wird «DaisyBell» in der
Der «Lawinenwächter» der Firma Inauen
son am Abschussort bedient werden. Eine
Schweiz zurzeit in Zermatt und im Oberen­
Schätti ist eine Wurfanlage, die Sprengladun-
noch grössere Reichweite als die «Lawinen-
gadin.
gen bis zu 180 Meter weit in die Anrissge-
pfeife» hat der «Avalancheur». Das ist eine
Zugenommen haben in der Schweiz laut Lu-
biete katapultieren kann. Auch sie ist fernge-
Gasdruckkanone, die 1,8 Meter lange Pfeile
kas Stoffel in den letzten Jahren vor allem die
steuert. Über die Wurfweite und -richtung,
mit Sprengstoff bis zwei Kilometer weit
fest installierten Anlagen, die den Vorteil ha-
lässt sich der Sprengpunkt leicht variieren.
schiessen kann. Sie ist schwenkbar und kann
ben, dass sie wirkungsvoll und witterungsun-
Diesbezüglich noch flexibler ist die «Lawi-
damit verschiedene Sprengpunkte errei-
abhängig sind und aus der Ferne gesteuert
nenpfeife». Es ist sozusagen ein «Lawinen-
chen. Letzteres gilt natürlich auch für Rake-
werden können. Den Lawinensprengern
stehe heute eine grosse Auswahl guter Methoden zur Verfügung. Punkto Innovation tue
Die Lizenz, Lawinen abzuschiessen
Wer Lawinen mit Sprengstoff auslösen will,
braucht dafür den Eidg. Sprengausweis zur künstlichen Auslösung von Lawinen. Die entsprechende
Ausbildung organisiert Seilbahnen Schweiz. Sie
dauert eine Woche und umfasst neben Theorie
auch praktische Sprengübungen, die am Nätschen
ob Andermatt stattfinden. Zum Kurs zugelassen
sind ausgebildete Patrouilleure sowie Vertreter
von kommunalen Lawinendiensten und Strassensicherungsdiensten. Sie müssen eine Zuverlässigkeitsbescheinigung mitbringen, in der u.a. steht,
ob ein strafrechtliches Verfahren gegen sie hängig ist. Sie müssen auch bestätigen, dass sie nicht
unter Vormundschaft stehen und weder alkohol-,
sich derzeit vor allem im Bereich der Erfolgs-
drogen- noch medikamentenabhängig sind. Laut
Marc Ziegler, dem Chef des Ausbildungszentrums
von Seilbahnen Schweiz, machen pro Jahr ungefähr 30 Personen die Ausbildung. Sie müssen mindestens alle fünf Jahre eine ergänzende Schulung
besuchen.
Für das Lawinensprengen mit Minenwerfern und
Rak-Rohren gibt es spezielle Kurse, die vom Kompetenzzentrum Gebirgsdienst der Armee in Andermatt durchgeführt werden.
Für das Auslösen von Lawinen mittels Gas ist kein
Sprengausweis erforderlich, wohl aber sind fundierte Kenntnisse in der Schnee- und Lawinenkunde vorausgesetzt.
kontrolle etwas. Man sammle zurzeit mit verschiedenen Geräten Erfahrungen, die seismisch oder mittels Radar messen, ob die anvisierte Lawine tatsächlich abgegangen ist.
Das dürfte die Arbeit von Peter Michel und
seinen Kollegen erleichtern. Ohne regel­
mässigen Kontrollgänge und ein gutes Auge
wird es allerdings auch in Zukunft nicht gehen.
10
LAWINENFORSCHUNG
Die Überlebenschancen sind gestiegen
Die Lawinenrettung hat in den vergan­
der Rettung spielte, wurde bei Lawinenereig-
Entscheidende fünf Minuten
genen Jahrzehnten grosse Fortschritte
nissen mit ganz verschütteten Personen in 90
Die Verschüttungszeit bei den durch Kamera-
gemacht, weil neue Rettungs- und Kom-
Prozent der Fälle ebenfalls die organisierte
den lokalisierten Verschütteten verringerte
munikationstechnologien von Varianten-
Rettung aufgeboten. Ein Wert, der während
sich in den letzten 20 Jahren von 15 auf 10 Mi-
fahrern, Tourengehern und Rettern im-
der gesamten 50 Jahre nur leicht gesunken ist.
nuten. Weil in diesen fünf Minuten die Über-
mer häufiger genutzt werden.
