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Montag, 29. Februar 2016
Schwäbische Zeitung
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Glaubenssachen
Sakrale Güter haben es schwer in Zeiten ungebremster Kirchenaustritte – Besuch auf der Kirchenmesse Gloria
diese Komposition aus Haferstroh
und allerhand Kräutern. Der Priester
mit dem sommerlichen Panamahut
stößt an und trinkt das Gläschen leer.
Und es scheint zu wirken: Der „Frohes-Gemüt-Likör“ lässt einen äußerst frohgemuten Kräuterpfarrer an
seinem Stand zurück.
Von Erich Nyffenegger
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AUGSBURG - „Der Liebe Gott weiß,
wie ich heiße, und wie Sie heißen,
das weiß der Liebe Gott natürlich
auch. Dabei sollten wir es belassen“,
sagt die resolute Ordensschwester,
die aus ihrem Namen ein Geheimnis
macht und deren Alter sich nur
schwer schätzen lässt. Aber alles
zwischen Ende 30 und Anfang 70
könnte richtig sein. Journalisten begegnet sie so kurz angebunden wie
nur möglich. Eine Frage aber beantwortet sie dann doch noch, vermutlich aus Nächstenliebe, nämlich was
sie an der Kirchenmesse Gloria besonders interessiert: „Man muss informiert bleiben und sehen, was in
der Welt der Kirche geschieht.“ Darüber hinaus könne sie sich sehr gut
vorstellen, nach einem neuen Rosenkranz Ausschau zu halten. Einen besseren Ort als die Kirchenmesse Gloria in Augsburg hätte die Ordensfrau
dafür kaum wählen können. Denn
die Leistungsschau ist die größte ihrer Art im deutschsprachigen Raum.
Vieles im Wandel
87 Aussteller aus sieben Ländern
präsentieren dort alles, was es fürs
sakrale Leben braucht. Von der energiesparenden LED-Kirchenliedanzeige bis zum Kruzifix aus Ebenholz
oder Gold. Von der digitalen SakralOrgel bis zur Sitzheizung für Kirchenbänke. Und natürlich ein Rahmenprogramm, das ganz im Zeichen
christlicher Erbauung steht. Verantwortlich für dieses Programm ist Michael Ragg, der klarstellt, dass die
Messe Gloria offen sei für die Ökumene. „Den größten Anteil aber haben die Katholiken.“
Mitglieder von Freikirchen werde
man hier kaum antreffen, denn diesen genüge ja ein leerer Raum, um einen Gottesdienst zu feiern. Folglich
seien diese auch nicht so für das vielfältige Angebot auf der Messe empfänglich. „Die Gloria ist aber ein
weltliches Ereignis. Sie muss sich
wirtschaftlich selber tragen, die Kirche ist finanziell nicht involviert.“
Ragg gibt sich große Mühe, Optimismus zu verbreiten, obschon auch
ihm bewusst ist, dass die christlichen
Kirchen wegen der Weglauftenden-
Kräuterpater Benedikt
Auch diese Muttergottes mit dem Jesuskind hat es nach Augsburg geschafft.
zen vieler ihrer Mitglieder im Augenblick nicht gerade einen Wachstumsboom erleben. „Es ist vieles im
Wandel. Aber wir erwarten heuer
mehr Besucher als in den vergangenen Jahren.“ Ragg gibt an, dass ungefähr 3000 Besucher in den Vorjahren
Interesse an der Messe gezeigt hätten.
Die Aussteller sehen die Lage pessimistischer. „Vor zehn Jahren waren
es 10 000“, sagt eine Dame, die schon
viele Jahre auf die Gloria kommt. Außerdem will sie nicht glauben, dass
die Messe ohne die finanzielle Unterstützung der Kirchen auskommt.
Sie ist nicht die Einzige, die sogar befürchtet, dass der langfristige Erhalt
der Gloria fraglich sein könnte. Nach
fast 20 Jahren seit ihrer Gründung:
Zukunft ungewiss.
Früher fand die Messe noch jährlich in Dornbirn und später in St. Pölten in Österreich statt. Inzwischen
haben die Veranstalter beschlossen,
sie nur noch alle zwei Jahre auf die
Beine zu stellen. Von Krisenstimmung wollen aber trotzdem nicht alle reden. Denn in Zeiten kleiner werdender Investitionsbudgets eröffnen
sich auch Chancen für pfiffige Anbieter kirchlicher Ausstattungen.
