Betroffene sollen sich austauschen - Eff

Dienstag, 29. März 2016 / Nr. 72
Kanton/Stadt Zug
Neue Zuger Zeitung
21
Betroffene sollen sich austauschen
ZUG Essstörungen sind
komplex und haben oftmals
gesellschaftliche Hintergründe.
Für Betroffene und Angehörige
werden deshalb zwei neue
Selbsthilfegruppen lanciert.
INTERVIEW MONIKA WEGMANN
[email protected]
Es sind nicht nur junge Mädchen, die
wegen Essstörungen wie Magersucht
und Bulimie auffallen. Wie die Zuger
Kontaktstelle Selbsthilfe hinweist, sind
Frauen und inzwischen auch Männer
von Appetitstörungen betroffen. Das
Problem sei breiter und habe gesellschaftliche Hintergründe. Es gehe hier
um Familiensysteme, Konfliktvermeidung, Schuldgefühle und unsere Leistungs- und Überflussgesellschaft, aber
auch um Themen wie Sexualität und
Frausein. Aufklärung sei wichtig, um die
Nöte der Betroffenen wie auch der Angehörigen bewusst zu machen.
Ab April sind im Kanton Zug neu eine
Selbsthilfegruppe für Betroffene von
Essstörungen und eine Gruppe für Angehörige geplant. Speziell daran ist, dass
beide Gesprächsgruppen von einer Psy-
chologin geleitet werden. Ester Bättig,
Koordinatorin der Kontaktstelle Selbsthilfe des Zuger Fachzentrums Eff-Zett,
erläutert die Zielsetzungen.
Der Austausch hilft
Es gibt etwa 50 Selbsthilfegruppen.
Warum noch eine für Essstörungen?
Ester Bättig: Die Kontaktstelle Selbsthilfe
erhält immer wieder Anfragen von betroffenen Frauen und neuerdings auch
von Männern, die eine Selbsthilfegruppe
für den regelmässigen Erfahrungsaustausch suchen.
Warum nicht eine Therapiegruppe?
Bättig: Oft befinden sich Betroffene von
Essstörungen gleichzeitig in einer therapeutischen Einzelbegleitung. Die beiden
Gesprächsformen können sich ergänzen.
Es gibt auch Anfragen von Therapeutinnen, die für ihre Klientinnen begleitend
zur Einzeltherapie eine Selbsthilfegruppe
suchen. Therapeutische Gruppenangebote hingegen finden sich eher in Grossstädten mit breitem Einzugsgebiet.
Wer kann die Angebote nutzen?
Bättig: Angesprochen sind Frauen und
Männer jeden Alters, die an Essstörungen leiden beziehungsweise die als Angehörige, Bezugspersonen und Partner
überfordert sind im Umgang mit dem
Thema.
Welche Ziele streben Sie an?
Bättig: Die beiden Angebote haben verschiedene Ziele: Angehörige sollen in der
Schuldfrage und als Mitbeteiligte Entlastung finden und neue Handlungsmöglichkeiten erhalten. Die Betroffenen setzen sich mit ihrem Essverhalten auseinander und finden
Ermutigung für kleine
Lösungsschritte. Wir
hoffen, dass beide
Gruppen mittelfristig
ohne Fachleitung bestehen können.
Informationsveranstaltung für Interessierte. Ich werde die beiden Gesprächsangebote vorstellen, und die Psychologin steht
für Fragen bereit. Man kann unverbindlich
vorbeikommen, um sich für eine Teilnahme zu entscheiden. Einzige Voraussetzung
ist die Bereitschaft zur regelmässigen Teilnahme und sich aktiv
ins Gespräch einzubringen.
Wie oft erfolgen die
Treffen?
Bättig: Geplant sind
für beide Angebote
zweiwöchentliche Gesprächsabende zu je
anderthalb Stunden.
Je nach Bedürfnis der
Gruppe können sich
Rhythmus, Tag und
Zeit ändern. Da sind
wir flexibel.
Warum ist eine
Psychologin dabei?
