SCHLUSSPUNKT Foto: Dagobert Kohlmeyer SCHACH Ars longa, vita brevis Dr. med. Helmut Pfleger [76] tion als Ketzer verbrannt worden war. Und wo heute am Hafeneingang die Imperia, eine neun Meter hohe Betonskulptur zum Wahrzeichen der Stadt wurde. Nicht zum Gefallen aller, schließlich trägt die unzweideutige Kurtisane auf ihren Händen zwei zwergenhafte nackte Männlein, rechts Kaiser Sigismund, links Papst Martin V. Die weltliche und geistliche Macht in den Händen einer Prostituierten. Doch schließlich geht es zurück „nach Hause“, in dem ich zu meiner Freude sogar einen Spruch auf Lateinisch des uns vertrauten Hippokrates verstehen kann: „Ars longa, vita brevis“. Bleiben wir vorerst bei der ars longa und bei der wunderschönen Kombination, die Dieter letztes Jahr beim Cuxhavener Seniorenturnier (wo er übrigens Dr. med. Timm Ludwig besuchte, der ebenso wie er an allen bisherigen 22 Ärzteschachturnieren teilnahm – apropos, das nächste findet vom 17. bis 19. April wiederum in Bad Neuenahr statt) gegen Henk van Houten gelang. Mit welch wahrlich durchschlagender Kombination konnte er als Schwarzer das Matt erzwingen, laut dem Schachprogramm Fritz in spätestens zehn Zügen? Lösung: Das Turmopfer 1. . . . Txh4+! brach gewaltsam die weiße Königsfestung auf. Nach 2. gxh4 Dh6 3. Kg2 Dxh4 4. Tbe1 Th8 gab Weiß auf, weil das Matt in der h-Linie unvermeidlich ist und 5. Th1 an 5. . . . Dxf2 matt scheitert. ie mehr werde ich den Makel tilgen können, nicht auf einem humanistischen Gymnasium gewesen zu sein und so die Freuden des Altgriechischen und das Wissen um die Ursprünge unseres abendländischen Bewusstseins quasi an der Quelle genossen zu haben. Selbst mein angebliches „Großes Latinum“ bei sieben Jahren Latein auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium weist mein Bruder als Schmalspurversion zurück – nur gut, dass ich den Schmerz bei unseren geschwisterlichen Teerunden mit meiner gleichermaßen unbedarften Schwester teilen kann. Mag dieses Nichtwissen auch im Alltag leicht in Vergessenheit geraten, so bricht mein Dilemma – ach, wie bin ich stolz auf dieses (griechische) Wort – doch zuweilen jäh empor. Im letzten Jahr war ich wieder bei Dr. med. Dieter Hardt in Allensbach am Bodensee zu Gast. Und was findet sich dort an den zum Haus hochführenden Treppen? Eine Steinplatte mit dem Konterfei von Aristoteles und einem für unsereins völlig unleserlichen Spruch auf Griechisch: „ΑΔΥΝΑΤΟΝ ΤΟΝ ΜΗΔΕΝ ΠΡΑΤΤΟΝΤΑ ΠΡΑΤΤΕΙΝ ΕΥ“ Sollten auch Sie nicht an der Wiege abendländischer Kultur gelabt worden sein, hier die deutsche Übersetzung: „Es ist unmöglich, glücklich zu sein, wenn man nichts tut.“ Das mag ja im Allgemeinen so stimmen, nur lag Aristoteles nie, umschmeichelt von der Sonne, längere Zeit in völliger Reglosigkeit, vulgo „Toter Mann“, im windstillen Bodensee, Zeit und Ort vergessend. Heute und morgen und übermorgen wieder. Doch unweigerlich holt einen irgendwann die aristotelische Maxime wieder ein. Es geht ins nahe Konstanz, wo Dieter Hardt, der jahrzehntelang als Onkologe im dortigen Klinikum arbeitete, und der gemeinsame Freund Eugen Kurz dem in jedweder Weise unbeleckten Chronisten die Schönheiten dieser Stadt nahe zu bringen versuchen. Wo vor 600 Jahren das Konzil stattgefunden hatte, um eigentlich das Schisma der Kirche mit den sich befehdenden Päpsten zu beenden, aber Bischöfe, Bürger, Bauern und eine Vielzahl eigens herbeigeeilter Prostituierter vor allem ihre eigenen Brötchen buken. Wo der Reformator Jan Hus in bester kirchlicher Tradi- N Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 9 | 27. Februar 2015
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