Erfahrung_Paris 2014/15

Paris Erasmus Erfahrungsbericht
01.10.2014-31.06.2015
Paris ist eine absolute Metropole. Ob man nur durch die verschiedenste Sträßchen von
Paris flaniert oder sich in eines der vielen Cafés setzt, um sich einen Espresso zu
genehmigen. Überall ist was los.
Schnapp dir ein Baguette und Käse und genieße den Sonnenuntergang am Seine Ufer
oder gehe Schlittschuhfahren auf den Champs Elysées im Winter.
Die französische Hauptstadt hat in ihren Arrondissements alles zu bieten. Von kleinen
alternativen Bars und Restaurants bis hin zu riesigen Parks und unzähligen Museen,
Theatern und Expositionen. Selbst einem kleinen Kulturbanause werden bei diesem
riesigen kulturellen Angebot die Knie weich.
So, kurz heiß gemacht und jetzt wird es was ernster.
Mein Bewerbungsmarathon für Erasmus war etwas kompliziert. Ehrlich gesagt fiel meine
erste Wahl auf Lyon. Woraufhin ich mich Stunden auf der chaotischen französischen
Webseite der Universität Lyon durchschlagen musste, um Kursinformation und
Stundenpläne für mein Learning Agreement herauszusuchen. Nach langer
Bewerbungszeit wurde ich letztendlich komplett abgelehnt, da die Partneruniversität nicht
die Verträge im Erasmusprogramm verlängert hatte. Kein Erasmus für mich. Alles für die
Katz - dachte ich - bis ich doch noch einen Erasmusplatz bekam. Meine Drittwahl: Paris.
Folglich fing die gesamte Informationssuche wieder von vorne an. Man bemerkt schnell,
dass die deutsche Ordnung auf den Uni-Internetseiten fehlt. Ich bin einige Male sehr
verzweifelt, bei dem Versuch, ein ordentliches Learning Agreement anzufertigen.
Am Ende habe ich wohl mein LA fünf- oder sechsmal ändern müssen.
Macht euch aber keine Sorgen und vor allem am Ball bleiben. Zähne zusammenbeißen
und durch.
Es lohnt sich! Die Planung scheint einfach etwas chaotisch zu sein. So ging es jedem und
letztendlich ist jeder trotzdem irgendwo hingekommen.
Im Folgenden werde ich kurz versuchen einige organisatorische Tipps zu geben. Ich
werde das Bewerbungs- und Universitätssystem erklären, da dies alles am Anfang sehr
verwirrend sein kann. Ich hoffe somit einige Unklarheiten aus dem Weg schaffen zu
können.
Studium:
In Frankreich ist das Medizinstudium anders aufgebaut als bei uns in Deutschland.
Um erst mal zu verstehen in welchem Jahr man Kurse suchen muss, sollten die
Bezeichnungen für die Studienjahre klar sein. Diese sind teilweise unterschiedlich bzw. es
gibt mehrere Abkürzungen für dasselbe Jahr.
Im Prinzip ist jeder, der ein Abitur hat, für das Medizinstudium zugelassen. Hier wird im
Allgemeinen in Jahren gerechnet und nicht in Semestern, wie bei uns.
Übersicht:
1.Jahr: DFGSM1 (PACES= P1 oder PCEM 1) 2.Jahr: DFGSM2=P2 od PCEM2) 3.Jahr:
DFGSM3
4.Jahr: DFASM1 (D2) 5.Jahr: DFASM2 (D3) 6.Jahr: DFASM3 (D4).
Danach fängt das sog. Internat an, in Deutschland Assistenzarzt.
Bezogen auf die Kursauswahl muss man „sehr grob“ zwei Dinge differenzieren. Es gibt die
Stage und Kurse. Während des Vormittags, unter der Woche, nimmt man am Praktikum
(Stage) teil. Pflicht! Ein Stage wählt man immer für je 3 Monate in einem Fachbereich, die
ein wenig vergütet werden. (4 Jahr ca. 100Euro/Monat, 5 Jahr 200 Euro/Monat).
Nach dem Stage, beginnen theoretische Kurse. Das heißt: Vorlesungen über Vorlesungen.
Die Kurse sind, ähnlich wie bei uns, in Module aufgeteilt.
Die Prüfungen finden am Ende eines Halbjahres statt. Davor hat man ein oder zwei
Zwischenprüfungen. Die erzielten Ergebnisse aus den Zwischenprüfungen und der
Abschlussprüfung werden dann zusammengerechnet.
Da man in Göttingen für die Anerkennung von Modulen Theorie und Praxis benötigt,
gestaltet sich die Auswahl der Praktika und der Kurse in Paris etwas schwierig. Da die
Stage je drei Monate dauern und man theoretisch aber viel mehr Kurse während dieser
Zeit belegen kann.
