8_ Besprechungsfall - Erfolgsqualifiziertes Delikt, Anstiftung

Juristische
Fakultät
Übung im Strafrecht
für Anfänger
Prof. Dr. Frank Saliger
Lehrstuhl für Strafrecht,
Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie
Sachverhalt
Die jähzornige T möchte mit ihrem Auto den Parkplatz des lokalen Supermarkts verlassen.
Dabei ist ihr allerdings die gebrechliche Oma (O) im Weg, die vor ihr sehr langsam den Weg
zur Ausfahrt überquert. T muss anhalten. Gerade als die O – etwa einen Meter vor dem haltenden Wagen – die Mitte des Weges erreicht, fährt T unter Durchtreten des Gaspedals unvermittelt und bewusst an, wobei sie O erfasst. T weiß, dass sie der O körperliche Verletzungen zufügen könnte und nimmt dies billigend in Kauf. Daran, dass die O sterben könnte,
denkt sie aber nicht. O wird zunächst auf die Motorhaube des Fahrzeugs aufgeladen, dann
schräg nach vorne abgeworfen und anschließend von dem linken Vorderreifen des Pkw
überrollt. Sie erleidet mehrere Rippenbrüche und einen Bruch des Beckenknochens. T hält
den Wagen wieder an. Da herbeigeeilte Personen die teilweise unter dem Fahrzeug liegende
O nicht bergen können, fordern sie die T auf, ihren Wagen vorzusetzen. Bei diesem Vorgang
überrollt T die O nochmals mit dem linken Hinterrad, was zum unmittelbaren Tod der O führt.
Diese Folge und eine weitere Verletzung der O hatte T – unwiderlegbar – weder vorausgesehen noch gewollt.
Erschreckt will T weiterfahren, um sich aus dem Staub zu machen. Da klopft ihr Sohn S, der
die ganze Szene zufällig beobachtet hatte, an die Fahrerscheibe des Pkw. Nachdem T das
Fenster heruntergekurbelt hatte, sagt S zu ihr: „Komm, lass uns sofort verschwinden“. S
steigt in den Wagen ein, und T fährt mit ihrem Sohn davon.
Wie haben sich T und S nach dem StGB strafbar gemacht? § 221 (Aussetzung) und § 240
(Nötigung) sind nicht zu prüfen.
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Lösungsvorschlag1
1. Strafbarkeit der T
A. Strafbarkeit der T gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB
T könnte sich gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB strafbar gemacht haben, indem sie die O
mit dem Auto überfuhr.
I. Tatbestand
1.
Objektiver Tatbestand
a.
§ 223 I StGB
Der objektive Tatbestand der Körperverletzung gem. § 223 I StGB setzt voraus, dass T die O
körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt hat.
Unter körperlicher Misshandlung ist jede üble unangemessene Behandlung, durch die das
Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden in mehr als unerheblichem Maße beeinträchtigt
wird, zu verstehen.2
Durch den Aufprall auf den und das Überrollen vom Pkw der T zog die O sich mehrere Rippenbrüche und einen Bruch des Beckenringes zu. Diese Verletzungen sind sehr schmerzhaft
und beeinträchtigen die körperliche Unversehrt und das Wohlbefinden erheblich, zumal die O
sich nicht mehr bewegen konnte. T hat die körperlich misshandelt.
Weiterhin könnte auch eine Gesundheitsschädigung der O durch das An-/Überfahren mit
dem Pkw der T in Betracht kommen. Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen eines
pathologischen Zustandes.3 O hat durch den Sturz Rippenbrüche und einen Bruch des Beckenringes davongetragen. Dadurch sind die körperlichen Funktionen nachteilig von ihrem
Normalzustand abgewichen, so dass auch eine Gesundheitsschädigung der O zu bejahen
ist.
Das Verhalten der T kann auch nicht hinweggedacht werden, ohne dass die die Verletzungen der O entfielen, war also kausal. Die Verletzungen sind der T auch objektiv zurechenbar.
Damit ist der objektive Tatbestand des § 223 I StGB erfüllt.
b.
§ 224 I Nr. 2, 5 StGB
T könnte weiterhin den Qualifikationstatbestand des § 224 I StGB erfüllt haben. In Betracht
kommen die Nrn. 2 und 5.
c.
§ 224 I Nr. 2 StGB
Der Pkw ist nicht dazu bestimmt, nach seiner Beschaffenheit erhebliche Verletzungen von
Menschen hervorzurufen.4 Das Auto der T ist also keine Waffe im Sinne des § 224 I Nr. 2
StGB.
