Sind wir wirklich auf der Zielgeraden? Ziele, Zielsysteme, Management by Objectives (MbO) usw. erleben zurzeit eine "Hochblüte". Wir suchen wohl Sicherheit, möchten uns an etwas halten und orientieren. Auch in Managementsystemen ist das Anliegen aufgenommen worden. Ziele und Zielsysteme schiessen wie Pilze aus dem Boden. Die Transparenz und Übersicht wird jedoch dadurch nicht besser, weil sogenannte Zielsysteme oftmals nur eine Anhäufung von Aufgaben beinhalten. Die Konsequenz ist Frust für die Mitarbeitenden. Statt mehr Handlungsspielraum und Selbstverantwortung durch das "Führen mit Zielen", werden Eigeninitiative und Kreativität eingeschränkt. Nachhaltig besser wird das erst, wenn wir uns wieder auf den Zielbegriff zurückbesinnen und die Ziele ressourcenorientiert bündeln. Wenn grundlegendes Verständnis für Ziele fehlt Zugegeben, wir bemühen uns in den Unternehmungen und versuchen die Mitarbeitenden mit Beurteilungs- und Fördergesprächen zu Höchstleistungen anzuspornen. Bei der Durchsicht von Dokumenten von Zielvereinbarungsgesprächen fällt mir auf, dass viele der Vorgesetzten mit dem Zielbegriff Mühe bekunden. Da heisst es beispielsweise: ... hat nächstes Jahr einen Kurs in Kommunikation zu besuchen. ... trägt zur besseren Stimmung im Team bei. ... gibt Rückmeldungen bei schwierigen Situationen. Statt Ziele stehen dann oft Aufgaben bzw. Lösungen in den Beurteilungsbögen. Dabei wäre es doch sehr einfach zu berücksichtigen, dass bei jedem Ziel • der Zielinhalt (was ist zu erreichen) • das Zielausmass (wieviel bzw. mit welchem Ausmass) • die Zielzeit (bis wann) formuliert wird. Statt des "Kurses für Kommunikation" würde das oben aufgeführte Beispiel wie folgt formuliert: "Die Kommunikation zwischen den Beteiligten verbessert sich; 90% der entsprechenden Rückmeldungen sind innerhalb eines Jahres positiv". Mit welchen Massnahmen der oder die Mitarbeitende das Ziel erreichen möchte, ist ihr überlassen. Wir wollen ja mit Zielen und nicht mit Lösungen führen. Schwierigkeiten bei der Formulierung von Zielen stelle ich auf allen Hierarchieebenen fest. Vielleicht liegt es daran, dass manchmal auch Unternehmungsleitungen selbst Mühe bekunden, klare Ziele zu setzen oder sie entsprechend verständlich zu formulieren. Mit den Zielen muss zuoberst begonnen werden Ein Ziel formuliert einen Zustand • den wir in Zukunft erreichen möchten (Soll-Zustand) • der messbar ist im Sinne der Erreichbarkeit • der für uns Sinn macht, also erstrebenswert ist • der realistisch ist, d.h. auch wirklich erreicht werden kann • der für uns klar nachvollziehbar ist Diese Kriterien können auf alle Arten von Zielen in der Unternehmung übertragen werden. In dieser Art nachvollziehbar sind in der Regel die monetären Ziele in der Unternehmung. Umsatzsteigerung, Erhöhung des Gewinns, Deckungsbeiträge etc. lassen sich einfach und klar messbar formulieren. Etwas schwieriger ist es bei den Zielen bezüglich Kunden und Kundinnen sowie Mitarbeitenden. Wie messe ich die Zufriedenheit der Kunden und Kundinnen? Welches Mitarbeiterziel lässt sich daraus für eine bestimmte Person ableiten? Für die Mitarbeitenden selbst fehlt oft der Zusammenhang: Warum soll ein bestimmtes Ziel überhaupt erreicht werden? Hier können wir feststellen, dass eine Zielhierarchie fehlt: Es besteht kein oder wenig