151101-Dankbarkeit mitteilen

1.11.2015
Dankbarkeit mitteilen- Erzählpredigt
Die Predigt heute wird anders laufen als üblich. Ich gebe zunächst eine kleine Zusammenfassung zur Predigt
vom letzten Sonntag. Es ging um das Thema: Dankbar anders sehen. Ich habe dazu zwei Übungen mit in die
Woche gegeben. Danach ist Gelegenheit, von euren Erfahrungen mit einer dieser Übungen oder mit beiden
zu erzählen. Wir wollen Dankbarkeit teilen bzw. Dankbarkeit mitteilen. Zum Schluss möchte ich dann noch
eine schöne Verheißung weitergeben. Gott gibt uns eine wunderbare Verheißung, wenn wir ihm danken.
Das soll uns motivieren, weiter das Danken einzuüben.
Letzten Sonntag war das Thema, Danken anders zu sehen. Im ersten Teil - und darum ging es auch in der
ersten Übung- um unsere Sichtweise, wie wir widrige Umstände sehen. Es liegt an uns ob wir unzufrieden
oder dankbar sind. Es liegt nicht an den Umständen, sondern allein daran, wie wir unsere Situation beurteilen. Wir haben es in der Hand, ob wir unzufrieden oder dankbar sind. Nelson Mandela sagte: „I am the captain of my soul.“ Das bedeutet: Ich habe es in der Hand, wohin ich meine Seele steuere.“ So blieb er auch
im Gefängnis der Handelnde. Es ließ sich nicht von den widrigen Umständen bestimmen. Er bestimmte,
wohin seine Seele steuert. Und das kann jeder von uns auch. Es kommt darauf an, wie wir eine Lage beurteilen. Dazu gibt es ein treffendes Gedicht.
Ich bin dankbar…
…für die Steuern, die ich zahle, weil das bedeutet, dass ich Arbeit habe.
…für die Kleidung, die ein bisschen zu eng sitzt, weil das bedeutet, dass ich genug zu essen habe.
…für den Rasen, der gemäht werden muss, Fenster, die geputzt werden und Dachrinnen, die repariert werden müssen, weil das bedeutet, dass ich ein Zuhause habe.
…für all’ die Beschwerden über die Regierung, die ich höre, weil das bedeutet, dass wir ein Recht auf freie
Meinungsäußerung haben.
…für die Parklücke, die ich am äußersten Ende des Parkplatzes finde, weil das bedeutet, dass ich mit der
Benutzung eines Autos gesegnet bin.
…für den Mann, der in der Kirche sitzt und falsch singt, weil das bedeutet, dass ich hören kann – und dass
sogar Männer den Weg in die Kirche finden.
…für den Wäsche- und Bügelberg, weil das bedeutet, dass ich Kleidung habe.
…für Müdigkeit und schmerzende Muskeln am Ende des Tages, weil das bedeutet, dass ich fähig bin, durchzuhalten.
…für den Wecker, der früh morgens klingelt, weil das bedeutet, dass ich lebe.
Dieses Gedicht kann jeder für sich selbst weiterschreiben. Und das war die erste Übung zum Danken lernen.
Das war der erste Gedankenkreis, wie wir unsere Umstände beurteilen.
Im zweiten Gedankenkreis ging es um das Danken an sich. Wie wir das Danken sehen. Was bedeutet das,
Gott zu danken? Wie kann das gehen, Gott, dem Vater, zu jeder Zeit und für alles zu danken? Wie kann ich
Gott für alles danken? Ich kann doch Gott nicht danken, wenn schlimme Dinge passieren! Das geht, aber
dazu müssen wir das Danken anders sehen. Im Alten Testament gibt es kein Wort für danken. Die Menschen des Alten Testamentes dankten Gott nicht, sie lobten ihn. Und das ist ein wesentlicher Unterschied.
Sie sagten nicht Danke, für das, was sie von Gott bekommen hatten, sondern sie sagten Gott, wie großartig
er ist. Und das kann man zu jeder Zeit und für alles. Dank in der Bibel dankt nicht für die Gabe, sondern lobt
den Geber. Das Gegenstück zur Bitte ist nicht Dank, sondern das Lob. Loben und Danken sind in der Bibel
eins. Danken erhebt Gott, macht Gott groß. Es geht beim Danken weniger um die erfahrene Hilfe, sondern
um den Helfer. Der Dank richtet sich nicht auf die Gabe, sondern auf den Geber. Danken bedeutet, Gott als
Gott anerkennen und sich ihm hingeben.
Wenn wir danken so sehen, dann können wir Gott, dem Vater, zu jeder Zeit für alles danken, nämlich indem wir ihn loben. Gott in jeder Situation loben, das geht schon leichter, als ihn für alles zu danken. Ich
1
kann nicht beten: Danke, Vater für diese schwere Situation. Aber ich kann beten: Vater, ich bete dich an,
weil du es gut mit mir meinst und weil du der Herr über diese Situation bist. Wenn ich nur auf die Gaben
schaue, dann kann ich - wenn ich nichts bekomme - auch nicht danken. Und wenn schlimme Dinge passieren, kann ich schon gar nicht danken. Sehe ich aber auf meinen himmlischen Vater und nicht auf die fehlenden Gaben dann kann ich auch in schwierigen Umständen danken, nämlich im Sinne von loben. Wir
können ihn loben und anbeten, nicht für das, was er gibt, sondern für das, was er ist. Vater, du bist mächtig,
du bist treu, du bist gnädig und barmherzig, du meinst es gut. Das ist danken im Sinne der Psalmen. So können wir danken. Und so konnten wir es mit der zweiten Übung ausprobieren.
