LEIBNIZ | LICHT Melanie Wiesner platziert Pak Choi-Pflanzen und Kapuzinerkresse zur UV-Bestrahlung in einem Klimaschrank. Lichtdoping für Pflanzen „Supergesundes“ Gemüse und sauberes Wasser für weit mehr Menschen als heute: Diese Visionen lassen sich vielleicht schon in ein paar Jahren mithilfe von UV-Strahlung realisieren. Daran forschen Pflanzenwissenschaftler und Optoelektroniker. 18 2/2015 LEIBNIZ | LICHT Seit Jahrtausenden kultiviert der die dunklen Pflanzenfarbstoffe Mensch Nutzpflanzen und wirkt Anthocyane) und Glucosinolate. mit verschiedenen Mitteln auf sie Die Abbauprodukte von Glucosiein, um Erträge und Geschmack nolaten können verschiedenste zu verbessern. Der neueste Trend biologische Wirkungen entfalten des Pflanzen-Boostings ist es, die und sind in Gemüsen wie RadiesInhaltsstoffe so zu beeinflussen, chen und Kohl für den scharfen dass Gemüse noch gesünder wird. beziehungsweise bitteren GeDiese Idee verfolgen in einer Ko- schmack verantwortlich. Diesen operation das Leibniz-Institut für Substanzen wird eine präventive Gemüse- und Zierpflanzenbau Wirkung beispielsweise gegen (IGZ) und das Ferdinand-Braun- Dickdarmkrebs zugeschrieben. Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH). Suche nach optimalen Das Ziel: die Produktion „nützlicher“ sekundärer Pflanzenstoffe Wellenlängen in bestimmten Gewächsen anzukurbeln – mithilfe gezielter Um genau solche Stoffe geht es in UV-B-Strahlung bei bestimmter dem Projekt. Das Forscherteam Wellenlänge. Die gemeinsame will herausfinden, welche WellenArbeit mündet in Projektvorha- längen und Bestrahlungszeiten ben, die künftig im Rahmen des optimal sind für deren Produk vom Bundesforschungsministe- tion, denn Pflanzen erzeugen unrium geförderten Konsortiums ter UV-Beleuchtung bestimmter „Advanced UV for Life“ bearbeitet Wellenlänge vermehrt Sekundär werden sollen. Im Konsortium metabolite. Diese Strahlen sind entwickeln unter Federführung auch in natürlichem Licht vordes FBH insgesamt 31 Partner handen, aber nur in geringer aus Forschung und Industrie so- Dosis – UV-Strahlung macht etwa wohl Technologien als auch viel- acht Prozent des Sonnenlichts versprechende Einsatzfelder für auf der Erde aus. Der UV-Bereich Leuchtdioden, die ultraviolettes des Lichts erstreckt sich auf WelLicht emittieren – kurz: UV-LEDs. lenlängen von unter 230 bis 400 Nanometer. Um die Produktion FotoS: Christoph Herbort-von Loeper; FBH/schurian.com; FBH Pflanzenstoffe für die Gesundheit 2/2015 Mit Licht Pflanzenwachstum zu beeinflussen, ist ein Verfahren, das schon seit Langem angewendet wird – Gewächshauskulturen wären ohne Kunstlicht nicht denkbar. „Dabei geht es vor allem um das schnellere Wachstum von Pflanzen, damit sie in kürzerer Zeit höhere Erträge bringen“, sagt Melanie Wiesner, die als Wissenschaftlerin am IGZ im Projekt mitarbeitet. „Wir wollen die Pflanzen gezielt anregen, sekundäre Pflanzenstoffe zu produzieren, die für den Menschen gesundheitsfördernd sein können“, erläutert sie. Solche chemischen Stoffe – sogenannte pflanzliche Sekundär metabolite – sind Produkte des pflanzlichen Stoffwechsels, die aus Primärmetaboliten wie Zuckern gebildet werden. Etwa 200.000 solcher Stoffe gibt es, zu ihnen gehören unter anderem phenolische Verbindungen (z.B. sekundärer Pflanzenstoffe auszulösen, ist vor allem der Bereich der UV-B-Strahlung mit Wellenlängen zwischen 280 und 315 Nanometern interessant. Lampen, die UV-B-Strahlung einer bestimmten Wellenlänge abstrahlen, gab es bislang nicht. Das Spektrum von UV-Lampen, die bereits in der Pflanzenproduktion eingesetzt werden, ist zu breit, zudem strahlen sie Wärme ab, die bei der Produktion sekundärer Pflanzenstoffe unerwünscht ist. Die benötigten Leuchtmittel liefert der Kooperationspartner im Projekt: FBH-Wissenschaftler Sven Einfeldt und sein Team haben ein spezielles Modul aus LEDs entwickelt, das Licht mit einer bestimmten W ellenlänge – 311 Nanometer – homogen über die gesamte bestrahlte Fläche emittiert. Mit diesem ersten Modul experimentierte das IGZTeam um Melanie Wiesner und ihre Kollegin Susanne Neugart seit 2012. Ab August dieses Jahres arbeiten sie mit einem neuen Modul, das größer ist und mit dem mehr Pflanzen gleichzeitig