Predigt vom 31. Januar 2016

Predigt
13.1.2016
über
1. Mose 9, 11-17
Prädikant Rainer Rudl
Liebe Gemeinde,
wenn man etwas nicht vergessen möchte, was dringend zu erledigen ist, sollte man sich etwas
passendes einfallen lassen. Da hat so jeder sein eigenes System – z.B. schlicht und einfach
oder high tech elektronisch.
In diesem Zusammenhang kennen auf jeden Fall die Älteren von uns die Redewendung und
die Praxis „sich einen Knoten ins Taschentuch zu machen“. Voraussetzung dafür ist natürlich,
dass man auch im Zeitalter von Tempo überhaupt noch ein Stofftaschentuch hat und es täglich
bei sich trägt.
„Sich einen Knoten ins Taschentuch zu machen“ bedeutet: sich eine Gedächtnisstütze
machen, damit man später etwas Wichtiges nicht vergisst.
Solch eine Gedächtnisstütze hat sich selbst auch Gott gemacht. Gott hat sich etwas sehr
wichtiges vorgenommen und Gott will dieses Wichtige absolut nicht vergessen.
Und das wiederum ist sehr wichtig für uns Menschen. Das ist sehr gut für uns Menschen.
Diese Gedächtnisstütze Gottes kommt direkt auf den ersten Seiten und in den ersten Kapiteln
der Bibel vor.
Diese Gedächtnisstütze Gottes taucht auf am Ende der dramatischen und erschreckenden
Geschichte der Sintflut und der zugleich beeindruckenden Glaubensgeschichte von Noah und
seiner Familie. Wir können das lesen im 1. Buch Mose in den Kapiteln 6-9.
Diese Gedächtnisstütze Gottes steht im 1.Mose 9, 11-17.
Das ist die biblische Grundlage für diese Predigt.
Da spricht Gott zu Noah und auch zu uns:
Und ich richte meinen Bund mit euch auf, damit niemals mehr alles, was lebt, durch die
Wasser der Sintflut vertilgt wird und nie mehr eine Sintflut kommt, um die Erde zu verderben.
1
Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allen
lebendigen Seelen bei euch auf ewige Zeiten.
Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen des Bundes zwischen mir
und der Erde sein.
Und wenn es kommt, dass ich Wolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen in den
Wolken sehen.
Dann will ich an meinen Bund zwischen mir und euch und allen Seelen unter allem
Lebendigen denken, damit nie mehr die Wasser zu einer Sintflut werden, um alles Lebende zu
verderben.
Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, damit ich ihn sehe und denke an den ewigen
Bund zwischen mir und allen lebendigen Seelen unter allem Lebenden, das auf Erden ist.
Der Bogen im Himmel sei das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allem
Lebendigen auf Erden aufgerichtet habe.“
Liebe Gemeinde,
ich freue mich immer sehr, wenn ich einen Regenbogen am Himmel sehe. Sobald es regnet
und gleichzeitig die Sonne scheint, halte ich Ausschau, ob ich am Himmel einen Regenbogen
sehe.
Das ist zum einen ein traumhaft schönes Naturphänomen – der Regenbogen mit seinen
Regenbogen-Farben, manchmal ein doppelter Regenbogen. Es sieht meistens so aus, als ob
der Regenbogen den Himmel mit der Erde verbindet.
Das ist zum anderen für mich aber immer ein traumhaft schönes himmlisch-irdisches Zeichen
für die Botschaft der Bibel, für die Botschaft Gottes: Gott hat einen Bund mit uns Menschen
geschlossen. Gott hält diesen Bund ein. Gott ist und bleibt uns Menschen treu. Gott steht zu
uns. Gott hält ans uns fest.
Der Regenbogen erinnert uns an die unendlich Liebe und Treue Gottes zu uns Menschen.
Aber der Bibeltext drückt aus, dass der Regenbogen zuallererst ein Zeichen für Gott selbst ist,
ein Erinnerungszeichen für Gott selbst ist, eine Gedächtnisstütze für Gott selbst ist.
Gott selbst hat das so gesagt. Wir lesen im Vers 16:
„Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, damit ich ihn sehe und denke an den ewigen
Bund zwischen mir und allen lebendigen Seelen unter allem Lebenden, das auf Erden ist.“
2
Wenn ich Gott den Regenbogen sehe, will ich an meinen Bund mit Euch denken, dass ab jetzt
keine Sintflut mehr kommt, die alles Leben zerstört, dass ab jetzt keine Vernichtung mehr
kommt, die alles Leben zerstört.
Gott stellt den Regenbogen an den Himmel.
