S t ü rm en u n d Vo n P i r ate n, rm änn e rn te au ab l K Herausgegeben von Nikolaus Hansen Mit Bildern von Reinhard Kleist Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil 1 DIE ERSTE FAHRT – VON KAPITÄNSSÖHNEN, SCHIFFSJUNGEN UND EINEM FÄHNRICH ZUR SEE Otto Ernst: Nis Randers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jack London: Der verlorene Schoner . . . . . . . . . . . Hans Leip: Atjes erste große Fahrt . . . . . . . . . . . . . Cecil Scott Forester: Fähnrich z. S. Hornblower . . . Joseph Conrad: Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lew Tolstoi: Der Sprung. Eine wahre Geschichte . . Teil 2 AUF GROSSER FAHRT – ENTDECKER, PIRATEN, MEUTERER Joachim Ringelnatz: Störtebekerlied . . . . . . . . . . . . Leopold Knorbelsberger: Strandräuber . . . . . . . . . . William Bligh: Logbuch der »Bounty« . . . . . . . . . . . Konrad Reich: Meuterei auf der »Eintracht« . . . . . . Thor Heyerdahl: Mit der »Kon-Tiki« über den Stillen Ozean . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil 3 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . SOS – STURM UND SCHIFFBRUCH Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen- und Rechtenachweise . . . . . . . . . . . . . . . . Theodor Fontane: John Maynard . . . . . . . . . . . . . . Johan Bojer: Nacht des Schreckens . . . . . . . . . . . . . Heinrich Hauser: Der Wirbelsturm . . . . . . . . . . . . Manfred Hausmann: Angst, was ist Angst? . . . . . . . Richard Hughes: Hurrikan im Karibischen Meer . . Gabriel García Márquez: Der achte und neunte Tag allein auf dem Meer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Traven: Angemustert für große Fahrt . . . . . . . . . Daniel Defoe: Robinson Crusoe . . . . . . . . . . . . . . . Teil 4 GEISTERFAHRT – KLABAUTERMÄNNER UND ANDERER ABERGLAUBE Christian Morgenstern: Klabautermann . . . . . . . . . Edgar Allan Poe: Im Strudel des Malstroms . . . . . . Wilhelm Hauff: Die Geschichte von dem Gespensterschiff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . John William Nylander: Thompsons Klopfen . . . . W. H. Hodgson: Stimme in der Nacht . . . . . . . . . . . Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn; Drei Jahre verschollen ist Uwe schon, Mein Uwe, mein Uwe!« Otto Ernst NIS RANDERS Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach! Er weist nach dem Wrack und spricht gemach: »Und seine Mutter?« Nun springt er ins Boot, und mit ihm noch sechs: Hohes, hartes Friesengewächs; Schon sausen die Ruder. Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz! Nun muß es zerschmettern …! Nein: es blieb ganz! … Wie lange? Wie lange? Krachen und Heulen und berstende Nacht, Dunkel und Flammen in rasender Jagd – Ein Schrei durch die Brandung! Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer Die menschenfressenden Rosse daher; Sie schnauben und schäumen. Und brennt der Himmel, so sieht man’s gut: Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut; Gleich holt sich’s der Abgrund. Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt! Eins auf den Nacken des andern springt Mit stampfenden Hufen! Nis Randers lugt – und ohne Hast Spricht er: »Da hängt noch ein Mann im Mast; Wir müssen ihn holen.« Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt! Was da? – Ein Boot, das landwärts hält – Sie sind es! Sie kommen! – – Da faßt ihn die Mutter: »Du steigst mir nicht ein: Dich will ich behalten, du bliebst mir allein, Ich will’s, deine Mutter! Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt … Still – ruft da nicht einer? – Er schreit’s durch die Hand: »Sagt Mutter, ’s ist Uwe!« – 12 – – 13 – »Aber die hören sich eure Erklärungen überhaupt nicht an. Ihr seid in ihren Gewässern, und damit basta. Sie nehmen euch fest und ab geht’s nach Sibirien, in die Salzbergwerke. Und was soll Uncle Sam dagegen tun? Er erfährt es ja gar nicht. Euer wahres Schicksal wird niemals in den Staaten bekannt. ›Die Mary Thomas‹, wird in den Zeitungen stehen, ›die Mary Thomas ging mit Mann und Maus unter. Vermutlich geriet sie in der Japanischen See in einen Taifun.‹ Das steht dann in den Zeitungen und die Leute glauben es auch. Und mit euch geht’s indessen ab, nach Sibirien, in die Salzbergwerke. Und wenn ihr noch fünfzig Jahre am Leben bleibt – für die Welt, für Frau, Freunde und Verwandte seid ihr tot.