Lichtdoping für Pflanzen

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Melanie Wiesner platziert
Pak Choi-Pflanzen und
Kapuzinerkresse zur
UV-Bestrahlung in einem
Klimaschrank.
Lichtdoping
für Pflanzen
„Supergesundes“ Gemüse und sauberes Wasser für weit mehr
Menschen als heute: Diese Visionen lassen sich vielleicht schon
in ein paar Jahren mithilfe von UV-Strahlung realisieren. ­Daran
forschen Pflanzenwissenschaftler und Optoelektroniker.
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Seit Jahrtausenden kultiviert der die dunklen Pflanzenfarbstoffe
Mensch Nutzpflanzen und wirkt Anthocyane) und Glucosinolate.
mit verschiedenen Mitteln auf sie Die Abbauprodukte von Glucosiein, um Erträge und Geschmack nolaten können verschiedenste
zu verbessern. Der neueste Trend biologische Wirkungen entfalten
des Pflanzen-Boostings ist es, die und sind in Gemüsen wie RadiesInhaltsstoffe so zu beeinflussen, chen und Kohl für den scharfen
dass Gemüse noch gesünder wird. beziehungsweise bitteren GeDiese Idee verfolgen in einer Ko- schmack verantwortlich. Diesen
operation das Leibniz-Institut für Substanzen wird eine präventive
Gemüse- und Zierpflanzenbau Wirkung beispielsweise gegen
(IGZ) und das Ferdinand-Braun- Dickdarmkrebs zugeschrieben.
Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH). Suche nach optimalen
Das Ziel: die Produktion „nützlicher“ sekundärer Pflanzenstoffe Wellenlängen
in bestimmten Gewächsen anzukurbeln – mithilfe gezielter Um genau solche Stoffe geht es in
UV-B-­­Strahlung bei bestimmter dem Projekt. Das Forscherteam
Wellenlänge. Die gemeinsame will herausfinden, welche WellenArbeit mündet in Projektvorha- längen und Bestrahlungszeiten
ben, die künftig im Rahmen des optimal sind für deren Produk­
vom Bundesforschungsministe- tion, denn Pflanzen erzeugen unrium geförderten Konsortiums ter UV-Beleuchtung bestimmter
„Advanced UV for Life“ bearbeitet Wellenlänge vermehrt Sekundär­
werden sollen. Im Konsortium metabolite. Diese Strahlen sind
entwickeln unter Federführung auch in natürlichem Licht vordes FBH insgesamt 31 Partner handen, aber nur in geringer
aus Forschung und Industrie so- Dosis – UV-Strahlung macht etwa
wohl Technologien als auch viel- acht Prozent des Sonnenlichts
versprechende Einsatzfelder für auf der Erde aus. Der UV-Bereich
Leuchtdioden, die ultraviolettes des Lichts erstreckt sich auf WelLicht ­emittieren – kurz: UV-LEDs. lenlängen von unter 230 bis 400
Nanometer. Um die Produktion
FotoS: Christoph Herbort-von Loeper; FBH/schurian.com; FBH
Pflanzen­stoffe für die
Gesundheit
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Mit Licht Pflanzenwachstum zu
beeinflussen, ist ein Verfahren,
das schon seit Langem angewendet wird – Gewächshauskulturen wären ohne Kunstlicht nicht
denkbar. „Dabei geht es vor allem
um das schnellere Wachstum von
Pflanzen, damit sie in kürzerer
Zeit höhere Erträge bringen“, sagt
Melanie Wiesner, die als Wissenschaftlerin am IGZ im Projekt mitarbeitet. „Wir wollen die Pflanzen
gezielt anregen, sekundäre Pflanzenstoffe zu produzieren, die für
den Menschen gesundheitsfördernd sein können“, erläutert sie.
Solche chemischen Stoffe –
sogenannte pflanzliche Sekundär­
metabolite – sind Produkte des
pflanzlichen Stoffwechsels, die
aus Primärmetaboliten wie Zuckern gebildet werden. Etwa
200.000 solcher Stoffe gibt es,
zu ihnen gehören unter anderem
phenolische Verbindungen (z.B.
sekundärer Pflanzenstoffe auszulösen, ist vor allem der Bereich
der UV-B-Strahlung mit Wellenlängen zwischen 280 und 315 Nanometern interessant.
Lampen, die UV-B-Strahlung einer bestimmten Wellenlänge abstrahlen, gab es bislang nicht. Das
Spektrum von UV-Lampen, die
bereits in der Pflanzenproduk­tion
eingesetzt werden, ist zu breit,
zudem strahlen sie Wärme ab,
die bei der Produktion sekundärer Pflanzenstoffe unerwünscht
ist. Die benötigten Leuchtmittel
liefert der Kooperationspartner
im Projekt: FBH-Wissenschaftler Sven Einfeldt und sein Team
haben ein spezielles Modul aus
LEDs entwickelt, das Licht mit
einer bestimmten W
­ ellenlänge –
311 Nanometer – homogen über
die gesamte bestrahlte Fläche
emittiert. Mit diesem ersten
Modul experimentierte das IGZTeam um Melanie Wiesner und
ihre Kollegin Susanne Neugart
seit 2012. Ab August dieses Jahres arbeiten sie mit einem neuen
Modul, das größer ist und mit
dem mehr Pflanzen gleichzeitig
bestrahlt werden können. Die optimale Dosis zu finden, ist dabei
keine leichte Aufgabe, denn Pflan-
Jetzt im Einsatz:
Prototyp eines neuen
UV-Moduls
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Ein Modul mit UV-LEDs bestrahlt Wasser, das zur gleichmäßigen Desinfektion mit
einem Rührer bewegt wird.
zen reagieren sehr empfindlich:
„Zu viel UV-B-Strahlung kann bei
der Pflanze Stress auslösen und
sie im ungünstigsten Fall töten,
eine zu geringe Dosis hat gar keinen Effekt“, sagt Susanne Neugart.