In den letzten 20 Jahren, also dem Zeitraum,
lebenschancen stark abnehmen, stieg der
in dem moderne Rettungs- und Kommunika­
Anteil Überlebender von 60 auf 72 Prozent,
In den vergangenen Jahrzehnten dürfte die
tionstechniken bereits weit verbreitet waren,
die Mortalität verringerte sich also um fast ei-
Zahl der Tourengeher und Variantenfahrer
wurden mehr als 800 Personen im freien Ge-
nen Drittel. Auch die von der organisierten
stark zugenommen haben. Darauf deutet die
lände durch Lawinen ganz verschüttet. Im
Rettung lokalisierten Verschütteten wurden
Befragung der Schweizer Bevölkerung zu ih-
Mittel waren sie während 30 Minuten in 80 cm
markant schneller befreit (60 statt 105 Minu-
rem Sportverhalten hin, auch wenn genaue
Tiefe verschüttet. 44 Prozent der Verschütte-
ten). Weil in dieser Phase die Überlebens-
Zahlen fehlen. Die Lawinenunfallstatistik des
ten starben. Die Überlebenden waren in der
kurve aber fast waagerecht verläuft, nahm
SLF zeigt, dass in den letzten 50 Jahren die
Regel wesentlich weniger tief und vor allem
die Überlebensrate trotzdem nur geringfügig
Zahl der lebensbedrohlich verschütteten Per-
wesentlich weniger lang verschüttet als jene,
von 25 auf 28 Prozent zu.
sonen ebenfalls zugenommen hat, die Zahl
die den Unfall nicht überlebten.
Trotz grossen Fortschritten ist jede Lawinen-
der Todesopfer aber unverändert geblieben ist
Knapp drei Viertel der Überlebenden wurden
verschüttung lebensgefährlich. Deshalb hat
oder sogar leicht abgenommen hat (Abbildung
von Kameraden lokalisiert. Die Überlebens-
die Prävention von Unfällen auch weiterhin
links). Entsprechend ist die Überlebensrate
chancen waren dabei am grössten, wenn die
grösste Bedeutung. Die Daten zeigen, dass
ganz verschütteter Personen angestiegen
Verschüttungstiefe gering und Körperteile an
Kameraden- und organisierte Rettung Hand
(Abbildung rechts, rote Kurve). In der gleichen
der Oberfläche erkennbar waren. Ohne visu-
in Hand funktionieren müssen, um das Leben
Periode wurden immer mehr Verschüttete
elle Hinweise auf den Verschüttungsort ist
verschütteter Personen zu retten.
von ihren Kameraden lokalisiert (Abbildung
eine effiziente Lokalisierung nur mit dem LVS
rechts, hellblaue Kurve). Auch wenn die Kame-
möglich. Gelang diese den Kameraden, über-
Frank Techel, WSL-Institut für Schnee- und
radenrettung eine immer grös­sere Rolle bei
lebten zwei Drittel der Verschütteten.
Lawinenforschung SLF
Die Überlebensrate von ganz verschütteten Personen stieg in den letzten 50 Jahren stetig an. Berücksichtigt sind nur ganz verschüttete
Personen in den Monaten Dezember bis April im freien Gelände. 10 Prozent der Todesopfer waren nicht oder nur teilweise verschüttet.
Diese sind nicht abgebildet. Grafik: SLF
11
BERGRETTUNG ANDERSWO
Wo die Profis retten
In Frankreich ist die Bergrettung weitgehend staatlich organisiert. Polizei, Armee und Feuerwehr teilen sich die Aufgaben. Dabei gibt es von Departement zu
Departement die unterschiedlichsten
Lösungen. Ausser in der Haute-Savoie
spielen ehrenamtliche Retter nur noch
eine Nebenrolle.
Anhand der Farben sieht ein Verunfallter in
Frankreich sofort, wer ihn rettet. Die Blauen
gehören zu den Compagnies Républicaines
de Sécurité (CRS), einem Verband der nationalen Polizei. Neben der Bergrettung gehören auch die Verkehrsüberwachung oder die
Absicherung
von
Demonstrationen
und
Gross­
ver­
anstaltungen zu ihren Aufgaben.
Etwa 200 CRS sind in der Bergrettung tätig.
Erscheint ein Retter in Dunkelblau, ist es ei-
Zwei Blaue der CRS während einer Rettungsübung Foto: zvg
ner von 300 Angehörigen der Pelotons de
Gendarmerie de (Haute) Montagne, PG(H)M.
