Unbearbeiteter Text Eine merkwürdige Konstruktion, das Gehirn. Ganz im Dunkeln bilden sich Gedanken, die nur aus elektrischen Impulsen entstehen ohne Entstehungsort und rasen durch das, was wir Körper nennen, durch endlos erscheinende Gänge mit roter Flüssigkeit, hindurch durch Knochen und Fleisch, sie nagen sich in die Organe, hängen sich an die Blutplättchen, schwimmen im Wasser des Lebens, fliegen in Luftblasen umher, unsichtbar, durchsichtig, nur Energie. Alles wird durch Energie bestimmt in uns, dieses Ding aus Gängen und Windungen, aus schwabbeligem glitschigem Fleisch, mit Adern, die pulsieren im Rhythmus des Herzens, dieses Ding kontrolliert uns, kontrolliert den Körper, die Emotionen, alles, was emotional ist, ist Gehirn und wer kontrolliert das? Wer kontrolliert die Energie, die mit Lichtgeschwindigkeit aus Hormonen hinausschießt, aus Zellen herausexplodiert, wer kontrolliert das, was sich als Emotionscocktail da oben zusammenbraut und in den ganzen Körper, in mein ganzes Sein ausläuft, sich wie Säure durch meine Zellen frisst und alles als ein Schlachtfeld aus Chaos zurücklässt? Wer kontrolliert diese winzigen, stechenden Schmerze, Stromschläge aus Angst und Zweifel,? Warum macht es denn nicht einfach Schluss mit sich selbst das System? Es hat Spaß daran, sich selbst zu foltern, sich selbst zu stechen und zu schmerzen, um dann das Opfer zu spielen, zu sagen, ich wars nicht, zu sagen, es kommt von außen, alle Freude aus den Menschen auszusaugen, Geschichten zu spinnen aus Seide, die die freudigen Seelen der anderen Menschen einwickelt und fesselt, die den Tanz unterbricht, um dann neben den sterbenden Lachen zu sitzen und zu weinen, darüber, was man den schönen Geschichten angetan hat, darüber, dass man Schuld ist an der ganzen Misere, am Tod der Freude, darüber dass ich selbst mit meinen Emotionen das Schlachtfeld heraufbeschwor, was ich nie wollte. BearbeiteterText DAS Ein Mini- Drama von Anna- Charlotte Lörzer Ein dunkler Kellerraum. An die feuchte Wand ist ein Video geworfen. Eine endlose Szene ohne Geräusch. Zu sehen ist ein Mann: Hochwasserjeans, orange- blaue Sneakers, beiges Jackett und leuchtend bunter Schal. Er raucht, schließt aber dabei den Mund nicht, so dass ein schwarzes Loch den Rauch zu absorbieren scheint. Er wippt unruhig auf den Fußballen auf und ab. Hektisch. Er trägt eine Mütze, die aber seine Ohren und die Hälfte seines Glatzkopfes nicht verdeckt. Er wartet und schaut ins Nichts. Von der Decke hängen zwei Schauspieler ganz in Schwarz und Kopf über. Sie haben Taschenlampen, mit denen sie in unregelmäßigen Abständen in den Raum leuchten. Die Wände sind feucht und moosig. A und B sind zwei weitere Schauspieler, die aber nur durch ihre Stimmen präsent sind und durch ein Surround- System durch den Raum zu schweben scheinen, immer von den Wänden abgestoßen. A langsam von einer Seite auf die Andere. B schnell. A: (näselnd hohe Stimme, leiernd)Eine merkwürdige Konstruktion B: ( überdeutlich flüsternd) Ganz im Dunkeln bilden sich Gedanken, die nur aus elektrischen Impulsen entstehen ohne Entstehungsort und rasen durch das, was wir Körper nennen, durch endlos erscheinende Gänge mit roter Flüssigkeit, hindurch durch Knochen und Fleisch, sie nagen sich in die Organe, hängen sich an die Blutplättchen, schwimmen im Wasser des Lebens, fliegen in Luftblasen umher, unsichtbar, durchsichtig, nur Energie. A: (näselnd hohe Stimme, leiernd) Alles wird durch Energie bestimmt B: (überdeutlich flüsternd) Dieses Ding aus Gängen und Windungen, aus schwabbeligem glitschigem Fleisch, mit Adern, die pulsieren im Rhythmus des Herzens, dieses Ding kontrolliert uns, kontrolliert den Körper, die Emotionen, alles, was emotional ist, ist Gehirn. A und B: (Jeder in seiner Stimmlage) und wer kontrolliert das? B: ( wie vorher) Wer kontrolliert die Energie, die mit Lichtgeschwindigkeit aus Hormonen hinausschießt, aus Zellen herausexplodiert, wer kontrolliert das, was sich als Emotionscocktail da oben zusammenbraut und in den ganzen Körper, in mein ganzes Sein ausläuft, sich wie Säure durch meine Zellen frisst und alles als ein Schlachtfeld aus Chaos zurücklässt? Wer kontrolliert diese winzigen, stechenden Schmerze, Stromschläge aus Angst und Zweifel? Warum macht es denn nicht einfach Schluss mit sich selbst das System? Es hat Spaß daran, sich selbst zu foltern, sich selbst zu stechen und zu schmerzen, um dann das Opfer zu spielen, zu sagen, ich wars nicht, zu sagen, es kommt von außen, alle Freude aus den Menschen auszusaugen, Geschichten zu spinnen aus Seide, die die freudigen Seelen der anderen Menschen einwickeln und fesseln, die den Tanz unterbrechen, um dann neben den sterbenden Lachen zu sitzen und zu weinen, darüber, was man den schönen Geschichten angetan hat, darüber, dass man Schuld ist an der ganzen Misere, am Tod der Freude, darüber dass ich selbst mit meinen Emotionen das Schlachtfeld heraufbeschworrrrrrrrrr... A: (näselnd hohe Stimme, nachdenklich) Ich wollte das nicht. Geräusch umfallender Blechtonnen, Bild verschwindet. Stille. Erläuterungen: Der Originaltext ist in Form eines Drei- Minuten- Fragmentes entstanden. Das heißt, ich habe mich drei Minuten hingesetzt und frei geschrieben. Danach habe ich den Text bearbeitet und ein Minidrama aus diesem und meinen Assoziationen gebildet. Das Minidrama hat eine besondere Stellung in der Geschichte des Dramas im 20. Jahrhundert. Auf der Suche nach neuen Dramaturgieformen entstanden in dieser Zeit zahlreiche kurze und sehr kurze Stücke. Es handelt sich um Texte, die selten länger und oft kürzer als 15 Minuten sind. Manche enthalten eine kurze szenische Handlung, andere gar keinen Text und nur Handlungen, andere nur einen Satz. DAS kann genutzt werden, um Räume, die sonst nicht für Theater genutzt werden, durch Sound und Licht zu erforschen. Wie ist es, in einem feuchten Kellerraum zu spielen, wie gestaltet sich die Installation von Technik und Sicherheitsseilen für die Darsteller? Die Atmosphäre des Kellers und der Anordnung von Bestandteilen des Minidramas unterstützen hierbei das Beklemmende, was auch im Thema des Textes liegt. Was kontrolliert denn die Gedanken, die in uns entstehen und uns manchmal so aus der Bahn werfen, dass wir uns selbst nicht mehr fassen können? Es ist schon erschreckend, wie wenig Kontrolle wir in manchen Situationen dann doch über das haben, was wir denken, sagen, fühlen und tun. Deswegen sollen die Elemente des Minidramas auch scheinbar nicht zusammenpassen, außer in diesem Gefühl der Unsicherheit.
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