Der Pkw könnte jedoch ein anderes gefährliches Werkzeug gem. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB
darstellen. Ein gefährliches Werkzeug ist ein körperlicher Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche körDer Sachverhalt ist – stark vereinfacht - angelehnt an BGH HRRS 2009, Nr. 90.
Schönke/Schröder-Eser, § 223 Rn. 3.
3
Schönke/Schröder-Eser, § 223 Rn. 3.
4
Fischer, § 224 Rn. 9d.
1
2
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perliche Verletzungen hervorzurufen.5 Das Auto ist ein körperlicher Gegenstand. Zudem ist
er durch sein hohes Gewicht beim Überrollen eines Menschen dazu geeignet, erhebliche
Körperverletzungen zuzufügen, so dass er ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 I
Nr. 2 Alt. 2 ist. T hat also durch ihr Verhalten § 224 I Nr. 2 StGB erfüllt.
d.
§ 224 I Nr. 5 StGB
T könnte die Körperverletzung der O zudem mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gem. § 224 I Nr. 5 StGB begangen haben. Dabei ist umstritten, ob eine konkrete
oder abstrakte Lebensgefahr eingetreten sein muss. Die herrschende Meinung fordert im
Anschluss an BGHSt 2, 160 (163) lediglich eine abstrakte Lebensgefahr. Eine a. A. verlangt
dagegen eine konkrete Lebensgefährdung, wobei eine sorgfältige Erforschung aller Umstände des konkreten Einzelfalles notwendig ist.6 Der Anfahren und Überrollen durch den Pkw
der T führte bereits zu erheblichen Verletzungen bei O – nämlich Rippenbrüchen und einem
Beckenringbruch. Bei O kommt noch ihre Gebrechlichkeit und ihr hohes Alter hinzu, in dem
so erhebliche Knochenbrüche nicht nur langfristige bzw. ungewisse Heilungszeiten nach sich
ziehen, sondern durch die lange Unbeweglichkeit das Herz-Kreislauf-System in erheblichem
Maße nachteilig beeinträchtigen. Die Behandlung war also bereits konkret lebensgefährdend, so dass nach beiden Ansichten § 224 I Nr. 5 StGB erfüllt ist.
2.
Subjektiver Tatbestand
T müsste bezüglich der Körperverletzung gem. § 223 I StGB und des Qualifikationstatbestands gem. § 224 I Nr. 2, 5 StGB vorsätzlich gehandelt haben. T erkannte, dass sie O verletzen könnte und nahm dies billigend in Kauf, so dass sie bzgl. § 223 I StGB vorsätzlich
gehandelt hat. Sie erkannte zudem die Umstände, aus denen sich die besondere Gefahr
durch das Überrollen einer Person mit einem Pkw ergab und nahm sie zumindest billigend in
Kauf. Damit ist der subjektive Tatbestand hinsichtlich der Qualifikation der § 224 I Nr. 2 Alt. 2
StGB ebenfalls erfüllt.
Fraglich ist, ob dies auch für die Qualifikation des § 224 I Nr. 5 gilt. Hierfür genügt in subjektiver Hinsicht bereits die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit der Tathandlung für das Leben des Opfers ergibt.7 Der Täter muss sein Verhalten also
nicht auch als lebensgefährdend bewerten.8 T erkannte, dass sie mit dem Pkw die O überfahren würde und ihr war die Gefahr eines Aufpralls mit dem Auto auch bewusst. Auch der
Vorsatz in Bezug auf § 224 I Nr. 5 StGB ist demnach gegeben.
II. Rechtsw idrigkeit
T handelte mangels Erfüllung der Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes rechtswidrig.
III. Schuld
T handelte schuldhaft.
5
MüKo-Schmitz, § 224 Rn. 6.
NK-Paeffgen, § 224 Rn. 27 ff.
7
BGHSt 36, 1 (15).
8
A. A. etwa Wessels/Hettinger StrafR BT I Rn. 284.
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IV. Ergebnis
T hat sich gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB strafbar gemacht, indem sie die O mit dem Auto
an- bzw. überfuhr.
B. Strafbarkeit der T gem. § 227 I StGB
T könnte sich aber weiterhin gem. § 227 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie die O anbzw. überfuhr und beim Zurückfahren ein zweites Mal überrollte und dadurch den Tod der O
verursachte.
I. Tatbestand
1.
Verwirklichung des Grunddelikts
T müsste zunächst ein Grunddelikt des § 227 I StGB verwirklicht haben. Gem. § 227 I StGB
sind die §§ 223 bis 226 StGB taugliche Grundtatbestände der Erfolgsqualifikation des § 227 I
StGB. T hat sich gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB strafbar gemacht und damit ein taugliches Grunddelikt verwirklicht.