Einige weitere Departemente gelten als Ge-
1957/58, führten schliesslich zur Professio-
Sie sind ein Einheit der Gendarmerie natio-
birgszone (im Gegensatz zu den Hochge-
nalisierung. 1958 wurde die Zuständigkeit für
nale, die ihrerseits Teil der französischen
birgsdepartementen). Dort teilen sich Feuer-
Bergrettung den Präfekten übertragen, den
wehr und die Gendarmerie die Rettungs-
Vertretern des Zentralstaates in den Departe-
zeitig dem Innenministerium unter-
arbeit. Für die Geretteten sind die
menten. Diese betrauten die bisherigen Ak-
stellt. Dritte Möglichkeit: Man lässt
Dienste sowohl im Gebirge als auch
teure mit der praktischen Umsetzung. Neben
sich von einem rot gekleideten Mit-
im Hochgebirge kostenlos. Die ein-
den Freiwilligen waren dies unter anderem
glied einer Berggruppe der Feuer-
zige Ausnahme sind die Skigebiete.
die Gendarmen, die CRS und die Ecole Natio-
Der Pistenrettungsdienst (die «pis-
nale de Ski et d’Alpinisme. Im Laufe der Zeit
teurs-secouristes») ist kommunal organi-
zogen sich die Freiwilligen immer mehr zu-
rund 290.
siert und gilt als private Dienstleistung, die
rück. Dafür begann die Feuerwehr verschie-
In welcher Farbe die Rettung daherkommt,
bezahlt werden muss.
denenorts damit, ihre Kenntnisse in der Hö-
Streitkräfte ist. Seit 2009 ist sie gleich-
wehr (groupes montagne sapeurspompiers, GMSP) helfen. Von ihnen gibt es
hängt vom genauen Ort und Zeitpunkt des
henrettung auch am Berg einzusetzen. Das
Unfalls ab. 13 französische Departemente
Kontinuierliche Professionalisierung
führte hier und dort zu Kompetenzstreitigkei-
werden zum Hochgebirge gezählt. Sechs da-
Die für französische Verhältnisse erstaunlich
ten. 2011 verpflichtete der Staat die Präfek-
von liegen in den Alpen, fünf in den Pyrenäen
föderalistische Organisation der Bergrettung
ten dazu, die Aufgabenteilung in ihrem De-
und zwei auf Korsika. In einigen davon wech-
ist historisch gewachsen. Ende des 19. Jahr-
partement klar zu regeln. So entstand die
seln sich zwei oder drei der Rettungsorgani-
hunderts entstanden die freiwilligen «socié-
oben beschriebene Arbeitsteilung.
sationen wöchentlich ab, in anderen haben
tés de secours», die sich aus Bergführern
Die Haute-Savoie ist das einzige Departe-
sie das Rettungsgebiet unter sich aufgeteilt –
und Einheimischen zusammensetzten. Ver-
ment, in dem den Freiwilligen der Sociétés de
und dann gibt es noch Kombinationen dieser
schiedene gescheiterte Rettungsaktionen,
secours en montagne (SSM) noch eine wich-
beiden Systeme. Ganz einfach ist es nur in
namentlich der dramatische Tod der beiden
tige Rolle zukommt. Sie unterstützen die pro-
den Pyrénées ariégeoises: Dort retten nur
jungen Alpinisten Jean Vincendon und
fessionellen Retter bei terrestrischen Such-
die Gendarmen.
­François Henry am Mont-Blanc im Winter
aktionen oder Lawinenrettungen. In den an-
12
deren Departementen kümmern sie sich vor
Wenn es einen Helikopter braucht, wird die-
allem noch um die Funknetzsysteme, die be-
ser entweder von Lufteinheiten der Gendar-
sonders von Bergführern zur Alarmierung ge-
merie nationale oder vom Zivilschutz gestellt.
nutzt werden. Die in Chamonix ansässige
Wenn das nicht reicht, werden auch Helikop-
SSM La Chamoniarde betreibt etwa das
ter von privaten Unternehmen herangezo-
grenzübergreifende Notrufsystem Emergen-
gen. Rund um das Mont-Blanc-Massiv ste-
­c y im Gebiet des Mont-Blanc.
hen auf den Basen von Chamonix, Mondane,
Annecy und Corchevel zwei EC 145 der Gen-
Generalistenausbildung
darmerie und zwei bis drei (im Sommer) des
Gendarmen und CRS absolvieren beide die
Zivilschutzes zur Verfügung. 2014 wurden al-
gleiche Ausbildung in der Bergrettung. Sie
lein von Chamonix aus 632 Rettungsflüge un-
dauert ungefähr 40 Wochen und wird mit
ternommen, wobei 852 Personen transpor-
zwei staatlich anerkannten Titeln abgeschlos­
tiert wurden. Die Einsatzzahlen und -stunden
sen. Der «Chef de caravane de secours en
wachsen kontinuierlich. Von 2000 bis 2014
montagne» ist in der Lage, eine «normale»
nahmen sie um rund 20 Prozent zu.