Zusammenhang zwischen Leitbild, Strategie, Jahreszielen und Zielen der Mitarbeitenden. Dabei wäre genau das so wichtig. Die Mitarbeitenden sollten nachvollziehen bzw. spüren können, was ihr eigenes Ziel für eine Verbindung zum grösseren Ganzen hat. Eine klare Zielhierarchie bildet deshalb die Grundlage für ein funktionierendes Zielsystem. Es soll folgendes erreicht werden: • Es ist eine klare Strategie vorhanden. Sie beinhaltet den mittel- und langfristigen Zielhorizont. Sie zeigt auf, wohin sich die Unternehmung in den nächsten 2-5 Jahren bewegen soll. • Aus den strategischen Zielen und Vorgaben werden die operativen Ziele für die nächsten 1-2 Jahre abgeleitet. Je nach Grösse der Unternehmung können sie auf weitere Ebenen "heruntergebrochen" werden. • Die Prozessziele sind Bestandteil der strategischen und operativen Ziele. • Kader und Mitarbeitende erkennen, welchen Beitrag sie zur Zielerfüllung erbringen. • Das Zielsystem ist einfach nachvollziehbar. Die nötigen Informationen sind vorhanden, damit das Unternehmen einfach gesteuert werden kann Leitbild Leitbild Strategische Ebene Leitsätze Leitsätze Strategische Strategische Vorgaben Vorgaben UnternehmensUnternehmensziele ziele Operative Ebene Bereichsziele Bereichsziele Zieleder der Ziele Mitarbeitenden Mitarbeitenden Das Dilemma der Zielkongruenz Zielhierarchie ist das eine, die Art der Ziele auf jeder der Hierarchieebenen das andere. Wenn sich die Ziele irgendwie aus dem "Tagesgeschäft" ergeben und dann "ausformuliert" werden ist das eigentlich ein "Zurechtbiegen von Wünschen". Für eine gute Zielkongruenz, also eine koordinierte Ausrichtung der Ziele müssen folgende Haltungen vorhanden sein: • Wir möchten, dass alle Ziele dem Gesamtunternehmen zum Erfolg verhelfen. • Wir möchten die Ziele bündeln, indem sie gegenseitig abgestimmt sind. • Wir möchten lieber weniger Ziele und diese dann auch wirklich erreichen. • Wir möchten, dass alle im Unternehmen in die gleiche Richtung schauen und in die gleiche Richtung gehen. Ziel Ziel Ziel Ziel Ziel Ziel Ziel Ziel Ziel Ziel Ziel Fehlende Zielkongruenz Zielkongruenz und damit klare Zielfokussierung Menschen und Organisationen entwickeln sich immer in die Richtung, in welche ihre Aufmerksamkeit gelenkt wird. Auf der Zielgeraden Unternehmen bewegen sich auf der Zielgeraden, wenn • sie eine Zielhierarchie aufgebaut haben. • im Rahmen der Zielhierarchie die Ziele von oben nach unten verknüpft sind. • die Mitarbeitenden die Zielhierarchie erkennen und erläutern können, wie ihre persönlichen Ziele mit den anderen Unternehmenszielen verknüpft sind. • eine Zielkongruenz auf jeder Ebene der Zielhierarchie besteht • mit der Zielkongruenz eine klare Zielfokussierung sichtbar und spürbar wird Unternehmen, die sich auf der Zielgeraden befinden sind letztlich effektiver und effizienter. Für die Mitarbeitenden bringt es mehr Transparenz und Sinnhaftigkeit im Tun. Sie erkennen so besser, welchen Beitrag sie für das Unternehmen leisten und welchen Beitrag das Unternehmen für sie leistet. Autor: Viktor Reut ist Management-Berater im Beratungsunternehmen Reut Innovation, St.Gallen. Er begleitet und schult Unternehmungen im Rahmen von Organisations- und Teamentwicklungen. Sie erreichen ihn unter [email protected].
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