2.
Objektiv fahrlässige Tötung
T müsste O getötet und diesbezüglich wenigstens fahrlässig (§ 18 StGB) gehandelt haben.
a.
Eintritt und Verursachung des Todeserfolgs
Der Tod der O ist eingetreten. Diesen hat die T auch durch das zweite Überrollen der O verursacht.
b.
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Die objektive Sorgfaltspflichtverletzung liegt bereits in der rechtswidrigen und schuldhaften
Verwirklichung des Tatbestands der gefährlichen Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr.
2, 5 StGB.
c.
Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs
Der Todeserfolg muss zudem für die T objektiv vorhersehbar gewesen sein. Danach muss
der Täter in seiner konkreten Situation nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen sein, den Eintritt des Todes vorauszusehen. Das wiederum ist nicht
der Fall, wenn die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist.9 Hier
hatte die T zwar nur Vorsatz bzgl. einer Verletzung der O und deren unmittelbaren Todeseintritt nicht vorausgesehen. Darauf kommt es für die Vorhersehbarkeit aber nicht an. T war
nämlich durchaus dazu in der Lage, zu erkennen, dass das mit einem Pkw durchgeführte
Überrollen eines Menschen, der mit erheblichen Körperverletzungen unter einem Auto liegt,
auch tödliche Folgen haben kann, so dass der Todeserfolg für T auch objektiv vorhersehbar
war. T handelte somit fahrlässig bzgl. der Tötung der O.
9
Spickhoff–Knauer/Brose Medizinrecht § 227 StGB, Rn. 3.
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Spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Grundtatbestand und schwerer
Folge
Die objektive Zurechnung wird im Falle des § 227 StGB durch den spezifischen Gefahrzusammenhang zwischen Grunddelikt und Todeserfolg bestimmt. Das bedeutet, dass sich
im tödlichen Erfolg gerade die dem Grundtatbestand anhaftende tatbestandsspezifische Gefahr niedergeschlagen haben muss.10 An diesem spezifischen Gefahrzusammenhang zwischen der Grunddeliktshandlung der T und dem Tod der O könnte deshalb zu zweifeln sein,
weil die Verletzungen unmittelbar durch das zweite Überrollen verursacht wurden, die T aber
nur beim ersten Anfahren einen Körperverletzungsvorsatz aufwies. Das zweite Rollen diente
lediglich der Rettung der O und wurde durch T wegen der Aufforderung durch die rettungswilligen Passanten durchgeführt, die ohne ein Zurücksetzen des Wagens der T die O nicht
unter dem Fahrzeug hätten hervorziehen können. Welche Anforderungen an den spezifischen Gefahrzusammenhang im Einzelnen zu stellen sind, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Das gilt insbesondere für die Frage, ob Anknüpfungspunkt für den spezifischen Gefahrzusammenhang der Körperverletzungserfolg oder die Körperverletzungshandlung ist. Nach der
Letalitätslehre ist es erforderlich, dass sich die tödliche Folge aus dem Körperverletzungserfolg entwickelt. Als Argumente hierfür werden der Wortlaut des § 227 I StGB („durch die
Körperverletzung“) und die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung des Tatbestands angesichts der hohen Strafdrohung geltend gemacht.11 Die O ist erst an den Verletzungen gestorben, die T ohne Verletzungsvorsatz ausgeführt hat, so dass nach dieser Ansicht nur
dann ein spezifischer Gefahrzusammenhang bejaht werden könnte, wenn auch das zweite
Rollen als Ausführung der Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 5 StGB und damit als
vom Vorsatz umfasst angesehen werden könnte. Dafür müsste in dem ganzen Geschehen –
also das Anfahren, das erste und zweite Überrollen – eine Handlung liegen, bzgl. derer allgemein ein Vorsatz des Täters vorliegen müsste. T hatte nach dem ersten Überrollen aber
gerade keinen Vorsatz mehr in Bezug auf eine Verletzung der O und führte damit selbst eine
Zäsur des Geschehens auf subjektiver Ebene herbei. Die Annahme einer Handlung und eines einheitlichen Vorsatzes liefe jedoch auf die Anerkennung eines dolus generalis voraus,
der gegen das Simultanitätsprinzip verstoßen würde, wonach der Täter zum Zeitpunkt der
Vornahme der Handlung einen Vorsatz aufweisen muss. Da der Tod somit gerade nicht unmittelbar durch die aus dem ersten Überrollen der O resultierten Verletzungen herbeigeführt
wurde, wäre nach der Letalitätslehre ein spezifischer Gefahrzusammenhang zu verneinen.
