Mixed-Message Methode 1 Starke und schwache Argumente als Teile derselben Botschaft: Die “Mixed-Message Methode” zur Erfassung des kognitiven Aufwands bei der Verarbeitung persuasiver Kommunikation Hans-Peter Erb and Miriam Büscher Universität Bonn Gerd Bohner Universität Bielefeld Susanne Rank Fachhochschule Mainz Pre-print manuscript version of Erb, H.-P., Büscher, M., Bohner, G., & Rank, S. (2005). Starke und schwache Argumente als Teile derselben Botschaft: Die "Mixed-Message Methode" zur Erfassung des kognitiven Aufwands bei der Verarbeitung persuasiver Kommunikation [Strong and weak arguments as parts of the same message: The mixed-message method for assessing processing effort in persuasion]. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 36, 61-75. doi: 10.1024/0044-3514.36.2.61 This article does not exactly replicate the final version published in the journal. It is not a copy of the original published article and is not suitable for citation. Mixed-Message Methode 2 Zusammenfassung In der Persuasionsforschung beinhaltet die Standard-Methode zur Untersuchung kognitiven Aufwands bei der Verarbeitung persuasiver Botschaften die Variation der Überzeugungskraft der Botschaftsargumente zwischen Versuchspersonen. Wenn Rezipienten diese Botschaften ausführlich verarbeiten, führen Botschaften mit starken Argumenten zu positiveren Einstellungen als Botschaften mit schwachen Argumenten. Die Standard-Methode birgt allerdings einige Nachteile: Die Qualität der Botschaft kann unerwünschterweise die Evaluation der Persuasionsquelle beeinflussen, Botschaften mit eindeutig schwachen oder starken Argumenten unterdrücken den Einfluss persuasiver Information, die nicht Teil der Botschaft ist, und sie eignen sich nicht zum Nachweis verzerrter Informationsverarbeitung. Die "Mixed-Message-Methode" überwindet diese Schwächen. Sie beinhaltet die Variation der Überzeugungskraft der Argumente zu einzelnen Aspekten innerhalb einer Botschaft. Die Differenzierung zwischen spezifisch auf unterschiedliche Aspekte bezogenen Einstellungsskalen kann als Maß für den kognitiven Aufwand bei der Verarbeitung persuasiver Botschaften dienen. Schlüsselwörter: Persuasion, Verarbeitungsaufwand Mixed-Message Methode 3 Abstract Strong and Weak Arguments as Parts of the Same Message: The Mixed-Message Method for Assessing Processing Effort in Persuasion In persuasion research, a standard method for assessing cognitive effort in information processing entails the variation of message argument quality between participants. If recipients expend high effort in processing these messages, strong messages lead to more favorable attitudes than do weak messages. However, the standard method has some disadvantages: Argument quality may inadvertently affect evaluations of the message source, unambiguously weak or strong messages attenuate the effects of non-content information, and unambiguous messages prevent the observation of biased processing. The "mixed-message method" (MMM) overcomes these drawbacks. The idea is to vary the persuasiveness of single aspects within a single message. Then, differences in attitude judgments referring to each of these aspects can be used to assess processing effort. Keywords: persuasion, processing effort Mixed-Message Methode 4 Kognitiver Aufwand als zentrale Variable zur Erklärung der Wirkung persuasiver Kommunikation Ab den 1980er Jahren wurden zwei Zwei-Prozess-Modelle der Persuasion entwickelt, das "Elaboration Likelihood Model" (ELM, z. B. Petty & Cacioppo, 1986) und das "HeuristicSystematic Model" (HSM, z. B. Bohner, Moskowitz, & Chaiken, 1995; Chaiken, Liberman, & Eagly, 1989; Eagly & Chaiken, 1993). Beide Modelle beschreiben zwei idealtypische Arten der Einstellungsänderung durch persuasive Kommunikation, den zentralen (bzw. systematischen) Weg und den peripheren (bzw. heuristischen) Weg. Ist die Empfängerin oder der Empfänger einer Botschaft (Rezipient) ausreichend motiviert und fähig, so betreibt sie oder er hohen kognitiven Aufwand, um die Inhalte einer Botschaft zu evaluieren, und Persuasion findet auf dem zentralen (bzw. systematischen) Weg statt. Ist ein Rezipient dagegen unfähig oder wenig motiviert, den Inhalt einer persuasiven Botschaft sorgfältig zu verarbeiten, wird der periphere (bzw. heuristische) Weg der Persuasion beschritten. Einstellungsurteile werden dann auf der Grundlage peripherer Information oder heuristischer Hinweisreize (z. B. Sachverstand der Persuasionsquelle) gebildet, und die Inhalte der Botschaft spielen eine untergeordnete Rolle. Damit erscheinen die Fähigkeit und die Motivation zu ausführlicher Verarbeitung der Botschaftsinhalte als Variablen von zentraler Bedeutung sowohl für das ELM als auch für das HSM. Die Fähigkeit zur Verarbeitung ist insbesondere eine Funktion des Vorwissens und der kognitiven Kapazitäten des Rezipienten während der Persuasionsepisode. So wird eine Botschaft, in der dafür plädiert wird, ein Elektronenmikroskop nach einem neuartigen Bauprinzip zu fertigen, wahrscheinlich für viele Rezipienten auf Grund geringer Vorkenntnisse unverständlich bleiben. Aber auch Ablenkung durch Lärm oder eine während der Persuasionssituation zu bearbeitende Aufgabe können die Fähigkeit beschränken. Unter diesen Bedingungen ist zu erwarten, dass die Einstellungsurteile auf peripherem oder heuristischem Wege zu Stande kommen. Ebenso verhält es sich, wenn die Motivation zur Verarbeitung der Botschaftsinhalte gering ist. So kann etwa das Einstellungsobjekt selbst nur geringe Relevanz für die Rezipienten besitzen: Der Plan, an einer Mixed-Message Methode 5 amerikanischen Universität in 10 Jahren eine zusätzliche Abschlussprüfung einzuführen, hat für Studierende einer deutschen Universität sicherlich eine geringere Relevanz als eine zusätzliche Abschlussprüfung an der eigenen Universität ab dem nächsten Semester. Im letzteren Falle ist bei den Studierenden der betroffenen Universität höhere Aufwand bei der Verarbeitung der Botschaft vorherzusagen, als im ersten Falle. Obgleich ELM und HSM die bisher genannten Grundüberlegungen teilen, gibt es doch einige Unterschiede zwischen beiden Persuasionsmodellen. Einen Aspekt, der für das Folgende Bedeutung besitzt, möchten wir nicht undiskutiert lassen. Im ELM gilt grundsätzlich, dass ein Weg der Einstellungsänderung um so weniger eingeschlagen wird, je mehr der jeweils andere Weg beschritten wird (“trade-off hypothesis”; z. B. Petty & Cacioppo, 1986, S. 20 - 21). Wenn Motivation oder Fähigkeit zur Verarbeitung der Botschaftsinhalte niedrig ausgeprägt sind, erhöht sich der Einfluss der peripheren Information auf die Urteile; wenn Motivation und Fähigkeit hoch sind, verringert sich der Einfluss der peripheren Information. Dieser Vorstellung wird im HSM die Möglichkeit entgegengesetzt, dass heuristische und systematische Informationsverarbeitung gleichzeitig auftreten können (“co-occurence”; z. B. Chaiken et al., 1989, S. 215 - 216). Unter hoher Motivation und Fähigkeit wird demnach sowohl der heuristische als auch der systematische Weg beschritten. Für das sich daraus ergebende Zusammenspiel der beiden Prozesse werden im HSM insgesamt vier Möglichkeiten postuliert. Zum ersten ist es möglich, dass die in der Botschaft vorgetragene Information in ihrem Einfluss auf die abschließenden Urteile den Einfluss der heuristischen Information überwiegt (“attenuation”). Dies ist besonders dann zu erwarten, wenn einem wenig bedeutsamen heuristischen Hinweisreiz eine Vielzahl inhaltlich bedeutsamer Argumente gegenüberstehen. In diesem Falle ist der Einfluss der heuristischen Information auf die Urteile empirisch nicht zu finden und es erscheint ein simpler Haupteffekt der Argumentenqualität, in dem Sinne, dass starke Argumente mehr Zustimmung evozieren als schwache