Knochenschwund: Wenn man nicht dran denkt, passieren die meisten Fehler Prof. Dr. med. Rüdiger Smektala Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie WAZ-Nachtforum Universitätsklinikum KK Bochum 17.09.2015 WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Osteoporose Definition: Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine unzureichende Knochenfestigkeit charakterisiert ist, welche zu einem erhöhten Frakturrisiko prädisponiert. Die Knochenfestigkeit spiegelt dabei primär das Zusammenwirken von Knochendichte und Knochenqualität wider (NIH Consensus Development Panel on Osteoporosis 2001). „Knochenschwund“ - gekennzeichnet durch eine geringe Knochenmasse und den übermäßig raschen Abbau der Knochensubstanz und –struktur; daher erhöhte Knochenbruchanfälligkeit Die Knochenmasse nimmt innerhalb der ersten 30 Lebensjahren zu (Knochenaufbau), erreicht dann einen Höhepunkt und fällt in den späteren Lebensjahren langsam wieder ab. Osteoporose entsteht bei unzureichenden Knochenbildung in jungen Jahren und/oder beschleunigtem Abbau in späterer Zeit WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Alternde Bevölkerung „Die Menschheit altert in unvorstellbarem Ausmaß. Wir müssen das Problem unseres eigenen Alterns lösen, um das Problem der Welt zu lösen.“ Zit.: Frank Schirrmacher: “Das Methusalem Komplott“ Anteil der über 65jährigen Bürgerinnen und Bürgern: Im Jahr 2000 13 % Im Jahr 2050 28 % Insgesamt nimmt die Bevölkerungsanzahl bis 2050 in Deutschland jedoch ab. Zit: Ifo Institut München 2004 WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 „Morbiditätsprognose 2050“ - Deutschland 2050 - alt, krank, teuer WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Osteoporose – eine Volkskrankheit? Häufigkeit: 7 % aller Frauen im Alter von 55 Jahren 19 % aller Frauen im Alter von 80 Jahren Keine zuverlässigen Angaben für Männer in Deutschland vorhanden Knochenbrüche – neu aufgetreten im Jahr: Wirbelsäule: 50 und 79 Jahre - 1 % aller Frauen und 0,6 % aller Männer Knochen an Armen und Beinen: 50 und 79 Jahre – 1,9 % aller Frauen und 0,7 % aller Männer Quelle: dvo-Leitlinie 2006 WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Altersabhängigkeit von Frakturen 3500 Inzidenz von Brüchen bei Frauen pro 100.000 Pat.-Jahre Schenkelhals 3000 Wirbelkörper Dist. Radius 2500 2000 1500 1000 500 0 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 Altersgruppen (Jahre) Frakturen in Deutschland 2010 WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 80-85 >85 Drei klassische Frakturen im Alter auf dem Hintergrund der Osteoporose Frakturen des Oberschenkelhalses Frakturen des Wirbelkörper Fraktur der körperfernen Speiche Ziel der Behandlung: Ist die möglichst frühzeitige Wiederherstellung von Funktion unter Einschluss der vollen Belastbarkeit und die Vermeidung von Immobilisations- und Hospitalisationsfolgeschäden WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Osteoporose Knochenbrüche: Wirbelsäule Hüftgelenknaher Oberschenkel Handgelenk Oberarmkopfbereich Becken WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Alterstrauma: Patientenbedingte Besonderheiten Niedrigrasanztrauma, häufig synkopale Stürze Begleiterkrankungen Herzinsuffizienz Niereninsuffizienz Chronische Lungenerkrankung Arteriosklerose Polyneuropathien Demenz Geringe Compliance Osteoporose WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Alterstrauma: medizinisch bedingte Besonderheiten Komplexe Vormedikation Antikoagulantien 55% aller Patienten! Thrombozytenaggregationshemmer Metformin Immunmodulierende Medikamente Höhere Anzahl bereits liegender Implantate Mehr periprothetische/Periimplantatfrakturen Höhere Rate an subklinischen Bakteriämien WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Typische Frakturen Hüftgelenknahe Frakturen Frakturen des Oberarmknochens im Schultergelenk WK-Frakturen Beckenringfrakturen, auch als Insuffizienzfrakturen Periimplantatfrakturen/periprothetische Frakturen komplexe Ellenbogenfrakturen WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Ziel der Behandlung: ist die möglichst frühzeitige Wiederherstellung von Funktion unter Einschluss der vollen Belastbarkeit und die Vermeidung von Bettlägerigkeit und Krankenhausaufenthalt belastungsstabil versorgen: Wirbelsäulenfrakturen Beckenfrakturen hüftgelenksnahe Frakturen Schaftfrakturen der unteren Extremität übungsstabil versorgen: alles andere WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Beispiel Oberschenkelhalsbruch WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Oberschenkelhalsfraktur: TEP WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Pertrochantäre Fraktur: Dynamische Hüftschraube WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Schenkelhalsfraktur: Schraubenosteosynthese WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Implantatwahl Wirbelsäule: bevorzugt Zementaugmentationen mimimalinvasive Spondylodesen WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Vorgehen in der Klinik Schnellstmögliche Operation des Patienten mit einer Schenkelhalsfraktur, um typische Komplikationen wie Lungenentzündung Thrombose und Lungenembolie Druckgeschwüre ( Dekubitus ) Blasen- und Harnwegsentzündungen zu vermeiden. WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Ausgangslage und Ziele Der Patient lebte vor dem Sturz in seiner eigenen häuslichen Umgebung: Ziel der Behandlung ist es, genau diese Leben wieder zu ermöglichen, und eine Heimunterbringung zu vermeiden. Der Patient stürzt im Altenheim: Ziel ist es, eine pflegepflichtige Situation zu vermeiden. Jedoch: bei einem Drittel der Patienten verschlechtert sich die soziale Situation, obwohl keinerlei medizinische Probleme im Zuge der Behandlung aufgetreten sind. Jedoch: im ersten Jahr nach dem Unfall versterben ca. 20 % der Verletzten, obwohl es keine medizinischen Probleme gegeben hat, Männer versterben noch häufiger. Die Gründe für diese Tatsachen sind unklar und Gegenstand medizinischer Forschung. WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Postoperativer Verlauf: Idealerweise Idealerweise erfolgt die Operation am Aufnahmetag mit einer schonenden Narkose, und der Patient verlässt am ersten Tag nach der Operation unter voller Belastung des verletzten und operierten Beines das Bett. Dazu bedarf es einer guten Schmerztherapie und der Betreuung durch die Krankengymnasten. Hilfsmittel wie Gehstöcke, Rollatoren und Rollstühle, die schon vor dem Schenkelhalsbruch genutzt werden mussten, sind natürlich auch nach dem Sturz erforderlich. Die Osteoporose muss behandelt werden, ein Konzept zur Vermeidung weiterer Stürze muss mit und für den Patienten erarbeitet werden. Daher arbeiten nach der Operation Unfallchirurgen, Altersmediziner und Krankengymnasten eng zusammen. WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Komplikationen Daten der externen Qualitätssicherung zeigen uns die Komplikationsraten in Deutschland: Bei einer Krankenhausliegezeit in der Unfallchirurgie von knapp 14 Tagen. Krankenhaussterblichkeit: ca. 5 % Komplikationsrate: ca. 12 % (Lungenentzündung, Blasenentzündung, Thrombose) Chirurgische Komplikationen: ca. 2 % (Wundentzündungen, verschieben der Implantate) WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Diese Ziele erreichen wir durch Zusammenarbeit aller notwendigen Fachdisziplinen in der Akutdiagnostik Beispiel: Unfallchirurg, Radiologe, Anästhesist, Internist, Altersmediziner belastungs- und übungsstabile Frakturbehandlung Beispiel: Endoprothese bei der Schenkelhalsfraktur Vermeidung behandlungsspezifischer Belastungen Beispiel: minimal-invasive Operationsverfahren frühzeitig einsetzende, situationsgerechte Krankengymnastik, altersgerechte Anforderungen Prävention: Vermeidung weiterer Stürze WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Entlassung aus der Fachabteilung von Patienten mit Frakturen des coxalen Femurendes (Bereich ÄKWL, alle Versicherungen, 2010) Geriatrische Reha 71,6 % Pflegeheim 8% Nach Hause 9,6 % Verlegung i. Hause 3,8 % 9. Ergebniskonferenz Qualitätssicherung NRW am 05.10.11 in Münster WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Osteoporose-Vorbeugung Lebensweise: körperliche Aktivität schützt vor Knochenschwund und verbessert die Koordination. Ernährung: vermehrte KalziumAufnahme von etwa 1 g/Tag und nach Empfehlung de internationalen Leitlinien Einnahme von Vitamin D (Ergo- und Colecalciferol). Vermieden von starkem Alkohol- oder Tabakkonsum Sturzprophylaxe (häusliche Umgebung, Verhalten, Medikamente) Hüftprotektoren ??? WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015 Fazit Chirurgie im Alter wird in unserer Krankenhäusern immer häufiger erforderlich werden. Altersentsprechende Konzepte sind vorhanden und Müssen gelebt werden. Die Zusammenarbeit von Ärzten unterschiedlicher Fächer- Unfallchirurg, Anästhesist, Altermediziner- , Krankengymnasten und des sozialen Dienstes ist unabdingbar, um die Folgen einer Verletzung im Alter möglichst zu begrenzen. Eine lange Bettlägerigkeit ist streng zu vermeiden! WAZ‐Nachtforum | Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum | 17.09.2015
© Copyright 2025 ExpyDoc