Ein Königreich für Tomaten

F R A N K R E I C H
LO U I S A L B E RT
DE BROGLIE
Macht, Reichtum, eine
Karriere als Banker:
All das hatte seine
Familie für ihn
vorgesehen. Aber der
eigenwillige Prinz
besorgte sich lieber ein
kleines Schloss, um
Tomaten zu züchten.
Die Herzogskrone im
Familienwappen hat er
inzwischen durch
einen Strohhut ersetzt
Entschleunigung ist
immer auch eine
Frage der Umgebung:
Das Schloss samt
Garten. Rechts: Der
Prinz mit eingeweckten
Tomaten aus eigener
Produktion
Ein Königreich
für Tomaten
Im Château de la Bourdaisière an der Loire kümmert sich ein Prinz
um Gäste und Gemüse V O N M I C H A E L S T Ü H R E N B E R G
22 D I E
Z E I T
R E I S E N 2 3
25 rue de La Bourdaisière,
Montlouis-sur-Loire,
Frankreich,
Tel. 0033-2/47 45 16 31,
www.labourdaisiere.com.
DZ ab 146 Euro
C H ÂT E AU DE L A
BOU R DA ISI È R E
Paris
Lo
ir e
Atlantik
Frankreich
Spanien
200 km
24 D I E
Z E I T
Mittelmeer
U
nd wieso ausgerechnet Tomaten? Jetzt
wirft sich die prinzliche Stirn in Falten,
das anfängliche Plätschern seiner Worte
gerät zum Strom, ähnlich der Loire im
Winter: »Weil keine andere Frucht dermaßen an der Geschmacklosigkeit der
Neuzeit leidet. Das Zeug aus den Supermärkten kommt nicht einmal mehr mit
der Erde in Berührung. Es ist ein Erzeug-
nis der Agroindustrie: wässrig und fade.«
Deshalb schuf er hier im Herzen seines
kleinen Paradieses das Conservatoire de la
Tomate. »Auf dass die echten Tomaten
der Nachwelt erhalten bleiben!«
Das Paradies, umgeben von einer
hohen Bruchsteinmauer, begnügt sich mit
einem Hektar Land. Doch mehr bedarf
es auch gar nicht, um das Potenzial göttlicher Schöpfung vorzuführen: 76 Sorten
Obst, dazu zahllose Gemüsesorten, allein
27 Arten von Basilikum! Und natürlich
Blumen, was wäre ein Schlossgarten ohne
Blumen! Darunter Dahlien, 183 verschiedene Arten. Der Prinz liebt Dahlien!
Die vormittägliche Julisonne brennt
nun schon ziemlich heiß. Auf hellen
Wegen zwischen üppigen Beeten ist eine
Gruppe Japaner unterwegs. Freunde des
Prinzen. Gestern waren sie gemeinsam auf
der Pariser Tagung, danach hat de Broglie
sie in sein Schloss eingeladen.
Ich trotte einfach hinterher. Außer uns
ist hier um diese Zeit niemand unterwegs.
Bis auf einen jungen Mann, der eine
Schubkarre vor sich herschiebt: gebräuntes Gesicht im Schatten eines Strohhuts,
fruchtbare Erde unter den Fingernägeln
und so entspannte Züge, wie ich sie auf
Pariser Straßen selten sehe. Der Gärtner.
Zwischen eng aneinander stehenden
Tomatenstöcken suchen wir uns unseren
Weg. Einige Früchte hängen schon wie
dicke Christbaumkugeln an den Zweigen.
Nicht nur rote sind dabei, sondern auch
beige-, aubergine-, orangefarbene. An
den Stöcken baumeln Schildchen: Zebra
green, Cœur de Boeuf, Blanche du Canada, Noire de Crimée, Verna Orange,
Brandywine, Purple Calabash ... Wie ge-
sagt, 658 verschiedene Sorten! Tomates
anciennes, »Tomaten von früher«, nennen
die Franzosen sie.
Im Schneckentempo erreichen wir die
»Tomatenbar« am Rande des fürstlichen
Konservatoriums: ein langer Holztisch,
darum herum grobe Holzbänke, eine
kleine Küche. Der Tomatenprinz bezieht
Stellung hinter der Bar, füttert einen Elektromixer mit Tomaten verschiedenster
Couleur. »Als Entree«, verkündet er mit
einer feierlichen Verneigung, »Gazpacho
aus sechs Tomatensorten. Mit einem
Schuss Sellerie!« Wir stellen uns brav an,
ein jeder geduldig wartend, bis ihm die
erlauchte Hand ein Glas, gefüllt mit einem dicken gelblichen Nektar, über den
Tresen reicht. »Nach dem Gazpacho des
Prinzen servieren wir heute eine TomatenMangold-Zwiebel-Quiche«, klärt mich
die Bedienung auf, nachdem sie meine
Frage nach einer Speisekarte mit einem
kurzen Kopfschütteln beschied. Ein festes
Menü. »Als Dessert«, das Mädchen lächelt, »unser sorbet maison: Tomateneis
mit Basilikum!«
»Ochi!«, kommentieren die Japaner
jeden Happen. »Ochi! Ochi!« »Das heißt
lecker«, verrät mir der Prinz mit einer
Miene, als wäre er fließend in Japanisch.