Wolfgang Förg vom gleichnamigen
Musikhaus im Allgäu führt wie zum
Beweis eine seiner Digitalorgeln vor.
Zwar besitzt das Gerät gar keine Orgelpfeifen, dennoch ist ihr reicher
und voller Klang von einer mechanischen Orgel akustisch für den Laien
nicht zu unterscheiden. Die Töne, die
sie wiedergibt, sind von einer echten
Pfeifenorgel aufgenommen. „Wissen
Schwester Irina ist aus Minsk gekommen.
Sie, eine klassische Pfeifenorgel kostet ungefähr 400 000 Euro“, rechnet
Förg vor. Viel Geld in Zeiten knapper
Kirchenkassen. Sakrale Digitalorgeln sind viel günstiger und können
damit die Lösung für Kirchengemeinden sein, die trotz kleiner Budgets nicht auf großen Klang verzichten wollen. Die Orgel, auf der Förg
gerade spielt, kostet 10 000 Euro. Es
sei sogar möglich, eine kleine Digitalorgel aufzustellen und das Kirchenschiff mit Orgelpfeifen-Attrappen auszustatten, sodass neben dem
Klang auch die Optik alle Ansprüche
an die Erhabenheit einer Kirchenorgel erfüllt.
Beheizte Kirchenbänke
„Die Energiewende ist jetzt auch in
den Gotteshäusern angekommen“,
versichert ein paar Schritte weiter
Ronny Havener aus Saarlouis, ein
Spezialanbieter für Kirchenpolster.
Der Clou: Die Sitz- und Knieunterlagen in Kirchenbänken gibt es in beheizbarer Ausführung. „Wir heizen
nicht mehr die Kirchen, sondern die
Gläubigen“, sagt Roland Milbers, der
im Vertrieb arbeitet. Neben vielen
anderen habe man Notre Dame in Paris bereits ausstatten dürfen. „Der
Markt ist groß, denn es ist viel wirtschaftlicher, nicht die ganze Kirche
zu heizen, was außerdem wegen des
Denkmalschutzes oft gar nicht möglich ist“, erklärt Havener. Und dass
kirchliche Investitionen immer auch
ein bisschen den Anspruch auf Ewigkeit haben, unterstreicht der Kirchenpolsterheizspezialist mit dem
FOTOS: ERICH NYFFENEGGER
Hinweis auf eine 20 Jahre währende
Garantie – für ein weltliches Unternehmen eine lange Zeit, für die katholische Kirche allerdings nur ein
Wimpernschlag.
Inzwischen ist die Luft schwanger
von intensiven Weihrauchdüften.
Und die vielen Orgelanbieter knüpfen bisweilen gemeinsam an einem
schweren und dissonanten Klangteppich in der Halle. Der Weihrauch
stammt aus dem Kessel eines griechisch-orthodoxen Priesters, der damit gerade im Rahmen des Mittagsgebets die Zuschauer rund um die
kleine Bühne segnet. Dann stillt er
den Hunger der Gläubigen mit geweihtem Brot. Die Bühne ist drei Tage lang Schauplatz von Lesungen,
Gebeten und Interviews – die bekannten Schauspieler Siegfried
Rauch und Michael König haben
auch ihre Auftritte.
Ein Schluck Frohes Gemüt
Und auch der in Österreich sehr prominente Kräuterpater Benedikt ist
nach Augsburg gereist. Er schreibt
täglich in Österreichs größter Tageszeitung seine Kräuter-Kolumne. Der
Priester und Mönch des Prämonstratenserordens ist einer jener Menschen, dessen gütiges Lächeln wie
ein Stimmungsaufheller wirkt. Aber
natürlich wirken auch seine Kräuter,
versichert er. „Trinken Sie einen
Schluck Frohes Gemüt mit mir!“, ermuntert er. Harmonisierend und
ausgleichend soll er sein, insbesondere nach Aufregungen und Strapazen. Vor allem aber schmeckt sie gut,
Kirchenglocken und Turmuhren
Weiter geht der Rundgang vorbei am
Stand der vatikanischen Zeitung
„L’Osservatore Romano“, die auf
deutsch in einer Auflage von
10 000 Exemplaren erscheint. Geschrieben in Rom, gedruckt übrigens
im Allgäu. Weiter führt der Weg, vorbei an Herrgottsschnitzern mit
Papst-Franziskus-Figuren, Kunstmalern und Altarhändlern. An Messweinlieferanten und Herstellern von
Leuchtanzeigen und an der Evangelischen Bank. Selbstredend ist der katholische Fernsehsender EWTN vertreten.