Argumente. Zweitens können inhaltliche und heuristische Information unabhängig voneinander die Urteile bestimmen (“additivity”). Mit einem solchen Effekt ist zu rechnen, wenn heuristische und Mixed-Message Methode 6 inhaltliche Information in ihrem Umfang und ihrer Bedeutung gleichgewichtig sind. Empirisch ergeben sich dann zwei Haupteffekte, einer der heuristischen Information und einer der Argumentenqualität (z. B. Bohner, Frank & Erb, 1998). Drittens ist es möglich, dass die heuristische Information die Verarbeitung der nachfolgenden Botschaftsinhalte verzerrt (“biased processing”). Dabei “färbt” die Valenz der heuristischen Hinweisreize die nachfolgende Verarbeitung der Botschaftsinhalte in dem Sinne ein, dass die Inhalte unter einem positiv valenten Hinweisreiz (z. B. hohe Expertise des Kommunikators) die Argumente überzeugender erscheinen als unter negativ valentem Hinweisreiz (z. B. geringe Expertise des Kommunikators). Verzerrte Verarbeitung ist insbesondere dann zu erwarten, wenn die nachfolgenden Argumente weder eindeutig überzeugend noch eindeutig schwach sind, sondern eine gewisse Mehrdeutigkeit aufweisen. Empirisch findet sich ein Haupteffekt des heuristischen Hinweisreizes auf die Urteile, die aber anderes als bei rein heuristischer Verarbeitung unter geringer Motivation oder Kapazität über unterschiedlich valente Gedanken zu der Botschaft vermittelt sind. Gedanken zur Botschaft werden mit Hilfe von Gedankenlisten erhoben, wobei Rezipienten aufgefordert werden, alle Gedanken aufzulisten, die sie während der Verarbeitung der Botschaft im Sinn hatten (z. B. Maheswaran & Chaiken, 1994). Eine vierte Möglichkeit des Zusammenspiels zwischen heuristischer und systematischer Verarbeitung besteht darin, dass Erwartungen, die von heuristischen Hinweisreizen geweckt werden, durch die Botschaft enttäuscht werden (“contrast”). Empirisch untersucht ist hier insbesondere der Fall, dass ein als hoch sachverständig beschriebener Kommunikator nur schwache Argumente vorbringen kann. Die schwachen Argumente aus dem Munde des sachverständigen Kommunikators erzeugen insgesamt weniger Zustimmung als dieselben Argumente, wenn sie von einem weniger sachverständigen Kommunikator vorgetragen wurden. Empirisch findet sich in den Urteilen ein Konstrasteffekt, insofern als unter einem positiv valenten Hinweisreiz die Urteile negativer ausfallen als bei einem negativ valenten Hinweisreiz (Bohner, Ruder & Erb, 2002). Mit den vorgestellten Zwei-Prozess-Modellen der Persuasion hat aber die Entwicklung Mixed-Message Methode 7 theoretischer Vorstellungen zur Wirkung persuasiver Kommunikation keinen Abschluss gefunden. Aktuell ergänzt wurden diese Modelle durch das "Unimodel", eine Ein-Prozess-Konzeption der Persuasion von Kruglanski und Kollegen (z. B. Erb, Kruglanski, Chun, Pierro, Mannetti & Spiegel, 2003; Kruglanski, Sleeth-Keppler, Erb, Pierro, Mannetti, Fishbach & Spiegel, 2002; Kruglanski & Thompson, 1999). Nach dem Unimodel können periphere und zentrale Verarbeitung als ein Urteilsprozess aufgefasst werden. Rezipienten setzten dabei gegebene Evidenz mit Hintergrundwissen so in Beziehung, dass Schlussfolgerungen zum Gegenstand der Persuasion und damit Einstellungsurteile möglich werden, und dies unabhängig davon, ob es sich bei der Evidenz um heuristische Hinweisreize oder inhaltliche Argumente handelt. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass heuristische oder periphere Hinweisreize und inhaltliche Argumente einfach und simpel strukturiert oder komplex und zwischen irrelevanten Informationen verborgen vorliegen können. Demnach sollte aber auch ihre Verarbeitung nicht notwendigerweise unterschiedliche Anforderungen an die Motivation und Kapazität der Rezipienten stellen. Dem Unimodel nach unterscheiden sich Hinweisreize und Argumente weder bezüglich des zu Grunde liegenden Prozesses der Nutzung von Evidenz, noch bezüglich ihrer Anforderungen an den Verarbeitungsaufwand. Daraus folgt die Vorhersage, dass sie sich auch nicht in ihrer Wirkung auf Einstellungsurteile unterscheiden. Jedoch liefert eine kaum überschaubare Zahl von Studien zu Zwei-Prozess Modellen Evidenz dafür, dass die Unterschiede zwischen Hinweisreizen und inhaltlichen Argumenten doch existieren. Wir stellen dazu eine Studie von Petty, Cacioppo und Goldman (1981) vor. Variiert wurden hier die persönliche Relevanz des Einstellungsobjekts für die Rezipienten, ein Hinweisreiz (die Expertise des Kommunikators betreffend) und die Qualität der präsentierten Argumente. Waren die Rezipienten hoch motiviert zu verarbeiten, weil sie das Einstellungsobjekt direkt betraf (Einführung zusätzlicher Abschlussprüfungen an der Universität der Rezipienten), gründeten sie ihre Urteile auf die Argumente: sie stimmten bei überzeugenden Argumenten zu und lehnten bei schwachen Argumenten ab. Unter geringer Motivation zur Verarbeitung (Einführung der Mixed-Message Methode 8 Zusatzprüfungen an einer anderen Universität) waren die Urteile dagegen vom vorliegenden Hinweisreiz abhängig: der Experte produzierte höhere Zustimmung als der Laie. Soweit bestätigen diese und eine Vielzahl ähnlicher Befunde die zu Grunde liegende Zwei-ProzessKonzeption. Sie legen scheinbar nahe, dass die Unterscheidung von Hinweisreizen und Argumenten wichtig ist, da ihr Einfluss auf die Urteile von der Verarbeitungstiefe, also einer für Persuasion wichtigen Variable, bedingt wird. Jedoch lässt sich diese Schlussfolgerung relativieren, wenn wir bedenken, dass in diesem Experiment die heuristischen Hinweisreize sowohl vor der Botschaft als auch insgesamt viel kürzer und weniger komplex präsentiert wurden als die inhaltlichen Argumente. Es ist deshalb durchaus möglich, dass die Information über den Kommunikator einfacher zu verarbeiten war als die Argumente, und deshalb schon bei geringer Motivation die Urteile beeinflusste, während der Einfluss der Argumente nur unter hoher Motivation zu beobachten war. Vor dem Hintergrund dieser neuen Interpretation der Ergebnisse von Petty und Kollegen (1981) untersuchten Pierro, Mannetti, Erb, Spiegel und Kruglanski (in Druck) eine Reihe von Studien aus der Persuasionsliteratur danach, in welcher Reihenfolge Hinweisreize und Argumente dargeboten wurden und wie sich Hinweisreize und Argumente in Bezug auf Länge und Komplexität (und damit bezüglich ihrer Anforderungen an den Verarbeitungsaufwand) unterschieden. Zwei voneinander unabhängige Beurteiler fanden bei hoher Übereinstimmung, dass in allen Arbeiten die Hinweisreize leichter zu verarbeiten waren als die Argumente. Die Annahme aus der Perspektive des UM ist nun, dass diese Faktoren für die typischen Interaktionen von Motivation oder Kapazität mit heuristischen Hinweisreizen und Argumenten verantwortlich sind. Die Vorhersage daraus lautet, dass experimentelle Kontrolle über diese Faktoren dazu führt, dass diese Interaktionen verschwinden und sogar umgekehrt werden können. Empirische Evidenz für diese Vorhersage findet sich z. B. bei Kruglanski und Thompson (1999) und Pierro und Kollegen (in Druck). Zur Messung des kognitiven Aufwands bei der Verarbeitung persuasiver Kommunikation Mixed-Message Methode 9 Obwohl sich ELM, HSM und Unimodel in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheiden, enthalten alle drei Ansätze die Annahme, dass der kognitive Aufwand, den eine Person zur Verarbeitung einsetzt, das Ergebnis der Verarbeitung entscheidend mitbestimmt. Daher ist es in empirischen Tests zu diesen Modellen wichtig, diesen kognitiven Aufwand zu erfassen. Eine dafür geeignete und anerkannte Methode besteht in der Variation der Überzeugungskraft persuasiver Botschaften im Sinne der Qualität der vorgetragenen Argumente (starke vs. schwache Argumente; s. Petty & Cacioppo, 1986). So schließen Forscher und Forscherinnen