Oberallgäu - Kultur 38 NUMMER 147 Eine Messe voll Fantasie und Fröhlichkeit DIENSTAG, 30. JUNI 2015 Von Träumen und der Ernüchterung Klassik in Sankt Michael in Sonthofen „Grenzklang“ im Kleinwalsertal VON KLAUS SCHMIDT VON KLAUS SCHMIDT Sonthofen Er prägte die klassische Sinfonie und das Streichquartett, die Klaviersonate und das Klaviertrio, doch Joseph Haydn war vor allem stolz auf seine späten Messen. Warum, das verdeutlichte der SanktMichael-Chor beeindruckend bei seinem jüngsten Konzert in der Sonthofer Stadtpfarrkirche. Dort gelang dem Laienensemble unter der Leitung von Heinrich Liebherr eine frische und farbeneiche Aufführung der Theresienmesse von 1799. Sie offenbarte, mit wieviel Fantasie Joseph Haydn hier den traditionellen Text der römisch-katolischen Liturgie ausdeutet. Jeder der sechs Sätze überrascht: durch die formale Gestaltung, durch die kunstvolle Verarbeitung, durch die gedankliche Tiefe. Im Zentrum steht für Haydn die Frohe Botschaft Jesu. So findet jeder Satz letztendlich zu geradezu ansteckender Fröhlichkeit und Unbeschwertheit. Außerordentlich kühn wirkt zum Beispiel die Entwicklung des letzten Satzes, des „Agnus Dei“, das an den Opfertod Jesu am Kreuz erinnert. Durch sein Leiden nimmt der Gottessohn nach christlichem Glauben die Sünden der Welt auf sich. Das Gebet der Gläubigen, sich ihrer zu erbarmen, gleicht einem verzweifelten Aufschrei. Düstere, dramatisch aufgeladene und harmonisch aufgeraute Klänge haben es eröffnet. Sie schildern die bedrückende Sündenlast der Menschen ebenso wie das schmerzvolle Opfer Jesu. Aus dieser Niedergeschlagenheit führt der feste Glaube: Die Bitte an Gott, Frieden zu schenken, die den Satz beschließt, verdrängt hier alle düsteren Gedanken. Sie weitet sich zu einem ausgedehnten Jubel, der keinen Zweifel kennt. Solch seelische Entwicklung zeichnet der Chor fein abgestuft und stets ausdrucksvoll nach. Er ist die Stütze dieser Aufführung. Aber auch die vier Solisten, die in dieser Messe stark gefordert sind, zeigen sich von ihrer besten Seite: Sopranistin Brigitte Neve und Bass Michael Hanel beeindrucken mit dem warmem Klang ihrer Stimmen und der wunderbaren Ausgestaltung ihrer Partien, Altistin Gabi Nast-Kolb und Tenor Bernd Neve ergänzen das Solistenquartett charaktervoll und ausdrucksreich. Die Orchestervereinigung Oberallgäu ist in dieser Messe zudem mehr als ein solider Begleiter der Sänger. Markant setzt sie Akzente, lotet die bildhafte Kraft der Komposition lustvoll aus. Hier scheint das Laienensemble, verstärkt durch einige Profis, ganz in seinem Element. Etwas schwerer fällt ihm der Zugang zu Georg Christoph Wagenseils Posaunenkonzert in Es-Dur. Dort prägt vor allem der Solist die Interpretation. Harald Bschorr, Soloposaunist der Staatsphilharmonie Nürnberg, setzt auf einen weichen, fein abgestuften Klang seines Instruments. Damit trifft er besonders schön den pastoralen Charakter des ersten Satzes, des Adagios. Und er verleiht dem munteren zweiten Satz, dem Allegro assai, Eleganz. Vor allem aber die klangschöne „Air“ von Bach als Zugabe erntet starken Beifall der über dreihundert Zuhörer – ebenso wie Joseph Haydns meisterhafte Messe. Hirschegg Nüchternes droht immer mehr die Welt zu erobern: Technik, Räume, Atmosphäre. Wo bleiben da die Träume? „Fahre nach den Sterne, Junge“, empfiehlt daher Robert Schneider: „Vielleicht, dass wir den hellsten nicht erreichen, aber greifen werden wir nach ihm.