Und dann ist da noch Richard Eisele aus Rothenburg ob der Tauber.
Der Mann, der dafür sorgt, dass die
Menschen wissen, wie viel es geschlagen hat. Stolz präsentiert er Kirchenglocken und Turmuhren. „Wir
rüsten unter anderem historische
Uhrwerke um, sodass sie nicht mehr
jeden Tag aufgezogen werden müssen. Die laufen dann auf die Sekunde
genau nach der Atomuhr.“ An der automatischen Umstellung von Winter- auf Sommerzeit arbeite man derzeit noch. „Ergebnis in Kürze zu erwarten.“
Gott passt auf
An einem kleinen Stand voller Ikonen steht Schwester Irina vom Kloster der heiligen Elisabeth in Minsk
und sortiert ihre Devotionalien. Sie
hat wohl die längste Anreise aller
Aussteller hinter sich. Angst, mit
dem Auto voller Heiligenabbildungen auf 1600 Kilometern zwischen
Minsk und Augsburg? „Nein, Gott
passt schon auf mich auf.“
Für Menschen, die sich nicht so
wohl behütet fühlen, die in persönlichen Krisen stecken oder gar mit
dem Tod konfrontiert sind, gibt es eine Reihe von Ständen mit praktischer, aber nichtsdestoweniger
christlicher Lebenshilfe: Sterbebegleiter, Gebetshäuser und Logotherapeuten. Von esoterischen Angeboten grenzt sich die Messe aber strikt
ab. „Alle Angebote haben einen genuin christlichen Kern“, hatte schon
Michael Ragg, der Mitorganisator,
versichert.
Und da ist sie wieder, die Klosterfrau, deren Name nur der liebe Gott
wissen darf. Ob sie etwas gefunden
hat? Die Ordensschwester versucht
sich an einem Lächeln und hebt den
Arm ein wenig, an dem eine Papiertüte baumelt. Ob da ein neuer Rosenkranz drin ist, eine Ikone von
Schwester Irina aus Minsk oder vielleicht doch nur eine Flasche von
Kräuterpfarrer Benedikts „FrohesGemüt-Likör“, bleibt das Geheimnis
der frommen Frau.
Ein Akkordeon für Roland
Musikstudent aus Trossingen baut Instrumente für Behinderte
Von Kathrin Drinkuth
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TROSSINGEN (lsw) - Wenn Roland
Musik macht, scheint sein ganzer
Körper mitzuspielen. Der 52-Jährige
schwingt sich in seinem Rollstuhl
vor und zurück, bewegt die Hände
über dem Instrument und wiegt den
Kopf hin und her. Selbst sein Gesicht
ist in Bewegung, und er lacht leise.
Das Musizieren ist für Roland
Schnee eine ganz neue Erfahrung –
denn er ist körperlich behindert. Motorik und Kommunikation sind stark
eingeschränkt. Ein speziell an Roland angepasstes Instrument ermöglicht es ihm trotzdem, Akkordeon zu
spielen.
Gebaut hat das Instrument Andreas Brand. Der Student an der Musikhochschule in Trossingen (Kreis
Tuttlingen) tüftelte und probierte so
lange herum, bis der 52-Jährige damit
zufrieden war. „Roland liebt Volksmusik, und besonders das Akkordeon“, sagt Brand. „Aber es hat eine
Weile gedauert, bis das Instrument
genau so geklungen hat, wie er es
wollte.“ Entstanden ist das Akkordeon im Rahmen der Abschlussarbeit
von Brand. Sein Ziel: Menschen, die
durch motorische und geistige Einschränkung kein herkömmliches Instrument spielen können, einen Zugang zur Musik ermöglichen.
