14 Tit elt he ma Keine illusorischen Ziele zu befürchten Wie kommt die neue Wirkstoffvereinbarung (WSV) der KVB bei den Mitgliedern an? Und wie hat sich ihr Verordnungsverhalten seit Einführung der WSV Ende 2014 verändert? Apothekerin Barbara Krell-Jäger sitzt an der Quelle. Jeden Tag beraten sie und das Team der Verordnungsberatung die Ärzte praxisindividuell zur wirtschaftlichen Verordnung von Arznei-, Heil-, Hilfsmitteln und Sprechstundenbedarf. Saldierung der einzelnen Ziele zur Gesamtzielerreichungsquote, die Zielwertberechnung auf Basis tatsächlicher Verordnungskosten der jeweiligen Arztfachgruppe und vor allem welche Fertigarzneimittel einer Zielerreichung entgegenstehen. Apothekerin Barbara KrellJäger kennt alle Antworten rund um die Verordnung und berät die KVB-Mitglieder persönlich und praxisindividuell. Frau Krell-Jäger, mit welchem Beratungsbedarf sind die Mitglieder direkt nach der Einführung der Wirkstoffvereinbarung an Sie herangetreten? Hat sich dieser Bedarf inzwischen verändert? Der Informationsbedarf war enorm, da die WSV völlig neu war im Vergleich zu dem, was bisher gegolten hat. Daher musste die Systematik von Grund auf erklärt werden. Der wichtigste Punkt, bei dem die Ärzte „den Schalter“ komplett umlegen mussten, war, dass es kein „Budget“ mehr gibt und dass es nicht mehr nötig ist, die einzelnen Präparate nach Kosten auszuwählen. Weitere erklärungsbedürftige Themen waren die Erläuterung des Begriffs „DDD“ und dessen Bedeutung für die WSV, das Erkennen von Generika und Rabattverträgen, die K V B F O R U M 3/2016 Auch heute gibt es immer noch Fragen zu den gleichen Themen, dazu die Einordnung in die WSV-Systematik neu auf den Markt gekommener Arzneimittel, die Weiterentwicklung der einzelnen WSV-Gruppen, die Prüfrelevanz, etc. Der Fokus rückt aber jetzt wieder mehr auf pharmakologische und therapeutische Aspekte. Wie ist die generelle Stimmung der Ärzte gegenüber der WSV? Die Einstellung ist überwiegend positiv. Viele waren zunächst ungläubig, dass der vordergründige Blick auf die Kosten des einzelnen Mittels nicht mehr zählt. Wer das System einmal verstanden hat, findet es in der Regel einfach und transparent. Betroffen reagierten zeitweise Ärzte, die bisher unterdurchschnittlich verordnet haben und im Richtgrößen- beziehungsweise Fachgruppenvergleich nicht auffällig waren. Sie merken nun, dass sie bei einzelnen WSV-Gruppen noch Einsparpotenzial hätten. Manche Ärzte reklamierten eine Einschränkung ihrer Therapiefreiheit. Diese kann aber durchaus erhalten bleiben, wenn unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots Therapieentscheidungen differenzierter getroffen werden. Manche Ärzte hatten Probleme, unberechtigten Patientenwünschen stringent entgegenzutreten, wenn zum Beispiel ein Patient die Verordnung des „Originals“ forderte. Wie kommen die Praxen mit dem Ampelsystem der Trendmeldung zurecht? Für die meisten Ärzte ist dies sehr übersichtlich. Rote Ampeln/Punkte werden durchaus ernst genommen, grüne Ampeln/Punkte werden als Lob verstanden und erhöhen die Zufriedenheit. Die Ärzte können „ampelgenau“ beziehungsweise „punktgenau“ erkennen, wo Handlungsbedarf besteht. Mithilfe der aufeinanderfolgenden Trendmeldungen ist die Entwicklung gut abzulesen und ermöglicht ein rechtzeitiges Gegensteuern. Haben Sie den Eindruck, dass die generelle Angst vor Regressen abgenommen hat? Ja, insbesondere, wenn es um hochpreisige Präparate geht, die oft nicht der WSV unterliegen. Es wird zwar von unserer Seite immer t i t elt h em a hervorgehoben, dass Einzelfallprüfungen nach wie vor möglich sind. Davor fürchten sich aber die meisten Ärzte nicht, denn Einzelfälle sind in der Regel sehr gut darzulegen. Aber wenn man den „Berg“ aller Verordnungen insgesamt begründen soll, ist das schon