Rettungsaktion zu leiten. Der «Chef d’opéra­
Wie in der Schweiz ist das Wandern die Sport-
tion de secours en montagne» kommt dann
zum Zug, wenn es um eine Operation grös­
Die Roten: ein Feuerwehrmann bei einer
Windenrettung Fotos: zvg
seren Ausmasses geht. Die Ausbildung
art, die den Rettungskräften am meisten Arbeit beschert. 2013 rückten sie über 2300 Mal
aus, um Wandersleute zu holen, das ent-
der Feuerwehrleute ist modular aufgebaut
eine Generalistenausbildung, die sie für alle
spricht 42 Prozent aller Einsätze. An zweiter
und richtet sich nach den Anforderungen,
Einsatzarten qualifiziert. Sie haben zum
Stelle folgen ex aequo das Mountainbiking
die lokal auf die Retter zukommen. Unabhän-
B eispiel alle die nötigen Kompetenzen für
­
und das Bergsteigen mit je zehn Prozent. Del-
gig von der Organisation und im Unterschied
Rettungen mit dem Helikopter oder in einem
tafliegen und Skitouren folgen mit fünf resp.
zur Schweiz haben die Rettungsprofis alle
Canyon.
vier Prozent.
2013 barg die französische Bergrettung
200 Personen tot, was zwei Prozent aller
Menschen entsprach, welche ihre Dienste in
Anspruch genommen hatten. Schaut man
sich die Zahl der Verstorbenen über eine
­l ängere Periode an, scheint sie ungefähr konstant zu bleiben, – obwohl immer mehr Menschen in die Berge gehen – unter anderem
das Verdienst einer effizienter gewordenen
Berg­rettung.
Blick über die Grenze
Alle Farben vereint: Feuerwehrleute, Gendarmes und CRS am letztjährigen IKAR-Kongress in
Lake Tahoe, USA
Der Beitrag über die Bergrettung in Frankreich
gehört zur Serie über die Bergrettung in anderen
Ländern. Der Blick über die Grenze macht Ähnlichkeiten und Unterschiede sichtbar und kann
Anregungen für neue Ideen und Lösungen liefern.
diverses
13
PERSONELLE WECHSEL
Verdiente und neue Gesichter
Jahren Rettungschef. Die Tätigkeit sei in
tritt vom Amt, das er 1991 übernommen
Edi Schäli,
menschlicher und fachlicher Hinsicht sehr
hatte. Der 57-jährige Bergführer erinnert
zurückgetreten
bereichernd, sagt der 51-Jährige. Er wird
sich daran, wie er die ersten Abrechnungen
Im September 1982 über-
weiter als Einsatzleiter aktiv bleiben. Zu den
noch auf der Schreibmaschine schrieb. Seit-
nahm Polizist Edi Schäli
wichtigsten Errungenschaften seiner Amts-
her habe sich viel verbessert, auch struktu-
den Gebirgsposten Sören-
zeit zählt er die verstärkte Zusammenarbeit
rell. Diesbezüglich war die Gründung der Alpi-
berg. Ein halbes Jahr später wurde er in die
mit Nachbarstationen und Blaulichtorganisa-
nen Rettung Graubünden (ARG) im Jahr 2006
Bergrettungsgruppe aufgenommen. Wenige
tionen. Das Magazin wurde neu geordnet
der vorläufige Schlusspunkt. Sehr wertvoll
Tage darauf sein erster Einsatz: ein Lawinen-
und die Station personell gestrafft. Sie zählt
findet er die Zusammenarbeit mit dem Ret-
unglück mit zwei Todesopfern am Brienzer
heute noch 25 Mitglieder, die alle auf einem
tungsdienst der Bergbahnen, welche die
Rothorn. «Dieses Ereignis werde ich nie ver-
guten fachlichen Niveau sind. Das sei nötig,
­Station im Winter stark entlaste. Fringer wird
gessen», sagt Schäli 32 Jahre und 95 Ein-
denn das Retten in den voralpinen «Krächen»
dem Schanfigg als Einsatzleiter erhalten
sätze später. Er hat etliche Tote geborgen,
sei anspruchsvoll. Als Chefredaktor der Tou-
­b leiben.
