Erfahrungbericht: Shanghai Jiao Tong University im Wintersemester 2014/2015 und Sommersemester 2015 Datum: 03.08.2015 Warum China? Für China sprachen für mich insgesamt drei Punkte: die fremde Kultur, die Sprache und die wirtschaftliche Stärke von China. Chinas Kultur ist so extrem anders von der deutschen, sodass es mich einfach unglaublich gereizt diese kennen zu lernen und mich darauf komplett einzulassen. Ich hatte vorher schon einmal die Chance in einer chinesischen Familie in Beijing zu wohnen und war schon damals begeistert. Die Menschen tanzen auf der Straße, es wird überall gesungen. Das Lebensgefühl in China ist vor allem in den ersten Wochen so anders und frisch, dass es einfach nur Spaß macht und extrem interessant ist. Da ich schon vor meinem Aufenthalt drei Jahre Chinesisch gelernt habe, wollte ich außerdem natürlich endlich wirklich mit Einheimischen sprechen und vor Ort die Sprache weiter üben. Eine Fremdsprache vor Ort zu lernen macht einfach nochmal doppelt so viel Spaß als das Ganze trocken in der Bücherei in Deutschland zu machen. Zuletzt ist China außerdem ein Ort an dem ich mir vorstellen könnte einmal zu arbeiten. Die wirtschaftliche Stärke von China wuchs in den Letzten Jahren weiter und weiter und schon jetzt ist China für viele Firmen der wichtigste Markt geworden. Warum Shanghai Jiao Tong University? Für Shanghai habe ich mich entschieden, weil ich das Leben in einer derartigen Mega-City sehr gereizt hat. Es ist nahezu unmöglich in Shanghai Langweile zu bekommen. Es ist eine sehr internationale Stadt, in der man ständig neue Menschen aus allen Ecken der Welt trifft. Im Gegensatz zu Hongkong sprechen die Menschen dort außerdem Mandarin und im Vergleich zu Peking ist die Luft in Shanghai gar nicht so schlecht. Da Shanghai ein wichtiger Standort vieler IT-Firmen ist, ist es sehr hilfreich schon während dem Studium dort Kontakte zu knüpfen. Für die Shanghai Jiaotong University habe ich mich entschieden, da sie besonders im technischen Bereich einen sehr guten Ruf bzw. Rankingplatz genießt. Es gibt viele interessante Kurse, vor allem im Bereich Machine Learning. Außerdem werden dort ausführliche Chinesisch-Kurse für jedes Level angeboten. Vorbereitung Das erste, was man vermutlich tuen wird, ist, das Visum zu beantragen. Das ist ein relativ großer Aufwand. Man muss zuerst in Deutschland ein vorläufiges Visum beantragen, um dieses dann in China in das finale Visum umzuwandeln. In Shanghai war dieser Prozess zeitaufwändig, weil man zu insgesamt drei verschiedenen Orten nacheinander laufen muss und meistens jedes Mal Wartezeiten hat. Ich habe mich neben diversen Standardstoffen gegen Tollwut und jap. Enzephalitis impfen lassen. Für Impfungen sollte man auf jeden Fall mindestens 2 Monate vor Abflug einplanen. Man braucht nach fast jeder Spritze mindestens eine Woche Pause und so zieht sich das Ganze sehr hin. Außerdem extrem wichtig vor Abreise: VPN-Client holen! Facebook und vor allem alle Services von Google sind geblockt in China. Das VPN der TUM ist oft sehr langsam und manchmal nicht verfügbar. China tut außerdem ihr bestes um TOR zu blocken, sodass diese Alternative auch wegfällt. Ich kann empfehlen Freegate für Notfälle herunterzuladen (kostenlos) und sonst ist mein ernst gemeinter Ratschlag: Kauft euch ein VPN und informiert euch welche in China funktionieren (selbst VPN’s werden oft von China geblockt). ExpressVPN und Astrill laufen sehr gut und sind jeden Cent wert. Bei kostenlosen VPNs steht euch fast immer Frustration bevor. Diese Lehre ziehen die meisten Exchange-Studenten in den ersten Wochen. Mit einem Konto bei der DKB könnt ihr auf der ganzen Welt kostenlos Geld abheben. Das funktioniert super und ich empfehle es sehr. Dass ich schon vor dem Aufenthalt Chinesisch gelernt habe, ist sehr hilfreich gewesen. Ich empfehle jedem zumindest einen