VG München, Beschluss v. 25.06.2015 – 18 S 15.50531 Titel: VG München: Asylantrag, Abschiebungsanordnung, Treffer, Asylverfahrensgesetz, Rechtsquelle, Außenstelle, Mazedonien, Immigration, Fingerabdruck, Fuss, ohne mündliche Verhandlung, Zugang zur Beschäftigung, Erkenntnismittel, Nachkomme, Office, Sozialhilfeleistung, Misshandlung, Lager, Gerichtsakte, Drittstaat Normenketten: AsylVfG §§ 27a, 34a VO (EU) 604/2013 § 27a AsylVfG AsylVfG §§ 27a, 34a § 80 Abs. 5 VwGO § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Schlagworte: Asylverfahren, Abschiebungsanordnung, Ungarn, Rückübernahme, systemischer Mangel Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben am ... geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Am 16. Februar 2015 stellte er im Bundesgebiet Asylantrag. Im Rahmen einer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16. Februar 2015 gab der Antragsteller u. a. an, er habe sich seit dem Verlassen seines Heimatlandes ca. 1 Monat im Iran, ca. 20 bis 25 Tage in der Türkei und ca. 4 Monate in Griechenland aufgehalten und sei dann durch Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich mit dem Zug nach Deutschland gereist. In Ungarn seien ihm im Dezember 2014 Fingerabdrücke abgenommen worden. Für den Antragsteller wurde ein EURODAC-Treffer in Ungarn (HU) sowie weitere EURODAC-Treffer in Griechenland ermittelt. Am 20. April 2015 richtete das Bundesamt ein Rückübernahmeersuchen an Ungarn. Mit Schreiben vom 22. April 2015 erklärte sich Ungarn (Office of Immigration and Nationality) zur Rückübernahme des Antragstellers bereit. Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen. Für diesen Bescheid befindet sich kein Zustellnachweis beim Bundesamtsvorgang. Mit Schriftsatz vom ... Mai 2015, der am gleichen Tag bei Gericht einging, erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers für diesen Klage gegen den Bescheid vom 12. Mai 2015 (M 18 K 15.50523) und beantragten weiter, hinsichtlich der Abschiebungsanordnung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, nach den gegenwärtig vorliegenden Erkenntnismitteln sei mit einiger Wahrscheinlichkeit ernsthaft zu befürchten, dass Asylbewerber, welche in Ungarn subsidiären Schutz erhielten und anschließend ausgereist seien, bei ihrer Rückkehr nach Ungarn dort nicht Fuß fassen und menschwürdig existieren könnten. Dies gelte umso mehr mit Blick auf den bevorstehenden Winter. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, dass Ungarn seinen Verpflichtungen auf Zugang zur Beschäftigung, Zugang zur Bildung, Sozialhilfeleistungen und medizinische Versorgung sowie Zugang zu Wohnraum nachkomme. Flüchtlinge würden in Ungarn systematisch inhaftiert. Nach der von Misshandlungen geprägten Haft würden die meisten Flüchtlinge über kurz oder lang auf die Straße gesetzt. Angesichts der dokumentierten systemischen Mängel des ungarischen Asylsystems seien Rückschiebungen von Flüchtlingen nicht mit europäischer Rechtsprechung zu vereinbaren. Flüchtlinge würden in Ungarn systematisch in gefängnisartigen Lagern inhaftiert. Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 27. Mai 2015 die Behördenakte vor und äußerte sich im Übrigen nicht. Wegen den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen. II. Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben. Danach ist Ungarn aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Für den Antragsteller hat sich ein EURODAC-Treffer u. a. für Ungarn ergeben. Die Ziffer „1“ nach dem Länderkürzel steht für Personen, die in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben, Art. 2 Abs. 3 Satz 5 VO (EG) Nr. 407/2002. Für die Prüfung des Asylantrags ist nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO Ungarn zuständig; der Antragsteller hat selbst angegeben, aus Serbien nach Ungarn eingereist zu sein. Die ungarischen Behörden haben mit Schreiben vom 22. April 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO erklärt. Somit steht grundsätzlich fest, dass die Abschiebung nach Ungarn durchgeführt werden kann. Die Überstellung an Ungarn ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-IIIVO. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i. S. v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG B.v. 19.3.2014 10 B 6.14 - juris). Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Ungarn aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH v. 12.6.2015 - 13a B 15.50097 - nicht veröffentlicht; vgl. a. OVG SH v. 13.4.2015 - 2 LA 39/15 - juris). Auch der EGMR (U.v. 3.7.2014 - 71932/12) geht davon aus, dass keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr stattfindet, Alternativen zur Inhaftierung gesetzlich vorgesehen sind und insgesamt gesehen Verbesserungen festgestellt werden können. Auch mit einer Abschiebung nach Serbien sei während des laufenden Asylverfahrens nicht mehr zu rechnen. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
© Copyright 2024 ExpyDoc