was auch beim hartgesottenen Bergretter
ring-Zeitung ist Maurhofer kaum mehr als
Spuren hinterlässt. «Aber ich bereue keine
Bergführer unterwegs. Beim Klettern, auf
Reto Fritz, neu
Minute, die Bergrettung war mein Herzblut»,
Skitouren oder beim Fliegenfischen trifft
Er habe das «Helfersyn-
sagt der 63-Jährige. Doch er habe nun genug
man ihn aber noch regelmässig in den Ber-
drom», lacht Reto Fritz,
gesehen und erlebt: «Es ist an der Zeit, den
gen an.
wenn man ihn fragt, warum
Rettungsstation Sörenberg-Entlebuch
Führerpickel in die Hände eines jungen Kame-
er sich in der Bergrettung
raden zu übergeben.»
Martin Weibel, neu
engagiere. Dazu kommt, dass der passio-
Seit 2013 war Martin Wei-
nierte Jäger und Skilehrer die Berge liebt und
Urs Christener, neu
bel der Stellvertreter von
dadurch das Rettungsgebiet gut kennt. Dem
Im Februar hat Urs Christe-
Felix Maurhofer. In Abspra-
40-Jährigen ist Teamwork wichtig. Deshalb
ner die Nachfolge von Edi
che mit den anderen Ein-
beabsichtigt er, eine Rettungskommission
Schäli übernommen. «Die
satzleitern habe er das Amt des Rettungs-
einzusetzen, in der neben ihm drei qualifi-
Rettung steht bei mir an
chefs übernommen, sagt der 32-jährige
zierte Retter sitzen, die für die Ressorts Me-
erster Stelle», sagt er. Und nicht nur bei ihm.
­Stef ­­­­­­fi sburger.
Änderungsbedarf
dizin, Ausbildung und Ausrüstung zuständig
«Wir haben eine sehr gute, engagierte Ret-
sieht er in der Station nicht, will aber dem
sein werden. Mit dem gemeinsamen Know-
tungstruppe. Das gibt mir Mumm, das Amt zu
Nachwuchs sein Augenmerk schenken. Es
how will Reto Fritz die Standards der ARS
übernehmen.» Der zweifache Familienvater
sei nicht immer einfach, engagierte Retter
möglichst lückenlos erfüllen.
und Leiter des Reka-Dorfs Sörenberg kann
zu finden. Weibel wurde 2007 Mitglied der
Beruf und Rettung gut unter einen Hut brin-
Rettungsstation, nachdem er berufsbeglei-
gen. Als Gebirgsspezialist der Armee, Sama-
tend die Höhere Fachschule Maschinen-
Pierrot Vallélian,
riterlehrer, Feuerwehrinstruktor und ehema-
bau abgeschlossen hatte. Er hatte nach
zurückgetreten
liger Kommandant der Feuerwehr Sörenberg
einer Freizeitbeschäftigung gesucht, die mit
Als die Station Châtel-St.-
sind dem 52-Jährigen die verschiedensten
seiner Freude an den Bergen gut zusammen-
Denis
Facetten des Rettungswesens vertraut.
passte.
wurde, war Pierrot Vallé-
Grossen
Rettungsstation Châtel-St-Denis
1985
gegründet
lian ihr erster Rettungschef. Noch heute ist
Rettungsstation Thun
Rettungsstation Arosa
die Lust des 70-Jährigen an der Bergrettung
Felix Maurhofer,
Heinz Fringer,
ungebrochen. Er hört auch nicht auf, sondern
zurückgetreten
zurückgetreten
tauscht mit seinem Nachfolger die Funktion
Vor zehn Jahren wurde Fe-
Es stehe ein guter Nach­
und wird Rettungsobmann. Vallélians Inter-
lix Maurhofer Mitglied der
folger bereit, begründet
esse galt immer der Rettung, seis als langjäh-
Rettungsstation, vor sechs
Heinz Fringer seinen Rück-
riger Feuerwehrmann, seis als Bergretter
14
und RSH. Er wurde dabei immer wieder mit
mit aus der Taufe und war von Anfang an ihr
geleistet hat, zählt Jelk zu seinen grössten
dem Tod konfrontiert. «Man tut seine Ar-
Vizepräsident. Er sieht die ARS als die ent-
Erfolgen. Für die Zukunft sieht er die elektro-
beit», erklärt er lakonisch auf die Frage, wie
scheidendste Entwicklung in der Bergret-
nischen Entwicklungen als Chance und Ri-
er damit zurechtgekommen sei. Die neueren
tung in den letzten Jahren. Die Zusammenar-
siko zugleich: «Es muss der Rettung gelin-
Entwicklungen der Ausbildung und der Struk-
beit von Profis und Milizkräften hält er für eine
gen, die Vielfalt an Geräten und Apps zu be-
turen im Rettungswesen bewertet Vallélian
gute, aber herausfordernde Lösung. Er plä-
wältigen und für sich nutzbar zu machen.»