Ich glaube, es wird Zeit für ein Mittagsschläfchen unter meiner roten Bettdecke
in meinem roten Zimmer. Werde ich
etwas träumen? Von der liebestollen Vergangenheit dort, von samenfesten Tomatensorten? Als ich aus einiger Entfernung
noch einmal zurückblicke, hängen die
entzückten Ausrufe der Japaner weiter
wie unsichtbare Sprechblasen über der
Tomatenbar.
HURTIGRUTEN 25 % sparen, bis 31.10.15
34 HÄFEN, ÜBER 100 FJORDE
Entdecken Sie die ganze Welt der Fjorde
Norwegens. Die klassische Postschiffroute von
Bergen nach Kirkenes und zurück wird häufig als die
»schönste Seereise der Welt« bezeichnet. Aber was
macht die Besonderheit der sogenannten Hurtigrute
aus? Erleben Sie es selbst. Denn eine Seereise mit
Hurtigruten ist außergewöhnlich. Sie ist keine
Kreuzfahrt, sondern das authentische Erleben der
norwegischen Natur und Kultur.
25 % SPAREN! BIS 31.10.2015
Buchen Sie jetzt gleich Ihre Wunschkabine und
sparen Sie mit der Frühbucher-Ermäßigung von
Hurtigruten 25 %. Das Kontingent ist limitiert!
12 Tage ab 1 240 Euro pro Person
Eine Seereise mit Hurtigruten ist die
schönste Art, Norwegen zu entdecken.
Genießen Sie die fantastische Aussicht
auf die beeindruckende Landschaft mit
imposanten Bergen und malerischen
Fjorden. Der Moment ist jetzt!
Foto: Angelika Neuhauser
C H ÂT E AU D E L A
B O U R DA I S I È R E
der Verwandtschaft gibt es viele Wissenschaftler und Banker – sein Leben lieber
den Tomaten widmet als dem Spiel um
Macht und Reichtum?
Monsieur de Broglie erzählt. Davon,
wie er nach dem frühen Tode des Vaters
unter die Fittiche seines älteren Bruders
geriet. Wie ihm dieser eine Ausbildung
im Bankwesen verpasste. Wie sie vor 23
Jahren gemeinsam dieses Schloss kauften,
um es in ein Luxushotel umzugestalten.
Ja, und dann kam alles ganz anders als
vom großen Bruder geplant. Der Prinz
lächelt. »Ich fand heraus, dass tief in mir
kein Banker steckt, sondern ein Gärtner.«
Foto: Erika Tiren
Zimmermädchen auf
einem der Hotelflure,
grüne Tomaten
im »Konservatorium«
bringen«, beschließt der Maître d’hôtel.
»Die von Ihnen gewünschten Konfitüren
können Sie bei der Bedienung bestellen.«
Ja, das schaffe ich schon. Was meine
Aufmerksamkeit jedoch fürs Erste beansprucht, ist diese Hotelhalle. Drehe ich
den Kopf zur Rechten, begegnen meine
Augen dem stumpfen Blick eines ausgestopften Wildschweins. Die Wand in
meinem Rücken ist bedeckt von einem
Gemälde: Eine splitternackte Frau steht
da in Pose und lässt sich von einem sitzenden Prinzen begutachten; im Hintergrund gafft eine Horde Höflinge.
Besteht etwa eine besondere Beziehung zwischen diesem Gemälde und dem
Schlossherrn? Da betritt Louis Albert de
Broglie auch schon mein Blickfeld, und
zwar in voller Pracht: cremefarbene
Weste, lachsrosa Hose, himmelblaue
adidas-Schuhe! Er setzt sich zu mir, lässt
sich einen Caffè Latte kommen. Eigentlich, behauptet der Prinz, sei er ein ganz
normaler Mensch mit ausgewogenem
Familienleben und einer Leidenschaft für
Landwirtschaft. Ich gebe zu, sein Ruf ist
nicht der eines verrückten Kaspers. In
Frankreich gilt de Broglie als ein seriöser
Bio-Aktivist, der nicht nur theoretisiert,
sondern im eigenen Schlossgarten auch
vorführt, wie professioneller Gemüseund Obstanbau in »Permakultur« funktionieren kann. Gestern hat er zudem an
einer Tagung zur Vorbereitung der für
Dezember anstehenden UN-Klimakonferenz in Paris teilgenommen.