unabhängig von dem jeweils vertretenen Modell aus einem empirisch gefundenen Effekt der Argumentenqualität auf die Einstellungsurteile, dass hoch aufwändig verarbeitet wurde. Denn Rezipienten generieren in Reaktion auf eine Botschaft mit starken Argumenten eher zustimmende kognitive Reaktionen und bilden positivere Einstellungsurteile als in Reaktion auf eine Botschaft mit schwachen Argumenten. Unter der Bedingung geringer Motivation oder Fähigkeit zur Verarbeitung der Botschaftsinhalte bleibt dieser Effekt der Argumentenqualität auf die Einstellungen jedoch aus (z. B. Chaiken et al., 1989; Petty & Cacioppo, 1986; Kruglanski & Thompson, 1999). Diese Methode ist zur Standard-Methode in der Persuasionsforschung avanciert, und seit ihrer Einführung bis zum heutigen Tag in unzähligen Experimenten verwendet worden. Dies hat seinen Grund wohl darin, dass die Methode der Variation der Argumentenqualität sich als anderen Maßen zur Bestimmung des kognitiven Aufwands überlegen erwiesen hat. So könnte man etwa Rezipienten direkt danach fragen, wie viel Aufwand sie jeweils zur Verarbeitung aufgewendet haben. Nicht selten korrelieren solche Selbstberichte auch mit der Differenzierung zwischen schwachen und starken Argumenten, doch ist zu bedenken, dass Rezipienten nicht immer introspektiven Zugriff zu ihren eigenen mentalen Prozessen haben (Nisbett & Wilson, 1977) und Selbstberichte einer ganzen Reihe weiterer Einflüsse, etwa der Tendenz, erwünschte Antworten zu geben, unterworfen sind. Als weitere Möglichkeit zur Messung kognitiven Aufwands ist an den aus der Gedächtnispsychologie bekannten Ansatz der “Tiefe der Verarbeitung” (“levels of processing”; Mixed-Message Methode 10 Craik & Lockhart, 1972) zu denken. Bei dieser Methode werden Rezipienten aufgefordert, alle Argumente aufzulisten, die ihnen nach der Verarbeitung noch im Gedächtnis verfügbar sind. Allerdings erscheint die Erinnerungsleistung an den Wortlaut eines Arguments mehr die kognitiven Fähigkeiten zur Enkodierung und zum Abruf aus dem Gedächtnis zu betreffen, als die inhaltliche Verarbeitung des jeweiligen Arguments. Zur inhaltlichen Verarbeitung eines Arguments gehören viel eher als die Erinnerung an seinen Wortlaut die aus dem Argument abgeleiteten Implikationen für das abschließende Urteil über das Einstellungsobjekt. Im Extremfall mag sich ein Rezipient gar exakt wörtlich an ein Argument erinnern, dessen Implikationen aber überhaupt nicht verstehen, etwa weil es sich um ein Argument handelt, zu dessen inhaltlicher Verarbeitung das nötige Vorwissen nicht vorhanden ist. Ähnliche Interpretationsprobleme ergeben sich bei der Verwendung physiologischer Korrelate zur Messung kognitiven Aufwands. Obwohl etwa elektronische Ableitungen der Aktivität verschiedener Gesichtsmuskeln gut mit kognitiver Aktivität korrelieren (Petty & Cacioppo, 1981), bleibt letztlich unklar, worauf die so gemessene kognitive Aktivität gerichtet ist. Man stelle sich hierzu nur einen Rezipienten vor, der unter starker Ablenkung, etwa Fluglärm, eine persuasive Botschaft verarbeitet. Da anzunehmen ist, dass ein beträchtlicher Teil der verfügbaren kognitiven Ressourcen darauf verwendet wird, den Einfluss des Lärms zu unterdrücken, mag dieser Rezipient zwar auf physiologischen Maßen des Aufwands höhere Messwerte aufweisen als ein nicht abgelenkter Rezipient, letztlich aber weniger fähig sein, die Inhalte der vorgetragenen Argumente zu verarbeiten. Bleibt schließlich noch die oben bereits erwähnte Methode des Gedankenauflistens zu besprechen. Zum einen sollte hohe kognitive Aktivität dazu führen, dass rein numerisch mehr Gedanken aufgelistet werden als unter geringer Aktivität. In der Tat finden sich in der Literatur einige Studien, in denen sich die Anzahl der gelisteten Gedanken als brauchbares Maß erwies. In einer Serie von Experimenten zum Einfluss von Minderheiten und Mehrheiten fanden wir (Erb, Bohner, Schmälzle & Rank, 1998) beispielsweise konsistent, dass in Bedingungen, in denen Mixed-Message Methode 11 erhöhter kognitiver Aufwand vorhergesagt war, tatsächlich auch mehr Gedanken zur Botschaft gelistet wurden. Bedenkt man dagegen aber, dass in vielen Studien die Anzahl der gelisteten Gedanken gar nicht berichtet wurde, liegt es nahe, sich der Meinung von Petty und Cacioppo (1986) anzuschließen und diese Methode eher als Ergänzung (“supplemental tool”, S. 38) denn als Methode von zentraler Bedeutung zu betrachten. Unter hohem Verarbeitungsaufwand ist zweitens auch damit zu rechnen, dass die Valenz der gelisteten Gedanken (ablehnend oder zustimmend) mit der Valenz des Urteils über das Einstellungsobjekt korreliert. Neben einigen weiteren Problemen mit diesem Verfahren zur Erfassung des Verarbeitungsaufwands, auf die wir weiter unten noch ausführlich zu sprechen kommen, liegt das Hauptproblem hier in der korrelativen Natur dieses Maßes. So ist es durchaus möglich, dass Urteile unter geringem kognitivem Aufwand gebildet werden und erst im Nachhinein durch die Generierung von Gedanken gleicher Valenz gestützt oder gar gerechtfertigt werden. Petty und Cacioppo (1986, S. 40) resümierten dazu, dass “... thought-listings alone do not provide definite evidence for the cognitive mediation of attitudes because the evidence is basically correlational...”. Fasst man die konzeptuellen Probleme einer ganzen Reihe alternativer Indikatoren des kognitiven Aufwands bei der Verarbeitung persuasiver Botschaften zusammen (für eine ausführliche Diskussion siehe Petty & Cacioppo, 1986, Kap. 2), lassen sich gute Gründe dafür erkennen, dass die Variation der Botschaftsqualität als die Methode der Wahl in der Persuasionsforschung etabliert wurde und als Standard-Methode bezeichnet werden darf. Einige Probleme der Standard-Methode Wir glauben allerdings, dass die Methode der Variation der Botschaftsqualität verschiedene Nachteile mit sich bringt. Zum einen erscheinen eindeutig schwache oder starke Botschaften unter hohem Aufwand häufig als alleinige Grundlage für die Evaluation des Einstellungsgegenstands, während sich ein Einfluss peripherer oder heuristischer Information in den Urteilen nicht finden lässt. So werden etwa relativ schwache Effekte der Persuasionsquelle auf den Einstellungsgegenstand durch eindeutig schwache oder starke Botschaften überdeckt Mixed-Message Methode 12 (“attenuation effect”, z. B. Bohner et al., 1995). Dies könnte mit ein Grund dafür sein, warum additive Effekte der Verarbeitung der Botschaft und der Verarbeitung botschaftsunabhängiger Information bisher nur sehr selten beobachtet werden konnten (Bohner et al., 1995; Chaiken et al., 1989; siehe jedoch Bohner et al., 1998). Bisher ist allerdings unklar, ob der Grund für die Abschwächung des Einflusses peripherer Information unter den Bedingungen eindeutig schwacher oder starker Botschaften und ausreichender Verarbeitungsmotivation und -kapazität darin besteht, dass die inhaltliche Information die periphere quantitativ überwiegt, oder vielmehr darin, dass inhaltliche Information subjektiv für urteilsrelevanter gehalten wird als periphere Information. Zweitens ist das Phänomen der verzerrten Verarbeitung ("biased processing") von Botschaftsinhalten zu diskutieren. Wie schon oben kurz beschrieben, kann die Valenz persuasiver Evidenz, die zu Beginn einer Persuasionsepisode dargeboten wird, aber auch andere periphere Einflussfaktoren wie z. B. die Stimmung der Rezipienten die in der Folge auftretende Verarbeitung weiterer Information in dem Sinne "verzerren", dass auf ihrer Grundlage eine positive bzw. negative "Vorbeurteilung" später dargebotene Evidenz in positivem bzw. negativem Licht erscheinen lässt (z. B. Bohner, Chaiken & Hunyadi, 1994; Bohner, et al., 2002; Chaiken & Maheswaran, 1994; Erb, Bohner, Schmälzle & Rank, 1998; Erb, Pierro, Mannetti, Spiegel & Kruglanski, 2005). So lässt etwa die Information, bei dem Kommunikator handele es sich um eine Expertin oder einen Experten, später dargebotene Argumente positiver erscheinen als die Information, es handele sich beim Kommunikator um eine Laiin oder einen Laien (Bohner et al., 2002). Die durch den wahrgenommenen Sachverstand verursachten unterschiedlichen Reaktionen auf die Botschaft führen schließlich zu mehr oder weniger Zustimmung, obwohl die Botschaft selbst unter beiden Kommunikatorbedingungen dieselbe ist. Der Verzerrungseffekt ist allerdings daran gebunden, dass die Botschaft insgesamt mehrdeutig ist, indem sie z. B. mittelmäßige Argumente enthält oder sowohl starke als auch schwache Argumente in sich vereint (zur Diskussion von Mehrdeutigkeit von Botschaften siehe auch Ziegler & Diehl, 2003). Sind die Argumente hingegen eindeutig stark oder schwach, kann der Sachverstand des Kommunikators Mixed-Message Methode 13 keine Verzerrung auslösen (Bohner et al. 2002; Chaiken & Maheswaran, 1994). Schließlich können Rezipienten die Qualität der vorgetragenen Botschaft zur Evaluation der Persuasionsquelle heranziehen. Entsprechend findet man etwa bei der Frage, für wie sachverständig die Persuasionsquelle eingeschätzt wird, einen (häufig unerwünschten) Haupteffekt der Variation der Qualität der Botschaft (z.B. Reimer, 2003). Eine Evaluation der Urteile über den Sachverstand des Kommunikators unabhängig von der Qualität der vorgetragenen Argumente ist dann deswegen nicht möglich, weil Urteile über den Sachverstand des Kommunikators eine Funktion der Botschaftsqualität darstellen: Der mit einer starken Botschaft argumentierende Kommunikator wird für sachverständiger gehalten als der mit einer schwachen Botschaft argumentierende Kommunikator (z. B. Petty, Cacioppo & Goldman, 1981), oder der Sachverstand des Kommunikators und die Qualität der Botschaft werden zur Urteilsbildung interaktiv miteinander verrechnet (Bohner et al., 2002). Die “Mixed-Message Methode” Eine Möglichkeit, diese Schwächen zu überwinden, bietet das von uns entwickelte Verfahren der Variation der Argumentenqualität innerhalb einer einzigen Botschaft, die "MixedMessage Methode" (MMM). Dieses Verfahren macht sich zunutze, dass es zu einzelnen Einstellungen verschiedene Aspekte gibt (etwa "beliefs" bei Fishbein & Ajzen, 1975). Persuasive Botschaften sprechen gewöhnlich solch unterschiedliche Aspekte eines Einstellungsgegenstands an. Nur die ausführliche Verarbeitung der einzelnen Argumente zu den unterschiedlichen Aspekten ermöglicht es, später auf Einstellungsskalen, die spezifisch den einzelnen Aspekten zugeordnet sind, unterschiedlich zu antworten: nämlich, indem man zu einem Aspekt, der mit einem starken Argument belegt wurde, mehr Zustimmung äußert als zu einem Aspekt, der nur mit einem schwachen Argument belegt wurde. Die grundlegende Idee der MMM besteht also darin, zu inhaltlich unterschiedlichen Aspekten eines Einstellungsgegenstands Argumente zu präsentieren, die sich in ihrer Persuasionsqualität unterscheiden, und die Einstellungen zu den betreffenden Aspekten auf verschiedenen Einstellungsskalen zu erfassen. Völlig unabhängig davon Mixed-Message Methode 14 können mit einer oder mehreren Skalen sowohl die Gesamteinstellung als auch die Beurteilung des Kommunikators gemessen werden. Darüber hinaus lässt sich eine Botschaft konstruieren, die in ihrer Gesamtheit ausreichend mehrdeutig ist, um verzerrte Informationsverarbeitung zu ermöglichen. Ähnlich mehrdeutige Botschaften, wie sie in der MMM Verwendung finden, wurden auch schon mehrfach von anderen Autorinnen und Autoren verwendet. So konstruierten etwa Chaiken und Maheswaran (1994) Botschaftsversionen zu einem Konsumprodukt, in dem dieses Konkurrenzprodukten als eindeutig überlegen (starke Botschaft), eindeutig unterlegen (schwache Botschaft) und in der mehrdeutigen Version bei drei Produktattributen überlegen und bei drei anderen Produktattributen unterlegen präsentiert wurde. Im Unterschied zu solchen Vorbildern werden aber in der MMM zu den einzelnen Attributen bzw. Aspekten später spezifische Einstellungsfragen gestellt, mit der Intention, die Differenzierung der Urteile zu mit schwachen und starken Argumenten belegten Aspekten zur Messung des kognitiven Aufwands zu nutzen. Nur darin, nicht aber in der Konstruktion mehrdeutiger Botschaften liegt das Neue der hier vorgestellten Methode. Für die Konstruktion einer persuasiven Botschaft nach der MMM muss zunächst, genau wie in der Standard-Methode, aufgrund empirischer Kriterien festgelegt werden, was ein schwaches und was ein starkes Argument ist (Petty & Cacioppo, 1986, Kap. 2). Wir berichten beispielhaft von der Konstruktion einer Botschaft zu einem fiktiven Bauprojekt, die wir in einigen unserer empirischen Untersuchungen verwendet haben. Konkret geht es darin um den angeblich geplanten Bau eines Tunnels unter den Hafenanlagen der Stadt Rotterdam. Das generelle Einstellungsurteil der Rezipienten dieser Botschaft bezieht sich also auf die Zustimmung oder Ablehnung dieses Bauprojekts. Ausnahmslos alle Argumente sprachen dafür, den Tunnel zu bauen, jedoch sollten Rezipienten der Botschaft, die diese ausführlich verarbeiten, einem Aspekt des Tunnelprojekts, der mit einem starken Argument belegt ist, mehr zustimmen als einem anderen Aspekt, zu dem ein schwaches Argument dargeboten wurde. In einem ersten Schritt generierten wir insgesamt 22 Argumente, von denen wir 15 Mixed-Message Methode 15 Argumente auswählten und in ihrer Überzeugungskraft variierten. Wir konstruierten auf diese Weise zwei unterschiedliche Botschaftsversionen (Version A und B), in denen identische Aspekte des Bauprojekts jeweils entweder mit einem starken oder mit einem schwachem Argument belegt waren. Diejenigen Argumente, die sich später als die am besten in ihrer Qualität variierten Argumente herausstellten, bezogen sich auf die Aspekte "Anwohner" und "Wirtschaft" und lauteten: "Durch die Entlastung der Hauptverkehrsstraßen zwischen Delft und Rotterdam würde für die Anwohner der Strecke der Verkehrslärm um 7% (0,7%) reduziert werden. Ebenso ist durch den Bau des Tunnels an dieser Stelle mit einer Reduktion der Luftschadstoffbelastung um 6% (0,6%) zu rechnen" (Anwohner), und: "Durch das Projekt werden Tausende (Dutzende) von Arbeitsplätzen gesichert und voraussichtlich 45% (15%) der Auftragslage des Baugewerbes erhalten" (Wirtschaft; die jeweils schwache Variante ist in Klammern angegeben). Andere Argumente bezogen sich etwa auf die durch den Tunnelbau notwendige mehr (stark) oder weniger (schwach) attraktive Umstrukturierung des Stadtbilds, die mehr (stark) oder weniger (schwach) starke Förderung des Bauprojekts durch Mittel der EU usw. Die Botschaftsversionen A und B waren so konstruiert, dass abwechselnd a priori als schwach oder stark angenommene Argumente präsentiert wurden. Diese Versionen wurden einer Stichprobe von N = 30 Versuchspersonen (Vpn) vorgelegt, so dass jeweils n = 15 Vpn eine der beiden Versionen bearbeiteten. Die Vpn wurden instruiert, die Argumente ausführlich zu lesen und erhielten dann einen Fragebogen, in dem Einstellungsskalen die Zustimmung zu den jeweils zwischen Version A und B mit unterschiedlich starken Argumenten belegten Aspekte erfassten. Diese lauteten für die Aspekte “Anwohner” und “Wirtschaft”: “Der Tunnel würde die negativen Konsequenzen von Verkehrslärm und Schadstoffen in der Luft reduzieren” und “Der Tunnel wäre gut für das Baugewerbe”. Ihre Zustimmung gaben die Vpn auf Skalen von 1 (“stimme überhaupt nicht zu”) bis 9 (“stimme vollkommen zu”) an. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Variation der Argumentenstärke auf diese Einstellungsurteile auswirkte. Eine gemischte Varianzanalyse (MANOVA) mit dem zwischen Vpn Mixed-Message Methode 16 variierten Faktor “Botschaftsversion” (A vs. B) und dem innerhalb Vpn variierten Faktor “Aspekt” (Anwohner vs. Wirtschaft) lieferte eine signifikante Interaktion der Faktoren "Botschaftsversion" und "Aspekt", aber keine Haupteffekte (Tabelle 1; weitere Details in Erb, 1997). Es kann daraus geschlossen werden, dass die Variation der Überzeugungskraft dieser Argumente unabhängig von deren Inhalt gelungen war. Anwendung der MMM In einem Experiment zum Einfluss von Minderheiten und Mehrheiten testeten wir (Erb et al., 1998) die Hypothese, dass bei der Bildung neuer Einstellungen vorab gegebene Information zum numerischen Konsens über die Position der Botschaft den Verarbeitungsaufwand beeinflusst. Sowohl hoher Konsens (Unterstützung der Position durch die Mehrheit) als auch niedriger Konsens (Unterstützung durch eine Minderheit) sollte demnach zu geringerer kognitiver Aktivität bei der Verarbeitung der persuasiven Botschaft führen im Vergleich zu einer Kontrollbedingung, in der keine Information zum Konsens gegeben wird. Die Grundlage für diese Hypothese lautet, dass Konsensinformation eine "Vor-Beurteilung" des Einstellungsobjekts ermöglicht, die in der Folge den Rezipienten erlaubt, mit weniger kognitivem Aufwand zu einem abschließenden Urteil zu gelangen, als wenn eine solche "Vor-Beurteilung" nicht möglich ist, weil keine Information über Konsens gegeben war (Erb & Bohner, 2001). Diese Vorhersage ist konsistent mit Befunden, nach denen Heuristiken wie die Konsens-Heuristik (“Die Mehrheit hat recht, die Minderheit hat Unrecht”, Mackie, 1987; Moscovici, 1980), aber auch Stereotype und andere generelle Wissensstrukturen genutzt werden, um kognitive Energie zu sparen (z. B. Fiske & Taylor, 1991; Macrae, Milne & Bodenhausen, 1994; Markus & Zajonc, 1985; Nisbett & Ross, 1980). Nach unserer Theorie zum Einfluss von Minderheiten und Mehrheiten (z. B. Erb & Bohner, 2001; Erb et al., 1998) sollte unter den gegebenen Bedingungen der Einfluss der Konsens-Information auf die Einstellungsurteile über die “verzerrte Verarbeitung” der Botschaftsinhalte vermittelt sein. Entsprechend bot es sich an, die MMM im Experiment zu verwenden. Einerseits konnte so die Hypothese unterschiedlichen kognitiven Aufwands zwischen den Konsens-Bedingungen und der Mixed-Message Methode 17 Kontrollbedingung ohne Konsens-Information getestet werden, andererseits erlaubt die durch die MMM erzeugte Ambiguität in der Qualität der Gesamtbotschaft den Test der Verzerrungshypothese. Unsere Vpn lasen also eine persuasive Botschaft, in der für den Tunnelbau in Rotterdam plädiert wurde. Der Botschaft vorangestellt war Information über den Konsens (niedrig: “... eine Minderheit von etwa 15%” vs. hoch: “... eine Mehrheit von etwa 85%...” vs. Kontrollgruppe ohne Konsens-Information “... die Befürworter dieses Bauvorhabens...”). Innerhalb der Vpn wurde die Qualität der Argumente zu den Aspekten Wirtschaft (schwach) und Anwohner (stark; siehe oben Version A) variiert, und die spezifischen Einstellungsurteile zu den variierten Aspekten wurden auf separaten Einstellungsskalen erfasst. Die Hypothese zur verzerrten Verarbeitung der Botschaftsinhalte wurde bestätigt. Unter hohem Konsens fiel die Vor-Beurteilung positiver aus als unter niedrigem Konsens. Diese führte zu positiven Reaktionen auf die Botschaft und, darüber vermittelt, zu zustimmenden Urteilen. Dagegen verursachte der niedrige Konsens negativ verzerrte Informationsverarbeitung und ablehnende Urteile, während Mittelwerte in der Kontrollgruppe jeweils zwischen denen für niedrigen und hohen Konsens lagen (für Details verweisen wir auf Erb et al., 1998). Von Interesse sind gegenwärtig aber eher die Einstellungsurteile zu den in der Botschaft variierten Aspekten Wirtschaft und Anwohner. Die Mittelwerte sind in Tabelle 2 abgebildet. Der unterschiedlich hohe kognitive Aufwand bei der Verarbeitung der Botschaft sollte sich in der Differenzierung zwischen den Einstellungen zum schwachen (Wirtschaft) und starken Aspekt der Botschaft (Anwohner) niederschlagen. Entsprechend der theoretischen Überlegungen sollten Vpn in der Kontrollbedingung ohne Konsensinformation stärker zwischen diesen beiden Aspekten unterscheiden als Vpn in den Konsensbedingungen. Diese Hypothese wurde in einer 3 (Konsensinformation hoch, niedrig, ohne) X 2 (schwacher Aspekt, starker Aspekt) faktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung auf dem zweiten Faktor getestet. Zur spezifischen Hypothesentestung wurden zwei orthogonale Kontraste über den Konsensfaktor definiert: Mit Mixed-Message Methode 18 Kontrast 1 wurden die Bedingungen mit hohem und niedrigem Konsens gegen die Kontrollgruppe getestet, mit Kontrast 2 wurden die Bedingungen mit hohen und niedrigem Konsens gegeneinander getestet. Ein Haupteffekt der Manipulation der Qualität der Argumente zu den beiden Aspekten zeigte, dass unabhängig von den Konsensbedingungen die Versuchspersonen generell in ihrer Zustimmung zwischen den beiden Aspekten unterschieden. Der signifikante Kontrast 2 bestätigte den schon bei den allgemeinen Einstellungsurteilen beobachteten Befund, dass über verzerrte Verarbeitung vermittelt hoher Konsens zu mehr Zustimmung führte als niedriger Konsens. Darüber hinaus war, wie vorhergesagt, die Interaktion zwischen Kontrast 1 und Konsens signifikant. Demnach differenzierten die Vpn der Kontrollbedingung signifikant stärker zwischen den Aspekten, als dies in den Konsensbedingungen der Fall war. Alle weiteren getesteten Effekte waren von Signifikanz weit entfernt. Eine zusätzlich durchgeführte ANOVA ohne die Kontrollbedingung zeigte, dass auch in den Konsensbedingungen zwischen schwachem und starkem Aspekt der Botschaft unterschieden wurde. Schließlich ergab sich noch, dass sich die beiden Konsensbedingungen nicht im Grad der Differenzierung zwischen den Aspekten unterschieden (Erb, 1997). Damit erwies sich die MMM in diesem Experiment als brauchbare Methode zur Erfassung des kognitiven Aufwands, der zur Verarbeitung einer persuasiven Botschaft betrieben wird, während gleichzeitig eine verzerrte Verarbeitung der Botschaftsinhalte ermöglicht wurde. Für die MMM sprachen darüber hinaus noch zwei weitere Befunde. Neben den schon erwähnten abhängigen Variablen wurden die Vpn gebeten (1) nach dem Lesen der Botschaft alle Gedanken aufzulisten, die ihnen während der Verarbeitung in den Sinn gekommen waren ("thought-listing", siehe oben) und (2) am Ende des Experiments eigene, neue Argumente zu generieren, die für den Bau des Tunnels sprechen sollten. In der Kontrollbedingung ohne Konsens-Information äußerten die Vpn mehr Gedanken in Reaktion auf die Botschaft und listeten mehr eigene Argumente zugunsten des Tunnels auf als in den Bedingungen mit Konsens. Da diese beiden Zusatzaufgaben hohen kognitiven Aufwand erfordern, bestätigten die parallelen Ergebnismuster die Möglichkeit, Mixed-Message Methode 19 mit der MMM kognitiven Aufwand zu messen. Wir möchten hier noch von einem weiteren Anwendungsbeispiel der MMM berichten. Wenn Rezipienten keine Voreinstellung gegenüber dem Einstellungsobjekt mit in die Einflusssituation bringen, nutzen sie Konsensinformation zur Vereinfachung und Verzerrung der Verarbeitung der Inhalte. Für Situationen, in denen Voreinstellungen vorliegen, sollten diese allerdings mit Konsens-Information in ihrer Wirkung auf den kognitiven Aufwand zur Verarbeitung der Botschaft interagieren. Dazu gibt es in der Literatur zwei unterschiedliche Annahmen: Laut Moscovici (1980) löst Mehrheitseinfluss einen sozialen Konflikt aus, denn Rezipienten möchten nicht im Widerspruch zu einer sozial relevanten Mehrheit stehen. Der soziale Konflikt lenkt von den Inhalten der Botschaft ab, denn der soziale Widerspruch zwischen der eigenen Einstellung und der von der Mehrheit vertretenen Position steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Konflikt mit einer Minderheit ist dagegen nach Moscovici inhaltlicher Natur. Unter bestimmten, hier nicht weiter zu diskutierenden Bedingungen, beginnt der Rezipient sich zu fragen, warum die Minderheit eine abweichende Position vertritt. Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf die Inhalte der von der Minderheit vorgetragenen Argumente. Nach Moscovici sollte also die Botschaft der Minderheit mit mehr kognitivem Aufwand verarbeitet werden als die Botschaft der Mehrheit. Genau die gegenteilige Annahme findet sich bei Mackie (1987). Nach Mackies "objective consensus approach" signalisiert der mit der Mehrheit verbundene hohe Konsens die Korrektheit der vertretenen Position ("high consensus implies correctness"), wohingegen die Position der Minderheit für inkorrekt gehalten wird. Rezipienten schenken ihre Aufmerksamkeit aber eher der für korrekt gehaltenen Position. Daraus ergibt sich die Vorhersage, dass die Botschaft der Minderheit mit weniger kognitivem Aufwand verarbeitet wird als die Botschaft der Mehrheit. Sowohl für Moscovicis als auch für Mackies Annahme finden sich empirische Belege (Mackie, 1987; Moscovici, 1980). Offensichtlich gibt es also (zumindest) eine Moderatorvariable, die je nach Ausprägung den von Mackie oder den von Moscovici postulierten Effekt auslöst. Mixed-Message Methode 20 Nach genauer Analyse der von diesen Autoren verwendeten Versuchsmaterialen stellten wir (Erb, Bohner, Rank & Einwiller, 2002)fest, dass die von Moscovici verwendeten Themen extremen Konflikt mit den Voreinstellungen der Rezipienten auslösten (etwa eine Position gegen Umweltschutzmaßnahmen bei studentischen Vpn der späten 1970er Jahre), während bei Mackie Themen verwendet wurden, die den Rezipienten eher unbekannt sein mussten (etwa das Thema der militärischen Balance in West-Europa bei US-amerikanischen Vpn Mitte der 1980er Jahre). Folglich variierten wir in einer Studie die Voreinstellungen unserer Vpn zum Tunnelbau auf den Stufen "contra" und "moderat, unentschlossen" und verlegten das Bauprojekt in die Heimatstadt der Vpn, damit der von Moscovici postulierte soziale Konflikt psychologisch relevant werden konnte. Wieder wurde der Konsens variiert (niedrig für Minderheiteneinfluss und hoch für Mehrheiteneinfluss) und eine MMM-konforme Botschaft zum Tunnel zur Verarbeitung dargeboten. Die Ergebnisse bestätigten unsere Hypothese: Unter Contra-Voreinstellung wurde die Botschaft der Minderheit ausführlicher verarbeitet als die Botschaft der Mehrheit, während unter moderater Voreinstellung die Botschaft der Mehrheit ausführlicher verarbeitet wurde als die Botschaft der Minderheit (Tabelle 3). Für die MMM spricht darüber hinaus, dass wir diesen Befund in einem zweiten Experiment mit der Standard-Methode der Variation der Qualität von Botschaften replizieren konnten. Diskussion Wie die berichteten Beispiele zeigen, können persuasive Botschaften, die nach der MMM konstruiert wurden, als brauchbare Instrumente zur Erfassung kognitiven Aufwands, den Rezipienten für die Verarbeitung dieser Botschaften aufwenden, betrachtet werden. Neben hypothesenkonformen Resultaten bestätigten eine Reihe von parallelen Befunden auf anderen abhängigen Variablen die Möglichkeit, mit der MMM kognitiven Aufwand zu erfassen. Darüber hinaus unterliegt die MMM ebenso wie die Standard-Methode nicht den konzeptuellen Problemen anderer Methoden zu Messung kognitiven Aufwands (siehe oben), weil die verwendeten Maße sich direkt auf die in der Botschaft dargebotenen Inhalte beziehen. Mixed-Message Methode 21 Selbstverständlich sind die Anwendungsmöglichkeiten der MMM nicht auf die von uns untersuchten Phänomene im Bereich des sozialen Einflusses beschränkt. MMM-konforme Botschaften lassen sich auch in der Konsumentenforschung, in politischer Persuasion usw. verwenden. Denkbar sind darüber hinaus auch Anwendungen in anderen Domänen menschlicher Urteilsbildung. So könnten etwa Personenbeschreibungen gleichzeitig unterschiedlich positive und negative Eigenschaften oder Verhaltensweisen enthalten. Der kognitive Aufwand bei der Verarbeitung dieser Beschreibungen etwa in der Stereotypenforschung oder der Attributionsforschung könnte mit Hilfe separater Urteilsskalen zu einzelnen Aspekten der zu bewertenden Zielperson gemessen werden. Was die Konstruktion einer MMM-konformen Botschaft betrifft, lässt sich festhalten, dass sie nicht weniger oder mehr aufwändig ist als die Konstruktion einer Standard-Botschaft. Es sind dieselben Vortests nötig (siehe Petty & Cacioppo, 1986), nur unterscheidet sich die Zusammenstellung der endgültigen Version insofern, als in der Standard-Methode die als stark oder schwach identifizierten Argumente jeweils in einer Botschaft zusammengefasst werden, während nach der MMM überwiegend durchschnittlich persuasive Argumente zusammen mit je einem (oder wenigen) schwachen und einem (oder wenigen) starken Argumenten gemischt werden. Einer der Vorteile der MMM gegenüber der Verwendung von Standard-Botschaften liegt darin, dass die so konstruierte Botschaft insgesamt eine gewisse Mehrdeutigkeit aufweist. Zusätzlich erhalten alle Vpn eines Experiments mit der MMM exakt dieselbe Botschaft. Diese beiden Vorteile der MMM ermöglichen es, bestimmte Effekte abzubilden oder unerwünschte Effekte zu unterdrücken. Wie schon oben erwähnt, besteht etwa ein unerwünschtes Phänomen darin, dass die Qualität eindeutig schwacher oder starker Botschaften zur Evaluation des Sachverstands des Kommunikators herangezogen wird. In ihrer Studie variierten Petty und Kollegen (1981) den Sachverstand des Kommunikators (niedrig vs. hoch) und die Qualität einer persuasiven Botschaft Mixed-Message Methode 22 zur Einführung zusätzlicher Prüfungen für Studierende (schwach vs. stark). Darüber hinaus wurde die persönliche Relevanz des Themas variiert (niedrig vs. hoch) mit der Hypothese, dass bei hoher Relevanz die Qualität der Botschaft, bei niedriger Relevanz der Sachverstand des Kommunikators urteilsrelevant wird. In der Überprüfung der Manipulation des Sachverstands des Kommunikators fanden sich jedoch Einflüsse der Argumentenqualität: Der Kommunikator wurde sowohl abhängig von der Kommunikatorbeschreibung als auch in Abhängigkeit von der Argumentenqualität eingeschätzt (für ähnliche Befunde siehe Chaiken & Maheswaran 1994; Ziegler, Diehl & Ruther, 2002). Offensichtlich hatten Petty und Kollegen schon im Voraus mit diesem Effekt gerechnet, denn sie erhoben neben dem allgemein wahrgenommenen Sachverstand des Kommunikators auch Urteile zu dessen Sachverstand "abgesehen von der Qualität der vorgetragenen Argumente" (Petty et al., 1981, S. 851). Jedoch zeigte sich auch auf diesem Maß ein Haupteffekt der Botschaft, so dass man davon ausgehen kann, dass Rezipienten nicht in der Lage waren, von der Qualität einer Botschaft abzusehen, wenn sie den Sachverstand des jeweiligen Kommunikators bewerten sollten. Die Einstellungsurteile im Experiment von Petty und Kollegen bestätigten scheinbar die Vorhersage: Unter niedriger Relevanz fand sich ein Haupteffekt des Sachverstands des Kommunikators, unter hoher Relevanz der vorhergesagt Effekt der Qualität der Botschaft. Jedoch hat Reimer (2003) auf die Möglichkeit hingewiesen, dass auch Rezipienten, die die Botschaft ausführlich verarbeiteten, ihre Urteile zumindest teilweise auf den, in diesem Falle erschlossenen, Sachverstand der Kommunikators stützten. In dieser Arbeit wurde der Effekt der Qualität der Botschaft auf den wahrgenommenen Sachverstand des Kommunkators repliziert und darüber hinaus gezeigt, dass der Effekt der Botschaft auf die Einstellungen teilweise durch den auf der Grundlage der Botschaft erschlossenen