Der BGH und Teile des Schrifttums sind demgegenüber der Auffassung, dass es für die
Annahme des spezifischen Gefahrzusammenhangs ausreicht, wenn der Todeserfolg aus der
Körperverletzungshandlung resultiert. Es ist fraglich, ob nach dieser Ansicht die Gefahren
der Körperverletzungshandlung der T gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 5 StGB sich im Tod der O
realisiert haben, oder ob ein den gegenüber §§ 223, 224 I Nr. 2, 5, 222 StGB erhöhten Strafrahmen des § 227 StGB rechtfertigender Zusammenhang nicht angenommen werden kann.
Dabei ist zu klären, inwieweit ein nach der Körperverletzungshandlung stattfindender Verlauf
noch als vom spezifischen Zusammenhang umfasst angesehen werden kann. Der BGH hat
bereits im „Hochsitz-Fall“ ausgeführt, dass ein spezifischer Gefahrzusammenhang grundsätzlich auch dann zu bejahen sein kann, wenn die Verletzungshandlung des Täters zunächst nur zu einer Verletzungsfolge geführt hat, die - für sich betrachtet - einen tödlichen
10
11
BGHSt 31, 26; Jakobs JR 1986, 380; Roxin AT/I Rn. 115; Wessels/Hettinger BT/ 1, Rn. 299 f.
Jakobs JR 1986, 380; Roxin AT/I Rn. 115.
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Ausgang noch nicht besorgen ließ, und der Tod der Verletzten erst durch das Hinzutreten
weiterer Umstände verursacht worden ist. „Liegt der tatsächliche Geschehensablauf, der
Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit - wie es etwa bei der außergewöhnlichen Verkettung unglücklicher Zufälle der Fall wäre -, dann kann sich im Tod des Opfers jene Gefahr verwirklicht haben, die
bereits der Körperverletzungshandlung anhaftete; dies gilt auch dann, wenn diese Gefahr in
der zunächst eingetretenen Verletzungsfolge als solcher noch nicht zum Ausdruck gekommen war.“12 Auch in der nun relevanten Konstellation machte der BGH die Bejahung eines
spezifischen Gefahrenzusammenhangs davon abhängig, ob „der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge miteinander verknüpft, nicht außerhalb jeder
Lebenswahrscheinlichkeit“ liegt.13 Der Verlauf in diesem Fall sei jedoch noch als innerhalb
der Lebenswahrscheinlichkeit liegend zu bewerten, da es nicht jeder Erfahrung widerspreche, „dass das Opfer nach einem solchen Unfall im Zusammenhang mit Rettungsversuchen,
die durch Dritte oder den Täter vorgenommen werden, zu Tode kommt.“14
Gegen diese Auffassung könnte zwar sprechen, dass der spezifische Gefahrzusammenhang
inhaltlich über die bloße Fahrlässigkeit hinausgehen muss und dass das Kriterium der Lebenswahrscheinlichkeit der objektiven Vorhersehbarkeit bzgl. der fahrlässigen Tötung zumindest ähnelt. Allerdings ist hierbei wiederum zu beachten, dass es im Rahmen des spezifischen Gefahrzusammenhangs darum geht, einen hinreichenden Verursachungszusammenhang zwischen der mit Vorsatz herbeigeführten Körperverletzung und dem fahrlässig
verwirklichten Todeserfolg festzustellen. Entscheidend ist also, ob die vorsätzliche Körperverletzung gerade die Gefahr des Todes geschaffen hat. Vor diesem Hintergrund erscheint
die Entwicklung, dass eine unter einem fahrenden Auto liegende erheblich verletzte Person
durch weiteres Rollen zu Tode kommt, nicht unwahrscheinlich. Zudem ist zu beachten, dass
T die ganze Zeit selbst das Kfz steuerte und damit das zum Tode führende Geschehen in
den Händen hielt. Bei dem zweiten Rollen hat sich angesichts der Tatsache, dass die O
nach dem ersten Überfahren nicht hervorgeholt werden konnte, die Gefahr eines zweiten
Überrollens und damit auch die durch die erste Verletzungshandlung bestehende Todesgefahr niedergeschlagen. Nach der zweiten Ansicht ist der spezifische Gefahrzusammenhang
also zu bejahen.
