Positiv in die Zukunft blicken - Insolvenzverwaltung

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Lokales
Montag, 25. Januar 2016
125 Jahre
und nicht
leise
Mehr zum Thema: Friedola: Betrieb geht auch ab Februar weiter
Neujahrstreffen der
IG BCE Nordhessen
Geschäftsführerin und Betriebsratsvorsitzender zur aktuellen Lage der Friedola-Living-Gruppe
SCHENKLENGSFELD. 600 Gäste fanden am Samstag trotz
Schnee und Glatteis den Weg
zum Neujahrstreffen der IG
Bergbau, Chemie, Energie des
Bezirks Kassel. Gewerkschaftssekretärin Petra Hartwig begrüßte die Gäste in der Schenklengsfelder Großsporthalle.
Mit einer Schweigeminute
wurde der Verstorbenen gedacht: Karl Sturm war lange
Jahre Gewerkschaftssekretär
der IG Chemie in Kassel, Gerhard Söllner war ehemaliger
Betriebsrat und Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei K+S
und Wilhelm Gimpel war 80
Jahre Gewerkschaftsmitglied.
Bezirksleiter
Friedrich
Nothhelfer sagte in seinem Bericht zur Lage: „Die Tarif- und
AT-Gehälter im Kali-Revier
wurden zum 1. Januar um 2,7
Prozent erhöht. Da bleibt bei
jedem was übrig im Portemonnaie. Im Rahmen der Strategie 2020 wollen wir übrigens 22 020 Mitglieder erreichen. Mit aktuell 960 Neumitgliedern stehen wir stabil bei
rund 21 000.“
99 Nationen vertreten
Die Neujahrs-Ansprache unter dem Motto „125 Jahre IG
BCE – und kein bisschen leise“
hielt Petra Reinbold-Knape.
Sie ist Mitglied im geschäftsführenden IG BCE-Hauptvorstand und ging auf die Flüchtlingskrise ein. „Unsicherheit
und Angst sind ein Sammelbecken für die AfD. Die IG BCE
erteilt allen radikalen Randgruppen eine klare Absage. In
unserer Gewerkschaft sind 99
Nationen vertreten.“ Mit 125
000 Euro unterstütze die IG
BCE Projekte des Kinderhilfswerkes terre des hommes.
Gewerkschaftspolitisch
sprach Reinbold-Knape über
eine aus ihrer Sicht verfehlte
deutsche Energiepolitik. „Es
war falsch, aus der Steinkohleproduktion auszusteigen.“ Jeder Arbeitsplatz der weg sei,
komme nicht wieder. (ko/nit)
Wellness für
pflegende
Angehörige
WERRA-MEISSNER. Der Werra-Meißner-Kreis lädt am Mittwoch, 2. März, sowie Montag,
7. März, zu einem „Wellnesstag für pflegende Angehörige“
in der Werrataltherme Bad
Sooden-Allendorf ein. Los geht
der Entspannungstag jeweils
um 10 Uhr. Eingeladen sind in
erster Linie familiäre „Hauptpflegepersonen“, die mit der
tagtäglichen Pflege ihrer Angehörigen am meisten belastet
sind.
Seit 2006 lädt der WerraMeißner-Kreis zweimal jährlich pflegende Angehörige zu
den Wellnesstagen in die Werrataltherme ein, um auf diese
Weise die Leistungen der Pflegepersonen zu würdigen und
gleichzeitig eine Gelegenheit
zur Erholung und zum gegenseitigen Austausch zu schaffen.
Nähere Informationen gibt
es bei den jeweiligen Stadtoder Gemeindeverwaltungen
und beim Seniorenbüro Werra-Meißner unter Tel. 0 56 51/
3 02 14 33 und -14 34, E-Mail:
[email protected].
Dort werden auch die Anmeldungen entgegengenommen. Da die Plätze begrenzt
sind, wird um frühzeitige Anmeldung gebeten. Anmeldeschluss für beide Termine ist
Dienstag, 23. Februar. (dir)
Positiv in die Zukunft blicken
VON DIANA RISSMANN
FRIEDA. Die bittere Nachricht
für die rund 380 Mitarbeiter
kam einen Tag vor Weihnachten: Die Friedola-Living-Gruppe mit Sitz in Meinhard-Frieda
meldete Insolvenz an. „Mein
Ziel ist es, dafür zu kämpfen,
so viele Arbeitsplätze wie
möglich zu erhalten, darin
sehe ich auch meine soziale
Verantwortung als Arbeitgeberin“,
sagt
Geschäftsführerin Désirée
Derin-Holzapfel.
Bereits seit
Dezember
2014 hatte sie
Désirée De- mit Unterstütrin-Holzapfel zung von Wirtschaftsberatern ein umfangreiches Sanierungskonzept für das seit Jahren kriselnde Unternehmen
auf den Weg gebracht und
nach eigener Aussage auch in
weiten Teilen bereits umsetzen können.
