Donnerstag, 5. November 2015 Gewerbe pöschtli 12 110 Jahre Gastfreundschaft: Ohne Café «Gyger» wäre Thusis nicht Thusis Das Café «Gyger» in Thusis ist zurzeit geschlossen: Grosse Renovationsarbeiten standen an. Die Einwohner bekommen das zu spüren; es fehlt etwas im Dorf. Das Warten hat aber Ende November ein Ende. Dann wird der 110-jährige Traditionsbetrieb neu eröffnet. ■ Von Albert Pitschi Vergangene Zeiten: Blick ins Café «Gyger», wie es sich im letzten Jahrhundert präsentierte. Die Geschichte des Gastwirtschaftsbetriebs «Gyger» besteht aus einer Folge von immer wieder grossen Investitionen und Erneuerungen. Dies kann einer Zusammenfassung der Geschehnisse entnommen werden, die der frühere Besitzer Jürg Marguth im Jahr 1998 erstellt hat. Fünferstückli und Brissagos Darin erwähnt Jürg Marguth, dass das im Jahr 1870 erbaute Haus an der Neudorfstrasse im Jahr 1905 von Georg und Ursulina Gyger-Dönier käuflich erworben wurde. Sie errichteten darin eine Konditorei und eine Gaststätte und verkauften «Fünfer- und Zehnerstückli, Wein, Bier, Schnaps und Brissagos, alles im gleichen Lokal», schreibt Marguth und fügt hinzu: «Die Backstube, in welcher zweimal wöchentlich gebacken wurde, mass nur gerade zehn Quadratmeter.» Schon bald konnte die Liegenschaft jedoch durch den Kauf des angebauten Restaurants «Rätus» von den damaligen Rhätischen Aktienbrauereien erweitert werden. Zum Grundstück gehörte auch ein Schweinestall – er ist schon lange verschwunden. Der Betrieb expandierte weiter, konnte doch das Sommerrestaurant «Rosenbühl» am südlichen Dorf- eingang übernommen werden. Dieser Geschäftszweig wurde später wieder verkauft; die Konditorenfamilie konzentrierte sich auf den Hauptbetrieb an der Neudorfstrasse. Dort konnte 1943 eine weitere Liegenschaft (samt Kuh- und Pferdestall) erworben wer- Die Confiserie in früheren Zeiten. den, was der Familie 1946 einen grosszügigen Um- und Neubau der Lokalitäten ermöglichte: Davon gibt heute jedoch nur noch das Arvenstübli ein sichtbares Zeugnis. San-Bernardino-Tunneleröffnung als einschneidendes Ereignis In seiner Chronik schreibt Jürg Marguth weiter, dass die nächste Erneuerung des Cafés 1963 erfolgte. Damals war der San-Bernardino-Tunnel bereits im Bau, und es war absehbar, dass sich nach seiner Eröffnung 1967 das Verkehrsaufkommen auch im Dorf Thusis vervielfachen würde. Für den Gästeansturm wollte man mit einem guten Angebot gewappnet sein. Während Jahrzehnten wurde nun Thusis zum Etappenhalt für Reisende in den Süden und zurück nach Hause – und zum Halt gehörte die Einkehr im Café «Gyger», dessen Name bald fast in der ganzen Schweiz bekannt wurde. «A guata Wirt und Zuckarbeck» 1980 war Armin Gyger senior Besitzer des Cafés «Gyger», und er feierte mit Stolz das 75-jährige Bestehen des Familienbetriebs, zum Beispiel mit einem Gedicht, in dem es heisst: «Als guata Wirt und Zuckarbeck han y zum feina Schlückli dia allarbeschta Stückli.» Das Besitzerpaar Armin und Menga Gyger-Bünzli zog sich Ende der Achtzigerjahre aus dem Berufsleben zurück. Dabei entstand ein Nachfolgeproblem; der Sohn Armin Gyger «buk» andere Zukunftspläne. Gelöst wurde die Nachfolgefrage dadurch, dass der Betrieb von einem Enkel des Firmengründers Georg Gyger, Jürg Marguth, und seiner Frau Babina käuflich erworben wurde. «Im Jahr Donnerstag, 5. November 2015 Gewerbe Das Café «Gyger» in Thusis wird zurzeit umgebaut. 1988, nach einem grossen Umbau, eröffneten die neuen Besitzer mit viel Elan die neuen Räumlichkeiten», schreibt Jürg Marguth. «Das Café wurde sehr gut frequentiert, und eine Erneuerung folgte der andern.» Die junge Generation Zehn Jahre später, 1998, kam es zu einem weiteren Generationenwechsel: Andri, der Sohn von Jürg und Babina Marguth, hatte den Beruf des Konditor/Confiseurs erlernt und mit Sandra Della Cà eine Fachfrau der Gastronomie und Hotellerie geheiratet. Somit übernahmen die beiden am 21. November 1998 den Betrieb käuflich und unter besten Voraussetzungen – nicht ohne vorher gross zügig erneuert zu haben. Bereits sind seither wieder 17 Jahre verstri chen, eine Zeit der Umwälzungen und Her ausforderungen. Die Umfahrungsstrasse von Thusis hatte zur Folge, dass weniger Reisen de hier ihren Etappenhalt einplanten. Also pöschtli 13 Bild Albert Pitschi brauchte es gute Ideen für eine erfolgreiche Zukunft. So wurde in die Qualität der Produk te investiert. Ein Zeichen dafür, wie gut dies gelang, sind die immer wieder hervorragen den Abschlüsse der ausgebildeten Lernen den. Eine der Confiseurinnen, Jolanda Stgier, durfte im Jahr 2009 sogar an den Berufs Weltmeisterschaften in Calgary teilnehmen. Andri Marguth nahm dies als Gelegenheit, die ganze Belegschaft auf eine Reise an die Weltmeisterschaft einzuladen. Übernachten im B&B Eine weitere grosse Investition war die Ein richtung eines eigentlichen Hotelbetriebs als B&B. Zu vernünftigen Preisen und trotzdem komfortabel können hier seit dem Jahr 2007 nun Gäste empfangen werden. Man setzt da rauf, dass die Lage von Thusis mit der Mög lichkeit, Ausflüge in alle Richtungen zu unter nehmen, auch für Feriengäste interessant ist. Dies in einer Zeit, in der andere Hotelbetrie be im Dorf geschlossen wurden. Auch auf neue Bedürfnisse und Essgewohnheiten re agierte man im Café und Restaurantbetrieb: Getränke und kleine Menüs gibt es seit einem Jahr auch zum Mitnehmen. Zum 110JahrJubiläum haben sich Andri und Sandra Marguth nun zu einem erneuten grossen Umbau entschlossen, welcher von der Innenarchitekturfirma Emulsion in Sils i. D. erarbeitet und umgesetzt wird. Die Gäs te dürfen sich auf die Neueröffnung Ende No vember freuen. ■ DIE GASTGEBER DER LETZTEN 110 JAHRE IM CAFÉ GYGER • 1905 bis 1943: Georg und Ursulina Gyger-Dönier • 1943 bis 1988: Armin und Menga Gyger-Bünzli • ab 1963: zusammen mit Armin Gyger junior • 1988 bis 1998: Jürg und Babina Marguth-Marguth • seit 1998: Andri und Sandra Marguth-Della Cà Blick ins gemütliche Arvenstübli. Archivbilder zVg
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