Sachverstand des Kommunikators vermittelt war. Für sich genommen ist Reimers (2003) Reinterpretation des Effekts der Botschaftsqualität auf Einstellungsurteile eine wichtige Erkenntnis über die Wirkung persuasiver Kommunkation auf ihre Rezipienten. Aus unserer Perspektive ist sie ein Hinweis darauf, dass eindeutig starke oder Mixed-Message Methode 23 schwache Botschaften unintendierte Effekte auf die Wahrnehmung des Sachverstands ihrer Kommunikatoren haben können. Stellen solche Effekte möglicherweise ein Problem für die Interpretation der Ergebnisse dar, wie etwa bei Petty und Kollegen (1981), bietet sich an, eine MMM-konformen Botschaft als Alternative zur Standard-Methode zu verwenden. Neben der Arbeit von Reimer (2003) gibt es weitere Befunde, die dafür sprechen, dass Rezipienten nicht entweder Argumente oder heuristische Hinweisreize zur Einstellungsbildung nutzen, sondern flexibel Argumente und heuristische Hinweisreize beachten. In einer Arbeit von Bohner und Kollegen (2002) verletzte ein als hoch sachverständig ausgewiesener Kommunikator (Professor) die Erwartung, er könne besonders stichhaltige Argumente vorbringen, weil die ihm zugeschriebene Botschaft ausgesprochen schwache Argumente beinhaltete. Die Einstellungsurteile in dieser Bedingung waren deutlich niedriger als die in einer Vergleichsbedingung, in der dieselben schwachen Argumente von einer nur wenig sachverständigen Quelle kamen (Realschüler). Offensichtlich "verrechnen" Rezipienten Quellenmerkmale mit den Argumenten, wenn diese Beziehungen zueinander aufweisen, wie etwa im vorliegenden Falle Sachverstand und Qualität der Argumente oder Mehrheit und angenommene Korrektheit der Position (Mackie, 1987; siehe Bohner et al., 2002, für eine Diskussion). Neben einer schwachen (und einer starken) Botschaft verwendeten Bohner und Kollegen aber auch eine ambigue Botschaft, die ihrer Implikation für die Einstellungsurteile einer MMM-konformen Botschaft entsprach, da sie weder eindeutig schwach noch eindeutig stark war. Mit der ambiguen Botschaft fiel die Zustimmung zum Professor deutlich stärker aus als die Zustimmung zum Realschüler. Dies bringt uns zu dem zweiten Vorteil, den die MMM gegenüber der Standard-Methode bietet: MMM-konforme Botschaften sind ausreichend mehrdeutig, um verzerrte Informationsverarbeitung zuzulassen, ohne dass wir aber darauf verzichten müssen, Hypothesen über unterschiedlich hohen kognitiven Aufwand zu testen. Das oben beschriebene Experiment zur verzerrten Verarbeitung von Minderheits- und Mehrheitsbotschaften bietet dafür ein Beispiel. Wie Mixed-Message Methode 24 die Studien von Bohner und Kollegen (2002) und Chaiken und Maheswaran (1994) zeigten, können mit eindeutig starken und schwachen Botschaften Verzerrungseffekte nicht abgebildet werden. Kommen wir zu dem letzten Punkt, den wir als Vorteil der MMM gegenüber StandardBotschaften erachten. Sowohl Chaiken et al. (1989) als auch Bohner et al. (1995) diskutierten ausführlich, dass sich Implikationen heuristischer Hinweisreize, wie der Sachverstand eines Kommunikators oder Konsens-Information, nur selten auf Einstellungsurteile auswirken, wenn Rezipienten die Botschaftsinhalte aufwändig verarbeiten. Entweder überwiegt der Anteil inhaltlicher Information den der heuristischen Information, da die Hinweisreize häufig als kurze und leicht zu verarbeitende Information der viel längeren und nur unter höherem Aufwand zu verarbeitenden Botschaft vorangestellt werden (Erb et al., 2003). Oder die Implikationen der heuristischen Information erscheinen subjektiv als weniger urteilsrelevant als die in den Botschaften dargebotene inhaltliche Information. Es tritt auf, was in der Persuasionsliteratur Abschwächung ("attenuation") genannt wird. Bohner und Kolleginnen (1994) haben auf dieses Problem reagiert, indem sie eine mehrdeutige Botschaft verwendeten. Dies nahm diesen Autoren jedoch die Möglichkeit, Hypothesen über unterschiedlich hohen Aufwand bei der Verarbeitung der Botschaft zu testen. Vielmehr konnten in dieser Studie Schlussfolgerungen über unterschiedlichen Verarbeitungsaufwand nur indirekt auf der Grundlage korrelativer Analysen gezogen werden. Wir vermuten dazu, dass Abschwächungseffekte bei uneindeutiger inhaltlicher Information, wie sie eine MMM-konforme Botschaft bietet, weniger wahrscheinlich auftreten, denn alle Vpn erhalten dieselbe Botschaft und die Mehrdeutigkeit der Botschaft liefert nur eine relativ schwache Urteilsbasis. Einen Hinweis darauf enthält die Studie von Bohner et al. (2002). Während sich, wie schon beschrieben, bei einer mehrdeutigen Botschaft der Sachverstand der Quelle vermittelt über verzerrte Verarbeitung der Botschaft auf die Einstellungsurteile so auswirkte, dass dem Professor mehr zugestimmt wurde als dem Realschüler, zeigte sich bei einer eindeutig starken Botschaft kein Effekt des Kommunikators, also ein Attenuationseffekt. Wenn Mixed-Message Methode 25 aber tatsächlich eindeutig schwache oder starke Botschaften Effekte von heuristischen Hinweisreizen unterdrücken, können mit Hilfe der MMM Urteilseffekte von heuristischen Hinweisreizen viel besser untersucht werden, und zwar ohne dass auf die Möglichkeit verzichtet werden muss, Hypothesen über Unterschiede in der Verarbeitungstiefe der Botschaft zu testen. Aus dieser Diskussion ergeben sich Hinweise darauf, wie die aus dem Vergleich zwischen eindeutigen und mehrdeutigen Botschaften abgeleiteten Vorteile der MMM gegenüber der Standard-Methode in künftiger Forschung direkt getestet werden können. Dazu lassen sich eine ganze Reihe von Experimenten konzipieren, von denen wir nur die zwei uns als besonders wichtig erscheinenden im Folgenden kurz ansprechen. Zum einen sollte es möglich sein, Effekte der Variation im Sachverstand unabhängig von den in der Botschaft vorgetragenen Argumenten in den Urteilen über den Kommunikator abzubilden, wenn eine MMM-konforme Botschaft dargeboten wird. In den Vergleichsbedingungen mit eindeutig schwachen und starken Botschaften ist dagegen wie bei Petty und Kollegen (1981) zu erwarten, dass die Botschaftsqualität zur Bewertung des Sachverstands des Kommunikators herangezogen wird. Wenn nun die Differenzierung zwischen schwachen und starken Aspekten der MMM-Botschaft gleichsinnig wie die Differenzierung zwischen eindeutig schwachen und starken Botschaften auf Variationen der Motivation oder Kapazität der Rezipienten reagiert, hat sich die Überlegenheit der MMM gegenüber der Standard-Methode erwiesen. Zum zweiten sollte sich ein Effekt des Sachverstands des Kommunikators auf die Einstellungsurteile auch unter hoher Motivation und Fähigkeit nach der Verarbeitung einer MMM-konformen Botschaft zeigen. In Abhängigkeit vom Umfang und von der Relevanz der inhaltlichen Information im Vergleich zur Quelleninformation kann dieser Effekt additiv oder auf der Grundlage verzerrter Verarbeitung auftreten, während bei eindeutig schwachen und starken Botschaften die Valenz der Quelleninformation keinen Effekt auf die Einstellungsurteile nimmt (“attenuation”). Zugleich muss aber, wie schon im ersten Beispiel angesprochen, eine Variation von Motivation oder Kapazität gleichsinnig die Differenzierung zwischen schwachen und starken Aspekten einerseits und schwachen und starken Botschaften Mixed-Message Methode 26 andererseits bedingen. Obgleich wir die bisher diskutierten Aspekte als Vorteile der MMM gegenüber der Standard-Methode sehen, möchten wir doch darauf hinweisen, dass MMM und StandardMethode einige Probleme teilen. So ist es etwa unmöglich, rein aus der Differenzierung in den Einstellungsurteilen zu schwachen und starken Argumenten beziehungsweise schwachen und starken Botschaften Verzerrungseffekte von Effekten unterschiedlich aufwändiger Verarbeitung unter verschiedenen Bedingungen zu