“ Diese Gedichtzeilen des Vorarlberger Schriftstellers hat der russisch-spanische Komponist Wladimir Rosinskij eindringlich in Töne gefasst. Uraufgeführt vom Ensemble „Grenzklang“ ernteten sie jetzt im Hirschegger Walserhaus Beifall. Dass zeitgenössische Musik im Kleinwalsertal ihre Premiere erlebt, ist in diesem Fall Sabine Winter zu verdanken. Die Sopranistin, die im Tal aufgewachsen ist und in Feldkirch lebt, hat zwei Gedichte von Robert Schneider für ihr neugegründetes Ensemble „Grenzklang“ von Wladimir Rosinskij vertonen lassen. Der hat der Sängerin die Partie gleichsam in die Kehle geschrieben: Hoch expressiv, durchaus Grenzen auslotend, aber immer wieder das wunderbar warme, weiche, jugendlich frische Timbre ihrer Stimme nutzend. Selbstbewusst eigenständig werden dazu die zwei Instrumente Klarinette und Klavier geführt, die den Text meist akzentuiert zusätzlich ausdeuten. Doch auch anderes scheint an diesem Abend wie für Sabine Winter geschaffen: etwa die „Sechs deutschen Lieder op. 103“ des Frühromantikers Louis Spohr (1784 - 1859). Sie lässt Sabine Winter als kleine musikalische Kostbarkeiten facettenreich funkeln. Da ist jede Phrase dieser kleinen Seelenspiegel zwischen Hoffen und Bangen durchdacht gestaltet, tief empfunden gedeutet, stimmschön geformt. Mit der Sängerin wetteifert an diesem Abend die Klarinette, von Sandra Schmid gespielt. Im Andante aus den Tanzpräludien von Witold Lutosłlawski etwa schmeichelt sie betörend den Ohren, stimmt einen fast sirenengleichen Gesang an, zwischen zarter Schwermut und sinnlicher Verführungskunst, während das Klavier, gespielt von Susanne Bolt, immer wieder für den widerborstigen Kontrapunkt sorgt. Er erdet gleichsam die Höhenflüge des Blasinstrumentes, sorgt dafür, dass sich der Hörer nicht zu sehr in Träumen verliert. Doch Träume sind wichtig, das legt Robert Schneider den etwa 50 Zuhörern auch noch mit weiteren Texten ans Herz, die er an diesem Abend vorträgt. Sie beschwören virtuelle Welten, die immer mehr unseren Alltag dominieren, uns zwar Traumwelten vorgaukeln, aber auch sehr schnell wieder für Ernüchterung sorgen können. Kultur-Notizen SONTHOFEN-BINSWANGEN Buntes Programm mit Dorfmusik und Trachtlern Die Dorfmusik Berghofen gibt am Dienstag, 30. Juni, ein Standkonzert in Binswangen bei Sonthofen. Das vielseitige Programm beginnt um 19.30 Uhr und findet nur bei trockenem Wetter statt. In den Pausen gibt es Plattlereinlagen der Jugendgruppe des Trachtenvereins Edelweiß Sonthofen. (pm) Grüne Kost für ein gekröntes Haupt: Der Meisterkoch, gespielt von Antonia Müller (links), bereitet die Geburtstagssuppe vor. An der Oberstdorfer Musikschule wird eifrig geprobt für das neue Steinzeit-Musical „Ein Fest für König Gugubo“ von Martina Noichl und Stefan Heidweiler. Am Samstag ist Premiere. Foto: Katharina Schwendinger König Gugubo feiert Geburtstag, und Miesepit will das Fest verderben