als sehr positiv.
diert dafür, das Milizsystem aufseite des SAC
Sorge bereitet ihm die zunehmende Regulie-
beizubehalten und die Professionalisierung
rung im Rettungswesen. «Als Retter muss
nicht zu weit zu treiben.
man improvisieren können.» Es gehe nicht
Eric Maillard, neu
Die Bergrettung war für
an, dass man mit einem Fuss im Gefängnis
Eric Maillard eine Gelegen-
Corine Blesi, neu
heit mehr, sich mit seinen
Neu im Stiftungsrat Einsitz
der Rettungsstation Zermatt als Retter, aber
Kollegen vom SAC zu tref-
genommen
Corine
auch als Fachmann weiter zur Verfügung.
Blesi. Sie ist bei der Rega
Auch in den internationalen Projekten wird er
Spielwiese, um Energie zu tanken. Für den
für die Helikopter-Einsatz-
weiter tätig bleiben.
Vater von drei Kindern sind die gute Stim-
zentrale und die zwölf Einsatzbasen verant-
mung in der Equipe von Châtel-St-Denis und
wortlich. Die 39-Jährige sieht drei haupt-
Anjan Truffer, neu
die Möglichkeit, Menschen in Not zu helfen,
sächliche Herausforderungen für die ARS:
«Es kann nicht das Ziel
wichtige Gründe für sein Engagement. Als
die intensivere Vernetzung mit anderen Blau-
sein, Bruno Jelk zu über-
Rettungschef will er die Arbeit seines Vor-
licht- und Rettungsorganisationen, das Span-
trumpfen»,
gängers mit diesem zusammen fortführen.
nungsfeld von Eigenverantwortung und Stan-
Truffer. Er will in erster Li-
Der 45-jährige Ingenieur will die Station nicht
dardisierung sowie das Image: Wie kann die
nie den hohen Standard der Rettung in Zer-
auf den Kopf zu stellen, sondern bloss hier
positive Wahrnehmung der ARS und damit
matt halten. Potenzial sieht der 40-Jährige
und dort etwas optimieren, wenn nötig. Wie
die Unterstützung durch die Öffentlichkeit
auf internationaler Ebene. Er möchte den
Pierrot Vallélian möchte er die Bekanntheit
aufrechterhalten und gestärkt werden? Be-
Know-how-Transfer, den Bruno Jelk in Nepal
und die Anerkennung der Bergrettung ver-
vor Corine Blesi 2008 zur Rega kam, hatte sie
gestartet hat, in weiteren Ländern etablieren.
bessern, auch um ihr ehrenamtliches Funkti-
in Genf für das Weltwirtschaftsforum und da-
Truffer hatte 1996 die im Wallis übliche drei-
onieren zu erhalten.
nach im Stab von Christoph Blocher im Gene-
jährige Ausbildung zum Bergretter absol-
ralsekretariat des Eidgenössischen Justiz-
vierte, zu der auch die Canyoning- und die
und Polizeidepartements gearbeitet.
Helikopterrettung gehören. Als Bergführer
fen – in den Bergen, seiner bevorzugten
Stiftungsrat ARS
hat
stehe, wenn man das tue. Bruno Jelk steht
Anjan
brachte Truffer die besten Voraussetzungen
Franz Steinegger,
zurückgetreten
Rettungsstation Zermatt
Die Liste der Ämter und
Bruno Jelk,
Funktionen,
zurückgetreten
die
sagt
Franz
Steinegger zu einer landes-
Er ist eine Legende, sein
weit bekannten Persönlichkeit machen, ist
Name schon fast ein Syno-
lang: Urner Nationalrat, Präsident der FDP
nym für Bergretter. 1943
Schweiz, Präsident der Suva, Krisenmanager
als ältester Sohn einer Freiburger Berg­
nach den Überschwemmungen von 1987 im
bauernfamilie geboren, begann Bruno Jelks
Kanton Uri und, und, und. In der Bergrettung
Karriere mit 16 Jahren als Patrouilleur. 1980
war der Fürsprecher und Notar ebenfalls
wurde er in Zermatt Rettungschef. Hier war
stark präsent. 1989 bis 1991 war er Zentral-
er an weit über 3000 Rettungsaktionen betei-
präsident des SAC, von 1991 bis Ende 2014
ligt. Die Verbesserungen in der Spaltenret-
Rega-Stiftungsrat. Steinegger hob die ARS
tung, zu denen er entscheidende Beiträge
mit. Auch heute noch ist das Führen sein
Hauptberuf.