„Es wurden in der Vergangenheit Fehler gemacht, doch wir müssen jetzt in die Zukunft
schauen.“
THOMAS MARTIN
BETRIEBSRAT
„Alles sah richtig gut aus,
doch dann kamen zum Ende
des Jahres Zahlungsverzögerungen und ein Maschinenausfall hinzu, sodass sich der
Insolvenzantrag so kurz vor
Weihnachten nicht mehr aufschieben ließ“, sagt DerinHolzapfel.
Veränderungen stehen an: Während des Insolvenzverfahrens sollen die Altlasten der Friedola-Living-Gruppe abgearbeitet und ein neuer Investor für den in Meinhard-Frieda ansässigen auf Kunststoffverarbeitung spezialisierten Betrieb gefunden werden.
Foto: Rissmann
Ein großer Bestandteil des
Sanierungskonzeptes sei es gewesen, nicht betriebsnotwendige Werkgebäude zu verkaufen wozu auch die Vermietung
der Friedola-Halle in Eschwege an das Land Hessen für die
Flüchtlingsunterbringung gehörte.
Für die drei Werkgebäude
sei dann auch schnell ein Käufer gefunden worden, doch sei
es aufgrund von Formalitäten
zur Zahlungsverzögerung gekommen.
„Es wurden in der Vergangenheit Fehler gemacht“, sagt
Betriebsratsvorsitzender Thomas Martin. Doch bringe es
nichts, jetzt darauf herumzureiten, „wir müssen jetzt in
die Zukunft blicken“, betont
Martin: „Die Mitarbeiter sind
hoch motiviert und warten
nur auf den Startschuss, um
bei Friedola eine neue Ära einzuläuten.“ Auch Derin-Holzapfel bedankt sich bei den Mitarbeitern, die auch zwischen
den Jahren intensiv mitgear-
beitet hätten, um die Weichen
für ein erfolgreiches Insolvenzverfahren zu stellen.
Denn es gab einiges zu tun:
Derin-Holzapfel musste alle
Gläubiger ins Boot holen und
eine Menge Überzeugungsarbeit leisten. „Wir werden jetzt
konzentriert weiter an dem
Sanierungskonzept arbeiten,
um das Unternehmen wieder
auf gesunde Füße zu stellen“,
sagt sie. Der Insolvenzantrag
sei für sie auch ein großes Risiko gewesen: „Zum einen hätte
das Gericht für alle drei Gesellschaften der Friedola-LivingGruppe einen gesonderten Insolvenzverwalter
anordnen
können, dann hätte es getrennte Verfahren gegeben,
zum anderen wollte ich dringend einen Insolvenzverwalter, der nicht einfach nur abwickelt, sondern der sich eine
Sanierung gemeinsam mit uns
zutraut.“ Den habe sie in Prof.
Dr. Lucas F. Flöther aus Fulda
gefunden, mit dem sie intensiv zusammenarbeite. Foto: Archiv
„Die Braut wird jetzt geschmückt“
Interview mit Insolvenzverwalter Prof. Dr. Lucas F. Flöther über das weitere Verfahren bei Friedola
FRIEDA. Seit rund vier Wochen hält Insolvenzverwalter
Prof. Dr. Lucas F. Flöther aus
Fulda die Geschicke der Friedola-Living-Gruppe in Frieda
in der Hand. Im Interview
spricht er über das bisherige
Verfahren und wie es nun
weitergeht.
Zur Person
PROF. DR. LUCAS F. FLÖTHER wurde 1974 in Leipzig geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg. Er zählt seit Jahren zu den führenden deutschen Insolvenzverwaltern und Sanierungsexperten. In seiner
über 15-jährigen Tätigkeit hat er über 1000 Insolvenzverfahren betreut. Flöther ist Partner der Kanzlei „Flöther & Wissing“
aus Fulda, die laut des Insolvenzkanzlei-Rankings der Wirtschaftswoche und des Magazins Focus zu den Top-Kanzleien
in Deutschland gehört. Zudem ist Flöther Sprecher des Gravenbrucher Kreises, der Vereinigung der führenden Insolvenzverwalter Deutschlands. Seit 2001 erhält der 42-Jährige jedes
Semester einen Lehrauftrag für Vollstreckungs- und Insolvenzbeziehungsweise Zivilprozessrecht der Martin-Luther-Universität. Im Jahr 2012 wurde er dort zum Honorarprofessor für
das Fachgebiet Bürgerliches Recht und Insolvenzrecht ernannt. (dir)
Foto: privat
Herr Prof. Dr. Flöther, die
Friedola-Living-Gruppe hat einen neuen Kredit bekommen.
Wie kam es dazu?
PROF. DR. LUCAS F. FLÖTHER: Es ist
uns gelungen, einen Massekredit in siebenstelliger Höhe zu
bekommen. Ein solches Darlehen können Gläubiger im
Zuge eines Insolvenzverfahrens vergeben, wenn ein Fortführen der Produktion ansonsten nicht möglich ist. Wir haben lange verhandelt und ihn
bekommen, weil die Gläubiger überzeugt sind, dass das
Unternehmen Friedola eine
Chance hat.