Bättig: Das ist tatsächlich ein Novum, es
«Wir mussten
widerspricht auch
uns
etwas Neues
eigentlich den Regeln
einfallen lassen.»
der Selbsthilfegruppen. Aus Erfahrung
E ST E R B ÄTT I G ,
mussten wir uns beim
KO O R D I N ATO R I N
Thema Essstörungen
Kann sich jeder das
etwas Neues einfallen
Angebot leisten?
lassen. Wir erhoffen uns mit der mode- Bättig: Die Organisation läuft wie die der
rierten Gesprächsform eine bessere übrigen rund 50 Selbsthilfegruppen über
Unterstützung.
die Kontaktstelle. Die Kosten von 15 Franken pro Abend sind je nach Situation
Wie werden die Gruppen organisiert? durchaus verhandelbar.
Bättig: Sie funktionieren unabhängig voneinander und starten gleichentags, aber
Ermöglicht der Austausch unter Betroffenen eine positive Veränderung?
zeitlich verschoben mit je einer offenen
Geleitete Gruppen
ZUG mw. Die Kontaktstelle Selbsthilfe
des Zuger Fachzentrums Eff-Zett
plant zwei fachgeleitete Gesprächsgruppen: eine für Betroffene von
Essstörungen und eine für deren
Angehörige. Die Informationsveranstaltungen finden am Mittwoch,
6. April, in der Kontaktstelle, Tirolerweg 8 in Zug, statt: um 18 Uhr
für Angehörige, um 19.45 Uhr für
Betroffene. Auskunft unter Telefon
041 725 26 15, www.eff-zett.ch.
" Spielsucht: Auch hier ist eine
neue Selbsthilfegruppe geplant,
Informationen erteilt die Fachstelle.
" Am 21. Mai findet ein nationaler Tag der Selbsthilfe statt. Auch
in Zug ist eine Aktion geplant.
Bättig: Das Leiden an einer körperlichen
oder psychischen Belastung kann sehr
einsam machen. Im vertraulichen Gespräch untereinander können offene Fragen geklärt werden, und man findet
Gehör. Eine Selbsthilfegruppe stärkt den
Einzelnen und baut auf die vorhandenen
Ressourcen. Es kann dort auch einmal
lustig zu- und hergehen.
Auch GGR soll die
Elektronik nutzen
CVP nominiert
Aldo Elsener
ABSTIMMUNGSANLAGE kk. Wütend stapfte Jürg Messmer (SVP) am
letzten Dienstag aus der Sitzung des
Grossen Gemeinderats der Stadt Zug
(GGR). «Ich werde eine Motion einreichen, dass auch der GGR die elektronische Abstimmungsanlage brauchen kann, die bald installiert wird»,
sagte er. Grund für Messmers Ärger
war das vorherige Abstimmungschaos
mit einer Wiederholung und einem
Stichentscheid der Präsidentin. Und
der SVP-Politiker hat Wort gehalten
und sein Begehren Ende letzter Woche
eingereicht.
VERWALTUNGSGERICHT red. Die
CVP des Kantons Zug hat anlässlich
der Delegiertenversammlung vom
23. März Aldo Elsener (Bild) als Nachfolger für den zurücktretenden Peter
Bellwald nominiert. Nach über 35
Jahren engagierter
Tätigkeit in der Zuger Justiz tritt dieser per 31. Oktober
altershalber zurück. Die notwendige Ergänzungswahl für den jetzt
frei werdenden Sitz
am Zuger Verwaltungsgericht für den
Rest der Amtsperiode bis 2018 ist auf
den 5. Juni anberaumt. Aldo Elsener
wurde auf Vorschlag der Stadtpartei
von den Delegierten der CVP des
Kantons Zug einstimmig nominiert.
Günstiger als budgetiert
Ob Kantonsrat oder GGR: Meist sind
die Abstimmungen in den beiden
Parlamenten deutlich. Nur bei wenigen
Geschäften wird es stimmenmässig
eng. Knappe Resultate sind darum
nicht der Hauptgrund, warum der
Kantonsrat schon bald eine elektronische Abstimmungsanlage erhalten soll.
Vielmehr geht es um die volle Transparenz, die die Anlage bringen wird.