15
BERGRETTER IM FOKUS
Der Profiretter
Stefan Merkt ist Mitglied der jüngsten
und ungewöhnlichsten Rettungsstation
der ARS-Familie. «1.07 Schutz & Rettung
Zürich» ist seit Mai 2013 Teil der Alpinen
Rettung Ostschweiz. Dass es dazu kam,
hat unter anderem mit Stefan Merkts Beharrlichkeit zu tun.
Er sei hartnäckig und risikobewusst, sagt Stefan Merkt von sich. Und beginnt zu erklären,
was er damit (nicht) meint. Hartnäckig heisse
nicht stur, betont er. Er sei offen für Argumente, lasse eine Idee aber nicht gleich fallen, wenn sie auf Widerstand stosse. Diese
Eigenschaft hat ihm dabei geholfen, die Höhenrettungsgruppe von Schutz & Rettung
Zürich aufzubauen. Er und andere junge Kollegen hatten vor 15 Jahren die Initiative dafür
In Stefan Merkts Garderobenschrank hängen zwei Sets Arbeitskleider. Wenn die Rega ruft,
streift er die gelb-schwarze ARS-Kluft über. Foto: Andreas Minder
ergriffen. Dass sie von altgedienten Kollegen
erst etwas belächelt worden waren, beirrte
die Höhe kommt. In den roten Kleidern der
sern Fenster putzt oder auf einem Kirchturm
Merkt nicht. Er war vom Nutzen des Vorha-
Berufsfeuerwehr hat er immer wieder viel
die Weihnachtsbeleuchtung montiert, sei es
bens überzeugt und blieb dran.
Luft unter den Füssen. Wenn ein Kranführer
als Alpinist. Für ihn und seine Frau sind die
2014 feierte die Höhenrettungstruppe ihr
auf seinem Arbeitsgerät erkrankt, wenn sich
Berge wichtig. Mit zwei Kindern mussten sie
zehnjähriges Bestehen. Bereits ein Jahr frü-
ein Arbeiter auf einem Baugerüst verletzt,
ihre Ausflüge in die Alpen zwar etwas zurück-
her war sie die Rettungsstation 1.07 der ARS
wenn jemand in einen tiefen Schacht stürzt,
fahren. Aber Snowboardtouren, Eisklettern,
geworden, deren Einsatzgebiet in der süd-
kommen die Höhenretter zum Einsatz.
Hochtouren, Alpinklettern sind trotzdem ihre
deutschen Grenzregion beginnt und die Kan-
Seit 17 Jahren ist Stefan Merkt bei der Zür-
liebsten Freizeitaktivitäten. Sie suchen die
tone Schaffhausen und Zürich umfasst. «Ich
cher Berufsfeuerwehr. Vorher hatte er we-
eher ruhigen Orte, 4000er abhaken mögen
bin schon stolz darauf, dass wir in relativ kur-
nige Jahre als Schreiner gearbeitet. Den Be-
sie nicht. «Ich möchte nicht einer Spur hinter-
zer Zeit ein so gutes Niveau erreicht haben,
rufswechsel hat er nie bereut. «Ich liebe mei-
herlaufen», sagt Merkt. Und alles, was zu
dass uns die Rega anfragte, ob wir als Fach-
nen Job. Es ist eine sehr vielseitige Aufgabe.
Wettkampf und Rivalität ausarten könnte, ge-
spezialisten Helikopter mit auf ihre Bergret-
Man weiss nie, was der Tag bringen wird.»
fällt ihm erst recht nicht. Auch weil es das
tungseinsätze gehen würden.»