Am Anfang habe er sich mit den
behinderten Teilnehmern seines
Projekts zusammengesetzt und verschiedene Musikarten und -stile angehört, sagt Brand. „Ich wollte herausfinden, was ihnen gefällt und auf
welche Klänge sie reagieren.“ Im
zweiten Schritt habe er sich überlegt,
wie man diese Klänge spielbar machen kann.
Beatbox und Soundmaschine
Herausgekommen sind dabei mehrere Holzkästen, die mit Sensoren,
Druckknöpfen, Mikroprozessoren
und einer Software ausgestattet sind.
Für Pascal, der das Downsyndrom
hat, ist zum Beispiel eine Beatbox
entstanden. Für Christoph, der ebenso wie Roland im Rollstuhl sitzt, hat
Brand eine Soundmaschine entwickelt, die Comic-Geräusche hervorbringt. Für Roland gab es das Akkordeon. Zusammen mit einem Schreiner wurden die Prototypen entwi-
ckelt und mit den Behinderten
ausprobiert.
Die Freude am Spielen sei Roland
im Gesicht anzumerken, sagt sein
Betreuer Rainer Nassal. „Wie er
lacht, das ist herzerfrischend. Es
macht ihm einfach Spaß, anderen zu
zeigen, was er kann. Er hat auch entdeckt, dass er gerne vor Publikum
spielt.“ Genau darin liege eine sehr
große Ressource der Musiktherapie,
sagt der Freiburger Therapeut Eric
Pfeifer. Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung eingeschränkt seien,
würden Ausdruck und Selbstbestimmung ermöglicht. „Sei das durch ein
Zupfen an einer Gitarrensaite, wenn
gerade noch die Bewegung mit einem Finger möglich ist“, sagt der
Professor an der Katholischen Hochschule Freiburg. „Plötzlich kann ich
selbst etwas tun und werde wahrgenommen. Das ist ein ganz berührendes und besonderes Element in der
Musiktherapie.“
Zudem könne die Musiktherapie
die Motorik verbessern: „Sie bietet
Ansätze und Möglichkeiten, auf
funktionaler Ebene Bewegungsabläufe zu unterstützen und sogar wie-
derzufinden“, sagt Pfeifer. Das hat
auch Rolands Betreuer bemerkt: „Es
fällt ihm eigentlich sehr schwer, etwas zu greifen oder einen bestimmten Punkt zu treffen“, sagt Nassal.
Rolands Finger sind verkrümmt, die
Hände wollen nicht immer so, wie er
es will. Seit Roland an dem Instrument übe, werde es aber etwas besser, sagt Nassal. Auch wenn ihn das
Spielen noch sehr anstrenge. „Danach ist er erschöpft.“
Bislang gibt es nach Angaben der
Techniker Krankenkasse noch relativ wenige Untersuchungen, die Ergebnisse von Musiktherapien statistisch verlässlich nachweisen. Eine
davon sei jedoch die Studie einer
Forschergruppe um den Heidelberger Professor Alexander Wormit.
„Sie zeigt, dass Musiktherapie in der
Krebsbehandlung die Lebensqualität
der Patientinnen und Patienten deutlich steigern und das subjektive
Schmerzempfinden
verringern
kann“, heißt es bei der Krankenkasse.
Dänische Forscher wiederum hätten
gezeigt, dass eine aktive Einzelmusiktherapie bei Kindern mit autistischen Störungen zu einem verbes-
serten Kommunikationsverhalten
führte.
Die Musik sei ein sehr altes Medium, sagt Pfeifer. „Seit jeher haben
Völker sie eingesetzt, um ihre Gesundheit zu erhalten. Das dient nicht
nur zur Behandlung von Kranken,
sondern wird auch zu präventiven
Zwecken eingesetzt.“ Aus der neurobiologischen Forschung wisse man,
dass Musik etwas „Sonderbares“ bewirke: „Wenn wir Musik aktiv praktizieren und hören – nicht nur im Autoradio nebenher – , dann leuchten
im Hirn alle Areale auf“, sagt Pfeifer.
„Da gehen da oben alle Lichter an.“
Beseelt von Musik: Roland Schnee mit seinem Akkordeon.
FOTO: DPA
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