Versuche mit
Kreuzblütlern und
Pak Choi
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In der ersten Versuchsreihe experimentierten die Forscherinnen
mit Arabidopsis, einer Pflanze
aus der Familie der Kreuzblütler.
„Sie ist unsere liebste Modellpflanze für die Forschung, denn
sie hat nur fünf Chromosomen,
die vollständig durchsequen­ziert
sind – wir können also genau
nachvollziehen, welche Wellenlänge wie wirkt“, sagt Wiesner.
Daneben untersuchten die IGZForscherinnen die Wirkung von
UV-B-Strahlung auf Pak Choi, eine
asiatische Kohlart, die zu der gleichen Pflanzenfamilie gehört wie
Arabidopsis. Die Wissenschaft­
lerinnen kamen zu dem Ergebnis, dass beide Pflanzen ähnlich
reagieren: Durch UV-B-Strahlung
steigt die Produktion bestimmter Glucosinolate an. Nicht nur
für Gemüseesser sind das gute
Nachrichten: „Glucosinolate nutzen auch den Pflanzen selbst, sie
setzen diese beispielsweise zur
Insektenabwehr ein. Damit ist
UV-B-Bestrahlung auch attraktiv für Gemüseproduzenten, die
Pestizide einsparen wollen“, berichtet Wiesner. UV-B-Licht hat
allerdings auch einen Nachteil.
Wegen der Krebsgefahr, die von
ihm ausgeht, dürfen Mitarbeiter
während der Bestrahlung das
Gewächshaus nicht betreten. Deswegen will das Forscherteam von
FBH und IGZ Bestrahlungsdosen
und Wellenlängen finden, bei denen es möglich ist, die Bestrahlungszeit so kurz wie möglich zu
halten.
Im Herbst beginnt eine weitere Stufe der Forschungsreihe: Das
dritte Modul, das dann eingesetzt
wird, deckt den Wellenlängenbereich um 290 Nanometer ab. „Insbesondere interessiert uns, ob
die Bestrahlungszeit zur Bildung
der Sekundärmetabolite verkürzt
werden kann – also die Wirkung
der kürzerwelligen UV-B Strahlung höher ist“, sagt Neugart.
Sauberes Wasser durch
UV-B-Strahlung
Einen ganz ähnlichen Ansatz in
einem anderen Kontext verfolgt
das FBH ebenfalls im Rahmen des
Konsortiums „Advanced UV for
Live“ in zwei Kooperationen mit
Industriepartnern. Es erforscht,
wie sich speziell UV-LEDs bestimmter Wellenlängen zur Wasserdesinfektion nutzen lassen.
UV-Licht aus Quecksilberdampflampen wird schon länger zur
Wasserreinigung eingesetzt. „Wir
wollen eigene UV-LEDs herstellen, bei denen wir die Wellenlänge
genau einstellen können, um sie
zum Beispiel für eine effizientere
Wasserdesinfektion einzusetzen,
denn auch Mikroorganismen reagieren unterschiedlich auf verschiedene UV-Bereiche“, berichtet
Sven Einfeldt. Mit dem interna­
tional agierenden Unternehmen
Xylem, das Anlagen zur Wasserdesinfektion herstellt, entwickeln
er und sein Team Lösungen zur
UV-Desinfektion großer Wasserund Abwassermengen. Um kleine
Mengen Wasser zu reinigen, zum
Beispiel Trinkwasser in Gebieten
ohne Stromversorgung, lassen
sich schon heute wirksame MiniDesinfektionsanlagen bauen. Sie
haben Durchflussmengen von
etwa einem Liter pro Minute; der
benötigte Strom wird per Solarzelle erzeugt. Beim Bau solcher
kleinen autarken Geräte kooperiert das FBH mit einem Unternehmen in Thüringen.
Die am FBH gebauten Module sind von der breiten Anwendung noch weit entfernt – sie sind
schlicht zu teuer, eine UV-LED
kostet auf dem Markt zurzeit
100 bis 200 US-Dollar. Doch Einfeldt erwartet eine Entwicklung
analog zu weißen LEDs hin zur
Massenproduktion – auch wenn
der Markt kleiner ist, da UV-LEDs
nicht als Leuchtmittel einsetzbar
sind. Einen großen Pluspunkt
haben auch diese LEDs: die Lebensdauer. Man erwartet etwa
100.000 Betriebsstunden, während beispielsweise Quecksilberdampf-Niederdrucklampen, die
heute zur Wasserdesinfektion
eingesetzt werden, nach wenigen
1.000 Stunden schlappmachen.
So könnte Wasserreinigung dank
UV-LEDs viel effizienter werden
und in Gegenden zum Einsatz
kommen, wo sauberes Wasser
bislang nicht bezahlbar war.
w i ebke peter s
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