Das Wortlautargument der Letalitätslehre ist nicht stichhaltig, da der Begriff der Körperverletzung sowohl auf den Körperverletzungserfolg als auch die Körperverletzungshandlung bezogen werden kann und insofern nicht eindeutig ist. Außerdem und entscheidend verweist der
in § 227 I StGB durch das 6. StrRG eingefügte Klammerzusatz auch auf §§ 223 II, 224 II,
225 II StGB und bezieht damit die entsprechenden Versuchsstrafbarkeiten mit ein. Da für
den Versuch wesentlich ist, dass der Erfolg ausbleibt, kann Anknüpfungspunkt für den Gefahrzusammenhang deshalb nur die Körperverletzungshandlung sein.15 Damit ist der zweiten
Ansicht zu folgen und ein spezifischer Gefahrzusammenhang zu bejahen.
Hinweis: Eine andere Ansicht war hier vertretbar.
12
BGHSt 31, 96 (98).
BGH HRRS 2009, Nr. 90; vgl. auch BGHSt 31, 96 (98).
14
BGH HRRS 2009, Nr. 90.
15
BGHSt 31, 26; Wessels/Hettinger BT/ 1, Rn. 299 f.
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II. Rechtsw idrigkeit
T handelte rechtswidrig.
III. Schuld
T handelte schuldhaft. Hinweise auf einen Ausschluss der subjektiven Fahrlässigkeit sind
nicht ersichtlich.
IV. Ergebnis
T ist strafbar gem. § 227 I StGB.
C. Strafbarkeit der T gem. § 222 StGB
T hat durch das nochmalige Überrollen der O zudem eine fahrlässige Tötung gem. § 222
StGB rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht. Diese tritt jedoch hinter § 227 I StGB zurück.
D. Strafbarkeit der T gem. §§ 315 b I Nr. 3, III, 315 III Nr. 2 StGB
T könnte sich gem. §§ 315b I, III, 315 III Nr. 2 StGB durch das An-/Überfahren der O strafbar
gemacht haben.
I. Tatbestand
1.
Objektiver Tatbestand
a.
Verkehrsfremder Eingriff
T müsste einen verkehrsfremden Eingriff im Sinne des § 315b I StGB in den Straßenverkehr
vorgenommen haben.
Der Begriff des Straßenverkehrs i.S.d. § 315c StGB bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Dabei ist ein Verkehrsraum öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich
oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber
zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen
ist oder so benutzt wird.16 Zum öffentlichen Straßenverkehr zählen demnach nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind. Inbegriffen sind auch solche Verkehrsräume, deren Benutzung
durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche
Widmung des Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen ist. T befand sich mit ihrem Wagen auf einem Supermarktparkplatz, der faktisch jedem offen steht, so dass es sich
um öffentlichen Straßenverkehr handelt.
Als Tathandlung kommt hier einzig ein ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff durch das Anund Überfahren der O gem. § 315b I Nr. 3 StGB in Betracht. Bei § 315b I Nr. 3 StGB handelt
es sich um einen Auffangtatbestand. Um ihn zu bejahen, muss die Qualität des Eingriffs in
den Straßenverkehr diejenige der Nrn. 1 und 2 des § 315b I StGB erreichen. Zu beachten ist
zudem, dass § 315b I StGB in Abgrenzung zu § 315c StGB grundsätzlich lediglich verkehrs16
BGH NJW 2004, 1965; BGH NStZ 2004, 625.
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fremde Eingriffe erfasst, also solche, die von außen in den Straßenverkehr wirken. Danach
bestehen bereits Zweifel, ob das An- und Überfahren der O durch T überhaupt einen solchen
Eingriff darstellen kann – schließlich befand sich T im öffentlichen Straßenverkehr und nahm
an diesem teil, als sie die T An- und überfuhr.
Allerdings wird eine Ausnahme von diesem Grundsatz dann gemacht, wenn der Straßenverkehr vom Täter pervertiert wird, d.h. wenn er sich nicht nur verkehrswidrig, sondern
verkehrsfeindlich verhält (verkehrsfremder Inneneingriff). Der Täter muss unter dem
Schein eines Verkehrsverhaltens in Wirklichkeit ein verkehrsfremdes Verhalten verbergen.