Die Arbeit macht ihm auch deshalb Freude,
­R isikobewusstsein trüben kann.
weil dabei die zweite Eigenschaft zum Tragen
Steiler Einstieg
kommt, die ihn auszeichnet: Risikobewusst-
Ins erste Jahr starteten die Zürcher Bergret-
sein. Auch hier beeilt er sich, Missverständ-
ter fulminant. 13 Mal stiegen sie in die
nisse auszuräumen: Risikobewusst heisse
schwarz-gelben Kleider der ARS, um Gleit-
nicht risikoscheu. Es bedeute vielmehr, ein
schirmflieger aus den Bäumen zu pflücken,
Gespür für Gefahren zu entwickeln, sie rich-
blockierte Wanderer vom Uetliberg zu holen
tig abzuschätzen. Risikomanagement heisst
oder Biker aus unwegsamem Gebiet zu be-
das Stichwort.
freien. 2014 gab es dann allerdings nur zwei
Das verantwortungsvolle Spielen mit Gefah-
Einsätze, im laufenden Jahr bisher einen.
ren pflegt Merkt auch in seiner Freizeit. Sei es
Was nicht bedeutet, dass Stefan Merkt nie in
als Industriekletterer, wenn er an Hochhäu-
Steckbrief
Stefan Merkt (42) lebt mit seiner Frau und zwei
kleinen Kindern in Zürich. Er arbeitet bei der Berufsfeuerwehr von Schutz & Rettung Zürich und
ist einer von 13 Fachspezialisten Helikopter der
Höhenrettungsgruppe. Wenn die Helikopterspezialisten mit der Rega unterwegs sind, unterstehen sie der Verantwortung der ARS.
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Herausgegriffen
Neues zum Mythos Matterhorn
2015 jährt sich die Erstbesteigung des Matterhorns zum
150. Mal. Im Wallis wird der alpinistischen Grosstat mit
Veranstaltungen und Aktivitäten gedacht. Dazu gehören
auch der Film «Focus Matterhorn» und ein gleichnamiges
Buch. Der fünzigminütige Dokumentarfilm begleitet die
Spitzenbergsteiger André Georges, Gerlinde Kaltenbrunner, Simon Anthamatten und Felicitas Feller auf dem Weg
zum Gipfel. Sie erzählen, was für sie die Faszination der
Berge ausmacht. Auch die Gefahren kommen zur Sprache.
So erinnern sich die Protagonisten an den tödlich verunglückten Erhard Loretan. Dieser Hauptstrang der Erzäh-
lung wird angereichert mit historischen Begebenheiten aus der
Bergrettung. Unter anderem wird der Sturz einer Frau in eine Gletscherspalte nachgestellt, der sich vor 30 Jahren ereignet hatte.
Die Szene wurde mit der Air Zermatt und dem ehemaligen Zermatter Rettungschef Bruno Jelk gedreht. Ein dritter Teil des Films befasst sich mit der wirtschaftlichen und geschichtlichen Bedeutung des Theodulpasses.
Focus Matterhorn. Im Banne des Berges (2015). Die DVD kostet
bis am 15. Juli CHF 25.– (Subskriptionspreis), danach CHF 29.50,
das Buch CHF 69.–. Beides kann auf der Website www.focusmatterhorn.ch bestellt werden.
Retouren:
Alpine Rettung Schweiz
Rega-Center
Postfach 1414
8058 Zürich-Flughafen
Neue Sportart bringt neue Herausforderung für die Rettung
Bergretter halten äussersten körperlichen und psychischen Belastungen stand. Sie müssen im Einsatz mit allem rechnen. Neue Herausforderungen ergeben sich namentlich durch neue Freizeittrends.
Das zeigte sich einmal mehr Ende Februar im Tessin, als Rettungskräfte zum San Salvatore gerufen
wurden. Ein rund 30-jähriger Mann hatte sich während einer Wanderung verirrt. So weit nichts Ungewöhnliches. Was die Rega-Crew nicht wusste: Der Osteuropäer war ein Nacktwanderer, und zwar
nicht einer der harmlosen Genuss-Blüttler, wie sie etwa im Appenzell anzutreffen sind. Nein, er zählt
zur Community der Extrem-Nacktwanderer. Er hatte sich nach eigenen Angaben seiner Kleider entledigt, um seine Tour noch härter zu machen. Zu hart, wie sich herausstellte. Bald war er von Dornen
zerschunden, unterkühlt und verloren. Eine Frau hörte seine Hilfeschreie und alarmierte die Rettung.
Die Rega fand ihn unterhalb des Gipfels des San Salvatore und brachte ihn ins Spital. Sein Zustand
erwies sich als nicht besorgniserregend. Die Rettungscrew ist um eine Erfahrung reicher.
3001 Bern
P. P.
Impressum
Bergretter: Magazin für Mitglieder und Partner der Alpinen Rettung Schweiz
Herausgeber: Alpine Rettung Schweiz, Rega-Center,
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Redaktion: Elisabeth Floh Müller, stv. Geschäftsführerin, [email protected]
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