Dennoch: Wie soll man problemlos
nachvollziehen, dass dieser Spross eines
in Frankreich sehr bekannten Adelsgeschlechts – der Vater war Minister, in
Fotos (S. 24 - 26): Stephanie Füssenich für DIE ZEIT
I
ch öffne die Augen und sehe Rot! Buchstäblich. Vier Meter über meinem Kopf wölbt
sich ein blutroter Baldachin. Schreiend rot
auch meine Bettdecke, mein Kissen, sogar
der Teppichboden, der sich von meinem
Schlaflager bis zu einem höhlengroßen Kamin streckt. An der Wand ein Porträt von
François Ier, dem ersten König der französischen Renaissance, frühes 16. Jahrhundert. In dieser Stille lichtet sich allmählich
der Katernebel in meinem Kopf: Ich befinde mich im Château de la Bourdaisière,
einem Schlosshotel an der Loire. »In Ihrem
Zimmer«, hatte beim Abendessen der
hiesige Schlossherr behauptet, »liebten
sich vor etwas mehr als 400 Jahren Frankreichs König Henri IV und seine Maitresse
Gabrielle d’Estrée.«
Wir tranken den schweren Bordeaux zu
zweit. Der Schlossherr heißt Prinz Louis
Albert de Broglie. Eigentlich wollte ich mit
ihm über Tomaten reden. Der Prinz ist ein
Mann von Renommee. Viele in seinem
Land nennen ihn le prince tomate, in stolzer Anerkennung. Denn de Broglie hält
einen Weltrekord: Sein »Tomaten-Konservatorium« enthält 658 samenfeste Sorten.
Tomaten also, die nicht durch Labor-Kreuzung entstanden sind. Tomaten, aus deren
Samen wieder dieselbe Sorte wächst.
All das wollte ich bei Tisch zum Thema
machen. Aber dann floss der Wein, und das
Gespräch landete bei Königen und Maitressen und meinem roten Laken. Auch François Ier habe seine offizielle Geliebte in
diesem Schloss untergebracht, erzählte der
Prinz. Diese Marie Gaudin galt als die
schönste Frau ihrer Zeit. Ihrem Gemahl
schenkte sie fünf Kinder, ihrem Herrscher
unzählige Nächte. »Und auf einer Reise
nach Rom hat der König seine Maitresse
sogar Papst Leon X für eine Nacht ausgeliehen!« Mon Dieu, cherchez la femme!
Zeit zum Aufstehen. Ich schaffe es vom
Bett zum Fenster, öffne weit die beiden
Flügel. La Bourdaisière hält alle Versprechen
auf Ruhe, die man von einem solchen
Anwesen mit eigenem Wald erwarten kann.
In sommerlicher Frühe beschränkt sich die
Geräuschkulisse auf fernes Gurren mehrerer
Turteltauben. Und auf das Brummen einer
vorüberfliegenden Hummel. Bestimmt ist
sie auf dem Weg zu den Lavendelbüschen
am Rand der Tomatenfelder.
Das Château des Tomatenprinzen, spürt
der Gast spätestens beim Frühstück, ist in
erster Linie ein Ort der persönlichen Entschleunigung. Wovor? Wozu? Das muss
jeder für sich selbst bestimmen. Von meinem roten Zimmer im ersten Stock gelange
ich mithilfe eines uralt anmutenden Aufzugs – gab es in der Renaissance Aufzüge?
– sehr gemächlich ins Parterre.
Dort, klärt mich ein sehr disponibel
wirkender Maître d’hôtel im Tonfall extremer Ungehetztheit auf, stehe ich nun vor
der Wahl. »Sie können im Restaurant frühstücken und sich da am Büfett selbst bedienen.« Das muss wohl die Präferenz von
Besuchern mit vollem Tagesprogramm sein.
»Oder Sie wählen Ihr Tischchen hier und
lassen sich von uns bedienen.« Er führt mich
vom Foyer in ein kleines Seitenzimmer mit
Ausblick auf den Park. Auch dort zwingt
alles, was ich sehe, nur zu noch mehr Gelassenheit: weitläufige Rasenflächen, gespickt mit gestutzten Zierbüschen in
Le-Nôtre-Manier, dahinter die dunklen
Umrisse von ein paar Sequoia-Riesen vor
dem noch zartblauen Morgenhimmel.
Ich entscheide mich für die Frühstücksoption Nummer drei: mich einfach niederlassen, wo es mir in ebendiesem Moment
zusagt, auf einem Sofa im Foyer. »Ich lasse
Ihnen schon einmal Kaffee und Croissants
NEUES SCHIFF – MS SPITSBERGEN
»MS Spitsbergen« bietet die fantastische Gelegenheit,
ab Mai 2016 auf die außergewöhnlichste aller Postschiffreisen zu gehen. Neben einem komfortablen
modernen Design erwarten Sie ein neuer Reiseverlauf,
mehr Fjorde und ein erfahrenes Expeditionsteam
an Bord.
GEHÖREN SIE ZU DEN PREMIERENGÄSTEN
Sichern Sie sich gleich Ihre Kabine. Bei Buchung bis
31.10.2015 sparen Sie mit der Frühbucher-Ermäßigung
von Hurtigruten 25 %. Das Kontingent ist limitiert.
Reisetermine ab Mai 2016
JETZT IM REISEBÜRO ODER UNTER
www.HURTIGRUTEN.DE | TEL. (040) 874 08681
Hurtigruten GmbH | Große Bleichen 23 | 20354 Hamburg