Kindermusical Oberstdorfer Musikschüler tauchen in die Welt der Steinzeit ein. Seit September proben sie für die aufwendige Produktion des Bühnenstücks. Am Samstag ist Premiere VON KATHARINA SCHWENDINGER Oberstdorf Wildes Geschrei auf der Bühne. Ein halbes Dutzend „Tschugs“ stürzen mit ihren Speeren aus Pappmaché nach vorne. Die „Schlabbersalatkindern“ singen den Schlabbersong, während Meisterkoch alias Antonia Müller (10) eine grasgrüne Suppe für das Geburtstagsessen des Königs in einer Riesenschüssel anrührt. „Der Schluss ist zu lang“, unterbricht Regisseurin Martina Noichl die Probe und klatscht in die Hände. „Das machen wir gleich nochmal.“ Die Oberstdorfer Musiklehrerin und Harfenistin befindet sich inmitten der heiße Phase für ihr neues Steinzeitmusical „Ein Fest für König Gugubo“, das am Samstag, 4. Juli, um 18 Uhr im Rahmen des 40-jährigen Bestehens der Oberstdorfer Musikschule seine Premiere im Oberstdorf-Haus feiert. Gut 50 Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind an diesem Projekt beteiligt. Es wird gesungen, geklatscht, gejauchzt und geschlabbert und das im Minutentakt. Martina Noichl ist ganz in ihrem Element, sie tanzt mitten drin, gibt Anweisungen, und die Kinder hängen an ihren Lippen. Ihr Mann Stefan Heidweiler greift in die Tasten. Die Felle, die sich die Schüler übergeworfen haben, fliegen in die Lüfte. Man merkt, sobald Kostüme ins Spiel kommen, gewinnt das Spiel an Dynamik. Die achtjährige Ida Ogger, die zur Gruppe der „Tschugs“ gehört, findet das Bühnenoutfit einfach nur „cool“. 30 Meter Stoff und viel Fantasie wurden benötigt, um die vier Chöre steinzeitgemäß auszustatten. Auch bei ihrem dritten Musical legen die beiden Musiker viel Liebe zum Detail an den Tag. Egal ob es um Bühnenkulisse, Kostüme, Gesang oder Maske geht, alles wird selbst angepackt, natürlich mit „vielen helfenden“ Händen und wieder in Kooperation mit der Villa Jauss. Nettes Detail sind die Steinzeit-Accessoires wie der Knochenschmuck aus weißem Ton, den die Kinder schon Wochen vorher bastelten, oder die Speere aus Haselnussästen mit ihren Pappmaché-Spitzen. Eine wichtige Stütze bildet der 16-jährige Filius Leo, der das Libretto zum Musical verfasste und als Bandmitglied und Sänger sein Können zeigt. Selbstredend sind seine Brüder Xaver (10) und Jakob (14) als singende Schauspieler wieder mit von der Partie. Zum Inhalt: Im Tal der Gugus plant Steinzeitkönig Gugubo ein großes, musikalisches Geburtstagsfest. Er will alle Nachbarsstämme dabei haben und schickt den Riesen Matze los, alle einzuladen. Derweil Die Macher ● Beteiligt an dem Projekt sind rund 50 Personen; darunter die Band „Sam Jession“ (Leo Heidweiler, Zeno Noichl, Moritz Batscheider, Bene Hummel), Ulrike Tenzer (Cello) und Stefan Heidweiler (Klavier). ● Ausführende: Kinder und Jugendliche der Musikschule Oberstdorf. ● Leitung: Martina Noichl und Stefan Heidweiler nach einer Idee des Vokalensembles „Fünf“. bereiten freundliche Steinzeitungeheuer wie die Knörfe, der Wotz, das Behotmot und der Schnöterich das Fest vor. Lediglich Grumpf Grimmich und Meck Miesepit wollen die Stimmung verderben. Ob der König doch noch zu seinem Geburtstagsfest kommt? Das Stück gefällt Stefan Heidweiler so gut, weil es „ohne pädagogischen Zeigefinger“ daher kommt. „Es ist ein herrlicher Nonsens, der eher subversiv wirkt als belehrend.