Kann damit die Arbeit erst
einmal fortgesetzt werden?
FLÖTHER: Mit dem Geld konnten bereits Betriebsmittel eingekauft und so in der vergangenen Woche die Produktion
wieder aufgenommen werden.
Damit kann der Betrieb auch
über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Februar
hinaus weitergeführt werden.
nen Monat Zeit, um alles für
das Insolvenzverfahren vorzubereiten. Ob der Antrag rechtzeitig gestellt wurde und ob alles rechtlich einwandfrei abgelaufen ist, wird von mir als Insolvenzverwalter genau geprüft. So eine Auswertung
dauert allerdings erfahrungsgemäß mehrere Jahre. Kurzfristig jedoch nützt uns eine
Antwort auf die Frage auch
nichts, denn das dringlichste
Ziel war – und ist es noch – Finanzmittel aufzutreiben, da
das Unternehmen zum Jahreswechsel nicht mehr liquide
war.
Kritiker merken an, dass die
Insolvenz früher hätte gestellt
werden müssen. Hat die Geschäftsleitung zu lange gewartet?
FLÖTHER: Tatsächlich musste
alles Spitz auf Knopf geschehen, denn wir hatten nur ei-
Die Geschäftsleitung hat bereits vor über einem Jahr Wirtschaftsberater hinzugezogen,
die ein Sanierungskonzept erstellt haben. Hat Ihnen dieses
Konzept jetzt in der Kürze der
Zeit geholfen?
FLÖTHER: Mittel- und langfris-
tig gesehen hilft uns dieses
Konzept sicherlich weiter.
Kurzfristig allerdings müssen
wir Finanzmittel einholen,
weshalb die oberste Priorität
derzeit auf der Suche nach einem geeigneten Investor liegt.
Bei Friedola gibt es neben
den bekannten finanziellen
Problemen auch einen Investitionsstau beim Maschinenpark,
sodass es wohl ohne einen finanzstarken Investor nicht gehen wird. Sehen Sie eine gute
Chance, jemanden zu finden?
FLÖTHER: Aus eigener Kraft
werden wir langfristig den Geschäftsbetrieb nicht aufrechterhalten können. Aber dazu
ist ein Insolvenzverfahren da:
Wir schmücken jetzt die
Braut, um sie für einen Investor interessant zu machen.
Wir müssen also jetzt die Altlasten abarbeiten, um einem
potenziellen Investor zu zei-
gen, dass Gewinne erwirtschaftet werden können. Wir
versuchen national wie international mit Investoren ins
Gespräch zu kommen. Die
werden sich den Betrieb anschauen und die Bücher prüfen und dann will ich hoffen,
dass einer übrig bleibt.
Konnten Sie sich in der Kürze der Zeit einen guten Überblick über die Lage machen
und bereits ein eigenes Konzept erarbeiten?
FLÖTHER: Absolut. Das war
auch die Voraussetzung für
den Massekredit. Wir mussten den Gläubigern zeigen,
dass wir ruhig in das Insolvenzverfahren starten.
Wie sehen Sie langfristig die
Chancen für Friedola?
FLÖTHER: Das Unternehmen
hat eine gute Chance. Hilfreich ist, dass die Großkun-
den ein positives Signal gesendet haben und dem Unternehmen treu bleiben, weil eine
Alternative an Herstellern in
diesem Bereich fehlt. Allerdings wird die Konzernstruktur gerade genau geprüft: Es
könnte sein, dass hier etwas
gestrafft werden muss, auch
Kündigungen kann ich nicht
ausschließen. Da befinden wir
uns gerade in der heißen Planungsphase.
Für mögliche Kündigungen
würde ein Sozialplan und Interessenausgleich aufgestellt,
an dem auch der Gläubigerausschuss beteiligt ist. Ziel ist
es aber, so viele Arbeitsplätze
wie möglich zu erhalten. Das
ist meine spannende Aufgabe
als Insolvenzverwalter, die für
alle Gläubiger beste Lösung zu
finden. Doch ganz ohne
Schmerzen wird es nicht gehen.
Was ist die Aufgabe eines
Gläubigerausschusses?
FLÖTHER: In dem siebenköpfigen Gläubigerausschuss für
Friedola sitzen Vertreter aller
Gläubigergruppen, also der
Banken,
Anleihenehmer,
Kunden, Lieferanten und –
das war mir wichtig – der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer sind sogar durch den Betriebsrat und die Agentur für
Arbeit doppelt im Ausschuss
vertreten. So haben die Mitarbeiter ein großes Mitspracherecht während des Insolvenzverfahrens, da ich ohne die
Zustimmung des Gläubigerausschusses keine weitreichenden Entscheidungen treffen kann. (dir)