halbjährigen Sprachkurs zu machen. Ohne Chinesisch ist man in China oft sehr verloren. Selbst in Shanghai spricht der Großteil der Bevölkerung kein oder nur sehr schlecht Englisch. Die Sicherheitslage ist in Shanghai sehr gut. Selbst in der Nacht braucht man sich nirgendwo Sorgen machen. Vor einer Sache sollte man aber vor Abreise Bescheid wissen. Es gibt in den touristischen Gegenden viele Chinesen mit außergewöhnlich gutem Englisch, die einem auf einen Tee oder Kaffee einladen. Ich habe mittlerweile schon viele Ausländer getroffen, die darauf eingegangen sind und ich war froh über diesen Trick im Vorhinein gewarnt worden zu sein. Ein Kaffee/Tee mit einer fremden Chinesin oder einem Pärchen endet in den meisten Fällen mit einer extrem teuren Rechnung. Deshalb vor allem in touristischen Gebieten niemals mit fremden Chinesen Essen oder trinken gehen Lebenserhaltungskosten Für eine WG nahe des Stadtzentrums zahlt mit in der Regel 300 bis 450 Euro. Es ist normal, dass man bei Kurzeitverträgen dann auch einen Nachmieter für sein Zimmer selbstständig finden muss. Deswegen sollte man sich frühzeitig um einen Nachfolger kümmern oder den Verlust der Kaution (meist 400-800 Euro!) mit einplanen. Es ist unter dem Semester nicht einfach jemanden zu finden. Wenn man keinen großen Wert auf europäisches Essen legt, kommt man mit 2-3 Euro pro Mahlzeit aus. Das bedeutet etwa 200-300 Euro für Essen im Monat. Eine Wohnung finden Ich habe mir für die ersten 2 Wochen erst ein Hostel gesucht, um Zeit für die Wohnungssuche zu haben. Eine Wohnung zu finden ist im Normalfall kein Problem. Schaut auf Smartshanghai.com und kontaktiert die derzeitigen Mieter oder Agenten. Agenten werden euch mehrere Wohnungen zeigen können, wollen aber oft eine Provision, wenn man eines der Apartments mietet. Man sollte bei der Suche nicht zu lange zögern. Ich habe in den ersten drei Tagen zwei tolle Apartments besichtigt, aber nicht zugeschlagen, weil ich vorher noch andere anschauen wollte. Beide waren dann innerhalb von einem halben Tag schon vermietet. Das heißt: Wenn ihr eine günstige und schöne Wohnung gefunden habt, schlagt am besten am gleichen Tag noch zu. Man sollte seine Ansprüche nicht allzu zu hoch schrauben. Es kommt zum Beispiel öfter mal vor, dass das Internet sehr langsam ist oder die Wände zum Nachbarn extrem dünn. Also aufpassen und bevor ihr ein Zimmer mietet alles extrem gut prüfen bei der Besichtigung. Oft wird euch gerne mal das ein oder andere Detail vorenthalten. Meine Checkliste, als ich zum zweiten Mal eine Wohnung gesucht habe: Internet-Geschwindigkeit (es gibt Apps, um das auf dem Handy direkt vor Ort zu testen) Wanddicke (einfach mal klopfen :D) Lautstärke (ich war schon sehr tolerant, aber in manchen Gegenden hört man wirklich alle 2 Sekunden jemanden hupen) AirBNB ist auch eine Möglichkeit, aber meist etwas teurer. Ich habe meine zweite Wohnung bei AirBNB gefunden, aber auf normalem Weg ohne AirBNB gemietet. Das spart einem die Vermittlungsgebühren und ich musste trotzdem keinen Nachfolger finden. Das Leben vor Ort Shanghai ist so riesig, dass es immer etwas zu tun gibt. Die Parks, die es überall in der Stadt gibt, sind immer voll von Leuten. Die Leute singen, tanzen oder treiben Sport dort. Andere stehen im Kreis und diskutieren den ganzen Nachmittag über Politik. Es ist eine tolle Erfahrung. Ich bin außerdem regelmäßig Klettern und Volleyball spielen gegangen. Dafür und für jedes andere Hobby ist „Meetup.com“ sehr gut. Dort könnte ihr Gruppen für jede beliebige Sportart oder auch für andere Interessen finden. In China gibt es außerdem, wie wohl jeder weiß mittlerweile, kein Facebook. Deshalb ladet euch Wechat runter. Das ist eine Art Mischung aus Whatsapp und Facebook. An dieser App kommt ihr kaum vorbei, wenn ihr mit Chinesen oder auch den Ausländern in Kontakt bleiben wollt. Das Nachtleben