Maßgeblich ist die bewusste Zweckentfremdung des Fahrzeugs. In diesem Fall steht der
verkehrsfremde Inneneingriff einem verkehrsfremden Außeneingriff gleich.17 Voraussetzung
für die bewusste Zweckentfremdung ist nach ständiger Rechtsprechung in objektiver Hinsicht
eine grobe Einwirkung auf den Verkehr. Subjektiv muss der Täter verkehrsfeindlich, d.h. in
der Absicht handeln, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu pervertieren.18
In seiner neueren Rechtsprechung verlangt der BGH für die Annahme eines verkehrsfeindlichen Inneneingriffs i.S.d. § 315b StGB zudem eine weitere subjektive Voraussetzung. Danach ist ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff nur dann gegeben, wenn der Täter bzgl. der
Schädigung anderer Rechtsgüter bedingt vorsätzlich gehandelt hat.19
T hat sich zwar zunächst in einer gewöhnlichen Verkehrssituation befunden und wollte lediglich den Parkplatz befahren/ verlassen. Als allerdings O vor ihrem Wagen auftauchte und T
so am sofortigen Fahren hielt, wurde T aggressiv und verärgert. Diese Verärgerung führte
schließlich zu ihrer übertriebenen Reaktion, die O anzufahren und zu überrollen. Dabei hatte
dieses Verhalten nichts mehr mit der ursprünglichen Nutzung des öffentlichen Straßenverkehrs zu tun. Der T ging es in diesem Moment fast ausschließlich darum, ihrem Ärger Luft zu
machen und missbrauchte zu diesem Zweck den Straßenverkehr. Dies wurde auch äußerlich sichtbar – fuhr sie doch eine hilflose alte Frau um. Dabei nahm sie auch billigend in Kauf,
die O zu verletzen, so dass sie mit bedingtem Schädigungsvorsatz handelte. Die Voraussetzungen eines verkehrsfremden Inneneingriffs lagen also vor, so dass § 315 b I Nr. 3 erfüllt
ist.
b.
Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs
Durch den verkehrsfremden Eingriff müsste T die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt haben. Erforderlich ist danach, dass die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die
Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die sich zu einer konkreten Gefahr für die genannten Schutzobjekte verdichtet.
Eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist dabei gegeben, wenn der Eingriff generell
geeignet ist, den Verkehr zu gefährden, so dass eine konkrete Gefahr deutlich wahrscheinlicher geworden ist und für andere eine gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr
möglich ist.20 Hier fuhr T auf die Fußgängerin zu, ohne abzubremsen und erhöhte damit die
Gefahr einer Verletzung dieser Verkehrsteilnehmerin und der Verursachung eines Staus
durch das Herbeiführen einer Unfallstelle. Die Sicherheit des Straßenverkehrs war somit zumindest abstrakt gefährdet.
17
Vgl. König, NStZ 2004, 175.
BGHSt 41, 231 (237); 41, 239; Fischer, § 315b Rn. 9; SSW-Ernemann, § 315b Rn. 12, 14.
19
BGHSt 48, 233 (237).
20
König, JA 2003, 818 (820); Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Hecker, § 315b Rn. 3.
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Konkrete Gefahr
Zudem müsste eine konkrete Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen oder einer
fremden Sache von bedeutendem Wert eingetreten sein. Hier wurden Leib und Leben der O
konkret gefährdet. Diese konkrete Gefahr war Ausdruck der verkehrsspezifischen Gefahr,
die durch den Zusammenprall eines Pkw mit einem Fußgänger besteht.
d.
Qualifikation gem. § 315b III i.V.m. § 315 III Nr. 2 StGB
Weiterhin könnte T die Qualifikation des § 315 III Nr. 2 StGB erfüllt haben, der über § 315b III
StGB anzuwenden ist. Dafür müsste T eine schwere Gesundheitsschädigung der O verursacht haben. Eine schwere Gesundheitsschädigung im Sinne des § 315 III StGB muss nicht
die Qualität einer schweren Körperverletzung im Sinne des § 226 I StGB erreichen. Es reicht
aus, wenn die Gesundheit nachhaltig und einschneidend beeinträchtigt wird.21 Bzgl. mehrerer Rippenbrüche und eines Beckenbruches bei einer sehr alten Person ist anzunehmen,
dass diese Verletzungen eine sehr lange Genesungszeit beanspruchen werden oder auch
bleibende Schäden hinterlassen. Die Qualifikation gem. § 315 III Nr. 2 StGB hat T somit erfüllt.
2.
Vorsatz
T müsste vorsätzlich gehandelt haben. T war sich der Gefahr durch das Anfahren bewusst.
Sie nahm in Kauf, die O erheblich zu verletzen und handelte somit vorsätzlich.
II. Rechtsw idrigkeit
T handelte rechtswidrig.
III. Schuld
T handelte schuldhaft
IV. Ergebnis
T hat sich gem. §§ 315b I, III, 315 III Nr. 2 StGB durch das An-/Überfahren der O strafbar
gemacht.
