vof – vergabe ohne fallstricke - Architektenkammer Niedersachsen

VOF – VERGABE OHNE FALLSTRICKE
Hinweise zur Durchführung von VOF-Verfahren
Die Handlungsempfehlungen der Architektenkammer sind als pdf-Dokument unter dem
Stichwort „VOF“ abrufbar.
25 Jahre wäre der Münchner Kabarettist Karl Valentin in diesem Jahr alt geworden. Der beißende Spötter, dessen Komik sich zu einem guten Teil auf den ganz
alltäglichen Wahnsinn bezog, thematisierte gerne die Auseinandersetzung mit
den lieben Mitmenschen, ganz besonders aber auch mit den wenig geliebten
Behörden. Die EU-Bürokratie hätte ihm sicherlich manches Futter geliefert. Was
zum Beispiel hätte er wohl zu all den Ärgernissen gesagt, die sich für Architekten aus den Regularien der
EU-Dienstleistungsrichtlinie bzw. der darauf aufbauenden VOF ergeben? Gleichfalls kann man sich aber
auch fragen, was er zu der jüngsten Aktivität der Architektenkammer Niedersachsen zu diesem Thema
gesagt hätte – 10 Jahre nach Inkrafttreten der ersten VOF. Womöglich wäre sie Anlass für sein berühmt
gewordenes Zitat gewesen, demzufolge zwar alles gesagt sei, nur noch nicht von allen. Denn natürlich gibt
es mittlerweile zahlreiche VOF-Kommentare, -Handbücher und -Leitfäden, herausgegeben von Baupraktikern und Juristen, Verwaltungen, Beratern und Kammern – nur eben nicht von der Architektenkammer Niedersachsen.
Wieso nun also ein weiteres Papier? Zunächst einmal wäre da die Feststellung, dass zwar viel zur VOF gesagt ist, in der Praxis aber keineswegs der Eindruck entsteht, alle Akteure wüssten um die Konsequenzen
ihres Tuns. Aktuelle VOF-Ausschreibungen zeugen regelmäßig davon: Ohne Not werden völlig überflüssige,
inhaltliche und formale Anforderungen formuliert, die zahllosen – durchaus für die Aufgabe qualifizierten! – Architekten unglaublichen Aufwand bei der Bewerbung abverlangen, ohne dass deswegen eine
Chance auf Erfolg gegeben wäre. Denn die Auswahl wird später anhand völlig anderer Kriterien getroffen.
Offensichtlich wird gerne der Katalog der Anforderungen kritiklos aus der VOF übernommen, die gleichwohl
nur beispielhaft aufzählt, was möglich – deswegen aber nicht unbedingt sinnvoll – ist. Verständlich ist
natürlich, dass auf der Auftraggeberseite das Gefühl vorherrscht, mit dem Aufzählen möglichst vieler Kriterien die Auswahl denkbar differenziert und auch transparent angelegt zu haben.
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Nicht viel besser sind die Verfahren, bei denen die Teilnahmebedingungen so hoch gesteckt sind, dass die
Bewerbung von Vorneherein auf einige wenige – vielleicht hochgradig spezialisierte, deswegen aber für die
Aufgabe nicht besser geeignete – Büros zugeschnitten scheint. Der Wunsch, eine möglichst „wasserdichte“ Ausschreibung hinzubekommen, paart sich hier höchst unglückselig mit dem heute üblichen Sicherheitsdenken, möglichst nur solche Architekten zu beauftragen, die über umfassende Erfahrungen in allen
nur erdenklichen, mit der Bauaufgabe verknüpften Sparten verfügen.
Das Dilemma ist klar: Weil es keine Möglichkeit gibt, einzelne Auftraggeber zur Nachwuchsförderung oder
Unterstützung kleiner Büros zu verpflichten, dreht sich die „Inzuchtspirale“ zunehmend schneller: Als noch
so qualifiziertes Architekturbüro neu in den Bereich Krankenhausplanung hineinzukommen, ist inzwischen
praktisch ausgeschlossen, weil Aufträge nicht ohne den Nachweis entsprechender Referenzen vergeben
werden. Und dass es bei Hochschulbauten, Sanierungsaufgaben, Bauten der technischen Infrastruktur
usw. in die gleiche Richtung geht, ist offensichtlich. Der VOF-Grundsatz, dass Berufsanfänger und kleine
Büroeinheiten zu berücksichtigen seien, ist bei alledem leider nicht als justiziable Regelung zu verstehen,
sondern nur als politischer Grundsatz, der als zahnloser Tiger vor den richtig interessanten Auftragstöpfen
verhungert.