Ich habe am Anfang von Vorgängern den Tipp bekommen, dass man die Fachbereiche
auch in diesen drei Monaten wechseln könnte. Offiziell, laut der Pariser Studienverwaltung,
geht dies nicht. Man muss einen kurzzeitigen Wechsel mit den jeweiligen Chefärzten
„unter der Hand“ regeln (Nebenbei: das Verhältnis zwischen Student und Arzt ist hier sehr
viel lockerer.) Ich habe auf diesem Wege während meines Ortho-Praktikums zwei Wochen
auf die HNO Station gewechselt. (Tipp: früh darum kümmern und HNO Abteilung ist super)
Die Administration an der Fakultät ist mehr als grottig für die Studenten. Obwohl die
Zuständigen gewechselt haben, hatte man immer noch oft das Gefühl unerwünscht zu
sein. Die Zuständigen kümmern sich nicht wirklich um dich. Im Prinzip wurde mir kein
einziges Mal einfach erklärt, wie alles abläuft, welche Unterlagen man braucht, wie die
Stages funktionieren, geschweige denn die Prüfungen. Somit hat sich der Anfang als
durchaus schwierig herausgestellt.
Dennoch ist alles machbar und nur nicht den Mut verlieren. Immer schön freundlich
bleiben, aber hartnäckig. Mit dieser Kombination kommt man überall an der Fakultät recht
gut durch.
Nach langer Organisationsarbeit ging es dann, die ersten drei Monate, auf die
Endocrinologie bei Prof. Chanson, einem sehr herausragendem Chefarzt.
Wir waren ungefähr ein Team von zehn Studenten, die dort als Externe bezeichnet werden.
Im Gegensatz zu Deutschland hat man hier sehr viel mehr Eigenverantwortung gegenüber
den Patienten. Man sieht oftmals die Patienten vor den Ärzten, erledigt die Aufnahme,
führt eine Anamnese und körperliche Untersuchung durch, organisiert die radiologischen
Untersuchungen, schreibt vorläufige Arztberichte usw. Folglich gehört zu den Aufgaben
der Externen jede Menge Organisation.
Das hört sich nun alles sehr heftig an. Hierbei kommt es wirklich sehr auf das jeweilige
Stage an. Diese können sich enorm vom Arbeitsaufwand unterscheiden. Aber man wächst
sehr schnell mit seinen Aufgaben. Außerdem ist es ist nicht verkehrt, daran gewöhnt zu
werden, beispielsweise Patienten während einer Visite vorzustellen.
Die Endocrinologie war sehr anspruchsvoll, vor allem war der Anfang noch etwas
schwierig bezüglich meiner französischen Sprachkenntnisse. Jedoch haben mir die
anderen Externen sehr viel geholfen und waren sehr entgegenkommend.
Mein zweites Stage war auf der Viszeralchirurgie, ein komplett anderes Praktikum als
zuvor. Dort wurde den Studenten allgemein weniger Kompetenzen zugeschrieben. Man
musste keine Patienten vorstellen und verbrachte einige Zeit im OP (bloc).
Auf der Orthopädie, mein drittes Stage, hat mir besonders gut die Zusammenarbeit mit
den anderen Ärzten gefallen. Man war ein richtiges Team und es hat viel Spaß gemacht
solche Erfahrungen über einen längeren Zeitraum sammeln zu dürfen. Letztendlich war
ich von den 3 Monaten auf der Orthopädie ca. die Hälfte im OP-Saal, was mir gut gefallen
hat.
Wohnen:
Ein wichtiger Tipp für die Wohnungssuche. Man hat die Möglichkeit sich eine Wohnung
über die Uni besorgen zu lassen. Falls ihr diese Variante wählt, wird man meist in ein
Studentenwohnheim alias Residence universitaire zugeteilt. Diese liegen nun leider sehr
weit im Süden von Paris. In den Vororten. Ich habe in einem Studio (kleine
Einzimmerwohnung mit Einbauküche) in der Residence Fontenay-aux-Roses gewohnt, die
wirklich außerhalb liegt. Zum Hopital Kremlin Bicetre, dem Hauptkrankenhaus der Uni,
betrug der Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln ca. 45min. In diesem
Krankenhauskomplex befindet sich auch die Fakultät.
Falls man nicht als Untermieter unterkommt, hat man die Möglichkeit in Frankreich ein
sogenanntes CAF, eine Art Wohnungszuschuss, vom Staat zu beantragen. Der Antrag ist
wirklich kinderleicht zu bewältigen und man bekommt knapp 200 Euro Zuschuss.
Vorteile bezüglich einer Residence: Günstig, meist ruhig.