Und jetzt bin ich gespannt auf eure Erfahrungen mit einer der beiden Übungen. ….
Zum Schluss möchte ich uns mit einer großartigen Verheißung motivieren. Am Ende von Psalm 50 sagt Gott
zu uns: Wer Dank opfert, verherrlicht mich und bahnt einen Weg; ihn werde ich das Heil Gottes sehen
lassen.
Auch hier steht im Hebräischen wieder das Wort todah. Es bedeutet loben, preisen, kann aber auch mit
danken übersetzt werden. Das wird auch deutlich an der Aussage: Wer dankt verherrlicht Gott. Hintergrund
dieses Psalms ist eine harte Ermahnung Gottes. Die Gläubigen damals hielten zwar ihren frommen Betrieb
aufrecht, aber im Alltag fragten sie nicht nach Gott. Sie opferten regelmäßig ihre Brand- und Schlachtopfer.
Gott erkennt das an, dass sie beständig ihre Opfer bringen. Aber er klagt sie an, weil sie im Alltag nicht nach
seinem Wort leben. Sie belogen sich und redeten schlecht übereinander. Der Gottesdienst war zu einer
äußerlichen Form verkommen. In ihren Herzen hatte Gott keinen Platz. Das gibt es heute auch. Der Gottesdienst ist eine schöne Form. Wir gehen formell in den Gottesdienst, aber Gott bestimmt nicht mehr unser
Denken.
Und nun sagt Gott, was dagegen zu tun ist: Opfere Gott Dank, wer Dank opfert, verherrlicht mich. Gott will,
dass wir ihn ehren und nicht, dass wir formelle Pflichten erfüllen. Gott will nicht, dass wir schöne Gottesdienste feiern. Gott will unser Herz. Und das geschieht durch Dankopfer. Auf die Praxis des Dankopfers
möchte ich jetzt nicht eingehen, das würde zu weit führen. Nur so viel sei angedeutet: Bei einem Dankopfer
wird etwas gegeben, es kostet etwas. Damals wurden Tiere geopfert. Das ist seit dem Tod Jesu nicht mehr
nötig. Es kann sich aber jede und jeder fragen, was kann ich opfern, wenn ich Gott danke? Das müssen
nicht materielle Dinge sein.
Und das Dankopfer ist geprägt von einer ungestörten Gemeinschaft mit Gott. Zum Dankopfer gehörte die
Opfermahlzeit und das war ein Bild für die ungestörte Gemeinschaft mit Gott. Wenn wir Gott danken, dann
haben wir Gemeinschaft mit ihm. Das heißt, wir bringen vorher unsere Beziehung mit ihm in Ordnung. Ein
Dankopfer konnte man nur bringen, wenn vorher ein Schuldopfer gebracht wurde. Vor dem Dank musste
die Schuld bereinigt werden. Gott danken, bedeutet bereinigte Beziehung, tiefe Gemeinschaft mit ihm haben und ihn verherrlichen. Das ist der Weg zum Heil. Den Dankbaren zeigt Gott den Weg zum Heil. Dietrich
Bonhoeffer hat das in einem Gedicht so ausgedrückt1:
Undank erstickt den Glauben, verstopft den Zugang zu Gott.
Nur zu dem dankbaren Samariter sagt Jesus: „Dein Glaube hat dir geholfen.“
Den Undankbaren ist trotz der Genesung in Wahrheit nicht geholfen.
Es ist die Ursünde der Heiden, dass sie Gott, von dessen Dasein sie wissen, nicht „als Gott gedankt haben“
Wo Gott als Gott erkannt wird, dort will er als erstes den Dank seiner Geschöpfe.
Undank beginnt mit dem Vergessen,
aus Vergessen folgt Gleichgültigkeit,
aus der Gleichgültigkeit Unzufriedenheit,
aus der Unzufriedenheit Verzweiflung,
1
Dietrich Bonhoeffer in Gesammelte Schriften Band III. S. 420.
2
aus der Verzweiflung der Fluch.
Den Dankbaren zeigt Gott den Weg zu seinem Heil.
Lass dich fragen, ob dein Herz durch Undank
so mürrisch,
so träge
so müde,
so verzagt
geworden ist.
Opfere Gott Dank, und „da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes.“ (Ps 50,23)
Diese Aussage lässt mehrere Deutungen zu. Zum einen sagt sie, im Sinne von Bonhoeffer sagt sie: Wer undankbar ist, schlägt den Weg ins Verderben ein. Der Dankbare geht auf den Weg zum Heil Gottes. Er bleibt
mit Gott verbunden.
Dann kann die Aussage aber auch so verstanden werden: Den Dankbaren erschließt Gott das Heil, d.h. sie
werden himmlischen Segen sehen, jetzt schon nicht erst in der Ewigkeit. Dankbarkeit ist demnach der Weg
über den Gott sein Heil in unsere Herzen führt. Durch Dankopfer öffnen wir uns für Gottes Heilsgeschenke!
Zwei Verheißungen stecken in Ps 50: Dankbarkeit bewahrt uns vor dem Weg ins Verderben. Und durch
Dankbarkeit öffnen wir uns für Gottes Heil. Amen.
Reinhard Reitenspieß
3