E. Strafbarkeit der T gem. § 142 StGB
T könnte sich weiterhin gem. § 142 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie vom Parkplatz
davongefahren ist, ohne Feststellungen zu ermöglichen.
I. Tatbestand
1.
Unfall im Straßenverkehr
Es müsste ein Unfall im Straßenverkehr geschehen sein. Ein Unfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das mit dessen typischen Gefahrensituation
im ursächlichen Zusammenhang steht und einen nicht unerheblichen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat.22 Das Geschehen um T und O spielte sich im Straßenverkehr ab.
Zweifel bestehen aber an seiner Qualifizierung als plötzliches Ereignis und damit seiner
21
22
Lackner/Kühl-StGB, § 250, Rn. 3.
Küper, BT, S. 293; Geppert, Jura 1990, 78 (79).
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grundsätzlichen Eignung als Unfall, da der Zusammenprall nicht zufällig passiert ist, sondern
von T vorsätzlich herbeigeführt wurde. Nach der Rechtsprechung ist ein plötzliches Ereignis
jedenfalls dann anzunehmen, wenn zumindest für einen der Beteiligten das Ereignis ungewollt gewesen ist. Das bedeutet, dass ein Unfall jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn der
Schadenseintritt von beiden Beteiligten gewollt war.23 Darüber hinaus lehnt der BGH das
Vorliegen eines Unfalls ab, wenn der Fahrer das Fahrzeug nicht als Fortbewegungsmittel,
sondern lediglich als Tatwaffe einsetzt. In diesem Fall sei der Schaden keine Auswirkung des
allgemeinen Verkehrsrisikos. Inzwischen vertritt der BGH zudem, dass ein Unfall im Straßenverkehr nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn sich in dem schädigenden Ereignis ein
verkehrstypisches Unfallrisiko realisiert hat. Daran soll es fehlen, wenn ein Verhalten nach
seinem äußeren Erscheinungsbild keine Auswirkung des allgemeinen Verkehrsrisikos, sondern einer deliktischen Planung ist. Ein bloßer ursächlicher Zusammenhang mit den Gefahren des Straßenverkehrs reicht also nicht mehr aus.24
T und O haben hier nicht zusammengewirkt, so dass für O der Aufprall mit dem Wagen der T
plötzlich geschah. Zwar setzte die T das Auto als Tatwerkzeug ein, allerdings wollte sie sich
zugleich auch fortbewegen. Den Vorsatz, die O zu verletzen, fasste sie erst während der
Fahrt. Zudem war es auch durchaus möglich, dass das Geschehen sich als plötzliches Ereignis darstellte, so ist es zumindest keine untypische Verkehrssituation, dass ein Autofahrer
einen Fußgänger anfährt. Ein plötzliches Ereignis ist somit zu bejahen. Dies hatte auch einen
erheblichen Personenschaden zur Folge, so dass Voraussetzung des Unfalls im Straßenverkehr einschlägig ist.
2.
Unfallbeteiligter gem. § 142 V StGB
T müsste auch Unfallbeteiligte gewesen sein. Gem. § 142 V StGB ist Unfallbeteiligter jeder,
dessen Verhalten nach den Umständen des Falls zur Verursachung des Unfalls beigetragen
haben kann. T hat hier hauptsächlich und maßgeblich zum Unfall beigetragen, so dass sie
Unfallbeteiligte im Sinne des § 142 V StGB ist.
3.
Entfernen vom Unfallort
T hat sich vom Unfallort entfernt.
4.
Anwesenheit feststellungsbereiter Personen
Nach § 142 I Nr. 1 StGB trifft den Täter die Pflicht, zugunsten anderer Unfallbeteiligter und
Geschädigter die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung zu ermöglichen. Daraus ergeben sich zwei Pflichten: zum einen die Anwesenheitspflicht und zum anderen die Vorstellungspflicht.
Um diese Pflicht überhaupt verletzen zu können, müssen aber feststellungsbereite Personen
am Tatort sein. Feststellungsbereit sind – neben den Geschädigten, anderen Unfallbeteiligten und der Polizei – alle Personen, die erkennbar den Willen haben, ihr Wissen zur Kenntnis des Berechtigten zu bringen25, z.B. Passanten und Nachbarn.
Die Geschädigte O war zwar nach dem Unfall sofort tot, allerdings waren andere Personen,
die versucht hatten, die O zu retten, anwesend und auch feststellungsbereit. Die T traf somit
eine Anwesenheits- und Vorstellungspflicht, die sie durch ihr Entfernen verletzt hat.