Was tun? Solange auf einen zu vergebenden Auftrag Hunderte von Bewerbern kommen, wird die Unzufriedenheit groß bleiben, soviel liegt in der Natur der Sache. Aber wie sieht es mit dem Phänomen des zunehmenden Konzentrationsprozesses aus, der ja aus der an sich stimmigen Logik der VOF herrührt, den Auftrag an den besten Bewerber zu vergeben? Die Tendenz zur zunehmenden Spezialisierung wird sich also
fortsetzen. Aber die Konzentration auf die immer gleichen (und in der Regel großen) Büros muss damit
keineswegs verbunden sein. Genau an diesem Punkt setzen die Handlungsempfehlungen der Architektenkammer Niedersachsen an. Denn für den Kindergarten, die Schulerweiterung, die Fassadensanierung des
Rathauses sind kleine Büros, objektiv betrachtet, genauso qualifiziert wie die Architekturfabrik, die für
diesen Auftrag auch nur zwei oder drei Mitarbeiter abstellen würde. Im Gegenteil, bei ersteren ist der Auftrag oftmals sogar Chefsache und damit womöglich in den besseren Händen.
Die wesentliche Aussage der Kammer ist daher, dass aus der Bekanntmachung eines Auftrags die Mindestanforderungen für die Erfüllung der Aufgabe klar werden und dann auch in diesem Sinne geprüft werden müssen. Beispiel: Als erforderlich für den Auftrag werden ein Projektleiter mit fünf Jahren Berufspraxis
und zwei weitere Ingenieure oder Architekten als Mitarbeiter angesehen. Das 100-Mann-Büro, das einen
Projektleiter mit 20 Jahren Berufserfahrung angibt, kann demzufolge auch nicht besser bewertet werden
als das 3-Mann-Büro, in dem sich der Inhaber mit fünf Jahren Berufspraxis selbst als Projektleiter angibt.
Beide Büros müssen beim Kriterium der Personalausstattung gleich gut abschneiden.
Im Ergebnis sind viele der heute abgeprüften Kriterien völlig uninteressant (etwa die für den Auftrag erforderliche Zahl der CAD-Arbeitsplätze, die nämlich in ausreichender Zahl von fast allen Büros nachgewiesen
werden können), also kann auf den Nachweis auch verzichtet werden. Andere Kriterien können den Bewerbern von vorneherein signalisieren, ob sie überhaupt eine Chance in dem Verfahren haben und reduzieren
damit sowohl den Bewerbungsaufwand auf Teilnehmerseite als auch den Prüfungsaufwand auf Auftraggeberseite. Die gängige Formulierung etwa, einen „Nachweis von vergleichbaren öffentlichen Hochbauten“
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zu erbringen, ist viel zu unspezifisch und führt unsinnigerweise dazu, dass jeder Bewerber alles Mögliche
einreicht und anschließend derjenige besser bewertet wird, der die meisten und größten Objekte realisiert
hat. Ob er deswegen den besseren Kindergarten bauen kann, um den es womöglich geht, sei dahingestellt.
Daher wäre es viel sinnvoller, den Nachweis eines öffentlichen Hochbaus mit einer Bausumme von mindestens z. B. 1 Million Euro zu fordern. Jedes Büro, das eine solche Referenz vorweisen kann, hätte die
Anforderungen dann auch grundsätzlich erfüllt und wäre auch bei objektiver Betrachtung tatsächlich qualifiziert.