« So sprach John Lewis, auf See allgemein als der »Rechtsgelehrte« bekannt. Damit stellte er die Lage klar. Die Stimmung im Mannschaftslogis der Mary Thomas war ernst. Kaum hatte die Freiwache unten angefangen, die schlimme Lage zu besprechen, da kam auch schon die Wache von Deck herunter und gesellte sich dazu. Bei der völligen Flaute wurde sowieso oben kein Mann gebraucht. Höchstens der Rudergänger. Aber auch der blieb nur aus Pflichtgefühl an Deck. Sogar »Boy« Russell, der Kabinenjunge, hatte sich vor den Mast gestohlen, um zu hören, was los war. Die Lage war wirklich ernst. Nicht umsonst wirkten die Gesichter der Matrosen düster. Die Mary Thomas war ein Robbenfänger, ein Schoner. Seit drei Monaten jagte sie vor der Küste von Japan und nördlich bis zum Beringmeer. Hier auf der asiatischen Seite des Meeres mussten sie die Jagd abbrechen oder durften jedenfalls nicht weitersegeln. Denn hier begann das Robbenschutzgebiet und russische Kreuzer fuhren ständig Patrouille. Vor dieser Grenze hatte die Mary Thomas den Nachzüglern unter den Robben, die hinter der Herde herzottelten, aufgelauert. Aber vor einer Woche geriet sie in schweren Nebel, verbunden mit völliger Flaute. Seitdem hatte sich die Nebelbank nicht gelichtet. Was den Wind anging, so hatte es nur selten eine kaum spürbare Brise gegeben. Das war an sich nicht weiter schlimm, denn Robbenfänger haben es, solange Robben in der Nähe sind, nie eilig. Das Unangenehme war nur, dass die Strömung an dieser Stelle eindeutig nach Norden lief. So wurde die Mary Thomas unfreiwillig über die erlaubte Fanggrenze getrieben. Und mit jeder Stunde trieb sie – 14 – – 15 – Jack London DER VERLORENE SCHONER unweigerlich tiefer und tiefer in die verbotenen Gewässer, wo der russische Bär Wache hielt. Wie weit sie schon hineingetrieben war, konnte niemand sagen. Seit einer Woche hatte man weder Sonne noch Sterne gesehen. So war der Kapitän nicht in der Lage, den Standort zu bestimmen. Jeden Augenblick konnte ein russischer Kreuzer auftauchen und die Besatzung nach Sibirien verschleppen. Den Männern auf der Mary Thomas war das Schicksal anderer gekaperter Robbenfänger in verbotenen Gewässern nur zu gut bekannt. Kein Wunder, dass allen das Lachen verging. »Meine lieben Freunde«, wandte sich ein deutscher Bootsführer an die Männer. »Das nenne ich ein schlechtes Geschäft! Gerade machen wir guten Fang. Und alles ganz nach dem Gesetz. Da geht was schief und die Russen packen uns am Kragen. Sie kassieren unsere Robbenfelle samt dem Schoner. Und uns schicken sie mit den Anarchisten nach Sibirien. Ach, das nenne ich ein wirklich schlechtes Geschäft!« »Ja, das tut weh«, führte der Rechtsgelehrte den Gedanken fort. »Da haben wir fünfzehnhundert Felle ehrlich gefangen und sicher im Laderaum verstaut und sehen schon den großen Zahltag für jeden Einzelnen von uns in greifbarer Nähe – und dann werden wir gekapert und verlieren alles! Ja, wenn wir wirklich in verbotenen Gewässern gejagt hätten! Aber bei uns ist alles ehrlich und ordentlich zugegangen.« »Wenn wir nichts verbrochen haben, dann können sie uns doch nichts tun, nicht wahr?«, fragte Boy. »Ein Lausejunge wie du«, protestierte ein englischer Matrose aus seiner Koje, »sollte den Mund halten, wenn sich Erwachsene unterhalten – meine ich!« »Da bist du im Irrtum, Jack«, widersprach der Rechtsgelehrte. »Er kann hier durchaus mitsprechen. Verliert er im schlimmsten Fall seinen Lohn nicht genauso wie jeder Einzelne von uns?« »Ach, seine drei Pennys!«, schnaubte Jack geringschätzig. Er hatte für die Zeit nach der Auszahlung Pläne gemacht. Er wollte heim und seine Familie in Chelsea besuchen. Und nun würde er höchstwahrscheinlich nicht nur das Geld einbüßen, sondern obendrein noch seine Freiheit. Das konnte einen Mann schon erbittern. Der Rechtsgelehrte beantwortete inzwischen Boys Frage. »Woran sollen sie denn erkennen, dass wir nichts verbrochen haben? Hier sind wir im Robbenschutzgebiet. Da nehmen sie natürlich an, wir seien absichtlich hierhergekommen. Woher sollen sie denn wissen, ob wir unsere fünfzehnhundert Felle diesseits oder jenseits der Grenze gejagt haben? Sieh mal, Boy, die Indizien deuten alle auf unsere Schuld hin. Nimm mal an, du ertappst einen Mann, der die Taschen voll von Äpfeln hat, und zwar genau dieselbe Sorte, wie sie in deinem Garten wächst. Und zufälligerweise ertappst du ihn obendrein gerade in dem Augenblick, wo er auf deinem Baum sitzt. Was würdest du denken, wenn er dir sagt, er könne nichts dafür, er sei zufällig auf den Baum verschlagen worden, und außerdem stammten die Äpfel in seinen Taschen von einem ganz anderen Baum – was würdest du davon halten?« – 16 – – 17 –
© Copyright 2025 ExpyDoc