Bruskrebsstudie - Babypause in der Behandlung

Babypause in der Behandlung
Steckbrief Forschungsprojekt KLS 3361-02-2014
Originaltitel:
Pregnancy Outcome and Safety of Interrupting Therapy for women with endocrine
responsiVE breast cancer (POSITIVE): A single-arm, phase II trial
Projektverantwortliche:
Dr. med. Olivia Pagani
Istituto oncologico della Svizzera italiana (IOSI)
Bellinzona
Kategorie:
Klinische Forschung
Beantragte Mittel:
CHF 264 600.–
Projektdauer:
36 Monate, Beginn 1. September 2013
Kurzbeschrieb
Nach der Operation stehen viele junge Frauen mit hormonrezeptorpositivem Brustkrebs
vor einem schwierigen Dilemma: Einen Rückfall des Tumors vermeiden sie am ehesten,
wenn sie noch fünf bis zehn Jahre lang weiter Tamoxifen zu sich nehmen. Ein
Medikament, das in den Östrogen-Haushalt des Körpers eingreift, die Aktivität der
Eierstöcke dämpft – und für werdende Kinder im Bauch gefährlich sein könnte. «Doch wer
mit 35 oder 38 Jahren noch Kinder möchte, kann nicht zehn Jahre warten, bis die
Behandlung fertig ist», sagt Olivia Pagani, leitende Ärztin des Tessiner Brustzentrums.
In der westlichen Welt nimmt die Anzahl Brustkrebspatientinnen mit Kinderwunsch zu.
Das liegt an zwei gegenläufigen Trends. Erstens sind Frauen heute im Schnitt deutlich
älter, bevor sie erstmals schwanger werden, als noch vor zwanzig oder dreissig Jahren.
Und zweitens befällt der Brustkrebs immer öfter auch Frauen unter vierzig Jahren, zu
einem Zeitpunkt also, in dem für viele die Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist.
Für ein Kind auf die Behandlung nach der Operation zu verzichten, ist keine gute Option,
denn das Risiko für einen Rückfall soll möglichst tief bleiben.
Doch wie sieht es aus, wenn die Patientinnen mit Kinderwunsch ihre Therapie
unterbrechen, eine Babypause einlegen und dann wieder mit der Behandlung fortfahren?
Bisher gibt es dazu nur sogenannte retrospektive Studien, die Frauen ohne Kinder mit
solchen vergleichen, die schwanger wurden. Aus diesen Untersuchungen geht hervor,
dass die Kinder von brustkrebskranken Müttern insgesamt ohne Probleme zur Welt
kommen (auch wenn sie bei Geburt im Schnitt etwas weniger wiegen als die
Neugeborenen von gesunden Müttern). Zudem scheint die Mutterschaft bei den Frauen
mit einem statistischen Überlebensvorteil zusammenzutreffen. Diesen Vorteil erklärt sich
Pagani jedoch mit verzerrten Daten. «Gesündere werden eher schwanger als wer sich
nicht wohlauf fühlt.» Nur auf diesen Vergleich gestützt, möchte Pagani ihren
Patientiennen deshalb keine Empfehlung abgeben.
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Doch auch aus Versuchen mit Zellkulturen im Labor gibt es hoffnungsfroh stimmende
Resultate: Obwohl das von den Eierstöcken abgesonderte Östrogen normalerweise
Brustkrebszellen zu rascherem Wachstum verleitet, scheinen höhere Dosen – wie sie
etwa während der Schwangerschaft im Blut zirkulieren – oft zum Absterben der
Krebszellen zu führen. Allerdings ist noch nicht geklärt, ob sich diese Befunde aus dem
Labor auch im echten Leben tatsächlicher Patientinnen bewahrheiten.
Pagani hat schon viele Patientinnen mit Kinderwunsch betreut, die von sich aus ihre
Therapie abgebrochen hatten. «Wir beraten diese Frauen so gut wir können, aber wir
wissen schlicht nicht, ob eine Behandlungspause sicher ist – oder eben nicht», sagt die
Brustkrebsspezialistin. Um in dieser zusehends wichtiger werdenden Sache Klarheit zu
schaffen, hat Pagani mit Kolleginnen und Kollegen aus Italien, Japan, Dänemark,
Griechenland, USA, Grossbritannien, Australien, Belgien und den Niederlanden eine neue
– sogenannte prospektive – klinische Studie gestartet, in der von vorneherein definiert ist,
wer wie untersucht werden soll, so dass die Gefahr eines statistischen Fehlschlusses
verringert wird.
Die Studie hat eben erst begonnen, bisher haben sich vier Patientinnen bereit erklärt, an
der Studie teilzunehmen, drei aus Australien, eine aus der Schweiz. Paganis Patientin,
eine 35-jährige Architektin, wird wie alle anderen auch ihre Behandlung zuerst noch
eineinhalb bis zweieinhalb Jahren nach der Operation fortsetzen – und dann während
maximal zwei Jahren unterbrechen, in denen sie schwanger werden, gebären und ihrem
Kind die Brust geben kann. Die Studie sieht vor, dass die Behandlung danach wieder
aufgenommen wird, auch von den Frauen, die in der dafür vorgesehenen Zeitspanne
nicht schwanger geworden sind. «Das tönt hart, aber ich bin zuversichtlich, dass wir im
Gespräch mit den Patientinnen einvernehmliche Lösungen und Kompromisse finden
werden», meint Pagani.
Für die Studie braucht es einen langen Atem und viel Geduld. Das Ziel ist, innerhalb von
vier Jahren weltweit 500 Patientinnen einzuschliessen. Voraussichtlich wird die letzte
Patientin ihre Behandlung in etwa 15 Jahren abschliessen. «Bis die Studie fertig ist, bin
ich längst pensioniert», merkt die Ärztin verschmitzt an. Doch am Ende dieses globalen
Unterfangens soll endlich Gewissheit herrschen. Wenn sich – wie erhofft – dabei
herausstellt, dass junge brustkrebskranke Frauen die Therapie für die Dauer einer
Schwangerschaft unterbrechen können, ohne befürchten zu müssen, dass die Krankheit
eher zurückkehrt, dürfte dies in Zukunft vielen Frauen eine sorglosere Erfüllung ihres
Kinderwunschs bescheren.
Kontaktperson Krebsliga Schweiz
Dr. Rolf Marti
Leiter Forschungsförderung
Tel. +41 (0)31 389 91 62
[email protected]
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