Natürlich ist klar, dass auf diese Weise die gewünschte und erforderliche Einengung des Bewerberkreises
für das Verhandlungsverfahren – in der Regel auf etwa fünf Büros – meist nicht möglich ist. Drei grundsätzliche Möglichkeiten zeigt der Leitfaden der Architektenkammer an dieser Stelle auf, die in unterschiedlicher Abfolge auch miteinander kombiniert werden können. Die einfachste Möglichkeit ist es, das im Wettbewerbswesen mittlerweile fest verankerte, nicht immer ganz unumstrittene, aber auch weitgehend akzeptierte Losverfahren anzuwenden. Wenn denn alle Bewerber gemäß den genannten Mindestanforderungen
gleich qualifiziert sind, so die Logik, dann kann das Los über die Einladung zum Verhandlungsverfahren
entscheiden. Die Chancen der kleinen und jungen Büros würden damit in dieser Phase deutlich erhöht. Die
zweite Möglichkeit liegt in der umfangreicheren Prüfung von Referenzen, die auch erst zu diesem Zweck
(und damit nicht im ersten Schritt der Bewerbung) eingereicht werden müssten. Da es hierbei um eine
Bewertung der architektonischen Qualität geht, muss diese Prüfung auch durch ein entsprechend besetztes Gremium erfolgen. Die dritte Möglichkeit liegt in der Durchführung eines Architektenwettbewerbs. Natürlich ist dies aus Sicht der Architektenschaft eine keineswegs unwesentliche Option und tatsächlich
sprechen viele Gründe dafür, den Wettbewerb der Prüfung eingereichter Referenzen vorzuziehen. Dennoch
ging es bei der Erstellung des Leitfadens ausdrücklich darum, auch für VOF-Verhandlungsverfahren ohne
Wettbewerb sinnvolle Wege aufzuzeigen. Denn Aufgaben, die sich nicht wirklich für den Wettbewerb eignen, gibt es insbesondere im Bereich des Bestands und damit im wachsenden Umfang.
Leitfäden zur VOF gibt es tatsächlich zur Genüge, die Arbeitsgruppe der Architektenkammer, die sich unter
Vorsitz von Vizepräsident Hartmut Rüdiger mit dem Thema befasst hat, hat deswegen keine umfangreichen
Erläuterungen geschrieben, die in Konkurrenz zu den vorhandenen Kommentaren treten müssten. Vielmehr
wurden Musterbekanntmachungen zu drei grundsätzlich unterschiedlichen Bauaufgaben geschrieben und
mit einigen Zwischenerläuterungen versehen. Auf diese Weise kann den öffentlichen Auftraggebern ein viel
unmittelbareres Hilfsmittel an die Hand gegeben werden, welches das Problem an der Wurzel anfasst. Das
fleißige und mit besten Absichten erfolgte Ausfüllen der amtlichen Bekanntmachungsformulare nämlich
steht meist ganz am Anfang des Prozesses, führt aber noch lange nicht zu einem brauchbaren Vergabeverfahren. Im Gegenteil, es verleitet oftmals zur Formulierung der oben beschriebenen unsinnigen Anforderungen, weil die Struktur und Nomenklatur der Formulare ganz einfach in die Irre führen – den ungeübten
Bearbeiter zumal.
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Eine Arbeitsgruppe des Landeswettbewerbsausschusses ist seit kurzem damit befasst, auch für Vergaben
unterhalb der VOF-Schwelle von zurzeit 211.000 € ein vergleichbares Muster zu erarbeiten. Denn es zeichnet sich ab, dass hier manche aus den VOF-Verfahren bekannten Unsitten abfärben. Und die Gefahr, hier
erst recht völlig unsinnige Anforderungen zu stellen, ist ungleich größer, während gleichzeitig die Alternative lockt, den Auftrag einfach direkt zu vergeben. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen bis zum Herbst vorliegen, die Handlungsempfehlungen zur VOF können bereits jetzt unter www.aknds.de als pdf-Dokument
abgerufen werden.
Und um noch einmal auf Karl Valentin zurückzukommen: Dass heute die gute, alte Zeit von morgen ist,
mag zwar stimmen, sollte uns aber nicht davon abhalten, auf positive Veränderungen hinzuarbeiten.
www.aknds.de/fileadmin/pdf/servicedb/506-vof-leitfaden_gesamt.pdf
Dipl.-Ing. Andreas Rauterberg
Architektenkammer Niedersachsen
Stand: 08/2007