bestrahlt werden können. Die optimale Dosis zu finden, ist dabei keine leichte Aufgabe, denn Pflan- Jetzt im Einsatz: Prototyp eines neuen UV-Moduls 19 LEIBNIZ | LICHT Ein Modul mit UV-LEDs bestrahlt Wasser, das zur gleichmäßigen Desinfektion mit einem Rührer bewegt wird. zen reagieren sehr empfindlich: „Zu viel UV-B-Strahlung kann bei der Pflanze Stress auslösen und sie im ungünstigsten Fall töten, eine zu geringe Dosis hat gar keinen Effekt“, sagt Susanne Neugart. Versuche mit Kreuzblütlern und Pak Choi 20 In der ersten Versuchsreihe experimentierten die Forscherinnen mit Arabidopsis, einer Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler. „Sie ist unsere liebste Modellpflanze für die Forschung, denn sie hat nur fünf Chromosomen, die vollständig durchsequenziert sind – wir können also genau nachvollziehen, welche Wellenlänge wie wirkt“, sagt Wiesner. Daneben untersuchten die IGZForscherinnen die Wirkung von UV-B-Strahlung auf Pak Choi, eine asiatische Kohlart, die zu der gleichen Pflanzenfamilie gehört wie Arabidopsis. Die Wissenschaft lerinnen kamen zu dem Ergebnis, dass beide Pflanzen ähnlich reagieren: Durch UV-B-Strahlung steigt die Produktion bestimmter Glucosinolate an. Nicht nur für Gemüseesser sind das gute Nachrichten: „Glucosinolate nutzen auch den Pflanzen selbst, sie setzen diese beispielsweise zur Insektenabwehr ein. Damit ist UV-B-Bestrahlung auch attraktiv für Gemüseproduzenten, die Pestizide einsparen wollen“, berichtet Wiesner. UV-B-Licht hat allerdings auch einen Nachteil. Wegen der Krebsgefahr, die von ihm ausgeht, dürfen Mitarbeiter während der Bestrahlung das Gewächshaus nicht betreten. Deswegen will das Forscherteam von FBH und IGZ Bestrahlungsdosen und Wellenlängen finden, bei denen es möglich ist, die Bestrahlungszeit so kurz wie möglich zu halten. Im Herbst beginnt eine weitere Stufe der Forschungsreihe: Das dritte Modul, das dann eingesetzt wird, deckt den Wellenlängenbereich um 290 Nanometer ab. „Insbesondere interessiert uns, ob die Bestrahlungszeit zur Bildung der Sekundärmetabolite verkürzt werden kann – also die Wirkung der kürzerwelligen UV-B Strahlung höher ist“, sagt Neugart. Sauberes Wasser durch UV-B-Strahlung Einen ganz ähnlichen Ansatz in einem anderen Kontext verfolgt das FBH ebenfalls im Rahmen des Konsortiums „Advanced UV for Live“ in zwei Kooperationen mit Industriepartnern. Es erforscht, wie sich speziell UV-LEDs bestimmter Wellenlängen zur Wasserdesinfektion nutzen lassen. UV-Licht aus Quecksilberdampflampen wird schon länger zur Wasserreinigung eingesetzt. „Wir wollen eigene UV-LEDs herstellen, bei denen wir die Wellenlänge genau einstellen können, um sie zum Beispiel für eine effizientere Wasserdesinfektion einzusetzen, denn auch Mikroorganismen reagieren unterschiedlich auf verschiedene UV-Bereiche“, berichtet Sven Einfeldt. Mit dem interna tional agierenden Unternehmen Xylem, das Anlagen zur Wasserdesinfektion herstellt, entwickeln er und sein Team Lösungen zur UV-Desinfektion großer Wasserund Abwassermengen. Um kleine Mengen Wasser zu reinigen, zum Beispiel Trinkwasser in Gebieten ohne Stromversorgung, lassen sich schon heute wirksame MiniDesinfektionsanlagen bauen. Sie haben Durchflussmengen von etwa einem Liter pro Minute; der benötigte Strom wird per Solarzelle erzeugt. Beim Bau solcher kleinen autarken Geräte kooperiert das FBH mit einem Unternehmen in Thüringen. Die am FBH gebauten Module sind von der breiten Anwendung noch weit entfernt – sie sind schlicht zu teuer, eine UV-LED kostet auf dem Markt zurzeit 100 bis 200 US-Dollar. Doch Einfeldt erwartet eine Entwicklung analog zu weißen LEDs hin zur Massenproduktion – auch wenn der Markt kleiner ist, da UV-LEDs nicht als Leuchtmittel einsetzbar sind. Einen großen Pluspunkt haben auch diese LEDs: die Lebensdauer. Man erwartet etwa 100.000 Betriebsstunden, während beispielsweise Quecksilberdampf-Niederdrucklampen, die heute zur Wasserdesinfektion eingesetzt werden, nach wenigen 1.000 Stunden schlappmachen. So könnte Wasserreinigung dank UV-LEDs viel effizienter werden und in Gegenden zum Einsatz kommen, wo sauberes Wasser bislang nicht bezahlbar war. w i ebke peter s 2/2015
© Copyright 2025 ExpyDoc