Gott sieht den Regenbogen und denkt an seinen neuen ewigen Bund mit den Menschen.
Gott steht zu seinem neuen ewigen Bund, egal was die Menschen immer wieder neu
verbocken und verbrechen.
Immer wieder muss Gott und wird sich Gott ärgern über katastrophale Zustände in der Welt,
die nicht vom Himmel fallen, sondern von Menschen verursacht werden. Gott leidet, wenn
Kinder verhungern. Gott leidet, wenn Kriege geführt werden, Menschen getötet werden und
Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen. Gott leidet, wenn immer weiter mit seiner
Schöpfung Raubbau getrieben wird.
Aber Gott sieht auf den Regenbogen und denkt an seinen neuen ewigen Bund mit den
Menschen.
Immer wieder muss Gott und wird sich Gott ärgern über die Zustände in seiner Kirche, über
die Zustände in seiner Gemeinde. Gott leidet, wenn seine Kirche und Gemeinde so wenig
begriffen hat von seiner unendlich tiefen Liebe, die allen Menschen gilt. Gott leidet, wenn
seine Kirche und Gemeinde so wenig Licht und Wärme ausstrahlt in ihre Umwelt und in
unsere Gesellschaft.
Aber Gott sieht auf den Regenbogen und denkt an seinen neuen ewigen Bund mit den
Menschen.
Immer wieder muss Gott und wird sich Gott ärgern über die Zustände in meinem Leben, in
unserem Leben. Gott leidet, wenn wir ihm keinen oder nur wenig Zeit und Raum in unserem
Leben einräumen. Gott leidet, wenn unsere Gedanken, unsere Worte, unser Verhalten nicht
seine Liebe widerspiegeln, die immer mehr unser Leben erfüllen und durchdringen sollte.
Aber Gott sieht auf den Regenbogen und denkt an seinen neuen ewigen Bund mit den
Menschen, an seinen neuen ewigen Bund mit mir und Dir.
Gott hat genügend Gründe, sich immer wieder neu zu ärgern und enttäuscht und zornig zu
sein über die Zustände in seiner Welt, in seiner Kirche und Gemeinde und in meinem und
unserem Leben.
3
Aber Gott hat sich entschieden und festgelegt. Im Bild gesprochen und mit den Worten der
Bibel gesprochen: Gott lässt keine neue Sintflut kommen – nicht über seine Welt, nicht über
seine Kirche und Gemeinde, nicht über unserem Leben.
„Ich will den Regenbogen ansehen“, sagt Gott „und an meinen ewigen Bund, den ich für
immer geschlossen habe. „Mein Bund steht und meine Treue gilt – für die ganze Welt und für
jeden einzelnen Menschen.“
Das dürfen wir hören. Das dürfen wir glauben. Das dürfen wir in unserem Leben annehmen
und aufnehmen. Das haben wir in unserem Leben erfahren und das dürfen wir immer wieder
neu in unserem Leben erfahren.
Und wir können einstimmen in die Glaubenserfahrung des Psalmbeters, die wir heute schon
gehört haben:
„Du aber, Herr, Gott, bist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue“
(Psalm 86,15)
Dieses Bibelwort trägt mich ganz persönlich in diesem Jahr seit 40 Jahren.
Ein paar Verse vorher steht das Bibelwort, das im Jahr 1976 die Jahreslosung gewesen ist.
„Weise mir, Herr, Deinen Weg!“ Im Februar 1976, also bald vor 40 Jahren, gab es einen
Gottesdienst des CVJM-Kreisverbandes Duisburg in der Duisburger Salvatorkirche. Die
Predigt des damaligen Kreisvorsitzenden Uwe Hebisch über die Jahreslosung „Weise mir,
Herr, Deinen Weg!“ hat mich so tief angesprochen, dass ich dieses Psalmgebet zu meinem
persönlichen Gebet gemacht habe und es immer wieder gebetet habe.
Und Gott hat auf diese Gebete reagiert und mir seine Wege für mich gezeigt, die ich dann
auch gegangen bin – z.B. direkt 1976 zum ersten Christival nach Essen, direkt 1976 in die
Leitung einer Jungenschaft im CVJM-Brückel in Duisburg-Meiderich und mit dieser
Jungenschaft direkt 1976 zum ersten Mal ins CVJM-Camp nach Michelstadt. Dort in
Michelstadt kam es dann 1976 auch zu meiner ersten Begegnung mit der APO und dem
Tackenberg, weil Herbert Großarth mit Jungen der APO auch dort war.