differenzieren. Petty und Cacioppo haben schon 1986 darauf hingewiesen, dass sich positive Verzerrung insbesondere in der Aufwertung schwacher Argumente und negative Verzerrung in der Abwertung starker Argumente zeigt. Unterscheiden sich die Bedingungen negativer und positiver Verzerrung auch noch durch unterschiedlich hohen Verarbeitungsaufwand, entsteht ein mehrdeutiges Ergebnismuster in den Einstellungsurteilen. Einem solchen Muster sieht man zunächst nicht an, ob die Differenzierung aufgrund verzerrter Verarbeitung oder unterschiedlichen Verarbeitungsaufwands entstanden ist, und zusätzliche abhängige Variablen müssen herangezogen werden, um diese Ambiguität aufzuklären. Das gilt sowohl für die Standard-Methode als auch für die MMM. Außerdem möchten wir davor warnen zu schließen, dass Rezipienten die Botschaft nur oberflächlich oder gar nicht verarbeitet haben, wenn die Argumentenqualität keinen Effekt produziert. Rezipienten könnten durchaus die Botschaft ausführlich verarbeitet haben, die Ergebnisse dieser Verarbeitung aber aus vielerlei Gründen nicht für ihre Einstellungsurteile nutzen. Entscheidend ist also sowohl bei der MMM als auch bei der Standard-Methode, dass a priori formulierte Hypothesen über eine Interaktion des Argumentenfaktors mit dem theoretisch interessierenden Faktor getestet werden. Dies bringt unsere Diskussion zu dem Punkt, dass es wünschenswert wäre, bessere Methoden zur Messung kognitiven Aufwands bei der Verarbeitung von inhaltlicher Information zu entwickeln. Mit der Standard-Methode teilt die MMM die Schwäche, aus Urteilen indirekt auf den investierten Verarbeitungsaufwand schließen zu müssen. Eine neue und von den Urteilen unabhängige Methode müsste wohl auf einem noch zu Mixed-Message Methode 27 entwickelnden Modell basieren, dass im Prozess der Informationsverarbeitung noch spezifischere Aspekte als bisher geschehen ausformuliert. Vernachlässigt man dazu zunächst den methodischen Aspekt von “gemischten Botschaften”, könnten vielleicht gezielte Variationen der Qualität einzelner in der Botschaft dargebotenen Argumente einen Beitrag zur Entwicklung eines solchen Modells leisten. Es ließe sich etwa die Frage untersuchen, wie einzelne Argumente zueinander in Beziehung gesetzt werden. Erb und Kollegen (2005) haben dazu aus der Perspektive des Unimodels zeigen können, dass ein eindeutig starkes oder schwaches Argument, wenn es zu Beginn der Persuasionsepisode dargeboten wurde, die Verarbeitung nachfolgender Argumente so verzerrt, wie es etwa in der “bias hypothesis” des HSM bisher nur der Wirkung von heuristischen Hinweisreizen zugeschrieben wurde. Darüber hinaus sind weitere Effekt denkbar, die mit Hilfe gemischter Botschaften untersucht werden können. Ist es möglich, dass Rezipienten nach der Verarbeitung eines besonders schwachen Arguments die weitere Verarbeitung abbrechen? Lassen sich Kontrast- und Assimilationseffekte auch zwischen Argumenten und nicht nur zwischen heuristischen Hinweisreizen und Argumenten finden, in dem Sinne, dass etwa starke Argumente im Kontext sonst schwacher Argumente besonders auf- oder abgewertet werden? Wie wirkt sich die Reihenfolge der Darbietung schwacher und starker Argumente auf die Urteile aus? Darüber hinaus ist klar, dass die Antworten auf solche Fragen nicht nur von hoher theoretischer sondern auch von hoher praktischer Relevanz sein können. Schließlich können sich durch die Verwendung der MMM auch Nachteile gegenüber der Standard-Methode ergeben. In der Standard-Methode beziehen sich zum Beispiel alle in den Gedankenlisten ("thought-listing") geäußerten Gedanken eindeutig auf eine schwache oder starke Botschaft. Folglich können korrelative Analysen zum Verhältnis zwischen Einstellungsurteilen und der Valenz der gelisteten Gedanken durchgeführt werden. Wie oben schon diskutiert, kann sich hohe Verarbeitungsintensität in einer hohen Korrelation zwischen diesen beiden abhängigen Variablen niederschlagen (z. B. Petty & Cacioppo, 1986). Eine solche Analyse ist mit der MMM nicht möglich, da sich die Gedankenliste einer einzelnen Vp sowohl auf schwache als auch auf Mixed-Message Methode 28 starke Argumente beziehen. Eine Lösung wäre, einzelne Gedanken zu den mit einem schwachen oder einem starken Argument belegten Aspekt der Botschaft zu analysieren, doch erwies sich dies aus zwei Gründen als impraktikabel. Erstens listen nicht alle Vpn zu beiden Aspekten Gedanken auf, so dass sich zahlreiche Ausfälle ergeben, die insbesondere die Reliabilität der gewünschten korrelativen Analysen reduzieren. Zweitens vermischen Vpn häufig in einzelnen aufgelisteten Gedanken verschiedene in der Botschaft angesprochene Aspekte, so dass es sehr schwierig, oft sogar unmöglich ist, Gedanken eindeutig einem Aspekt zuzuordnen (siehe hierzu auch Erb et al., 2005). Eine zweite mögliche Lösung liegt vielleicht darin, Rezipienten zu instruieren, ihre Gedanken spezifisch zu einzelnen Aspekten der Botschaft aufzulisten, doch liegen uns bisher dazu noch keine Erfahrungen vor. Die MMM ist deshalb nicht als Konkurrenz zur Standard-Methode zu sehen. Beide Methoden bieten Vor- und Nachteile und sollten je nach Fragestellung und zu erwartenden Effekten gezielt eingesetzt werden. Die durch eine MMM-konforme Botschaft operationalisierte Ambiguität der inhaltlichen Information erscheint vor allem dann vorteilhaft, wenn Effekte der heuristischen Hinweisreize untersucht und abgebildet werden sollen, da die Qualität der Argumente weder die Wahrnehmung des Kommunikators noch die Einstellungsurteile so stark beeinflussen kann, dass Effekte der Quelle auf die Einstellungsurteile nicht getestet werden können. Die Standard-Methode ist der MMM insbesondere dann überlegen, wenn es darum geht, die Relation zwischen Gedankenlisten und Einstellungsurteilen korrelativ zu untersuchen. Schließlich können auch beide Methoden parallel verwendet werden, um im Sinne eines "multimethod"-Ansatzes die empirische Basis von Hypothesentests zu verbreitern (Erb et al., 2002). Mixed-Message Methode 29 Literatur Bohner, G., Chaiken, S., & Hunyadi, P. (1994). The role of mood and message ambiguity in the interplay of heuristic and systematic processing. 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Mixed-Message Methode 32 Tabelle 1: Einstellung gegenüber dem "schwachen" und dem "starken" Aspekt der Botschaften zum "Tunnelbau" in Abhängigkeit von der Botschaftsversion Version der Botschaft Aspekt A B Anwohner 6.07 4.60 5.27 6.67 (A: stark, B: schwach) Wirtschaft (A: schwach, B: stark) Anmerkung: Höhere Werte repräsentieren größere Zustimmung, mögliche Variation von 1: ablehnend bis 9: zustimmend. N = 30. Mixed-Message Methode 33 Tabelle 2: Einstellung gegenüber dem "schwachen" und dem "starken" Aspekt der Botschaft in Abhängigkeit von der Konsensinformation in Erb et al. (1998, Experiment 1) Konsensinformation Aspekt niedrig hoch ohne schwach 5.58 6.30 5.37 6.05 7.30 7.16 (Wirtschaft) stark (Anwohner) Anmerkung: Anzahl der Fälle von links nach rechts: 19, 20, 20. Höhere Werte repräsentieren größere Zustimmung, mögliche Variation von 1: ablehnend bis 9: zustimmend. N = 59. Mixed-Message Methode 34 Tabelle 3: Einstellungen gegenüber dem “schwachen” und dem “starken”Aspekt der Botschaft und Einstellungsunterschiede als eine Funktion von Voreinstellungen und Konsens in Erb et al. (2002, Experiment 1) Voreinstellung contra moderat, unentschlossen Minderheit Mehrheit Minderheit Mehrheit Starker Aspekt 5.63 5.32 6.48 6.91 Schwacher Aspekt 3.50 4.32 4.44 3.71 Stark minus schwach 2.13 1.00 2.04 3.20 Anmerkung: Anzahl der Fälle von links nach rechts: 25, 25, 23, 21. Höhere Werte repräsentieren größere Zustimmung, mögliche Variation von 1: ablehnend bis 9: zustimmend. N = 94.
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