Ansonsten kann ich die „City universitaire in Paris“ empfehlen. Dies ist ein riesengroßer
Campuskomplex mit ausschließlich internationalen Studentenwohnhäusern, wie ebenso
vielen Sport und Freizeitangeboten. Achtung: früh für bewerben. Man muss ein
französisches Motivationsschreiben haben etc. Einfach googeln.
Falls Ihr weniger von Wohnheimen etc. haltet, kann man beispielsweise über colocation.fr
oder appartager.com nach WG's suchen. Die größte Börse an Wohnungsvermietungen
und Co. findet man meiner Meinung nach bei facebook. Es gibt unzählige Gruppen, in
denen Leute in Paris Ihre Wohnungen vermieten oder Mitbewohner suchen.
Gruppenbeispiele:Bonplan, colocation Paris etc. einfach suchen.
Erste Schritte „Einschreiben“:
Zum Glück wusste ich bereits vorher, was mitzubringen war, dank des Erfahrungsberichts
12/13:
Super wichtig:
Ca. 30 Passfotos
deutscher Studentenausweis
Personalausweiskopie
Immatrikulationsbescheinigung
Auslandskrankenversicherung
Impfausweis
Internationale Geburtsurkunde
Erasmusdokumente
(Alle Unterlagen in mehrfacher Ausführung)
Zum Einschreiben geht ihr an die Fakultät im Hopital Kremlin Bicetre. Durch die Tür und
danach zweimal Links. (Öffnungszeiten: 9.30-12 Uhr und 13.30-16 Uhr unter der Woche.
Do geschlossen! ) Sapandeep Singh ist die zuständig für die Erasmusstudenten. In meiner
Zeit hatte die verantwortliche Person dreimal gewechselt. Also keine Gewähr.
Zum Einschreiben müsst Ihr euch vorher zum Betriebsarzt begeben, um eine Kopie eures
Impfstatus zu erhalten, welche Ihr benötigt.
Ansonsten benötigt man die oben genannten Unterlagen und einen 5 Euro Scheck. Falls
man noch kein eigenes Bankkonto besitzt kann man sich einen 5 Euro Scheck bei jeder
Postfiliale ausstellen lasse (für 7 Euro !? -ich weiß-)
Ich empfehle sehr, mindestens zwei Wochen vor Beginn nach Paris zu reisen, um sich um
alles Organisatorische zu kümmern. Ich hatte sehr viel Stress, da mein Bankkonto erst
sehr spät eröffnet werden konnte. Man benötigt dieses für einen Handyvertrag, für ein
Studentenfahrtticket etc...
Handyvertrag:
B&You, Free... Monatlich kündbar
Studententicket:
Mit einem Metroticket: Imagine R kann man mit RER, TRAM, BUS und Metro frei benutzen.
An einem Bahnschalter erhält man die Antragsdokumente. Bearbeitungsdauer ca. 3-4
Wochen.
Falls man im Sommer dort ist, läuft meiner Meinung alles mit dem Fahrrad sehr gut, ob
VELIB oder eigenes.
Hilfreich:
Handyappscitymapper oder sncf- um zu wissen, wie man von A nach B kommt
Uber (noch erlaubt!?)-Taxi
parisbouge-was läuft in Paris heute? Party, Freizeit, Konzerte...
Kurz noch meine eigene Meinung:
Ich finde, dass die französischen Studenten sehr gut auf den Berufsalltag vorbereitet
werden.
Sie haben feste Aufgaben, die sie erledigen müssen, wissen genau, was sie zu tun haben.
Ich hatte auch das Gefühl, dass das Studenten-Ärzte Verhältnis intensiver und
freundschaftlicher ist als bei uns. Man kann beispielsweise sehr gut mit den Chefs
rumalbern.
Ebenso erlebt man schnell, wie es ist, wenn beispielsweise die Krankenschwester dich um
Hilfe ruft, da ein Patient Schmerzen hat und man direkt handeln muss.
Wie ich bereits am Anfang geschrieben habe, kann ich euch Paris als Stadt nur bestens
empfehlen.
Fazit: Hier in Paris handelt es sich um einen arbeitsintensiven Erasmusaufenthalt und man
befindet sich viel im Krankenhaus. Dafür lernt man enorm viel.
Also für diejenigen, die Erasmus nur zum Feiern und rumhängen machen wollen,
empfehle ich diese Uni nicht. Aber keine Sorge, es bleibt immer noch mehr als genug Zeit
das Pariser Nachtleben etc. zu erkunden. Man lernt unglaublich viele Menschen kennen
und ebenso wird sich euer Französisch gezwungenermaßen erheblich verbessern.
Ich bereue keine Sekunde meiner unvergesslichen Erasmus-Zeit im wunderschönen Paris
PS. wir sind die größte Glückspilze mit unseren Erasmuskoordinatoren.
Philipp Knechtges