Dieses Bibelwort „Weise mir, Herr, Deinen Weg“ und dieses Jahr 1976 waren für mich
lebensentscheidend. 1979 führte Gottes Weg für mein Leben mich dann als Zivi in die APO,
1981 zum Kirchentag nach Hamburg, auf dem ich Babsie kennen gelernt habe, 1985 in den
hauptamtlichen Verkündigungsdienst beim CVJM, 1995 und 1998 nach Thailand zu
Benjamin und Lea und auch zum Sarnelli-Haus und schließlich 2004 zum Neukirchener
Erziehungsverein.
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Gott hat für mich in beeindruckender Weise auf mein Gebet „Weise mir, Herr, Deinen Weg“
reagiert und mich wunderbare Wege geführt, für die ich dankbar bin.
Aber in den zurückliegenden 40 Jahren bin ich auch Wege gegangen, die Gott mir nicht
gezeigt hat, die alles andere als gute Wege gewesen sind und die Gott enttäuscht haben, die
Gott zornig gemacht haben, unter denen Gott gelitten hat. Unzählige Male bin ich auf diesen
Wegen schuldig geworden an Gott und an Menschen in meinen Gedanken, mit meinen
Worten, durch mein Verhalten, durch das, was ich getan habe und durch das, was ich nicht
getan habe.
Und genau auf diesen unguten und holprigen Wegstrecken meines Weges mit Gott habe ich
immer wieder neu die tiefe Glaubenserfahrung gemacht, die auch aus den Worten des
Psalmbeters herausspricht:
„Du aber, Herr, Gott, bist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue“
(Psalm 86,15)
Genauso erlebe ich Gott auf meinem 40jährigen Weg mit ihm – als einen barmherzigen Gott,
als einen gnädigen Gott, als einen geduldigen Gott, als einen treuen Gott, als einen Gott von
großer Güte.
Und daran werde ich auch jedes Mal neu erinnert, wenn ich einen Regenbogen sehe – dass
Gott mir ganz persönlich barmherzig, gnädig und geduldig ist und dass Gottes große Güte und
Treue mir ganz persönlich gilt.
Und der Regenbogen erinnert mich daran, dass Gott sich selbst für sich diesen Regenbogen
als Erinnerungszeichen an den Himmel gesetzt hat, dass er ihn sieht und an seinen neuen
ewigen Bund mit den Menschen denkt.
Der Regenbogen ist aber nur der eine Knoten, den Gott sich gemacht hat, das eine Zeichen,
das Gott sich selbst als Erinnerung gesetzt hat.
Das Zeichen des Kreuzes ist noch stärker, noch eindrucksvoller, noch aussagekräftiger als das
Zeichen des Regenbogens.
Beim Zeichen des Kreuzes erinnert sich Gott nicht nur an seinen neuen ewigen Bund mit
seinen Menschen.
Das Zeichen des Kreuzes steht für das sintflutartige Leiden und Sterben des Gottessohnes.
Gott gibt alles, Gott gibt das Letzte, Gott gibt sich selbst hin – für seinen neuen ewigen Bund
mit seinen Menschen.
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Jesus formuliert das beim letzten Abendmahl mit seinen Freunden so:
„Trinkt alle aus dem Kelch, das ist mein Blut des neuen Bundes, das vergossen wird zur
Vergebung der Sünden.“
Gott blickt auf das Zeichen des Kreuzes. Gott blickt uns durch das Zeichen des Kreuzes an.
Das ist Gottes Brille, durch die er auf unser Scheitern und Versagen, auf unsere Versäumnisse
und all unsere Schuld schaut.
Das Zeichen des Kreuzes ist das Zeichen der grenzenlosen, unendlichen Liebe Gottes zu uns,
die immer gilt, egal was vorgefallen ist und noch vorfallen wird in unserem Leben.
Wenn wir das begreifen, wenn wir das tief in unserem Glauben aufnehmen, dann können wir
befreit durchatmen, dann können wir aufatmen und frei sein, dann können wir erlöst und
befreit leben.
Dazu lädt uns der menschgewordene Gott, der gekreuzigte und auferstandene Jesus ein:
„Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!“
Der Theologe Jörg Zink hat das so übersetzt: „Aufatmen sollt ihr und frei sein!“
Wir können es aufatmend und befreit so singen:
Gottes Liebe trägt mich, festigt und erhebt mich. Sie ist wie ein Felsen, auf dem ich sicher
steh. Gottes Liebe stärkt mich, sie ist sanft und zärtlich.
Ich kann es kaum fassen, sie wird nie vergehn.
Ich kann es kaum fassen, sie wird nie vergehn.
Amen
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