muss in Shanghai natürlich zur Sprache kommen. Es gibt unzählige Bars und Clubs. Es macht einfach nur Spaß in dieser Stadt abends wegzugehen. In Clubs gibt es meist Freigetränke für Ausländer und es gibt viele gute billige Bars. Ich empfehle Perrys und Windows als Bars. Beide sind sehr beliebt, voll von jungen Leuten und günstig. Wenn ihr mit vielen Chinesen in Kontakt treten wollt, ist die SICA Gruppe der SJTU sehr hilfreich. Das ist eine Gruppe von ca. 40 Chinesen. Sie helfen euch dabei, in den ersten Wochen in China zurecht zu kommen. Die Gruppe organisiert auch ab und zu Partys und die Chinesen freuen sich mit Austauschstudenten herum zu hängen. Studieren Der Campus der Jiao Tong in Minhang ist gewaltig. Man sollte sich sich am besten ein Fahrrad kaufen(ca. 30 Euro), um dort herumzufahren. Es gibt zwar auch Busse, aber für eine halbes Jahr lohnt sich ein Fahrrad. Im Campus gibt es sechs Mensas, viele Supermärkte und Cafés. Alles ist sehr günstig. Es gab ein breites Angebot an englischen Kursen sowohl aus der BWL als auch der Informatik. Ich habe die Kurse „Internet-based Information Extraction Technologies“, „Computer Graphics“, „Processing Massive Datasets“ und „Database Technologies“ belegt. Besonders „Internet-based Information Extraction Technologies“ hat mir sehr gut gefallen, da es ein praktisches Projekt am Ende gab. Außerdem habe ich an einem Chinesisch Kurs teilgenommen (8h/Woche). Dieser war wirklich sehr gut und ich war sehr froh die Chance zu haben diesen zu belegen. Was mir auch sehr geholfen hat, war ein Language Partner, um Chinesisch zu sprechen. Mit diesem habe ich immer eine Weile Deutsch/Englisch geredet und danach Chinesisch. Ich hatte insgesamt vier Partner über das Jahr verteilt und es hat sehr viel geholfen. Viele Studenten auf dem Campus lernen Deutsch oder wollen ihr Englisch verbessern. Deshalb ist es in der Regel kein Problem jemanden zu finden. Am besten ihr fragt jemanden aus der oben beschrieben SICA Gruppe oder ihr schreibt mir eine E-Mail. Ich habe noch einige Kontakte für Language-Partner, die ich euch gerne weitergebe. Mein Fazit nach einem Jahr: Besonders mein Chinesisch konnte ich um einiges verbessern. Die Kurse an der SJTU waren außerdem oft praxisnah und mit Projekten verknüpft. Dadurch konnte ich sehr viel lernen. Des Weiteren konnte ich erste Erfahrungen machen, wie es ist mit Chinesen zusammen zu arbeiten. Viele sind erst etwas schüchtern, aber bringen viel fachliches Know-How mit. Reisen in China Ich hatte in den Ferien Zeit zum Reisen. Es war eine unglaublich tolle Erfahrung. China hat neben riesigen Städten auch extrem schöne Naturszenerien. Am besten gefiel mir Yunnan, eine Provinz im Süden. Ich bin dort im Winter gewesen, weshalb es zwar kalt war aber kaum Touristen gab. Ich bin nach Lijiang geflogen, dann weiter in die Tigerleaping Gorge und am Ende nach Shangrila. Es war eine der besten Reisen meines Lebens. Wir sind 8 Stunden durch die Tiger Leaping Gorge gelaufen und haben dann auf dem Berg in einem Hostel geschlafen. An Peking kann ich vor allem die nahe gelegene große Mauer empfehlen. Ich habe einen etwas unbekannteren Teil der Mauer besucht namens Jinshanling und eine Nacht dort in einem kleinen Hostel geschlafen. Es waren kaum Leute dort und die Kulisse war unglaublich schön. Da ich schon früher einmal an einem der touristischen Punkte war, empfehle ich diesen Ort sehr. Ihr kommt dort mit einem Bus hin. Ansonsten zu empfehlen: Yangshuo und Huangshan. Mein Fazit Es war einfach eine absolut unvergessliche Erfahrung. Wenn man nach China kommt, muss man sich auf eine komplett andere Welt einlassen. Wenn ihr das tut, werdet ihr belohnt. China hat mich sehr viel offener für andere Kulturen gemacht und mich persönlich viel voran gebracht. Es war eine unvergessliche Zeit.
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