Die vorberatende Kommission hat
sich, wie dem brandaktuellen Bericht
zu entnehmen ist, mit 10 zu 4 Stimmen
für den Objektkredit von 300 000 Franken ausgesprochen. Die Offerten liegen
allerdings zwischen 120 000 bis 180 000
Franken. Der Grund für die relativ
geringen Kosten für die Ausrüstung
von 83 Sitzplätzen liegt daran, dass bei
der Sanierung des Kantonsratssaals
nach dem Attentat bereits zahlreiche
Vorarbeiten gemacht worden sind.
N
eulich im Fernsehen: ein chinesischer Markt voller Einheimischer.
Auf Grillrosten werden Katzen und
Timon Egger (16),
Steinhausen
Kakerlaken knusprig gebraten. Ein
kleinwüchsiger Mann greift in eine der
heissen Pfannen und schnappt sich
Bürger von Menzingen
Frühlingsgefühle im Bauch
Diese Mädchen sind Beweis genug – jetzt ist fertig mit Winter. Gestern lockte
die Osterchilbi am Zuger Seeufer viele Besucher an, die bei strahlendem SonnenBild Stefan Keiser
schein viel Spass an den zahlreichen Bahnen und Ständen hatten.
Gorgonzola oder Kakerlaken?
eine krosse Kakerlake. Knackende Geräusche und ein «Mmh» entweicht aus
seinem Mund. Ich schaudere, schalte
den Fernseher aus und frage mich:
Warum essen gewisse Menschen solche
Speisen, und warum ekeln sich andere davor?
Mögen Sie einen würzigen Roquefort
oder Gorgonzola? Haben Sie schon
einmal Lyoner gekostet? Roquefort und
Gorgonzola sind Käsesorten, von einem
Schimmel adernartig durchzogen, der
den starken Käsegeruch prägt. Beim
Lyoner werden Schweine- und Rindsabfälle in Rindsdärme gefüllt. Normalerweise verzehrt man die Wurst roh.
Gorgonzola und Lyoner ekeln Sie
wahrscheinlich nicht. Wir Europäer
sind solche Nahrungsmittel einfach
gewohnt. Von klein auf haben wir sie
U 20
immer gegessen. Denken Sie während des Essens an die Herstellung
oder die Herkunft? Wohl kaum. Der
Mensch ignoriert Dinge, die er immer
wieder gesehen hat. Wenn Kakerlaken
auf der Zunge eines Chinesen zergehen, dann verspürt nur jener
Mensch Ekel, der solches Essen nicht
gewohnt ist.
Das Auge spielt eine zentrale Rolle,
ob wir etwas beim Essen verlockend
oder abstossend finden. Unser Auge
beschützt uns vor giftiger Nahrung, und
es hat meistens Recht. Viele Insekten
sind giftig und sollten nicht gegessen
werden. Kakerlaken gehören nicht
dazu. Viele Schimmelarten sind giftig,
nicht so derjenige in Gorgonzola oder
Roquefort. Rohe Rindsdärme würden
wir wahrscheinlich nicht essen, wenn
sie nicht verarbeitet worden wären.
Vieles ist also eine Sache der Gewohnheit. Wenn man einem Chinesen ein
Elsener ist 1959 geboren, Bürger
von Menzingen und wohnhaft in
Zug. Er wirkt am Zuger Verwaltungsgericht seit 1988 als Gerichtsschreiber und seit 1997 als Generalsekretär. In dieser Funktion ist er nebst
der Verfahrensleitung und der Erarbeitung von Gerichtsurteilen auch
mit administrativen Führungsaufgaben betraut. In den Jahren 2009
und 2010 absolvierte er an der
Schweizerischen Richterakademie
den Zertifikatslehrgang Judikative
und schloss diese universitäre Weiterbildung mit dem Diplom ab.
Stückchen eines Gorgonzolas anbietet,
dann würde er dieses wahrscheinlich
so angewidert ablehnen wie ein Europäer die Kakerlaken. Wer viel in der
Welt umherreist, bekommt immer wieder Mahlzeiten serviert, ohne zu wissen,
was sie enthalten. Was für ein Glück,
dass er nicht weiss, ob er vielleicht
Hunde, Katzen oder Schlangen verzehrt!
HINWEIS
In der Kolumne U 20 äussern sich die Autoren zu
von ihnen frei gewählten Themen. Ihre Meinung
muss nicht mit derjenigen der Redaktion
übereinstimmen.