23
BGHSt 12, 253 (256); 24, 282 (283).
BGHSt 47, 158 (159) = BGH NStZ 2002, 252; zust. SSW-Ernemann, § 142 Rn. 14; Fischer, § 142 Rn. 13.
25
Lackner/Kühl, § 142 Rn. 16.
24
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Juristische
Fakultät
5.
Übung im Strafrecht
für Anfänger
Prof. Dr. Frank Saliger
Lehrstuhl für Strafrecht,
Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Rechtsphilosophie
Vorsatz
T handelte vorsätzlich.
II. Rechtsw idrigkeit
T handelte rechtswidrig.
III. Schuld
T handelte schuldhaft.
IV. Ergebnis
T hat sich gem. § 142 I StGB strafbar gemacht, indem sie vom Parkplatz davongefahren ist,
ohne Feststellungen zu ermöglichen.
2. Strafbarkeit des S
A. Strafbarkeit des S gem. §§ 142, 26 StGB
S könnte die T aber zu ihrer Unfallflucht angestiftet und sich damit gem. §§ 142, 26 StGB
strafbar gemacht haben.
I. Tatbestand
1.
Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat
Die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat liegt in dem Entfernen vom Unfallort durch die T.
2.
Bestimmen
S müsste die T zu dieser Tat angestiftet, also „bestimmt“ haben. Bestimmen im Sinne des §
26 StGB setzt ein kommunikatives Einwirken des Anstifters auf den Täter aus, wodurch
der Tatentschluss des Täters hervorgerufen wird.26 Dabei ist zu beachten, dass ein Hervorrufen eines Tatentschlusses des Täters dann nicht mehr möglich ist, wenn der Täter zum
Zeitpunkt des kommunikativen Einwirkens des Anstifters auf den Täter bereits zur Tat entschlossen war, den Vorsatz zur Tat also schon gefasst hatte. Der Täter ist dann ein „omnimodo facturus“, also unter allen Umständen zur Begehung der Tat entschlossen.27
Die T war bereits entschlossen, sich vom Unfallort zu entfernen, bevor S zum Verschwinden
aufforderte. T war somit „omnimodo facturus“ und konnte damit nicht mehr angestiftet werden.
II. Ergebnis
S hat die T nicht zu ihrer Unfallflucht angestiftet und sich damit nicht gem. §§ 142, 26 StGB
strafbar gemacht.
26
27
Schönke/Schröder-StGB/Heine, § 26, Rn. 4.
Schönke/Schröder-StGB/Heine, § 26, Rn. 4 ff..
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B. Strafbarkeit des S gem. §§ 142, 27 I StGB
S könnte sich aber wegen desselben Verhaltens gem. §§ 142 I, 27 I StGB strafbar gemacht
haben.
I. Tatbestand
1.
Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat
Die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat liegt in dem Entfernen vom Unfallort durch die T.
2.
Hilfeleisten
S müsste T auch Hilfe geleistet haben. Hilfeleisten im Sinne des § 27 I StGB ist jedes Fördern der Haupttat. Diese Förderung kann sowohl durch physische Unterstützungshandlungen als auch psychisches Einwirkungen auf den Täter gleistet werden. Physisch hat S hier
nichts zur Entfernung vom Unfallort beigetragen, allerdings hat er die T aufgefordert, so verschwinden und sie damit psychisch unterstützt. Er leistete damit Hilfe.
3.
Vorsatz
S müsste vorsätzlich gehandelt haben sowohl in Bezug auf die vorsätzliche, rechtswidrige
Haupttat durch T, als auch auf sein Hilfeleisten. S hatte hier die Situation bewusst mitbekommen und ihm war bewusst, dass T die Pflicht hatte, am Unfallort zu bleiben. Zudem wollte er T in ihrem Entschluss davonzufahren unterstützen, so dass er vorsätzlich handelte.
II. Rechtsw idrigkeit
S handelte rechtswidrig.
II. Schuld
S handelte schuldhaft.
III. Ergebnis
S hat sich gem. §§ 142 I, 27 I StGB strafbar gemacht.
3. Gesamtergebnis
T ist strafbar gem. §§ 227 I, 315b I i.V.m. 315 III Nr. 2, 142 I, 53 StGB.
S ist strafbar gem. §§ 142 I, 27 I StGB.
Hinweis: Eine derartig ausführliche Bearbeitung ist in einer Klausur nicht zu erwarten. Die
Hinweise auf die Rechtsprechung erfolgen aus didaktischen Gründen und sollten sich in einer Klausur nicht wiederfinden.
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