beängstigend. Zahlreiche Ärzte, vor allem diejenigen, die in der neuen WSV schon viel geschafft haben, äußern die Befürchtung, dass die Ziele immer weiter nach oben geschraubt werden. Aber die Weiterentwicklung der WSV ist Verhandlungssache zwischen der KVB und den Krankenkassen. Und die KVB wird natürlich keine Ziele vereinbaren, deren Erreichbarkeit für unsere Mitglieder illusorisch ist. damals nicht in Anspruch genommen und mich durch den Verordnungsalltag „gemogelt“. Was hat sich mit der Einführung der Wirkstoffvereinbarung Ende 2014 für Ihre Praxis verändert? Sie hat mir durch das „Ampelsystem“ schnell meine Verordnungsfehler vor Augen geführt. Vor allem Frau Krell-Jäger, vielen Dank für das Gespräch! Aus der Regresszone hinausmanövriert Mithilfe der neuen Wirkstoffvereinbarung und mit Unterstützung der individuellen Verordnungsberatung der KVB hat Elke Sennefelder, Hausärztin und Fachärztin für Innere Medizin aus Gilching, ihr Verordnungsverhalten im Griff. Das war nach eigenem Bekunden nicht immer so. Frau Sennefelder, welche Erinnerungen haben Sie an die Richtgrößenprüfungen und was war für Sie das größte Ärgernis? Ich habe 2008 nach langjähriger Klinikarbeit eine hausärztlich-internistische Praxis übernommen. Die Richtgrößenprüfung war für mich immer ein „Buch mit sieben Siegeln“ – in der Klinik gab‘s beim Verordnen ja keine Einschränkungen. Ehrlich gesagt habe ich meine Verordnungen mehr oder weniger „so laufen lassen“, wie es meine Praxisvorgängerin gehandhabt hat. Eine Beratung durch die KVB habe ich Nach Aufschlüsselung der einzelnen Arzneimittelgruppen und den Erläuterungen durch Frau Krell-Jäger war für mich durchaus transparent, worauf es beim Verordnen ankommt. Hatten Sie Schwierigkeiten, Ihre Ziele zu erreichen? Ja, der Widerstand der Patienten hat die Umsetzung erschwert. Ich habe mich zunächst auf zwei Arzneimittelgruppen fokussiert, die ich dann konsequent bei jeder Rezeptausstellung geprüft und umgesetzt habe. Viele Patientendiskussionen später, teilweise verbunden mit Kompromissen, habe ich es geschafft, mich aus der „Regresszone“ hinauszumanövrieren. Nun kann ich wieder durchatmen. Elke Sennefelder, Internistin aus Gilching, hat dank einer individuellen Verordnungsberatung im Rahmen der neuen Wirk- Haben Sie im Vergleich zu früher mehr Generika verordnet? stoffvereinbarung ihre Ziele im Griff. die prozentuale Darstellung im Gesamtergebnis hat mir deutlich gemacht, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Wie schwierig war es, sich mit der neuen Systematik vertraut zu machen? Ja, ich achte inzwischen vor allem bei Neuverordnungen auf die Verordnung von Generika und auf Rabattverträge. Die Patienten haben sich mittlerweile daran gewöhnt, dass die Originalpräparate nur noch in Einzelfällen verordnet werden oder sie die Kosten selbst tragen müssen. Nachdem ich das jahrelang versäumt hatte, habe ich Unterstützung von der KVB in Anspruch genommen. In einem ausführlichen Telefongespräch hat mir Apothekerin Barbara Krell-Jäger mein Verordnungsverhalten erläutert und mir praktische Tipps zur Verbesserung gegeben. Im Praxisalltag habe ich mich dann „Step by step“ an die Vorgaben herangetastet. Was sind für Sie persönlich die größten Vorteile der neuen Wirkstoffvereinbarung? Mit der neuen WSV wurde den Mitgliedern mehr Transparenz bei den einzelnen Indikationen versprochen. Inwieweit hat sich dies für Sie bewahrheitet? Frau Sennefelder, vielen Dank für das Gespräch! Die Übersichtlichkeit der „Problemzonen“ erscheint mir am hilfreichsten, auch wenn man sich als Arzt in seinem Verordnungsverhalten bei innovativen beziehungsweise neuen Medikamenten ein wenig eingeschränkt fühlt. Interviews Marion Munke (KVB) K V B F O R U M 3/2016 15
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