“ Seit vergangenen September wird wöchentlich „schichtweise“ geprobt: erst der Chor mit den Grundschulkindern, hernach die Schauspieler aus der 5. und 6. Klasse, anschließend die Sänger aus der 7. bis 9. Klasse. Die Sprechrollen werden zusätzlich seit Weihnachten einstudiert und seit Ostern gesellt sich der von Heidweiler gegründete „Jägerund Sammlerchor“ mit „sechs gestandenen Männer“ mit ins Probenteam. O „Ein Fest für König Gugubo“, Samstag, 4. Juli, 18 Uhr, OberstdorfHaus. Kultur-Termine BAD HINDELANG Harmoniemusik spielt im Schanzpark „Stimulators“ heizen Tanzlaune im Thal an Die verbindende Kraft der Melodie Sein Markenzeichen ist die Schildkappe, schräg auf dem markanten Kopf. Gitarrist Peter Schneider gastiert mit seiner Münchner JazzRock-Reggae-Latin-Ska-Groove-Band „The Stimulators“ in der Thaler Handwebtenne – im zwölften Jahr! Aber diesmal mit Spanischer Gitarre und einem Stargast aus New York, Jim Collins am Vibrafon. Immer noch heizen die Stamm-Musiker die Tanzlaune mächtig an: Oliver Stephan (Gesang, Gitarre), Florian Sagner (Trompete), Uli Lehmann (Bass), Hans Mühlegg (Percussion) und Oscar Pöhnl (Drums). Und die Hits „I Like It“ und vollends „Flying Down to Rio“ bringen gegen Schluss die Brodel-Stimmung auf Koch-Temperatur: Da schwanken die Bodenbretter, da vibrieren die Balken, und da hüpfen die Wein- und Biergläser auf den Tischchen samt den 100 Menschen davor. Text/Foto: Rainer Schmid Rund 100 Frauen und 20 Männer kamen ins Immenstädter Pfarrheim St. Nikolaus, um zusammen mit Iria aus Rettenberg (links) und Gila Antara zu singen. Mal im Stehen, mal im Sitzen wurden einfache, eingängige, selbstgemachte Lieder der zwei gesungen, bei denen jeder ohne Vorkenntnisse mitmachen konnte. Mal mit zwei Gitarren begleitet, mal eine Rahmentrommel dabei, waren drei Stunden Miteinander ohne Leistungsdruck angesagt. Auch zweite Stimmen fanden sich manchmal wie von selbst dazu. „Gut ist es, wo wir waren; gut ist es, wo wir sind; gut ist es, wo wir hingehn“ – nach diesem Motto ging es nicht um Probleme, sondern um die tragende Kraft der Gemeinschaft. Das Verbindende von Melodie und Rhythmus stand im Mittelpunkt. „So was müssten wir in der Kirche auch mal haben“, sagte eine ältere Teilnehmerin. Text/Foto: Markus Noichl Die Harmoniemusik Hindelang gibt am Dienstag, 30. Juni, um 20 Uhr im Schanzpark in Bad Oberdorf ein Kurkonzert (bei ungünstigem Wetter im Kurhaus in Bad Hindelang). Mit traditioneller und konzertanter Blasmusik verspricht Dirigent Rainer Schollenberger ein abwechslungsreiches Programm. (pm) WERTACH „Abend in der Kleinen Wies“ mit Illertaler Saitenmusik „Abende in der Kleinen Wies“ finden jeweils am Donnerstag vom 2. Juli bis zum 3. September um 20 Uhr in der St. Sebastianskapelle in Wertach statt. Die Meditationsgottesdienste werden von Musik- und Gesangsgruppen aus Wertach mitgestaltet. Am ersten Abend spielt die Illertaler Saitenmusik. (pm)
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